Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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==Von Reisende.==
 
==Von Reisende.==
'''Dr. Johann Friedrich Droysen.'''
 
   
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===Georg Friedrich Rebmann.===
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<ref>Holland und Frankreich, in Briefen geschrieben auf einer Reise von der Niederelbe nach Paris im Jahr 1796 und dem fünften der französischen Republik von Georg Friedrich Rebmann. Paris und Kölln.</ref> <br>
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[[Bild:AnsichtAmsterdamDamBoom GAS.jpg|360px|rechts|GAS Amsterdam]]
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Zum erstenmal sah ich heute auf dem hiesigen Revolutionsplaz, wo der schönste Freiheitsbaum gepflanzt ist; den ich noch gesehen habe, die fränkische Parade, nachdem ich bei der Munizipalität einige Privatgeschäfte in Ordnung gebracht hatte. Eine Menge Volks war hier versammelt, und es schien, als ob das gute Betragen der neuen Gäste selbst diejenigen versöhnt hätte, welche eben keine Freude darüber haben, militairische Gewalt in Amsterdam zu wissen. Eben war die Nachricht von einem glänzenden Sieg der italienischen Armee eingegangen, und wurde den Soldaten, ohne alles Geräusch, wie man wohl in Deutschland bei jedem kleinen Vortheil, während dieses Kriegs zu veranstalten pflegte, mitgetheilt. Leider! bemerkte ich, wenige ausgenommen, keine Spur von Enthusiasm, oder Freude darüber. Es mag sein, daß es bei den übrigen Armeen ein anderer Fall ist, oder daß die Franken der Siege schon zu gewohnt sind -- sonst müste ich gestehen, daß die Beschreibungen unserer Journale von der heissen Liebe der Truppen zur Republik auf diesen Theil der Nordarmee nicht passen. --
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Ich ging von hier aus auf ein Koffeehaus, und traf gerade das bekannteste und berüchtigste Aristokraten-Nest in ganz Amsterdam. Sobald man hörte, daß ich ein Deutsche sei, und von der deutschen Gränze komme, versammelte sich alles um mich her, um die längst erwarteten günstigen Nachrichten von mir zu hören, daß der König von Preussen und der Herzog von Braunschweig im Anmarsch seien, um die alten Ketten wieder aufs neue zu bevestigen. Einen Augenblik lang erlaubte ich mir den Scherz, die Herren in ihrem Irrthum zu lassen, dann aber brach ich los, ohne mir ein Blatt vor den Mund zu nehmen. So etwas hatten die Herrn in Israel noch nicht gefunden, einen <big>demokratischen Deutschen</big>. Sie waren meistens meine Landsleute, und daher konnt ich mich hier nach Herzenslust expektoriren. Endlich als ich ihnen meinen Wunsch und meine Hofnung zu erkennen gab, <big>Pitt</big> nächstens gehangen zu sehen, wurde es ihnen zu arg. Gern hätten sie mir ihren Grimm laut zu erkennen gegeben, wenn es ihnen nur nicht, wie allen Aristokraten, an Muth gefehlt hätte. -- Zur Abwechslung ging ich nun auch in ein sogenanntes terroristisches Koffeehaus, wo man mich mit wilden Blikken betrachtete, und mich vermuthlich für einen Spion Sr. Majestät, des Königs von Preussen ansah. Uebrigens hatten die Leute hier, wenn sie auch wirklich Jakobiner waren, nichts mit den fränkischen Jakobinern gemein. Sie hatten alle ihre lange Pfeifen im Munde, die den Menschen in Holland das erste Bedürfnis zu sein scheinen, beräucherten sich unter einander, tranken Genever, und riefen von Zeit zu Zeit, wenn sie mit einander anstiessen: <tt>Gelykheid, Vryheid, Broderschap</tt>. Das lautete aber so breit, daß mir ganz schlimm dabei wurde.
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Als ich diesen revolutionairen Tobaks-Klubb verlies, sah ich eine kleine Volksgruppe, welche dadurch entstanden war, daß einige fränkische Soldaten ein Mädchen aus einem sogenannten <big>Speelhuys</big> entführt hatten. Der ehrliche Maquerau (auch ein <big>Deutscher</big>) der das arme Mädchen unter dem Vorwand, ihr einen Dienst zu verschaffen, in dies liederliche Haus gelokt hatte, suchte den Pöbel gegen die Thäter zu erbittern, wurde aber ausgelacht. Würklich sollte die Polizei, wenn sie auch solche Häuser wegen der vielen Matrosen dulden mus, deshalb wenigstens bessere Anstalten treffen, denn manches Mädchen soll hier fast mit Gewalt in Speelhuyser gelokt werden, und, sobald sie kein Geld hat, kein Erlösung finden, da diese schöne Revenue verpachtet ist, und vermuthlich einen Theil der Einkunft des Prinzen von Oranien ausmacht. Auch soll leider! noch die Seelenverkäuferei hier getrieben und (was sehr schlimm wäre) von der Regierung geduldet werden, um dadurch Matrosen zu bekommen, an denen jezt so grosser Mangel ist.
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So gerne ich hier das holländische Nationalschauspiel besucht hätte; so konnte ich doch meines Wunsches nicht theilhaftig werden, da die Gesellschaft jezt in Rotterdam ist. Ausser diesem sind noch zwei französische Bühnen, und eine teutsche <big>jüdische Gesellschaft</big> hier, die recht artige Operetten geben soll. Eine zweite teutsche Gesellschaft werde ich im Haag zu sehen bekommen.
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Nachdem ich noch einige Besuche abgestattet und mich dabei gewaltig gelangweilt hatte, genos ich noch der schönen Aussicht am Hafen, wo man links das y, und rechts einen Theil des Zuyder-Meers vor sich hat. Die Stadt selbst, so hübsch sie übrigens ist, hat für mich keine Reise. Alle Strassen sehen sich, so wie die Häuser und die Menschen, so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Da ist nichts, als Kanäle und Brükken und Alleen, die sich in lauter rechten Winkeln durchschneiden. Man hat, eben dieser Aehnlichkeit wegen, die gröste Mühe, sich zurecht zu finden. Fragen Sie nach einer Strasse, so dringen sich Ihnen gleich zehn Juden oder anderes dergleichen Gesindel zu Wegweisern auf, laufen neben Ihnen her, suchen Ihnen etwas zu stehlen, und fordern am Ende einen Gulden oder ein paar Gulden, die sie ohne alle Weigerung bezahlen müssen, wenn sie nicht vorher akkordirt haben. Ueberhaupt habe ich nirgends einen schmuzzigern, häßlichern, aufdringendern, gewinnsüchtigern Pöbel gefunden, als hier in Amsterdam. Kaum kann man sich dessen erwehren. Dreissig Juden schreien einem immer die Ohren voll, bis man ihnen eine Kleinigkeit abkauft, indes die andern sich in den Handel mischen, und dabei die Taschen des Käufers leeren; zehn bis 12 Jungen mit Bürsten puzzen einem fast mit Gewalt die Schuhe, und alles hält immer die Hände auf. Und wenn Sie nur nach dem Wetter fragen, so antwortet ihnen kein Mensch, bis sie ihm wenigstens einen Deut bezahlt haben. Wucher und nichts als Wucher ist das Gewerbe dieser Stadt, vom Millionair bis zum Schuhpuzzer herab. So ekkicht, als die Stadt ist, so ekkicht sind auch die Menschen. Ohne Geld thun sie den Mund nicht auf, und ausser der Kanaille, die Sie inkommodirt, sehen Sie nicht, als Kerls mit Stuzperuquen, oder Kutscher, die, statt der Räder, auf Schleifen geschleppt werden, wobei eine Art von Fuhrmann auch mit einer Peruque, pflegmatisch neben hertrabt, oder Karren, mit grossen, ebenfals pflegmatischen Hunden bespannt, und einige Weibsbilder, die Obst und Gemüse mit einem ewig monotonen, widerlichen Gekreisch ausschreien, oder öffentliche Dirnen, die mit Matrosen umherziehen. Es thut einem ordenlich wohl, wenn man unter diesem fühllosen, diebischen und liederlichen Gesindel einmal einen hübschen Soldaten munter durch die Strassen gehen sieht, und ihn statt des ewigen Gebrülles und Gekreisches ein Freiheitsliedchen pfeifen oder singen hört.
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Das [[Paleis op de Dam|hiesige Rathhaus]] ist wirklich ein grosses und schönes Gebäude, aber der Geschmak, in welchem es gebauet ist, will mir doch nicht gefallen. Das [[Amsterdamer Börse|Börsengebäude]], über dessen Eingang recht schiklich der Gott der Diebe in Stein gehauen, präsidirt, ist bei weitem prächtiger, grösser und bequemer eingerichtet, als das [[Hamburg]]er, der Plaz ist wenigstens viermal so gros, als dort, in einem vierekkichten Hofe, der an allen Seiten mit Arkaden umgeben ist. Man geniest hier die Bequemlichkeit, jeden Kaufmann, den man sucht, augenbliklich finden zu können, da alle Pfeiler numerirt sind, und jeder Kaufmann seinen bestimmten Plaz hat. Vor ihrem Eingange liegen eine Menge Boutiquen, und eine ungeheure Anzahl Juden, eine Avantgarde, deren Belagerung man ordentlich nach den Regeln abschlagen mus, ehe man ins Innere kommt. -- Hier kömmt einem denn gleich Jedermann mit Klagen über die jezzige Störung aller Geschäfte entgegen, aber keiner will etwas thun, um dem Uebel aufzuhelfen. Zwar haben die Holländer seit der Revolution beinahe 60 Schiffe neu gebauet, und ein Theil der Flotte ist auch bereits ausgelaufen, aber -- wer uns Ruyter und Tromp, oder vielmehr, wer uns (da wirklich ein geschikter Admiral da sein soll) Matrosen und Muth gäbe! Die Tapferkeit der Holländer zur See mag Ihnen folgende Anekdote karakterisiren, die ich aus dem Munde eines französischen Marine-Offiziers habe. Dieser lief von [[Vlissingen]] aus, und begegnete mit seiner [[Brigg]]e von 16 Kanonen zwei Holländischen [[Fregatte]]n, deren jede 36 Kanonen führte. Er gab ihnen ein Zeichen, sich mit ihm zu vereinigen, in welchem Fall sie 12 bis 16 englische Prisen gemacht haben würden. Die Fregatten aber verstunden das Zeichen nicht, glaubten, das fremde Schiff wäre ein Englisches, und spannten alle Segel auf, um dem Feinde zu entkommen. -- So segelte neulich ein englisches Linienschiff unter einige Duzzend Fregatten, schos vier davon zusammen, und gieng wieder seiner Wege. -- Für die holländische Justiz ist leider! noch eben so wenig geschehen, als für die [[Marine]]. Man kann im Gegentheil sagen, daß sie noch abscheulicher ist, als ehedem, wo diese Harpye bekannt genug war. Unglüklicher Weise haben sich eine Menge von Advokaten in die Revolution geworfen. Daraus mus hauptsächlich bei der Konstitution Bedacht genommen werden. Die verschiedenen Kommittés erschweren jezt noch jedes Geschäft unendlich. Eine Menge von Leuten ohne Patriotism, ohne Talente, ohne Kenntnisse haben sich provisorisch der Verwaltung bemächtigt, und wehe dem, der etwas zu suchen hat! Die Herren trinken, statt zu arbeiten, und weisen einen von Hinz zu Kunz, und von Kunze zu Hinz! -- Bei den halben Maasregeln die immer genommen werden, mus alles schlecht gehen. Doch von allen diesen Dingen werde ich Gelegenheit genug haben, noch mehr zu reden. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einen Traum mittheile, der wenigstens eben so viel werth ist, als ein Stük aus der Offenbarung Johannis, und dessen ich, um mich der Sprache der Propheten zu bedienen, in Amsterdam gewürdigt wurde.
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===Dr. Johann Friedrich Droysen.===
 
<ref>Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.</ref> <br>
 
<ref>Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.</ref> <br>
 
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Eine schöne Promenade längs dem Quay am Hafen hin, zeigte und Amsterdam in seiner schönen Größe. Hier nahm auch das Gewimmel der Menschen, je näher wir dem Hafen kamen, immer mehr zu; Karossen und Kabriolets jagten leicht neben dem langsamen schwer beladenen Wagen dahin, ein Schleen, (so nennt man in Amsterdam eine eigene Art von wohlfeilen Miethkutschen, wo der Kutschenkasten auf eine Schleife gebunden ist, die von einem Pferde gezogen wird) folgte langsam im Gedränge der Menschenmenge von allen Ständen und Nationen den Lastschleifen, die vorn eine Tonne mit Wasser führen, die bey jedem Stoße Wasser ausfließen läßt, um die Reibung zu verhindern; tragbare Boutiken und Obstweiber mit großen Körben, wanden sich durch das Gedränge auf den Brücken durch, wo bettelnde Musikanten, und singende Krüppel den Lärm vergrößerten.
 
Eine schöne Promenade längs dem Quay am Hafen hin, zeigte und Amsterdam in seiner schönen Größe. Hier nahm auch das Gewimmel der Menschen, je näher wir dem Hafen kamen, immer mehr zu; Karossen und Kabriolets jagten leicht neben dem langsamen schwer beladenen Wagen dahin, ein Schleen, (so nennt man in Amsterdam eine eigene Art von wohlfeilen Miethkutschen, wo der Kutschenkasten auf eine Schleife gebunden ist, die von einem Pferde gezogen wird) folgte langsam im Gedränge der Menschenmenge von allen Ständen und Nationen den Lastschleifen, die vorn eine Tonne mit Wasser führen, die bey jedem Stoße Wasser ausfließen läßt, um die Reibung zu verhindern; tragbare Boutiken und Obstweiber mit großen Körben, wanden sich durch das Gedränge auf den Brücken durch, wo bettelnde Musikanten, und singende Krüppel den Lärm vergrößerten.
   
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[[Bild:AnsichtAmsterdamIJ GAS.jpg|360px|links|GAS Amsterdam]]
 
Der Hafen mit seinem Wald von Masten war leider mehr als zu brillant in dieser Jahrszeit; wir nahmen ein vorher wohl bedungenes Both und ließen uns unter den Colossen von abgetakelten Ostindienfahrern, leeren müssigen Kauffahrdeyfahrern, neuen Kriegsschiffen und Rheinfahrern umher rudern, fuhren bey dem prächtigen Admiralitäts-Gebäude, bey der [[Kweekschool voor de Zeevaart|Kweeckschoole van der Zevaart]] vorbey und landeten wieder an dem neu gebaueten Theile der Stadt, der so genannten Plantage, wo eine Menge von Gartenhäusern, Stileen und niedlichen Wohnungen unter den Gärten versteckt liegen; eine der schönsten Promenaden von Amsterdam.
 
Der Hafen mit seinem Wald von Masten war leider mehr als zu brillant in dieser Jahrszeit; wir nahmen ein vorher wohl bedungenes Both und ließen uns unter den Colossen von abgetakelten Ostindienfahrern, leeren müssigen Kauffahrdeyfahrern, neuen Kriegsschiffen und Rheinfahrern umher rudern, fuhren bey dem prächtigen Admiralitäts-Gebäude, bey der [[Kweekschool voor de Zeevaart|Kweeckschoole van der Zevaart]] vorbey und landeten wieder an dem neu gebaueten Theile der Stadt, der so genannten Plantage, wo eine Menge von Gartenhäusern, Stileen und niedlichen Wohnungen unter den Gärten versteckt liegen; eine der schönsten Promenaden von Amsterdam.
   
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[[Bild:ObjectVrijheidsboom GAS.jpg|160px|rechts|GAS Amsterdam]]
 
Das [[Paleis op de Dam|Stadthaus in Amsterdam]] ist unstreitig das schönste Gebäude der Stadt; es liegt frey auf dem Revolutionsplatze und zeichnet sich durch seine Größe und Pracht aus. Der Freyheitsbaum vor demselben ist ein ungeheurer Mastbaum mit Lorbeer von Blech umwunden, mit den Nationalfarben, mit Trophäen und drey Schildern geziert; auf dem ersten Schilde küssen sich zwey Figuren über einem Altare, auf dem ein Herz lodert und der die Inschrift trägt: <big>een Hart vor't Vaderland</big>, mit der Umschrift <big>Broederschap</big>; auf dem zweyten reichen sich Freyheit und Gleichheit, an ihren Attributen kennbar, die Hand über einem Altare mit einem Buche, <big>de Regte van den Menschen</big>; und auf dem dritten führt ein Held die Freyheit an der Hand, mit der Inschrift: <big>door fransche Hulp. 1795</big>. Oben auf dem Wipfel steht der Hut mit dem Nationalbande. -- Er kostete 6000 Gulden.
 
Das [[Paleis op de Dam|Stadthaus in Amsterdam]] ist unstreitig das schönste Gebäude der Stadt; es liegt frey auf dem Revolutionsplatze und zeichnet sich durch seine Größe und Pracht aus. Der Freyheitsbaum vor demselben ist ein ungeheurer Mastbaum mit Lorbeer von Blech umwunden, mit den Nationalfarben, mit Trophäen und drey Schildern geziert; auf dem ersten Schilde küssen sich zwey Figuren über einem Altare, auf dem ein Herz lodert und der die Inschrift trägt: <big>een Hart vor't Vaderland</big>, mit der Umschrift <big>Broederschap</big>; auf dem zweyten reichen sich Freyheit und Gleichheit, an ihren Attributen kennbar, die Hand über einem Altare mit einem Buche, <big>de Regte van den Menschen</big>; und auf dem dritten führt ein Held die Freyheit an der Hand, mit der Inschrift: <big>door fransche Hulp. 1795</big>. Oben auf dem Wipfel steht der Hut mit dem Nationalbande. -- Er kostete 6000 Gulden.
   
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Die übrigen Kirchen und öffentlichen Gebäude, als die Süderkirche mit ihrer schönen Kuppel, die Portugiesische Juden-Synagoge, milde Stiftungshäuser, der Hof und das Haus der Ostindischen Gesellschaft, wo jetzt fast gar kein Verkehr war, und andere merkwürdige Gebäude beschreibe ich Ihnen nicht, sondern gehe jetzt zu den gelehrten Instituten in Amsterdam über; ich weiß dieß interessirt Sie mehr.
 
Die übrigen Kirchen und öffentlichen Gebäude, als die Süderkirche mit ihrer schönen Kuppel, die Portugiesische Juden-Synagoge, milde Stiftungshäuser, der Hof und das Haus der Ostindischen Gesellschaft, wo jetzt fast gar kein Verkehr war, und andere merkwürdige Gebäude beschreibe ich Ihnen nicht, sondern gehe jetzt zu den gelehrten Instituten in Amsterdam über; ich weiß dieß interessirt Sie mehr.
   
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[[Bild:AnsichtAmsterdamHandboogst GAS.jpg|240px|rechts|GAS Amsterdam]]
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Die Häuser in Amsterdam sind, wie in den meisten Handelsstädten, Giebelhäuser, die sehr schmal, aber von großer Tiefe sind; dieß gibt ihnen eine eigene, nicht bequeme Bauart; man muß die Mitte des Hauses einziehen, und ein kleines Höfchen bilden, um den Zimmern Licht verschaffen zu können. Dieß gibt ferner die Unbequemlichkeit äußerst schmaler Dielen und Treppen. Die Wände sind gewöhnlich nur von Bretern, so daß man im Nebenzimmer jedes Geräusch hört. Die Dielen sind nicht nur auf dem Boden, sondern auch an den Wänden mit Marmor bey den Reichen, bey den Armen mit Klinkern von Fayence belegt; ich habe Dielen gesehen, deren Kosten auf 10,000 Fl. angegeben wurden. Die Böden sind gewöhnlich mit den kostbarsten Decken belegt, und bey Armen wenigstens mit Strohmatten. Oefen hat man wenig, aber sehr kostbare Kamine; der Platz am Kamin gehört dem Manne, und die Frau bedient sich eines so genannten <big>Stov-</big>, Wärmetopfes. Die Fenster in den Häusern sind ungeheuer groß; die Häuser gleichen Treibbeeten, oder Laternen. Silbergeräthe, feine Leinewand und Porzellan sind der besonders geschätzte Reichthum eines Hauses, wozu noch die Liebhaberey an Gemählden, Kupferstichen u. d. gl. kommt.
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Die Kleidung der Männer und Frauen ist weniger modern als in Deutschland, man findet sie hier noch um mehrere Jahrzehende zurück, den Mann in seinem damastenen Schlafrock, die Frau mit ihrer kleinen Haube, die Tochter mit einem großen schwarzen Tafthute; nur die galante Welt macht hiervon eine Ausnahme. –
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Zu den Vergnügungen der Amsterdammer gehöret ins besondere das Besuchen der Kaffehhäuser und der Collegien; die Collegien sind bestimmte Versammlungszimmer, wo Männer von gleichen Ständen und Glücksgütern sich versammeln, Zeitungen lesen, bey einer Pfeife Taback plaudern, und selten spielen; diese Collegien werden Morgens und Abends unausgesetzt besucht; wer nicht Mitglied eines solchen Collegiums ist, muß sich auf den Kaffehhäusern unter einer fürchterlichen Dampfwolke bey braungefärbtem Kaffehwasser behelfen; diese Kaffehhäuser kommen überhaupt den Deutschen und Französischen nicht gleich.
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[[Bild:AnsichtAmsterdamLeidsePlein GAS.jpg|360px|links|GAS Amsterdam]]
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Amsterdam hat ein Nationaltheater, welches sehr schön eingerichtet und reich dekoriret auch gut besetzt seyn soll, es ist aber nur des Winters geöffnet. Das Französische Theater ist mittelmäßig, wird nur durch eine Dem. Labbé gehoben; und das Deutsche ist äußerst elend. Aber freylich ist es nicht für den Holländer, Schauspiele zu besuchen, er lebt lieber in seinen Collegien und zu Hause in seinen Liebhabereyen, die bald Conchylien, bald Gemählde, bald Blumen oder d. gl. sind, oder Sommers auf seinen Außenplätzen. –
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An Sonn- und Festtagen zieht der Amsterdammer vor das Thor in die Menge von Kaffehhäusern, Bier- und Weinschenken, die nach den verschiedenen Ständen und ihren Bedürfnissen eingerichtet sind; der Reichere fährt auf seine Campagne, oder seinen Garten, oder als Mitglied einer geschlossenen Gesellschaft vors Thor in einen Garten, wo er sich mit Kegelschieben, Kolbenspiel, oder mit seiner Pfeife amusiret oder ennujiret. Der Matador reist auf sein weit entferntes Landgut und -- raucht seine Pfeife in Gesellschaft mehrerer Freunde, und amusirt sich, wie er kann.
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Die fremden Schiffer besuchen Abends mit ihren Entretenüs die Bälle, die hin und wieder an gefärbten Laternen zu erkennen sind, im Peil, im Rondeel u. s. w., wohin die Mama mit ihren Töchtern aus den so genannten stillen Häusern kommt, und wo noch Decence genug herrscht; hier kommen auch andere Familie hin, um dem Tanze zu zusehen.
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Die öffentlichen Bäder in der Plantage sind seit drey Jahren der Sammelplatz der elegantern Welt, wo an einer Menge kleiner Tische, in einem großen Saale, Thee, Kaffeh und Wein genossen wird, wo alles sehr still hergeht, und man den Ausländer bald an der lautern Stimme und der grössern Lebhaftigkeit erkennt.
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Vor dem Utrechter Thore wird hin und wieder in einer großen Allee ein so genanntes <big>Harddraven</big>, Wettrennen im Trotte angestellt. Junge, leichte Knaben jagen mit besonders dazu dressirten Pferden in die Wette, ohne im Galopp zu fallen, die Pferde greifen mit dem Hinterfuße weit über den Vorderfuß hinaus, welches bey guten Pferden 6 Rheinl. Fuß betragen soll, und dieß geht mit so rasender Geschwindigkeit, daß ein Pferd im Galopp ihnen selten gleich kommt. Dieß Nationalschauspiel wird von den Holländern stark besucht. Ein anderes eigenthümliches Vergnügen ist das Gänzegreifen, wo eine Gans mit den Füssen hoch an einen Strick gehängt wird, der Kopf ist mit Oehl beschmiert und muß von dem unten Durchjagenden abgerissen werden. -- Bälle sind seltenere Vergnügungen, so wie auch Kartenspiel; der Holländer ist lieber Zuschauer, als handelnde Person in allen Vergnügungen. –
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Das angenehmste Schauspiel war mir das Gewimmel der Menschen bey solchen Gelegenheiten und Sonntags auf den Promenaden vor der Stadt; bunter und mannigfacher findet man es vielleicht selten. Längs dem schön gepflasterten Wege, auf welchem Carossen und Cabriolets hin und her jagen, laufen Alleen neben den Gartenhäusern und Pavillons, die mit Menschen gefüllt sind, auf ihnen treibt sich jung und alt, arm und reich, schön und häßlich, der Jude neben dem Christen, der Türke und Engländer, die leicht gekleidete Französinn mit bis zur Wade aufgehobener langen Schleppe, neben der steifen Nordholländerinn und Friesinn mit ihrer hohen Mütze und im Dreyeck gebundenen Tuche; die ehrbare Amsterdammer Bürgerfrau in ihrem Kleinen Häubchen, neben der Bäuerinn mit ihrem Chinesischen Sonnenhute, auf und ab. -- Kurz das Gewimmel ist so bunt und mannigfach, als man wünschen kann.
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[[Bild:AnsichtAmsterdamDamrak GAS.jpg|360px|rechts|GAS Amsterdam]]
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Ich führe Sie endlich, mein Bester, noch ein Mahl zum Abschiede durch diese große Stadt, werfen Sie noch ein Mahl Ihren Blick auf die lebhaften Gassen und Kanäle, sehen Sie diese Menge von Lastschiffen aller Art, einige mit Trinkwasser, andere mit Torf, andere mit Dünger gefüllt, alles dieß sind Handlungszweige; der Dünger wird größtentheils nach [[Brabant]] verkauft, der Torf aus den südlichen Provinzen, und das Wasser aus den nahe gelegenen Gegenden gehohlt, denn die Cisternen in den Häusern, die das Regenwasser sammeln, genügen nicht, und das andere Wasser ist nicht zu genießen. Hier sitzt in einem kleinen Kahne eine ärmliche Familie und fischt aus dem Kanale die Lumpen und Späne; dort fährt eine vergoldete Gondel mit einer geputzten Gesellschaft dahin. Schiffe wechseln mit Schuyten, Rheinfahrern und flachen Fahrzeugen ab. Auf der Gasse ist das Gewimmel nicht minder lebhaft. Wagen, Karren und Schleifen, Träger, Karrenschieber und Obstweiber, alles unter einander durch, singende und leyernde Bettler, die Waysenkinder in ihrer halb blauen, halb weißen Kleidung (denen zur Maske Tag und Nacht, nur die Sterne fehlen,), geben dem Ganzen das buntscheckigste Ansehen. -- Dazu das ewige Geschrey der Schiffer auf den Kanälen, der Obstweiber, kleinen Krämer und Schuhputzer auf den Gassen, und das beynahe ununterbrochene Getöne der Carillons oder Glockenspiele, die Sie auf allen Thürmen beynahe antreffen. In der Judenstadt, denn auch hier noch leben diese Menschen, obgleich sie der Revolution jetzt die Gleichheit der Rechte mit den andern Einwohnern verdanken, getrennt, ward dieß Gewimmel vermehrt, sie arbeiten hier in allen Handwerken, aber doch ist besonders der Handel ihr Nahrungszweig, -- kleine Diebereyen ist man hier am meisten so wie der Betteley ausgesetzt. -- Alles das zusammen in einem Augenblicke lebhaft dargestellt, gibt Ihnen eine Idee von Amsterdam.
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Den 25sten, Morgens, fuhren wir mit der [[Treckschute|Trekschyte]] von Amsterdam nach [[Haarlem]] 1 ½ Meilen. </blockquote>
   
 
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Version vom 14. April 2021, 10:51 Uhr

GAS Amsterdam

Amsterdam.


Amsterdam,[1] die Hauptstadt des ehemaligen Hollands, und nach der Vereinigung desselben mit Frankreich nach Paris und Rom die dritte Stadt des französischen Reichs, nun aber die Hauptstadt des Königreichs der Niederlande, am Meerbusen Y, mit mehr als 200,000 Einwohnern.

Neopolem

Zu den schönsten und merkwürdigsten Gebäuden gehören das von Jacob von Kampen erbaute und mit den Bildhauerarbeiten Quellins verzierte, auf 13,659 eingerammelten Mastbäumen gegründete Rathhaus, welches, als Holland zu einem Königreich constituirt wurde, der König zu seinem Pallast einrichten ließ, die Börse, die Admiralität, das ostindische Haus und die berühmten Hospitäler und Arsenäle.

Die Stadt wird durch die Amstel, welche mitten durch sie hinfließt, in die alte und neue Seite getheilt, hat ungefähr drei Meilen im Umkreise, ist auf einem Rost von eichenen Pfählen gebaut und überall von Canälen und Krachten durchschnitten. Gegen die Landseite ist sie mit vielen Bastionen versehen; dennoch wurde sie 1787 von den Preußen, und am 19ten Dec. 1794, in jenem merkwürdigen Winter, von den Franzosen eingenommen. Obgleich Amsterdams Lage zum Seehandel wegen der beschwerlichen Passage durch den Texel nicht sonderlich bequem ist; so gehörte es doch sowohl in Ansehung seines durch die ganze Welt verbreiteten Handels, als auch seiner sonstigen Industrie und seines daraus entsprungenen Reichthums wegen, zu den ersten Städten Europa's.

Neopolem

Der Hauptnahrungszweig der Einwohner bestand und besteht zum Theil noch in der Färberei, Zuckerbäckerei, Wachs- und Leinwandbleiche, und in Verfertigung des Papiers, Segeltuchs, seidener und wollener Waaren. Ferner waren hier starke Niederlagen von Gold, Silber, Edelsteinen, Spezereien u.s.w. aus allen Welttheilen. Außerdem brachte der Wallfischfang, der ostindische, besonders der Gewürzhandel und der Heringsfang, ihnen, große Vortheile.

Amsterdam erhob sich allmählich aus einem Fischerdorfe zu einer Stadt. Der Druck der Spanier zog im 16ten Jahrhundert nach und nach viele Kaufleute des reichen Antwerpens und anderer flandrischen Handelsstädte dahin. Den spanischen Niederlanden wurden durch den westphälischen Frieden die Schelde gesperrt und bald breitete nun Amsterdam seine Geschäfte nach allen Gegenden der Erde aus; es wurde das allgemeine Magazin von den Producten aller Nationen und darf im 17ten und zu Anfang des 18ten Jahrhunderts als die erste Handelsstadt der ganzen Erde betrachtet werden. Inzwischen aber trat London als Nebenbuhlerin auf, und ward besonders wegen seiner wichtigen Seemacht gefährlich. Der Krieg mit den Engländern 1780 schadete dem Vermögen und Handel Amsterdams sehr viel; es entstanden Unordnungen in der großen (1609 gestifteten) Bank, welche den Credit im Auslande schwächten; und Amsterdam mußte schon vor dem Eindringen der Franzosen London den Vorrang einräumen. Seitdem versiegten die Quellen des Handels und Wohlstandes immer mehr. Die Engländer schadeten so viel sie konnten, die Colonien waren verloren, Deutschland zog seine Bedürfnisse über Hamburg und Altona und so trat jener Stillstand in allem Verkehr und Erwerb ein, der vor einem Allgemeinen Frieden in Europa nicht aufhören wird.


Von Reisende.

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Georg Friedrich Rebmann.

[2]

[1796]
GAS Amsterdam

Zum erstenmal sah ich heute auf dem hiesigen Revolutionsplaz, wo der schönste Freiheitsbaum gepflanzt ist; den ich noch gesehen habe, die fränkische Parade, nachdem ich bei der Munizipalität einige Privatgeschäfte in Ordnung gebracht hatte. Eine Menge Volks war hier versammelt, und es schien, als ob das gute Betragen der neuen Gäste selbst diejenigen versöhnt hätte, welche eben keine Freude darüber haben, militairische Gewalt in Amsterdam zu wissen. Eben war die Nachricht von einem glänzenden Sieg der italienischen Armee eingegangen, und wurde den Soldaten, ohne alles Geräusch, wie man wohl in Deutschland bei jedem kleinen Vortheil, während dieses Kriegs zu veranstalten pflegte, mitgetheilt. Leider! bemerkte ich, wenige ausgenommen, keine Spur von Enthusiasm, oder Freude darüber. Es mag sein, daß es bei den übrigen Armeen ein anderer Fall ist, oder daß die Franken der Siege schon zu gewohnt sind -- sonst müste ich gestehen, daß die Beschreibungen unserer Journale von der heissen Liebe der Truppen zur Republik auf diesen Theil der Nordarmee nicht passen. --

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Ich ging von hier aus auf ein Koffeehaus, und traf gerade das bekannteste und berüchtigste Aristokraten-Nest in ganz Amsterdam. Sobald man hörte, daß ich ein Deutsche sei, und von der deutschen Gränze komme, versammelte sich alles um mich her, um die längst erwarteten günstigen Nachrichten von mir zu hören, daß der König von Preussen und der Herzog von Braunschweig im Anmarsch seien, um die alten Ketten wieder aufs neue zu bevestigen. Einen Augenblik lang erlaubte ich mir den Scherz, die Herren in ihrem Irrthum zu lassen, dann aber brach ich los, ohne mir ein Blatt vor den Mund zu nehmen. So etwas hatten die Herrn in Israel noch nicht gefunden, einen demokratischen Deutschen. Sie waren meistens meine Landsleute, und daher konnt ich mich hier nach Herzenslust expektoriren. Endlich als ich ihnen meinen Wunsch und meine Hofnung zu erkennen gab, Pitt nächstens gehangen zu sehen, wurde es ihnen zu arg. Gern hätten sie mir ihren Grimm laut zu erkennen gegeben, wenn es ihnen nur nicht, wie allen Aristokraten, an Muth gefehlt hätte. -- Zur Abwechslung ging ich nun auch in ein sogenanntes terroristisches Koffeehaus, wo man mich mit wilden Blikken betrachtete, und mich vermuthlich für einen Spion Sr. Majestät, des Königs von Preussen ansah. Uebrigens hatten die Leute hier, wenn sie auch wirklich Jakobiner waren, nichts mit den fränkischen Jakobinern gemein. Sie hatten alle ihre lange Pfeifen im Munde, die den Menschen in Holland das erste Bedürfnis zu sein scheinen, beräucherten sich unter einander, tranken Genever, und riefen von Zeit zu Zeit, wenn sie mit einander anstiessen: Gelykheid, Vryheid, Broderschap. Das lautete aber so breit, daß mir ganz schlimm dabei wurde.

Als ich diesen revolutionairen Tobaks-Klubb verlies, sah ich eine kleine Volksgruppe, welche dadurch entstanden war, daß einige fränkische Soldaten ein Mädchen aus einem sogenannten Speelhuys entführt hatten. Der ehrliche Maquerau (auch ein Deutscher) der das arme Mädchen unter dem Vorwand, ihr einen Dienst zu verschaffen, in dies liederliche Haus gelokt hatte, suchte den Pöbel gegen die Thäter zu erbittern, wurde aber ausgelacht. Würklich sollte die Polizei, wenn sie auch solche Häuser wegen der vielen Matrosen dulden mus, deshalb wenigstens bessere Anstalten treffen, denn manches Mädchen soll hier fast mit Gewalt in Speelhuyser gelokt werden, und, sobald sie kein Geld hat, kein Erlösung finden, da diese schöne Revenue verpachtet ist, und vermuthlich einen Theil der Einkunft des Prinzen von Oranien ausmacht. Auch soll leider! noch die Seelenverkäuferei hier getrieben und (was sehr schlimm wäre) von der Regierung geduldet werden, um dadurch Matrosen zu bekommen, an denen jezt so grosser Mangel ist.

So gerne ich hier das holländische Nationalschauspiel besucht hätte; so konnte ich doch meines Wunsches nicht theilhaftig werden, da die Gesellschaft jezt in Rotterdam ist. Ausser diesem sind noch zwei französische Bühnen, und eine teutsche jüdische Gesellschaft hier, die recht artige Operetten geben soll. Eine zweite teutsche Gesellschaft werde ich im Haag zu sehen bekommen.

Nachdem ich noch einige Besuche abgestattet und mich dabei gewaltig gelangweilt hatte, genos ich noch der schönen Aussicht am Hafen, wo man links das y, und rechts einen Theil des Zuyder-Meers vor sich hat. Die Stadt selbst, so hübsch sie übrigens ist, hat für mich keine Reise. Alle Strassen sehen sich, so wie die Häuser und die Menschen, so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Da ist nichts, als Kanäle und Brükken und Alleen, die sich in lauter rechten Winkeln durchschneiden. Man hat, eben dieser Aehnlichkeit wegen, die gröste Mühe, sich zurecht zu finden. Fragen Sie nach einer Strasse, so dringen sich Ihnen gleich zehn Juden oder anderes dergleichen Gesindel zu Wegweisern auf, laufen neben Ihnen her, suchen Ihnen etwas zu stehlen, und fordern am Ende einen Gulden oder ein paar Gulden, die sie ohne alle Weigerung bezahlen müssen, wenn sie nicht vorher akkordirt haben. Ueberhaupt habe ich nirgends einen schmuzzigern, häßlichern, aufdringendern, gewinnsüchtigern Pöbel gefunden, als hier in Amsterdam. Kaum kann man sich dessen erwehren. Dreissig Juden schreien einem immer die Ohren voll, bis man ihnen eine Kleinigkeit abkauft, indes die andern sich in den Handel mischen, und dabei die Taschen des Käufers leeren; zehn bis 12 Jungen mit Bürsten puzzen einem fast mit Gewalt die Schuhe, und alles hält immer die Hände auf. Und wenn Sie nur nach dem Wetter fragen, so antwortet ihnen kein Mensch, bis sie ihm wenigstens einen Deut bezahlt haben. Wucher und nichts als Wucher ist das Gewerbe dieser Stadt, vom Millionair bis zum Schuhpuzzer herab. So ekkicht, als die Stadt ist, so ekkicht sind auch die Menschen. Ohne Geld thun sie den Mund nicht auf, und ausser der Kanaille, die Sie inkommodirt, sehen Sie nicht, als Kerls mit Stuzperuquen, oder Kutscher, die, statt der Räder, auf Schleifen geschleppt werden, wobei eine Art von Fuhrmann auch mit einer Peruque, pflegmatisch neben hertrabt, oder Karren, mit grossen, ebenfals pflegmatischen Hunden bespannt, und einige Weibsbilder, die Obst und Gemüse mit einem ewig monotonen, widerlichen Gekreisch ausschreien, oder öffentliche Dirnen, die mit Matrosen umherziehen. Es thut einem ordenlich wohl, wenn man unter diesem fühllosen, diebischen und liederlichen Gesindel einmal einen hübschen Soldaten munter durch die Strassen gehen sieht, und ihn statt des ewigen Gebrülles und Gekreisches ein Freiheitsliedchen pfeifen oder singen hört.

Das hiesige Rathhaus ist wirklich ein grosses und schönes Gebäude, aber der Geschmak, in welchem es gebauet ist, will mir doch nicht gefallen. Das Börsengebäude, über dessen Eingang recht schiklich der Gott der Diebe in Stein gehauen, präsidirt, ist bei weitem prächtiger, grösser und bequemer eingerichtet, als das Hamburger, der Plaz ist wenigstens viermal so gros, als dort, in einem vierekkichten Hofe, der an allen Seiten mit Arkaden umgeben ist. Man geniest hier die Bequemlichkeit, jeden Kaufmann, den man sucht, augenbliklich finden zu können, da alle Pfeiler numerirt sind, und jeder Kaufmann seinen bestimmten Plaz hat. Vor ihrem Eingange liegen eine Menge Boutiquen, und eine ungeheure Anzahl Juden, eine Avantgarde, deren Belagerung man ordentlich nach den Regeln abschlagen mus, ehe man ins Innere kommt. -- Hier kömmt einem denn gleich Jedermann mit Klagen über die jezzige Störung aller Geschäfte entgegen, aber keiner will etwas thun, um dem Uebel aufzuhelfen. Zwar haben die Holländer seit der Revolution beinahe 60 Schiffe neu gebauet, und ein Theil der Flotte ist auch bereits ausgelaufen, aber -- wer uns Ruyter und Tromp, oder vielmehr, wer uns (da wirklich ein geschikter Admiral da sein soll) Matrosen und Muth gäbe! Die Tapferkeit der Holländer zur See mag Ihnen folgende Anekdote karakterisiren, die ich aus dem Munde eines französischen Marine-Offiziers habe. Dieser lief von Vlissingen aus, und begegnete mit seiner Brigge von 16 Kanonen zwei Holländischen Fregatten, deren jede 36 Kanonen führte. Er gab ihnen ein Zeichen, sich mit ihm zu vereinigen, in welchem Fall sie 12 bis 16 englische Prisen gemacht haben würden. Die Fregatten aber verstunden das Zeichen nicht, glaubten, das fremde Schiff wäre ein Englisches, und spannten alle Segel auf, um dem Feinde zu entkommen. -- So segelte neulich ein englisches Linienschiff unter einige Duzzend Fregatten, schos vier davon zusammen, und gieng wieder seiner Wege. -- Für die holländische Justiz ist leider! noch eben so wenig geschehen, als für die Marine. Man kann im Gegentheil sagen, daß sie noch abscheulicher ist, als ehedem, wo diese Harpye bekannt genug war. Unglüklicher Weise haben sich eine Menge von Advokaten in die Revolution geworfen. Daraus mus hauptsächlich bei der Konstitution Bedacht genommen werden. Die verschiedenen Kommittés erschweren jezt noch jedes Geschäft unendlich. Eine Menge von Leuten ohne Patriotism, ohne Talente, ohne Kenntnisse haben sich provisorisch der Verwaltung bemächtigt, und wehe dem, der etwas zu suchen hat! Die Herren trinken, statt zu arbeiten, und weisen einen von Hinz zu Kunz, und von Kunze zu Hinz! -- Bei den halben Maasregeln die immer genommen werden, mus alles schlecht gehen. Doch von allen diesen Dingen werde ich Gelegenheit genug haben, noch mehr zu reden. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einen Traum mittheile, der wenigstens eben so viel werth ist, als ein Stük aus der Offenbarung Johannis, und dessen ich, um mich der Sprache der Propheten zu bedienen, in Amsterdam gewürdigt wurde.

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Dr. Johann Friedrich Droysen.

[3]

[1801]

Amsterdam, den 25sten Jun. 1801..

GAS Amsterdam

Bey Nieuvesluis, einer kleinen Festung in der großen Ebene, verließen wir den bis jetzt befahrenen Canal, die Vecht genannt und fuhren die Amstel hinab, die der großen vor uns gelegenen Stadt den Nahmen gibt. Amsterdam nimmt einen ungeheuren Raum am Horizonte ein, und hat durch die ungeheure Menge von Windmühlen und die vielen hohen Schorsteine, die in der Ferne so vielen kleinen Thürmen gleichen, ein ganz eigenthümliches Aeußeres, wir  fuhren unter der schönen Amstelbrücke durch vor die Hausthür unsers Wirthshauses, das Rondeel.

Das Eigenthümliche in der Bauart der Stadt überrascht in der That; in der Mitte jeder Straße ein breiter Canal voll von Masten, Schiffen und Bothen aller Art; längs diesem aufgemauerten Canale laufen die schön gepflasterten, breiten Straßen, an beyden Seiten mit Bäumen bepflanzt hin. Die großen, hohen Giebelhäuser, untermischt mit Gebäuden von schönen Geschmacke; die vielen, vielen Brücken, die man fast auf jeder Straße sieht, das bunte Gewimmel der Kutschen, Kabriolets, Karren, Schleifen, Träger und Menschen aller Art; alles das zusammen macht einen so ganz eigenthümlichen Eindruck, wie ihn wenig Städte nur gewähren können.

Unter den schönsten Gassen zeichnen sich die Herrengracht, die Prinzengracht und die Kaisersgracht durch ihre schönen Gebäude und regelmäßig gelegenen schönen Brücken aus *).

*) Man unterscheidet Straße und Gracht, diese letztern haben Canäle.

Der Revolutionsplatz, ehemahls der Damm genannt -- doch haben hier so wenig, wie in Frankreich, die neuen Nahmen bis jetzt die alten verdrängen können -- ist einer der schönsten Plätze in Amsterdam, das überhaupt arm an freyen Plätzen ist. Das prachtvoll gebauete Rathhaus, die neue Kirche und andere schöne Gebäude zieren denselben, und in der Mitte ist der ungeheure Freyheitsbaum aufgerichtet.

Eine schöne Promenade längs dem Quay am Hafen hin, zeigte und Amsterdam in seiner schönen Größe. Hier nahm auch das Gewimmel der Menschen, je näher wir dem Hafen kamen, immer mehr zu; Karossen und Kabriolets jagten leicht neben dem langsamen schwer beladenen Wagen dahin, ein Schleen, (so nennt man in Amsterdam eine eigene Art von wohlfeilen Miethkutschen, wo der Kutschenkasten auf eine Schleife gebunden ist, die von einem Pferde gezogen wird) folgte langsam im Gedränge der Menschenmenge von allen Ständen und Nationen den Lastschleifen, die vorn eine Tonne mit Wasser führen, die bey jedem Stoße Wasser ausfließen läßt, um die Reibung zu verhindern; tragbare Boutiken und Obstweiber mit großen Körben, wanden sich durch das Gedränge auf den Brücken durch, wo bettelnde Musikanten, und singende Krüppel den Lärm vergrößerten.

GAS Amsterdam

Der Hafen mit seinem Wald von Masten war leider mehr als zu brillant in dieser Jahrszeit; wir nahmen ein vorher wohl bedungenes Both und ließen uns unter den Colossen von abgetakelten Ostindienfahrern, leeren müssigen Kauffahrdeyfahrern, neuen Kriegsschiffen und Rheinfahrern umher rudern, fuhren bey dem prächtigen Admiralitäts-Gebäude, bey der Kweeckschoole van der Zevaart vorbey und landeten wieder an dem neu gebaueten Theile der Stadt, der so genannten Plantage, wo eine Menge von Gartenhäusern, Stileen und niedlichen Wohnungen unter den Gärten versteckt liegen; eine der schönsten Promenaden von Amsterdam.

GAS Amsterdam

Das Stadthaus in Amsterdam ist unstreitig das schönste Gebäude der Stadt; es liegt frey auf dem Revolutionsplatze und zeichnet sich durch seine Größe und Pracht aus. Der Freyheitsbaum vor demselben ist ein ungeheurer Mastbaum mit Lorbeer von Blech umwunden, mit den Nationalfarben, mit Trophäen und drey Schildern geziert; auf dem ersten Schilde küssen sich zwey Figuren über einem Altare, auf dem ein Herz lodert und der die Inschrift trägt: een Hart vor't Vaderland, mit der Umschrift Broederschap; auf dem zweyten reichen sich Freyheit und Gleichheit, an ihren Attributen kennbar, die Hand über einem Altare mit einem Buche, de Regte van den Menschen; und auf dem dritten führt ein Held die Freyheit an der Hand, mit der Inschrift: door fransche Hulp. 1795. Oben auf dem Wipfel steht der Hut mit dem Nationalbande. -- Er kostete 6000 Gulden.

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Dem Gemeindehause links gegenüber liegt die neue Kirche, die besonders durch das Grabmahl des Admiral Ruyters merkwürdig ist, er blieb 1607 in der Schlacht gegen die Franzosen, hier liegt er in Marmor in voller Rüstung auf einem Bette von Schiffsmatratzen, Tritonen und Meergötter verkünden seinen Ruhm. Ferner findet man hier das Monument J. B. Bentincks, der 1781 bey Doggersbank als Admiral starb. Joh. van Galen, der 1653 in der Schlacht bey Livorno gegen die Engländer blieb, und des Dichters Vondel, der 1609 starb, und sehr schöne Glasmahlerey auf den Fenstern. –

Die große Börse sowohl als die Getreidebörse sind ein paar sehr schöne Gebäude, mit freyen Höfen und Colonnaden, an den Säulen sind die Nahmen der Völker und der verschiedenen Handlungszweige angeschlagen, um desto leichter seinen Mann finden zu können.

Die Alte Kirche (Oude Kerk) ist vorzüglich ihrer Glasmahlerey wegen merkwürdig, sie übertrifft alle mir bekannte Kunstwerke der Art, die vorzüglichsten Stücke sind: die Geburt Christi, die Verkündigung der Maria und der Tod Marcus vom Jahr 1555. Es ist eine so richtige ausdrucksvolle Zeichnung in den Figuren, eine so wohl gewählte Zusammenstellung der Gruppen, und vorzüglich ein so lebhaftes Colorit, daß man diese verloren gegangene Kunst wirklich recht sehr bedauern muß. Viel gewinnen diese Gemählde dadurch, daß man durch mehr oder minder Durchsichtigkeit großen Effect hervorbringen konnte; so erinnere ich mich auf einem dieser Gemählde ein Licht zur höchsten Täuschung mit seiner Flamme dargestellt gesehen zu haben. -- Hier ist auch das Monument des durch seine Fahrt nach Nova-Zembla berühmten Admirals Heemskerk, der 1607 bey Gibraltar gegen die Spanier blieb.

Die übrigen Kirchen und öffentlichen Gebäude, als die Süderkirche mit ihrer schönen Kuppel, die Portugiesische Juden-Synagoge, milde Stiftungshäuser, der Hof und das Haus der Ostindischen Gesellschaft, wo jetzt fast gar kein Verkehr war, und andere merkwürdige Gebäude beschreibe ich Ihnen nicht, sondern gehe jetzt zu den gelehrten Instituten in Amsterdam über; ich weiß dieß interessirt Sie mehr.

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GAS Amsterdam

Die Häuser in Amsterdam sind, wie in den meisten Handelsstädten, Giebelhäuser, die sehr schmal, aber von großer Tiefe sind; dieß gibt ihnen eine eigene, nicht bequeme Bauart; man muß die Mitte des Hauses einziehen, und ein kleines Höfchen bilden, um den Zimmern Licht verschaffen zu können. Dieß gibt ferner die Unbequemlichkeit äußerst schmaler Dielen und Treppen. Die Wände sind gewöhnlich nur von Bretern, so daß man im Nebenzimmer jedes Geräusch hört. Die Dielen sind nicht nur auf dem Boden, sondern auch an den Wänden mit Marmor bey den Reichen, bey den Armen mit Klinkern von Fayence belegt; ich habe Dielen gesehen, deren Kosten auf 10,000 Fl. angegeben wurden. Die Böden sind gewöhnlich mit den kostbarsten Decken belegt, und bey Armen wenigstens mit Strohmatten. Oefen hat man wenig, aber sehr kostbare Kamine; der Platz am Kamin gehört dem Manne, und die Frau bedient sich eines so genannten Stov-, Wärmetopfes. Die Fenster in den Häusern sind ungeheuer groß; die Häuser gleichen Treibbeeten, oder Laternen. Silbergeräthe, feine Leinewand und Porzellan sind der besonders geschätzte Reichthum eines Hauses, wozu noch die Liebhaberey an Gemählden, Kupferstichen u. d. gl. kommt.

Die Kleidung der Männer und Frauen ist weniger modern als in Deutschland, man findet sie hier noch um mehrere Jahrzehende zurück, den Mann in seinem damastenen Schlafrock, die Frau mit ihrer kleinen Haube, die Tochter mit einem großen schwarzen Tafthute; nur die galante Welt macht hiervon eine Ausnahme. –

Zu den Vergnügungen der Amsterdammer gehöret ins besondere das Besuchen der Kaffehhäuser und der Collegien; die Collegien sind bestimmte Versammlungszimmer, wo Männer von gleichen Ständen und Glücksgütern sich versammeln, Zeitungen lesen, bey einer Pfeife Taback plaudern, und selten spielen; diese Collegien werden Morgens und Abends unausgesetzt besucht; wer nicht Mitglied eines solchen Collegiums ist, muß sich auf den Kaffehhäusern unter einer fürchterlichen Dampfwolke bey braungefärbtem Kaffehwasser behelfen; diese Kaffehhäuser kommen überhaupt den Deutschen und Französischen nicht gleich.

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Amsterdam hat ein Nationaltheater, welches sehr schön eingerichtet und reich dekoriret auch gut besetzt seyn soll, es ist aber nur des Winters geöffnet. Das Französische Theater ist mittelmäßig, wird nur durch eine Dem. Labbé gehoben; und das Deutsche ist äußerst elend. Aber freylich ist es nicht für den Holländer, Schauspiele zu besuchen, er lebt lieber in seinen Collegien und zu Hause in seinen Liebhabereyen, die bald Conchylien, bald Gemählde, bald Blumen oder d. gl. sind, oder Sommers auf seinen Außenplätzen. –

An Sonn- und Festtagen zieht der Amsterdammer vor das Thor in die Menge von Kaffehhäusern, Bier- und Weinschenken, die nach den verschiedenen Ständen und ihren Bedürfnissen eingerichtet sind; der Reichere fährt auf seine Campagne, oder seinen Garten, oder als Mitglied einer geschlossenen Gesellschaft vors Thor in einen Garten, wo er sich mit Kegelschieben, Kolbenspiel, oder mit seiner Pfeife amusiret oder ennujiret. Der Matador reist auf sein weit entferntes Landgut und -- raucht seine Pfeife in Gesellschaft mehrerer Freunde, und amusirt sich, wie er kann.

Die fremden Schiffer besuchen Abends mit ihren Entretenüs die Bälle, die hin und wieder an gefärbten Laternen zu erkennen sind, im Peil, im Rondeel u. s. w., wohin die Mama mit ihren Töchtern aus den so genannten stillen Häusern kommt, und wo noch Decence genug herrscht; hier kommen auch andere Familie hin, um dem Tanze zu zusehen.

Die öffentlichen Bäder in der Plantage sind seit drey Jahren der Sammelplatz der elegantern Welt, wo an einer Menge kleiner Tische, in einem großen Saale, Thee, Kaffeh und Wein genossen wird, wo alles sehr still hergeht, und man den Ausländer bald an der lautern Stimme und der grössern Lebhaftigkeit erkennt.

Vor dem Utrechter Thore wird hin und wieder in einer großen Allee ein so genanntes Harddraven, Wettrennen im Trotte angestellt. Junge, leichte Knaben jagen mit besonders dazu dressirten Pferden in die Wette, ohne im Galopp zu fallen, die Pferde greifen mit dem Hinterfuße weit über den Vorderfuß hinaus, welches bey guten Pferden 6 Rheinl. Fuß betragen soll, und dieß geht mit so rasender Geschwindigkeit, daß ein Pferd im Galopp ihnen selten gleich kommt. Dieß Nationalschauspiel wird von den Holländern stark besucht. Ein anderes eigenthümliches Vergnügen ist das Gänzegreifen, wo eine Gans mit den Füssen hoch an einen Strick gehängt wird, der Kopf ist mit Oehl beschmiert und muß von dem unten Durchjagenden abgerissen werden. -- Bälle sind seltenere Vergnügungen, so wie auch Kartenspiel; der Holländer ist lieber Zuschauer, als handelnde Person in allen Vergnügungen. –

Das angenehmste Schauspiel war mir das Gewimmel der Menschen bey solchen Gelegenheiten und Sonntags auf den Promenaden vor der Stadt; bunter und mannigfacher findet man es vielleicht selten. Längs dem schön gepflasterten Wege, auf welchem Carossen und Cabriolets hin und her jagen, laufen Alleen neben den Gartenhäusern und Pavillons, die mit Menschen gefüllt sind, auf ihnen treibt sich jung und alt, arm und reich, schön und häßlich, der Jude neben dem Christen, der Türke und Engländer, die leicht gekleidete Französinn mit bis zur Wade aufgehobener langen Schleppe, neben der steifen Nordholländerinn und Friesinn mit ihrer hohen Mütze und im Dreyeck gebundenen Tuche; die ehrbare Amsterdammer Bürgerfrau in ihrem Kleinen Häubchen, neben der Bäuerinn mit ihrem Chinesischen Sonnenhute, auf und ab. -- Kurz das Gewimmel ist so bunt und mannigfach, als man wünschen kann.

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GAS Amsterdam

Ich führe Sie endlich, mein Bester, noch ein Mahl zum Abschiede durch diese große Stadt, werfen Sie noch ein Mahl Ihren Blick auf die lebhaften Gassen und Kanäle, sehen Sie diese Menge von Lastschiffen aller Art, einige mit Trinkwasser, andere mit Torf, andere mit Dünger gefüllt, alles dieß sind Handlungszweige; der Dünger wird größtentheils nach Brabant verkauft, der Torf aus den südlichen Provinzen, und das Wasser aus den nahe gelegenen Gegenden gehohlt, denn die Cisternen in den Häusern, die das Regenwasser sammeln, genügen nicht, und das andere Wasser ist nicht zu genießen. Hier sitzt in einem kleinen Kahne eine ärmliche Familie und fischt aus dem Kanale die Lumpen und Späne; dort fährt eine vergoldete Gondel mit einer geputzten Gesellschaft dahin. Schiffe wechseln mit Schuyten, Rheinfahrern und flachen Fahrzeugen ab. Auf der Gasse ist das Gewimmel nicht minder lebhaft. Wagen, Karren und Schleifen, Träger, Karrenschieber und Obstweiber, alles unter einander durch, singende und leyernde Bettler, die Waysenkinder in ihrer halb blauen, halb weißen Kleidung (denen zur Maske Tag und Nacht, nur die Sterne fehlen,), geben dem Ganzen das buntscheckigste Ansehen. -- Dazu das ewige Geschrey der Schiffer auf den Kanälen, der Obstweiber, kleinen Krämer und Schuhputzer auf den Gassen, und das beynahe ununterbrochene Getöne der Carillons oder Glockenspiele, die Sie auf allen Thürmen beynahe antreffen. In der Judenstadt, denn auch hier noch leben diese Menschen, obgleich sie der Revolution jetzt die Gleichheit der Rechte mit den andern Einwohnern verdanken, getrennt, ward dieß Gewimmel vermehrt, sie arbeiten hier in allen Handwerken, aber doch ist besonders der Handel ihr Nahrungszweig, -- kleine Diebereyen ist man hier am meisten so wie der Betteley ausgesetzt. -- Alles das zusammen in einem Augenblicke lebhaft dargestellt, gibt Ihnen eine Idee von Amsterdam.

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Den 25sten, Morgens, fuhren wir mit der Trekschyte von Amsterdam nach Haarlem 1 ½ Meilen.


Neopolem


1812.


Quellen.

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Holland und Frankreich, in Briefen geschrieben auf einer Reise von der Niederelbe nach Paris im Jahr 1796 und dem fünften der französischen Republik von Georg Friedrich Rebmann. Paris und Kölln.
  3. Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.