Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Markierung: Quelltext-Bearbeitung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Markierung: Quelltext-Bearbeitung
Zeile 69: Zeile 69:
 
Vor dem Utrechter Thore wird hin und wieder in einer großen Allee ein so genanntes <big>Harddraven</big>, Wettrennen im Trotte angestellt. Junge, leichte Knaben jagen mit besonders dazu dressirten Pferden in die Wette, ohne im Galopp zu fallen, die Pferde greifen mit dem Hinterfuße weit über den Vorderfuß hinaus, welches bey guten Pferden 6 Rheinl. Fuß betragen soll, und dieß geht mit so rasender Geschwindigkeit, daß ein Pferd im Galopp ihnen selten gleich kommt. Dieß Nationalschauspiel wird von den Holländern stark besucht. Ein anderes eigenthümliches Vergnügen ist das Gänzegreifen, wo eine Gans mit den Füssen hoch an einen Strick gehängt wird, der Kopf ist mit Oehl beschmiert und muß von dem unten Durchjagenden abgerissen werden. -- Bälle sind seltenere Vergnügungen, so wie auch Kartenspiel; der Holländer ist lieber Zuschauer, als handelnde Person in allen Vergnügungen. –
 
Vor dem Utrechter Thore wird hin und wieder in einer großen Allee ein so genanntes <big>Harddraven</big>, Wettrennen im Trotte angestellt. Junge, leichte Knaben jagen mit besonders dazu dressirten Pferden in die Wette, ohne im Galopp zu fallen, die Pferde greifen mit dem Hinterfuße weit über den Vorderfuß hinaus, welches bey guten Pferden 6 Rheinl. Fuß betragen soll, und dieß geht mit so rasender Geschwindigkeit, daß ein Pferd im Galopp ihnen selten gleich kommt. Dieß Nationalschauspiel wird von den Holländern stark besucht. Ein anderes eigenthümliches Vergnügen ist das Gänzegreifen, wo eine Gans mit den Füssen hoch an einen Strick gehängt wird, der Kopf ist mit Oehl beschmiert und muß von dem unten Durchjagenden abgerissen werden. -- Bälle sind seltenere Vergnügungen, so wie auch Kartenspiel; der Holländer ist lieber Zuschauer, als handelnde Person in allen Vergnügungen. –
   
Das angenehmste Schauspiel war mir das Gewimmel der Menschen bey solchen Gelegenheiten und Sonntags auf den Promenaden vor der Stadt; bunter und mannigfacher findet man es vielleicht selten. Längs dem schön gepflasterten Wege, auf welchem Carossen und Cabriolets hin und her jagen, laufen Alleen neben den Gartenhäusern und Pavillons, die mit Menschen gefüllt sind, auf ihnen treibt sich jung und alt, arm und reich, schön und häßlich, der Jude neben dem Christen, der Türke und Engländer, die leicht gekleidete Französinn mit bis zur Wade aufgehobener langen Schleppe, neben der steifen Nordholländerinn und Friesinn mit ihrer hohen Mütze und im Dreyeck gebundenen Tuche; die ehrbare Amsterdammer Bürgerfrau in ihrem Kleinen Häubchen, neben der Bäuerinn mit ihrem Chinesischen Sonnenhute, auf und ab. -- Kurz das Gewimmel ist so bunt und mannigfach, als man wünschen kann. </blockquote>
+
Das angenehmste Schauspiel war mir das Gewimmel der Menschen bey solchen Gelegenheiten und Sonntags auf den Promenaden vor der Stadt; bunter und mannigfacher findet man es vielleicht selten. Längs dem schön gepflasterten Wege, auf welchem Carossen und Cabriolets hin und her jagen, laufen Alleen neben den Gartenhäusern und Pavillons, die mit Menschen gefüllt sind, auf ihnen treibt sich jung und alt, arm und reich, schön und häßlich, der Jude neben dem Christen, der Türke und Engländer, die leicht gekleidete Französinn mit bis zur Wade aufgehobener langen Schleppe, neben der steifen Nordholländerinn und Friesinn mit ihrer hohen Mütze und im Dreyeck gebundenen Tuche; die ehrbare Amsterdammer Bürgerfrau in ihrem Kleinen Häubchen, neben der Bäuerinn mit ihrem Chinesischen Sonnenhute, auf und ab. -- Kurz das Gewimmel ist so bunt und mannigfach, als man wünschen kann.
  +
  +
. . . . .
  +
  +
Ich führe Sie endlich, mein Bester, noch ein Mahl zum Abschiede durch diese große Stadt, werfen Sie noch ein Mahl Ihren Blick auf die lebhaften Gassen und Kanäle, sehen Sie diese Menge von Lastschiffen aller Art, einige mit Trinkwasser, andere mit Torf, andere mit Dünger gefüllt, alles dieß sind Handlungszweige; der Dünger wird größtentheils nach [[Brabant]] verkauft, der Torf aus den südlichen Provinzen, und das Wasser aus den nahe gelegenen Gegenden gehohlt, denn die Cisternen in den Häusern, die das Regenwasser sammeln, genügen nicht, und das andere Wasser ist nicht zu genießen. Hier sitzt in einem kleinen Kahne eine ärmliche Familie und fischt aus dem Kanale die Lumpen und Späne; dort fährt eine vergoldete Gondel mit einer geputzten Gesellschaft dahin. Schiffe wechseln mit Schuyten, Rheinfahrern und flachen Fahrzeugen ab. Auf der Gasse ist das Gewimmel nicht minder lebhaft. Wagen, Karren und Schleifen, Träger, Karrenschieber und Obstweiber, alles unter einander durch, singende und leyernde Bettler, die Waysenkinder in ihrer halb blauen, halb weißen Kleidung (denen zur Maske Tag und Nacht, nur die Sterne fehlen,), geben dem Ganzen das buntscheckigste Ansehen. -- Dazu das ewige Geschrey der Schiffer auf den Kanälen, der Obstweiber, kleinen Krämer und Schuhputzer auf den Gassen, und das beynahe ununterbrochene Getöne der Carillons oder Glockenspiele, die Sie auf allen Thürmen beynahe antreffen. In der Judenstadt, denn auch hier noch leben diese Menschen, obgleich sie der Revolution jetzt die Gleichheit der Rechte mit den andern Einwohnern verdanken, getrennt, ward dieß Gewimmel vermehrt, sie arbeiten hier in allen Handwerken, aber doch ist besonders der Handel ihr Nahrungszweig, -- kleine Diebereyen ist man hier am meisten so wie der Betteley ausgesetzt. -- Alles das zusammen in einem Augenblicke lebhaft dargestellt, gibt Ihnen eine Idee von Amsterdam.
  +
  +
. . . . .
  +
  +
Den 25sten, Morgens, fuhren wir mit der [[Treckschute|Trekschyte]] von Amsterdam nach [[Haarlem]] 1 ½ Meilen. </blockquote>
   
 
-----
 
-----

Version vom 24. März 2021, 22:40 Uhr

GAS Amsterdam

Amsterdam.


Amsterdam,[1] die Hauptstadt des ehemaligen Hollands, und nach der Vereinigung desselben mit Frankreich nach Paris und Rom die dritte Stadt des französischen Reichs, nun aber die Hauptstadt des Königreichs der Niederlande, am Meerbusen Y, mit mehr als 200,000 Einwohnern.

Neopolem

Zu den schönsten und merkwürdigsten Gebäuden gehören das von Jacob von Kampen erbaute und mit den Bildhauerarbeiten Quellins verzierte, auf 13,659 eingerammelten Mastbäumen gegründete Rathhaus, welches, als Holland zu einem Königreich constituirt wurde, der König zu seinem Pallast einrichten ließ, die Börse, die Admiralität, das ostindische Haus und die berühmten Hospitäler und Arsenäle.

Die Stadt wird durch die Amstel, welche mitten durch sie hinfließt, in die alte und neue Seite getheilt, hat ungefähr drei Meilen im Umkreise, ist auf einem Rost von eichenen Pfählen gebaut und überall von Canälen und Krachten durchschnitten. Gegen die Landseite ist sie mit vielen Bastionen versehen; dennoch wurde sie 1787 von den Preußen, und am 19ten Dec. 1794, in jenem merkwürdigen Winter, von den Franzosen eingenommen. Obgleich Amsterdams Lage zum Seehandel wegen der beschwerlichen Passage durch den Texel nicht sonderlich bequem ist; so gehörte es doch sowohl in Ansehung seines durch die ganze Welt verbreiteten Handels, als auch seiner sonstigen Industrie und seines daraus entsprungenen Reichthums wegen, zu den ersten Städten Europa's.

Neopolem

Der Hauptnahrungszweig der Einwohner bestand und besteht zum Theil noch in der Färberei, Zuckerbäckerei, Wachs- und Leinwandbleiche, und in Verfertigung des Papiers, Segeltuchs, seidener und wollener Waaren. Ferner waren hier starke Niederlagen von Gold, Silber, Edelsteinen, Spezereien u.s.w. aus allen Welttheilen. Außerdem brachte der Wallfischfang, der ostindische, besonders der Gewürzhandel und der Heringsfang, ihnen, große Vortheile.

Amsterdam erhob sich allmählich aus einem Fischerdorfe zu einer Stadt. Der Druck der Spanier zog im 16ten Jahrhundert nach und nach viele Kaufleute des reichen Antwerpens und anderer flandrischen Handelsstädte dahin. Den spanischen Niederlanden wurden durch den westphälischen Frieden die Schelde gesperrt und bald breitete nun Amsterdam seine Geschäfte nach allen Gegenden der Erde aus; es wurde das allgemeine Magazin von den Producten aller Nationen und darf im 17ten und zu Anfang des 18ten Jahrhunderts als die erste Handelsstadt der ganzen Erde betrachtet werden. Inzwischen aber trat London als Nebenbuhlerin auf, und ward besonders wegen seiner wichtigen Seemacht gefährlich. Der Krieg mit den Engländern 1780 schadete dem Vermögen und Handel Amsterdams sehr viel; es entstanden Unordnungen in der großen (1609 gestifteten) Bank, welche den Credit im Auslande schwächten; und Amsterdam mußte schon vor dem Eindringen der Franzosen London den Vorrang einräumen. Seitdem versiegten die Quellen des Handels und Wohlstandes immer mehr. Die Engländer schadeten so viel sie konnten, die Colonien waren verloren, Deutschland zog seine Bedürfnisse über Hamburg und Altona und so trat jener Stillstand in allem Verkehr und Erwerb ein, der vor einem Allgemeinen Frieden in Europa nicht aufhören wird.


Von Reisende.

Dr. Johann Friedrich Droysen.

[2]

[1801]

Amsterdam, den 25sten Jun. 1801..

GAS Amsterdam

Bey Nieuvesluis, einer kleinen Festung in der großen Ebene, verließen wir den bis jetzt befahrenen Canal, die Vecht genannt und fuhren die Amstel hinab, die der großen vor uns gelegenen Stadt den Nahmen gibt. Amsterdam nimmt einen ungeheuren Raum am Horizonte ein, und hat durch die ungeheure Menge von Windmühlen und die vielen hohen Schorsteine, die in der Ferne so vielen kleinen Thürmen gleichen, ein ganz eigenthümliches Aeußeres, wir  fuhren unter der schönen Amstelbrücke durch vor die Hausthür unsers Wirthshauses, das Rondeel.

Das Eigenthümliche in der Bauart der Stadt überrascht in der That; in der Mitte jeder Straße ein breiter Canal voll von Masten, Schiffen und Bothen aller Art; längs diesem aufgemauerten Canale laufen die schön gepflasterten, breiten Straßen, an beyden Seiten mit Bäumen bepflanzt hin. Die großen, hohen Giebelhäuser, untermischt mit Gebäuden von schönen Geschmacke; die vielen, vielen Brücken, die man fast auf jeder Straße sieht, das bunte Gewimmel der Kutschen, Kabriolets, Karren, Schleifen, Träger und Menschen aller Art; alles das zusammen macht einen so ganz eigenthümlichen Eindruck, wie ihn wenig Städte nur gewähren können.

Unter den schönsten Gassen zeichnen sich die Herrengracht, die Prinzengracht und die Kaisersgracht durch ihre schönen Gebäude und regelmäßig gelegenen schönen Brücken aus *).

*) Man unterscheidet Straße und Gracht, diese letztern haben Canäle.

Der Revolutionsplatz, ehemahls der Damm genannt -- doch haben hier so wenig, wie in Frankreich, die neuen Nahmen bis jetzt die alten verdrängen können -- ist einer der schönsten Plätze in Amsterdam, das überhaupt arm an freyen Plätzen ist. Das prachtvoll gebauete Rathhaus, die neue Kirche und andere schöne Gebäude zieren denselben, und in der Mitte ist der ungeheure Freyheitsbaum aufgerichtet.

Eine schöne Promenade längs dem Quay am Hafen hin, zeigte und Amsterdam in seiner schönen Größe. Hier nahm auch das Gewimmel der Menschen, je näher wir dem Hafen kamen, immer mehr zu; Karossen und Kabriolets jagten leicht neben dem langsamen schwer beladenen Wagen dahin, ein Schleen, (so nennt man in Amsterdam eine eigene Art von wohlfeilen Miethkutschen, wo der Kutschenkasten auf eine Schleife gebunden ist, die von einem Pferde gezogen wird) folgte langsam im Gedränge der Menschenmenge von allen Ständen und Nationen den Lastschleifen, die vorn eine Tonne mit Wasser führen, die bey jedem Stoße Wasser ausfließen läßt, um die Reibung zu verhindern; tragbare Boutiken und Obstweiber mit großen Körben, wanden sich durch das Gedränge auf den Brücken durch, wo bettelnde Musikanten, und singende Krüppel den Lärm vergrößerten.

Der Hafen mit seinem Wald von Masten war leider mehr als zu brillant in dieser Jahrszeit; wir nahmen ein vorher wohl bedungenes Both und ließen uns unter den Colossen von abgetakelten Ostindienfahrern, leeren müssigen Kauffahrdeyfahrern, neuen Kriegsschiffen und Rheinfahrern umher rudern, fuhren bey dem prächtigen Admiralitäts-Gebäude, bey der Kweeckschoole van der Zevaart vorbey und landeten wieder an dem neu gebaueten Theile der Stadt, der so genannten Plantage, wo eine Menge von Gartenhäusern, Stileen und niedlichen Wohnungen unter den Gärten versteckt liegen; eine der schönsten Promenaden von Amsterdam.

Das Stadthaus in Amsterdam ist unstreitig das schönste Gebäude der Stadt; es liegt frey auf dem Revolutionsplatze und zeichnet sich durch seine Größe und Pracht aus. Der Freyheitsbaum vor demselben ist ein ungeheurer Mastbaum mit Lorbeer von Blech umwunden, mit den Nationalfarben, mit Trophäen und drey Schildern geziert; auf dem ersten Schilde küssen sich zwey Figuren über einem Altare, auf dem ein Herz lodert und der die Inschrift trägt: een Hart vor't Vaderland, mit der Umschrift Broederschap; auf dem zweyten reichen sich Freyheit und Gleichheit, an ihren Attributen kennbar, die Hand über einem Altare mit einem Buche, de Regte van den Menschen; und auf dem dritten führt ein Held die Freyheit an der Hand, mit der Inschrift: door fransche Hulp. 1795. Oben auf dem Wipfel steht der Hut mit dem Nationalbande. -- Er kostete 6000 Gulden.

. . . . .

Dem Gemeindehause links gegenüber liegt die neue Kirche, die besonders durch das Grabmahl des Admiral Ruyters merkwürdig ist, er blieb 1607 in der Schlacht gegen die Franzosen, hier liegt er in Marmor in voller Rüstung auf einem Bette von Schiffsmatratzen, Tritonen und Meergötter verkünden seinen Ruhm. Ferner findet man hier das Monument J. B. Bentincks, der 1781 bey Doggersbank als Admiral starb. Joh. van Galen, der 1653 in der Schlacht bey Livorno gegen die Engländer blieb, und des Dichters Vondel, der 1609 starb, und sehr schöne Glasmahlerey auf den Fenstern. –

Die große Börse sowohl als die Getreidebörse sind ein paar sehr schöne Gebäude, mit freyen Höfen und Colonnaden, an den Säulen sind die Nahmen der Völker und der verschiedenen Handlungszweige angeschlagen, um desto leichter seinen Mann finden zu können.

Die Alte Kirche (Oude Kerk) ist vorzüglich ihrer Glasmahlerey wegen merkwürdig, sie übertrifft alle mir bekannte Kunstwerke der Art, die vorzüglichsten Stücke sind: die Geburt Christi, die Verkündigung der Maria und der Tod Marcus vom Jahr 1555. Es ist eine so richtige ausdrucksvolle Zeichnung in den Figuren, eine so wohl gewählte Zusammenstellung der Gruppen, und vorzüglich ein so lebhaftes Colorit, daß man diese verloren gegangene Kunst wirklich recht sehr bedauern muß. Viel gewinnen diese Gemählde dadurch, daß man durch mehr oder minder Durchsichtigkeit großen Effect hervorbringen konnte; so erinnere ich mich auf einem dieser Gemählde ein Licht zur höchsten Täuschung mit seiner Flamme dargestellt gesehen zu haben. -- Hier ist auch das Monument des durch seine Fahrt nach Nova-Zembla berühmten Admirals Heemskerk, der 1607 bey Gibraltar gegen die Spanier blieb.

Die übrigen Kirchen und öffentlichen Gebäude, als die Süderkirche mit ihrer schönen Kuppel, die Portugiesische Juden-Synagoge, milde Stiftungshäuser, der Hof und das Haus der Ostindischen Gesellschaft, wo jetzt fast gar kein Verkehr war, und andere merkwürdige Gebäude beschreibe ich Ihnen nicht, sondern gehe jetzt zu den gelehrten Instituten in Amsterdam über; ich weiß dieß interessirt Sie mehr.

. . . . .

Die Häuser in Amsterdam sind, wie in den meisten Handelsstädten, Giebelhäuser, die sehr schmal, aber von großer Tiefe sind; dieß gibt ihnen eine eigene, nicht bequeme Bauart; man muß die Mitte des Hauses einziehen, und ein kleines Höfchen bilden, um den Zimmern Licht verschaffen zu können. Dieß gibt ferner die Unbequemlichkeit äußerst schmaler Dielen und Treppen. Die Wände sind gewöhnlich nur von Bretern, so daß man im Nebenzimmer jedes Geräusch hört. Die Dielen sind nicht nur auf dem Boden, sondern auch an den Wänden mit Marmor bey den Reichen, bey den Armen mit Klinkern von Fayence belegt; ich habe Dielen gesehen, deren Kosten auf 10,000 Fl. angegeben wurden. Die Böden sind gewöhnlich mit den kostbarsten Decken belegt, und bey Armen wenigstens mit Strohmatten. Oefen hat man wenig, aber sehr kostbare Kamine; der Platz am Kamin gehört dem Manne, und die Frau bedient sich eines so genannten Stov-, Wärmetopfes. Die Fenster in den Häusern sind ungeheuer groß; die Häuser gleichen Treibbeeten, oder Laternen. Silbergeräthe, feine Leinewand und Porzellan sind der besonders geschätzte Reichthum eines Hauses, wozu noch die Liebhaberey an Gemählden, Kupferstichen u. d. gl. kommt.

Die Kleidung der Männer und Frauen ist weniger modern als in Deutschland, man findet sie hier noch um mehrere Jahrzehende zurück, den Mann in seinem damastenen Schlafrock, die Frau mit ihrer kleinen Haube, die Tochter mit einem großen schwarzen Tafthute; nur die galante Welt macht hiervon eine Ausnahme. –

Zu den Vergnügungen der Amsterdammer gehöret ins besondere das Besuchen der Kaffehhäuser und der Collegien; die Collegien sind bestimmte Versammlungszimmer, wo Männer von gleichen Ständen und Glücksgütern sich versammeln, Zeitungen lesen, bey einer Pfeife Taback plaudern, und selten spielen; diese Collegien werden Morgens und Abends unausgesetzt besucht; wer nicht Mitglied eines solchen Collegiums ist, muß sich auf den Kaffehhäusern unter einer fürchterlichen Dampfwolke bey braungefärbtem Kaffehwasser behelfen; diese Kaffehhäuser kommen überhaupt den Deutschen und Französischen nicht gleich.

Amsterdam hat ein Nationaltheater, welches sehr schön eingerichtet und reich dekoriret auch gut besetzt seyn soll, es ist aber nur des Winters geöffnet. Das Französische Theater ist mittelmäßig, wird nur durch eine Dem. Labbé gehoben; und das Deutsche ist äußerst elend. Aber freylich ist es nicht für den Holländer, Schauspiele zu besuchen, er lebt lieber in seinen Collegien und zu Hause in seinen Liebhabereyen, die bald Conchylien, bald Gemählde, bald Blumen oder d. gl. sind, oder Sommers auf seinen Außenplätzen. –

An Sonn- und Festtagen zieht der Amsterdammer vor das Thor in die Menge von Kaffehhäusern, Bier- und Weinschenken, die nach den verschiedenen Ständen und ihren Bedürfnissen eingerichtet sind; der Reichere fährt auf seine Campagne, oder seinen Garten, oder als Mitglied einer geschlossenen Gesellschaft vors Thor in einen Garten, wo er sich mit Kegelschieben, Kolbenspiel, oder mit seiner Pfeife amusiret oder ennujiret. Der Matador reist auf sein weit entferntes Landgut und -- raucht seine Pfeife in Gesellschaft mehrerer Freunde, und amusirt sich, wie er kann.

Die fremden Schiffer besuchen Abends mit ihren Entretenüs die Bälle, die hin und wieder an gefärbten Laternen zu erkennen sind, im Peil, im Rondeel u. s. w., wohin die Mama mit ihren Töchtern aus den so genannten stillen Häusern kommt, und wo noch Decence genug herrscht; hier kommen auch andere Familie hin, um dem Tanze zu zusehen.

Die öffentlichen Bäder in der Plantage sind seit drey Jahren der Sammelplatz der elegantern Welt, wo an einer Menge kleiner Tische, in einem großen Saale, Thee, Kaffeh und Wein genossen wird, wo alles sehr still hergeht, und man den Ausländer bald an der lautern Stimme und der grössern Lebhaftigkeit erkennt.

Vor dem Utrechter Thore wird hin und wieder in einer großen Allee ein so genanntes Harddraven, Wettrennen im Trotte angestellt. Junge, leichte Knaben jagen mit besonders dazu dressirten Pferden in die Wette, ohne im Galopp zu fallen, die Pferde greifen mit dem Hinterfuße weit über den Vorderfuß hinaus, welches bey guten Pferden 6 Rheinl. Fuß betragen soll, und dieß geht mit so rasender Geschwindigkeit, daß ein Pferd im Galopp ihnen selten gleich kommt. Dieß Nationalschauspiel wird von den Holländern stark besucht. Ein anderes eigenthümliches Vergnügen ist das Gänzegreifen, wo eine Gans mit den Füssen hoch an einen Strick gehängt wird, der Kopf ist mit Oehl beschmiert und muß von dem unten Durchjagenden abgerissen werden. -- Bälle sind seltenere Vergnügungen, so wie auch Kartenspiel; der Holländer ist lieber Zuschauer, als handelnde Person in allen Vergnügungen. –

Das angenehmste Schauspiel war mir das Gewimmel der Menschen bey solchen Gelegenheiten und Sonntags auf den Promenaden vor der Stadt; bunter und mannigfacher findet man es vielleicht selten. Längs dem schön gepflasterten Wege, auf welchem Carossen und Cabriolets hin und her jagen, laufen Alleen neben den Gartenhäusern und Pavillons, die mit Menschen gefüllt sind, auf ihnen treibt sich jung und alt, arm und reich, schön und häßlich, der Jude neben dem Christen, der Türke und Engländer, die leicht gekleidete Französinn mit bis zur Wade aufgehobener langen Schleppe, neben der steifen Nordholländerinn und Friesinn mit ihrer hohen Mütze und im Dreyeck gebundenen Tuche; die ehrbare Amsterdammer Bürgerfrau in ihrem Kleinen Häubchen, neben der Bäuerinn mit ihrem Chinesischen Sonnenhute, auf und ab. -- Kurz das Gewimmel ist so bunt und mannigfach, als man wünschen kann.

. . . . .

Ich führe Sie endlich, mein Bester, noch ein Mahl zum Abschiede durch diese große Stadt, werfen Sie noch ein Mahl Ihren Blick auf die lebhaften Gassen und Kanäle, sehen Sie diese Menge von Lastschiffen aller Art, einige mit Trinkwasser, andere mit Torf, andere mit Dünger gefüllt, alles dieß sind Handlungszweige; der Dünger wird größtentheils nach Brabant verkauft, der Torf aus den südlichen Provinzen, und das Wasser aus den nahe gelegenen Gegenden gehohlt, denn die Cisternen in den Häusern, die das Regenwasser sammeln, genügen nicht, und das andere Wasser ist nicht zu genießen. Hier sitzt in einem kleinen Kahne eine ärmliche Familie und fischt aus dem Kanale die Lumpen und Späne; dort fährt eine vergoldete Gondel mit einer geputzten Gesellschaft dahin. Schiffe wechseln mit Schuyten, Rheinfahrern und flachen Fahrzeugen ab. Auf der Gasse ist das Gewimmel nicht minder lebhaft. Wagen, Karren und Schleifen, Träger, Karrenschieber und Obstweiber, alles unter einander durch, singende und leyernde Bettler, die Waysenkinder in ihrer halb blauen, halb weißen Kleidung (denen zur Maske Tag und Nacht, nur die Sterne fehlen,), geben dem Ganzen das buntscheckigste Ansehen. -- Dazu das ewige Geschrey der Schiffer auf den Kanälen, der Obstweiber, kleinen Krämer und Schuhputzer auf den Gassen, und das beynahe ununterbrochene Getöne der Carillons oder Glockenspiele, die Sie auf allen Thürmen beynahe antreffen. In der Judenstadt, denn auch hier noch leben diese Menschen, obgleich sie der Revolution jetzt die Gleichheit der Rechte mit den andern Einwohnern verdanken, getrennt, ward dieß Gewimmel vermehrt, sie arbeiten hier in allen Handwerken, aber doch ist besonders der Handel ihr Nahrungszweig, -- kleine Diebereyen ist man hier am meisten so wie der Betteley ausgesetzt. -- Alles das zusammen in einem Augenblicke lebhaft dargestellt, gibt Ihnen eine Idee von Amsterdam.

. . . . .

Den 25sten, Morgens, fuhren wir mit der Trekschyte von Amsterdam nach Haarlem 1 ½ Meilen.


Neopolem


1812.


Quellen.

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.