Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Registrieren
Advertisement

Biographien.[]

(1806) Neuer Plutarch, oder kurze Lebensbeschreibungen der berühmtesten Männer aller Nationen von den ältesten bis auf unsere Zeiten. Herausgegeben von Peter Blanchard. Wien, 1806.

(1816) Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.


Alexander der I., Kaiser von Rußland.[]


Alexander.

Gebohren am 23sten Dezember 1777.

Kaiser Paul I. war in der Nacht vom 23. März 1801 schnell aus dem Leben gegangen. Sein ältester Sohn Alexander folgte ihm auf dem Throne von Rußland nach. Schon seine ersten Verfügungen athmeten Weisheit und Güte. In dem Manifeste, worinn Alexander seine Thronbesteigung ankündigte, versprach er nach den Gesetzen und dem Herzen der großen Catharina zu regieren. Gleich beym Antritte seiner Regierung wurde dem Kommerz ein freyer und ungehinderter Verkehr verschafft, die auf die Ausfuhr vieler Artikel gelegten Verbothe wurden aufgehoben, und die Betreibung des Handels nach den Tariffen unter der Regierung in volle Kraft gesetzt.

Die Kaufmannswaaren, wie Bücher und Schriften wurden von dem Einfuhrsverbothe befreyt. Die bisher bestehenden Censursbehörden wurden aufgehoben, und die Buchdruckereyen sollten wie andere Fabriken und Gewerbe betrachtet werden, die Durchsicht aber den Civilbehörden, statt wie bisher der Polizey obliegen. Bey den Druckereyen der gelehrten Gesellschaften, als Akademien, Universitäten xc. wird die Censur diesen Behörden übertragen.

Gleich bey dem Regierungsantritte des Kaisers wurde das einstweilige Conseil in ein unveränderliches verwandelt, und die geheime Inquisitionskanzley aufgehoben, welche unter dem Nahmen einer geheimen Expedition noch immer existirte. Ferner wurde dem Senate aufgetragen, über das Wesentliche seiner Rechte und Pflichten dem Kaiser einen Bericht zu unterlegen. Dieß geschah, und der Senat, welcher viele seiner alten Rechte verlohren hatte, wurde wieder in seine alte Würde, einer ehrenvollen Mittelstelle zwischen dem Volke und dem Kaiser, eingesetzt. Diesem Ukas zu Folge ist der Senat die oberste Stelle im Russischen Reiche, alle Gerichtsstellen sind ihm untergeordnet, als Bewahrer der Gesetze sorgt er für die allgemeine Handhabung der Gerechtigleit hat ein wachsames Auge auf die Einkassirung der Abgaben. Der Senat erkennt nur die kaiserliche Gewalt über sich, u. s. w. Dann wurde ein neues Ministerium errichtet, und die Verwaltung der Reichsangelegenheiten unter 8 Abtheilungen gebracht, nämlich 1. das Ministerium der Landmacht, 2. der Seemacht, 3. der auswärtigen Angelegenheiten, 4. der Justiz, 5. der innern Angelegenheiten, 6. der Finanzen, 7. des Handels, und 8. der Volksaufklärung.

Auch sollte durch mehrere neu angelegte Kanäle oder eifrige Fortführung der schon angefangenen die neue Landeskommunikation erleichtet werden. Der von Catharinen gestiftete Wladimir Orden ist in seine vorige Autorität wieder hergestellt worden. Die Ausgaben des Hofstaats wurden beschränkt. Jedermann erhielt die Freyheit, ins Russische Reich zu kommen, und dasselbe zu verlassen; viele Staatsgefangene wurden in Freyheit gesetzt, die meisten erhielten ihre Güter zurück. Das Russische Reich wurde wieder, wie es ehemals unter der großen Catharina bestand, in 50 Gouvernements eingetheilt. Und welche Verdienste sich Alexander durch die Dotirung und Stiftung der sechs Universitäten: Dorpat, Wilna, Moskau, Petersburg, Charkow, und Kasan, so wie durch Errichtung von Gymnasien und Volksschulen, um die Wissenschaften und die Aufklärung seiner Unterthanen erworben habe, und sie täglich vermehrt, braucht man wohl nicht auseinander zu setzen.

Alexander, sagt ein unterrichteter Augenzeuge, flößt durch seine physische Schönheit und moralische Güte eine Art Bewunderung ein. Er hat die großen Gesinnungen Catharinens, einen richtig denkenden und durchdringenden Geist, und eine seltene Diskrezion, dabey aber eine weise, bedächtige Klugheit, die ihn bey allen seinen Planen leitet. Er wird von den Soldaten angebethet, und von den Offizieren wegen seinen Einsichten bewundert. Noch als Großfürst war er oft Vermittler zwischen seinem Vater und den Unglücklichen, die sich den kaiserlichen Zorn zugezogen hatten. Die Natur hat ihn mit allen liebenswürdigen Eigenschaften begabt, und der Erbe des größten Reiches gebraucht sie auch für die Menschheit äußert wohlthätig.

Ein Zug, der ihn ganz charakterisirt, mag dieses Gemählde beschließen. Die Fürstin G * * n wandte sich mit einer gesetzwidrigen Bitte an ihn, und führte das Motiv an, daß er ja über das Gesetz erhaben wäre. -- Höher zu seyn, als das Gesetz -- war Alexanders Antwort -- wenn ich das auch könnte, ich würde es nicht einmahl wollen, denn ich erkenne auf der ganzen Welt keine Gewalt als rechtmässig, die nicht von den Gesetzen herstammt.


Aussicht in die Regierung Kaisers Alexander I.[]


Man sagt, Alexander habe in der kleinsten Jugend große Talente blicken lassen, daß ihn die Kaiserinn mit Hintansetzung ihres Sohnes Paul zum Thronfolger gewünscht hätte. Seine schöne Bildung, sein freundlicher Anblick, sein majestätischer Körperbau, kurz sein ganzes Aussehen verräth einen edlen und großen Geist, der ihn beseelt. Unter den scharfsichtigen Augen der großen Katharina wuchs er zum Glücke künftiger Generationen auf, und war frühzeitig die Wollust des Volkes, Seinen Herrn Vater, Paul Petrowisch, liebte er zärtlich, und wir haben gehört, wie er sich bey dessen Tode betrug. Thränen rollten über seine zarten Wangen herab, das gefühlvolle Herz schlug vor Schmerzen; seine Seele entsetzte sich so sehr über seines Vaters Tod, daß er aus Uebermaß des Schmerzen die Thronfolge ausschlug, und man zu thun hatte, ihn zu bereden, den russischen Thron zu besteigen.

Bey seiner Thronbesteigung beschloß er, in die Fußstapfen seiner Großmutter, Katharina II., zu treten, und erneuerte mit Oesterreich das Bündniß, welches schon so lange bestand, und das am Ende des Lebens seines Vaters durch fremden Einfluß war unterbrochen worden. Es sah die Kränkungen des Erzhauses, der italiänischen Fürsten, des deutschen Reiches, und die kühnen Schritte der französischen Regierung ein, trat der Coalition vom Jahre 1805 bey, schickte eine starke Armee nach Deutschland, und stellte sich an die Spitze derselben. Bey Austerlitz trat er zuerst auf dem Schauplatze des Krieges auf, unterzog sich allen Strapatzen desselben, und erduldete zuweilen Mangel an Lebensmitteln. Durch die schrecklichen Unglücksfälle im Jahre 1805 ließ er sich nicht abschrecken, sondern verdoppelte den Eifer, die gerechte Sache zu vertheidigen. Er verband sich daher 1806 mit Preußen und Schweden gegen Frankreich, both seine ganze Macht auf, stellte sich wieder an die Spitze seiner Truppen, und hielt unter allen Mächten des Continents am längsten aus. Bey Danzig, Preußisch-Eylau und Friedland hört er das Donnern der Kanonen, gab Verhaltungsbefehle, machte einem durch seine feine Tactik fast unüberwindlichen Feinde Vieles zu schaffen, und würde ganz gewiß noch etwas Großes gethan haben, wenn ihn nicht das Leiden der Menschheit gerührt, und zur Schließung des Friedens zu Tilsit bewogen hätte.

Kaiser Napoleon selbst bewunderte seine weitaussehende Talente, und staunte bey seinen Unterredungen über die gesunde Beurtheilungskraft des Kaisers Alexander. Beyde großen Monarchen gewannen einander sehr lieb, gaben der Welt durch die Zusammenkunft auf den rauschenden Fluthen der Memel ein durch Jahrhunderte nicht gesehenes Schauspiel, und versiegelten die Freundschaft, welche seit mehr als einem Jahrzehende unterbrochen war, durch einen feyerlichen Friedens-Tractat. Jetzt arbeitet Kaiser Alexander an einem allgemeinen Frieden mit einer rastlosen Anstrengung; er stellt den Britten die schrecklichen Folgen des Krieges, den Verfall des Handels, die Noth der bedrängten Menschheit vor Augen, und bemüht sich, zu zeigen, daß es nun Zeit sey, dem Blutvergießen ein Ende zu machen, und dem Continente den schon lange gewünschten Frieden zu schenken. Die Zeit muß uns lehren, was seine nachdrücklichen Vorstellungen wirken werden.

Nebst der Schönheit seiner Gesichtsbildung, welche noch durch einen leutseligen und offenherzigen Blick erhöhet wird, und seines festen Körperbaues, der selbst mit zunehmendem Alter noch vieles gewinnen wird, hat Alexander ein noch weit schöneres, ein gefühlvolles, religiöses, und mitleidiges Herz. Wer ihn von dieser Seite zu faßen weiß, kann viel ausrichten. Seine neuen militärischen Einrichtungen, alle seine Ukasen und Dokladen sind redende Beweise von seinen Einsichten und seiner Vaterlandsliebe.

Man verspricht sich mit Zuversicht von seinen jetzigen Thaten, wichtigen Unternehmungen und weisen Einrichtungen Denkmahle seiner künftigen glücklichen Regierung; und sie werden gewiß bey der Nachwelt ein verehrungsvolles Erstaunen erregen. Seine edlen Gefühle und wohlthätigen Leidenschaften, ohne welche nie ein großes Genie ist hervorgebracht worden, sind uns Bürge dafür. Seine stets wirksame Gerechtigkeitsliebe, die Kunst, keine Zeit oder Gelegenheit ungenützt vorüber gehen zu lassen, der immer gleiche Hang, für die Unsterblichkeit zu arbeiten, wohl zu thun und glückliche Menschen zu machen, sind Züge aus dem edlen Charakter Kaisers Alexander I. An ihm wird wahr werden, was das Sprichwort sagt: Der gut anfängt, hat die Arbeit zur Hälfte schon vollbracht. Von Tag zu Tag wachse er an Tugend und Weisheit! Unsterblich soll seine Nahme, groß im Kriege und Frieden seyn ! ! !


Alexander I., Kaiser und Selbstherrscher aller Reussen.[]

[1]
Alexander I. (Paulowitsch), Kaiser und Selbstherrscher aller Reussen, geboren am 23sten (12ten) December 1777, ältester Sohn von Kaiser Paul I. (Petrowitsch) und dessen zweiter Gemahlin Marie Feodorowna, Herzogs Friedrich Eugen von Wirtemberg Tochter, vermählt seit dem 9ten Oct. 1793 mit Elisabeth Alexiewna (zuvor Marie Louise Auguste), des verstorbenen Erbprinzen Carl Ludwig von Baden Tochter, geb. den 24sten (13ten) Jan. 1779; folgte seinem Vater auf den Thron am 24sten März 1801, ward gekrönt zu Moskau am 27sten Sept. desselben Jahres.

Umsicht bei einem gebildeten Verstande, Energie bei edler Milde, Entschlossenheit und Geistesstärke im Augenblicke, wo es entscheidende Maßregeln gilt, Eifer, das große Bildungswerk der Nation, das Peter begann und Catharina fortsetzte, seiner Vollendung näher zu bringen: dies sind die Hauptzüge zu Alexanders getreuem Bilde. Die geistvolle Catharina hatte ganz besonders die Erziehung ihrer Enkel zu leiten übernommen. Sie entwarf einen Erziehungsplan, in Form einer an den Oberhofmeister der jungen Prinzen, Grafen Nicolaus Soltikow, gerichteten Instruction, wovon Abschriften an die Vorsteher abgegeben wurden, welche, wie man behaupten will, die einzige, allerdings sonderbare Vorschrift dieser Instruction: "der jungen Großfürsten soll weder in der Poesie, noch in der Musik Unterricht ertheilt werden, weil zu viele Zeit darauf verwendet werden müßte, um ihnen einige Geschicklichkeit darin beizubringen," verstanden, und gern auch auf die übrigen Unterrichtsgegenstände ausgedehnt haben würden, hätte nicht das Glück den Prinzen die vortrefflichsten Lehrer zugeführt. Diese waren Laharpe, der den natürlichen Keim des Edlen und Schönen, der in dem jungen Alexander lag, sorgsam pflegte und zu entwickeln verstand; der Professor Kraft, unter welchem Alexander die Experimental-Physik studirte *); der berühmte Pallas, der die Prinzen in ihrem Garten bei Paulowsky in der Botanik unterrichtete, seinen Unterricht aber auf Befehl Catharinens einstellen mußte, weil durch die Entwicklung des linnéischen Systems gewisse Ideen in den Prinzen geweckt wurden, die ihnen nach Catharinens bestimmtem Willen fremd bleiben sollten. Dennoch konnte die Kaiserin, die so gern Urgroßmutter heißen wollte, die Verheirathung ihrer Enkel nicht erwarten, und noch hatte Alexander das sechzehnte Jahr nicht zurückgelegt, als er schon den Torus bestieg. Da Catharine die Bahn der politischen Herrschaft ihrer Enkel vorgezeichnet hatte, und es in ihren Lieblingsplan gehörte, für sie die Welt einst in zwei große Reiche getheilt sich zu denken, wobei sie den Occident dem Alexander, den Orient aber seinem Bruder Constantin zudachte, so suchte sie auch durch die Umgebungen der Prinzen diese für ihre zukünftige hohe Bestimmung vorzubereiten; während Constantin griechische Ammen hatte und nur mit Griechen umging, war Alexander von Engländern umringt, für deren Nation man ihm eine besondere Vorliebe einzuflößen suchte **).

Daß Alexanders Vater, nach Catharinens Willen, auch nicht den mindesten Einfluß auf die Erziehung seiner Söhne haben durfte, war vielleicht nicht ohne Vortheil. Die Catastrophe des 23sten März 1801, in der Paul I. einen gewaltsamen Tod fand, erhob den 24jährigen Czarewitsch als Alexander I. zum Selbstherrscher aller Reussen; und nicht unwahrscheinlich ist es, daß bei Catharinens Tode nur das Unvermögen derselben zu sprechen, oder sonst sich verständlich zu machen, es verhinderte, daß nicht schon damals statt des nicht geliebten Sohnes der geliebte Enkel Rußlands Krone empfing. Alexanders erster Wunsch nach seiner Thronbesteigung am 30sten März 1801 war Friede. Er schrieb deshalb nach London und Paris; denn Rußland war mit England in Krieg, ohne mit Frankreich Frieden geschlossen zu haben, und schon im Juni wurde eine neue Seefahrtsconvention zwischen Rußland und England abgeschlossen, in welcher die freie Schifffahrt der Neutralen mit der Modification zugestanden wurde, daß ihre Schiffe, im Falle eines Verdachts, visitirt werden dürften. Gleich wichtige Veränderungen erfolgten im Innern. Das temporäre Conseil ward in ein immerwährendes verwandelt, die politische Inquisition am 7ten April 1801 aufgehoben -- "weil in einem wohl eingerichteten Staate alle Verbrechen bloß durch die allgemeine Kraft der Gesetze entdeckt, gerichtet und bestraft werden müssen" - und das Verhältniß des Gesetzgebers zu den Gesetzten in den Worten bestimmt: -- "ich erkenne keine Gewalt für rechtmäßig, die nicht aus den Gesetzen fließt."

Die Errichtung eines neuen Ministeriums: die Erhebung des Senats zu der Würde einer moralischen Mittelperson zwischen Volk und Regenten; die allgemeinen und besondern Maßregeln zur Volkserziehung und Beförderung der Volksaufklärung, wohin die Erneuerung und Stiftung von Schulen und Universitäten, und der rühmlichste Eifer für Erweiterung der Wissenschaften und Künste gehören; die Bestimmung der Rechte und Vorzüge der verschiedenen Stände des Reiches; freier Ein- und Rückgang in und aus dem Reiche; Bestätigung der Adelsprivilegien; Befreiung des geistlichen Standes von den empörenden Leibesstrafen; Sicherstellung des Bauernstandes vor erhöhten Abgaben und neuen Auflagen; die Berechtigung des Bürger- und Bauernstandes zur Erwerbung von Grundeigenthum (Ukas v. 12ten Dec. 1801), welche zur politischen Freiheit der Nation hinführt; die Verbesserung des Justizwesens, wobei die Abschaffung der Folter mit den Worten geschah: -- "der Name Folter, der die Menschheit schändet und ihr Vorwürfe bringt, werde auf immer aus dem Andenken des Volkes ausgelöscht;" -- Reorganisation des Polizeiwesens und der Gouvernementsverfassung überhaupt; das Regulativ über die liefländische Bauernverfassung; die Einsetzung einer Commission zur Redaction der Gesetze (48 Beamte, denen zur Bestreitung der Ausgaben jährlich 100,000 Rubel angewiesen sind); die Begünstigung des Colonialsystems im Innern des weitschichtigen Reichs; nicht zu zählende Verfügungen für Belebung des Handels durch Canäle u. s. w., der landwirthschaftlichen Industrie und des Kunstfleißes, für Verbesserung der Finanzverwaltung; Milderung des Schicksals der Verwiesenen; erweiterte Censur- und Gewissensfreiheit; die Fürsorge für Arme, Kranke und Verdienstlose, neben der Reorganisation der Armee; -- dies sind in summarischer Aufzählung die Regententhaten Alexanders, in deren kräftigster Fortsetzung er in diesem Augenblick noch begriffen ist.

Betrachtet man Alexander I. in seiner Verhältnissen zum Auslande, als Verfechter der Selbstständigkeit seines Thrones und der Nationalehre, als oberster Leiter der Diplomatie, als Politiker: so findet man ihn nicht weniger achtungswerth.

Sechs Wochen vor seiner Thronbesteigung war der lünerviller Friede abgeschlossen worden. Er selbst fühlte zu sehr, wie nothwendig ihm der Friede zur Ausführung seiner Entwürfe für die Civilisirung seines Volkes sey, als daß er ihn hätte verweigern sollen. Dieser friedliche Sinn beherrschte ihn auch, als er zwar die Anerkennung des französischen Kaisertitels nicht unbedingt zusagte, aber doch in Paris durch Oubril deshalb unterhandeln ließ. Der Drang von außen nöthigte ihn jedoch endlich das Schwert zu ziehen. Im Bunde mit England, Oesterreich und Schweden begann er 1805 den Krieg wider Frankreich. Nachdem er Zeuge der Schlacht bei Austerlitz und der Versöhnung Oesterreichs mit Frankreich gewesen war, zog er mit seinem Heere nach Rußland zurück, ohne für sich selbst Friede mit Frankreich geschlossen zu haben. Sein freundschaftliches Verhältniß mit Friedrich Wilhelm III. von Preußen und dessen Gemahlin, welches schon 1805 das Bündniß beider Monarchen über Friedrichs des Einzigen Sarkophag herbeigeführt hatte, entzündete den neuen Krieg gegen Frankreich (in den Jahren 1806 und 1807). Preußen war erobert, - aber noch hatte kein Franzose Rußlands Boden betreten, dem das französische Hauptquartier durch die Schlacht von Tilsit so nahe gerückt war. Da erschien der 9te Juni 1807, wo Alexander auf den Fluthen des Niemen die erste persönliche Zusammenkunft mit Napoleon hatte, und die beiden mächtigsten Monarchen des Continents sich die Hand boten zur Versöhnung, zum gemeinschaftlichen Ringen nach dem großen Ziele eines allgemeinen Friedens.

Bei dieser Versöhnung hatte Alexander die Verpflichtung übernommen, mit aller Kraft zur Aufrechthaltung des gegen Großbritannien ergriffenen Continentalsystems mitzuwirken. - Dies veranlaßte die Fortsetzung eines schon früher begonnenen Krieges mit der Pforte, und einen heftigen Kampf mit Schweden. Der Friede mit dem letztern verschaffte ihm Finnland, diese herrliche Provinz, und die später erfolgte Aussöhnung mit der Pforte einen schönen Strich Landes bis an den Pruth. Während des Zeitraumes aber, der zwischen dem Frieden mit Schweden und dem mit der Türkei lag, hatten zwei wichtige Ereignisse Statt gehabt. Im Oct. 1808 hatte Alexander noch einmal seinen Bundesgenossen Napoleon gesehen; er hatte, mit diesem vereint, Großbritannien die Friedenshand entgegen gereicht; er hatte im Jahre darauf, im neuen Kriege zwischen Oesterreich und Frankreich, dem letztern ein Hülfscorps gestellt, und eine gallizische Provinz dafür gewonnen; sein Verband mit Napoleon, der seine freundschaftlichen Gesinnungen für Rußlands erhabenen Souverän im Einklange mit seiner Politik öffentlich erklärte, schien unauslöslich, als plötzlich dieser Band zerriß, und sich in die heftigste Erbitterung verwandelte.

Napoleon hatte im Jahre 1810 das Herzogthum Oldenburg, das sein Daseyn Rußlands Großmuth verdankte, mit Frankreich vereinigt. Die von Alexander gegen diesen Schritt eingelegte Protestation, der bald die wirkliche, wenn auch nicht formelle Wiederherstellung der Handelsverhältnisse Rußlands mit England folgte, führte zur Spannung zwischen beiden Monarchen, und endlich zu einem blutigen Kampfe. Napoleon drang zwar bis in die alte Krönungsstadt der Czaare; allein Alexander, entschlossen, eher das Aeußerste über sich und sein Reich ergehen zu lassen, als ein fremdes Gesetz anzuerkennen, raubte den siegreiche Franzosen die Früchte ihrer Anstrengungen durch die Genehmigung des ungeheuren Entschlusses: Moskau zu verbrennen. Als diese darauf Rußlands Gebiet verlassen mußte, als Alexander mit seinem Heere selbst Preußen und endlich Deutschlands Boden betrat, da verband er aufs neue sich mit Friedrich Wilhelm III. Während jener Begebenheiten war auch sein Verein mit England und der nähere Zusammentritt mit Schweden, dessen Kronprinzen er im September 1812 in Abo sah, bekannt geworden. Er rückte, mit seinen Heeren und verstärkt durch die mit unaussprechlichem Enthusiasmus erfüllten preußischen Legionen dem fliehenden Feinde über die Elbe nach. Zwar gelang es dem letzteren an den Tagen von Lützen und Bautzen sich abermals von ihren Niederlagen aufzuraffen, und Alexander wich wieder bis nach Schlesien zurück. Aber Oesterreichs Beitritt zur Coalition und die zur Verstärkung und Concentration der Macht des Nordens wohl benützte Zeit gab der guten Sache den Sieg. Auf den Feldern von Leipzig ward das Joch zertrümmert, unter dem die Völker von Europa so lange geseufzt hatten; und im lauten Jubel begrüßten dies Völker Alexandern als ihren Retter. Schon am 5. Nov. kam er mit seinem Hauptquartiere in Frankfurth am Mayn an, führte dann seine Heere über den Ober-Rhein in das Innere von Frankreich, nahm an allen Operationen und Unterhandlungen, die daselbst statt hatten, unmittelbaren Antheil, und zog am 31. März 1814 in die Hauptstadt des französischen Reiches ein; wo er den Senat versammelte, der dann die Thronentsetzung Napoleons aussprach. Nie hat aber ein Sieger sein Glück mit mehr Mässigung genossen, als Alexander; wie denn die schonenden Maaßregeln, die man, in der Behandlung des eroberten Landes und in der Bestimmung seiner künftigen politischen Verhältnisse nahm, größten Theils aus seinem edlen Herzen hervor gegangen waren. In Paris kamen die Gesandten des heiligen Synodes, des Reichsraths und des dirigirenden Senats von Rußland zu ihm, und hatten ihn im Namen dieser Behörden, daß er den Namen des "Gesegneten" annehmen möchte; welcher Antrag aber von ihm auf eine edle Art abgelehnt wurde. Als die französischen Angelegenheiten geordnet waren, reiste er mit seinem Freunde, dem Könige von Preußen nach England, verweilte daselbst vom 7ten bis 22sten Junii, sah alles Merkwürdige dieses interessanten Landes, und gewann auch hier aller Herzen durch seinen humanen Charakter und durch seine Popularität. Am 25. Jul. kam er wieder nach Petersburg zurück; in hohem Jubel feyerte die Hauptstadt das Wiedersehen des geliebten Monarchen, durch den während seiner Abwesenheit so große Dinge geschehen waren. Er verweilte aber nur kurze Zeit in der Mitte seines Volkes, da das große Geschäft, das nun in Wien erledigt werden sollte, seine Anwesenheit forderte. Er langte am 25sten Sept. abermals an der Seite des Königs Friedrich Wilhelm daselbst an. Während hier an der Grundlagen zu einem dauernden Ruhestande von Europa gearbeitet wurde, sann Napoleon dem Anschlage nach, den verlornen Thron wieder zu besteigen. Frankreich unterwarf sich ihm aufs Neue, und Alexander rief seine Heere abermals in den Süden zurück. Am 27sten Jun. ging er bey Mannheim über den Rhein, und da der Sieg bei la Belle Alliance alle Macht des Feindes an einem Tage vernichtet hatte, zog er unaufhaltsam auf dem Wege nach Paris vorwärts, und am 10ten Jul. sah ihn diese Hauptstadt wieder in ihrer Mitte. Nachdem er die Bourbons auf ihrem Thron befestigt, und Frankreich Verhältnisse zu den übrigen Mächten, im Einverständnisse mit seinen Bundesgenossen, bestimmt hatte, ging er über Berlin wieder in seine Staaten zurück, und kam am 7ten Dec. in Petersburg an. Er war beinahe drei volle Jahre aus seiner Residenz abwesend gewesen, während welcher Zeit er durch den Erwerb des Herzogthums Warschau sein reich mächtig erweitert, die Krone von Polen auf sein Haupt gesetzt, die russische Waffen bis an die Loire getragen, seine Freunde und Bundesgenossen gerettet und wieder hergestellt, Europa von der Gewalt einer herein brechenden Universalmonarchie befreyt, und Rußland auf den höchsten Gipfel von Einfluß, Ansehen und Rhum gebracht hatte.

*) Als Kraft einst die verschiedenen Hypothesen über die Natur des Lichtes vortrug, unterbrach ihn der zwölfjährige Alexander eben, als er von Newtons Meinung sprach, daß das Licht eine beständige Emanation aus der Sonne sey, mit dem Einwurfe: "das glaube ich nicht, denn sonst müßte ja die Sonne täglich kleiner werden."
**) Catharina ließ beiden Prinzen öfters malen, wie der eine den gordischen Knoten zerhaut, und der andere das Kreuz Constantins trägt. (Man vergl. geheime Nachrichten über Rußland unter Catharina II. und Paul I. - Paris 1800.


Worte Napoleons.[]


"Der König von Preußen ist, als Privatcharakter, ein rechtlicher, guter und ehrlicher Mann; aber in Absicht auf seine politischen Fähigkeiten ist er von Natur den Umständen unterworfen; man ist Herr über ihn, so lange man Macht besitzt, und dem Arm aufgehoben hält."

"Der Kaiser von Rußland steht über Alles dieses weit erhaben. Er hat Geist, Anmuth, ist unterrichtet, und kann die Menschen leicht hinreißen. Man muß aber auf der Hut seyn; denn er ist nicht aufrichtig; er ist ein wahrer Grieche des morgenländischen Reichs (c'est un vrai Grec du Bas-Empire). Gleichwohl ist er nicht frei von einer wirklichen oder vorgespielten Ideologie. Dieß möchte übrigens nur der Anmuth seyn, den ihm seine Erziehung, oder sein Lehrer gegeben. Niemand wird errathen, worüber ich einmal mit ihm zu streiten hatte. Er behauptete, daß die Erblichkeit ein Mißbrauch in der souverainen Macht sey; und ich mußte über eine Stunde meine ganze Beredsamkeit und Logik zu Hülfe rufen, um ihm zu beweisen, daß diese Erblichkeit die Ruhe und das Glück der Völker verbürge. Vielleicht foppte er mich auch nur; denn er ist sein, falsch, gewandt, h......... Er kann es weit bringen. Wenn ich hier sterbe, so wird er in Europa mein wahrer Erbe seyn. Ich allein konnte ihn mit seiner tatarischen Sündfluth aushalten. Die Crisis ist groß, und fortdauernd für den europäischen Kontinent, besonders für Constantinopel; welche Stadt er dringend von mir gefordert hat. Deshalb hat er mir sehr geschmeichelt; ich habe aber stets den Tauben gespielt. Das türkische Reich, so verfallen es auch erscheint, mußte die Scheidewand zwischen uns bilden. Es war ein Morast, der verhinderte, daß man meine rechte Flanke nicht überflügeln konnte. Was das eigentliche Griechenland betrifft, so ist dieß etwas anders."


Alexander 1st.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  • Neuer Plutarch, oder kurze Lebensbeschreibungen der berühmtesten Männer aller Nationen von den ältesten bis auf unsere Zeiten. Herausgegeben von Peter Blanchard. Wien, 1806. Im Verlage bey Anton Doll.
  • Merkwürdige Geschichte der Kriegsvorfälle zwischen Frankreich, Großbritannien, Rußland, Preußen und Schweden zu Wasser und zu Lande im Jahre 1807 Von Aemilian Janitsch, Profeß von Göttweig, und des berühmten Stiftes von Monte Cassino Mitglied. Dritter Band. Wien, im Verlage bey Anton Strauß, k. k. privil. Buchdrücker, auf dem St. Stephansfreyhofe im v. Baldtaus'schen Hause.
  • Wiener-Zeitung Nro. 35. Sonnabend, den 2. May 1807.
  • Denkwürdigkeiten von Sanct-Helena, oder Tagebuch, in welchem alles, was Napoleon in einem Zeitraume von achtzehn Monaten gesprochen und gethan hat, Tag für Tag aufgezeichnet ist. Von dem Grafen von Las Cases. Stuttgart und Tübingen in der J. G. Gotta'schen Buchhandlung. 1823.


Porträts.[]

Advertisement