Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Des Generals Blücher Aufruf an die Sachsen.[]

Der drey und zwanzigste März 1813.

Unter dem heutigen Tag erlies der Held Blücher von Bunzlau aus einen Aufruf an die Sachsen. Er führte ihnen darinn zu Gemüth, daß der Herr der Heerschaaren ein schreckliches Gericht gehalten und dreymalhunderttausend jener Fremdlinge von der Erde, die sie hätten unterjochen wollen, vertilgt habe. Es sey nun Zeit, das verhaßte Joch abzuwerfen, das so viele Jahre gedrückt habe. Er rufte ihnen zu, nicht länger zuzugeben, daß eine arglistige gleißnerische Politik für ihre ehr- und raubsichtigen Absichten das Blut ihrer Söhne fordere, die Quellen ihres Handels austrockne, ihren Kunstfleiß lähme, ihre Preßfreyheit vernichte, und ihr sonst glückliches Land zum Schauplatz des Kriegs mache. Sie sollen sich vereinigen mit den Preussen und Russen, die Fahne des Aufstandes erheben gegen die fremden Unterdrücker, und sie werden frey seyn. -- Aber die Sachsen konnten sich damals noch nicht entschließen, sondern wollten erst warten, ob nicht ihr König seine Meynung ändern und eine andere Parthey ergreifen werde.


Aufforderungen an die Sachsen.[]

Der König von Sachsen, Mitglied des Rheinbundes seit den 11ten Dec. 1806, hat bei dem Fortschreiten der Russen und Preußen sein Land verlassen, reißte nach Plauen im Voigtlande, dann nach Regensburg, und ganz Deutschland ist auf seine weiteren Schritte in gespannter Erwartung. Da der eingeschlagene Weg nicht gerade der Weg nach Frankreich ist, so kann man eine Zurückkunft noch voraussetzen. Unterdessen sind zwei Armee-Corps, ein Russisches und ein Preußisches, in Sachsen eingedrungen, und haben folgende Proclamationen erlassen.


Proklamation von dem Grafen von Wittgenstein an die Sachsen.[]

An die Sachsen.

Brave Sachsen! wie soll ich zu Euch reden? - als Euer Feind? das bin ich nicht. Ihr seyd ja biedere Deutsche und ich bin gekommen, im Namen meines Kaisers, um alle Deutsche von dem schimpflichen Joche zu befreien. So will ich denn als euer Freund mit euch reden; hört mich! denn ich meine es gut mit Euch.

Es mag wohl seyn, daß Ihr stutzt bei dem Anblick der Russen und Preußen, die bewaffnet in Euer Land rücken; es mag wohl seyn, daß Ihr bekümmert seyd und nicht wißt, was Ihr thun sollt, da Euer König Euch verlassen und Euch Ruhe geboten hat. Aber wenn ein Haus brennt, so muß man nicht erst den Eigenthümer um Erlaubniß fragen, ob man lösschen dürfe. Eures Königes Haus brennt schon lange; er ist selbst in Noth, er darf nicht sprechen, wie es ihm gewiß ums deutsche Herz ist. Denn bedenkt doch nur! Er, ein Deutscher König, der schon lange Euern Schweiß und Blut den Franzosen hat liefern müssen, Er sollte Euch zur Ruhe ermahnen, in einem Augenblick, wo Ruhe ein Verbrechen ist? Er hat eine Stunde geschlagen, die nicht zum zweitenmal schlägt, die Stunde der Befreiung von dem fremden Joche! und Er selbst könnte verlangen, daß Ihr Eure Ohren verstopft! Seit 45 Jahren hat Er Euer Glück, Eure Ehre gewollt, und sollte nun Euer Unglück, Eure Schande wollen? Nimmermehr! Hat Er Euch doch selbst ermahnt, Ihr mögtet den alten Ruhm der Sachsen behaupten. Worin bestand denn dieser alte Ruhm? Leset in Euren Chroniken; da werdet Ihr finden: es gab auch einmal einen herrschsüchtigen Kaiser der Franken, man nannte ihn Carl den Großen, der hat dreißig Jahre gegen Euch Krieg führen müssen, um Euch zu unterjochen. Damals hattet Ihr auch einen König er hieß Wittekind, der verließ Euch nicht in der Noth, und rief Euch nicht zu Ihr solltet ruhig seyn, sondern er führte Euch selbst in den blutigen Kampf für Euer Freiheit! Sehet da, das ist Euer alter Ruhm! an den müßt Ihr Euch halten. Tausend Jahre sind seitdem verflossen; seit tausend Jahren hatte Gott Europa nicht wieder mit einer solchen Geißel heimgesucht; nun ist sie wieder da und Ihr wollt nicht gegen sie kämpfen wie damals? ihr wollt den Rücken freiwillig entblößen? - Hört, und bedenkt, wie viel leichter jetzt Euch der Kampf gemacht wird, als Euren Vorfahren vor tausend Jahren; die standen allein; die mußten allein gegen den mächtigen Carl sich wehren.

Ihr aber steht nicht allein; mein Kaiser mit seiner ganzen Macht, der König von Preußen mit seiner ganzen Macht, sind zu Eurer Hülfe, Eurer Rettung aufgestanden, und - wenn Ihr nun wollt - so wird der Kampf nicht 30 Jahre dauern, wir werden mit Gottes Hülfe in einem Jahre die Ketten abschütteln, und dann wird Jeder mit Ehren ruhig seyn dürfen. Dann werden Eure zerstörten Fabriken wieder aufblühen, Euer Handel wird die alten versperrten Wege wieder finden, Euer Ackerbau wird gedeihen, Eure Söhne werden nicht mehr zur Schlachtbank geführt werden; kurz, dann ist die schöne Zeit der Ruhe gekommen, für die Euer König selbst Euch danken wird, Wer aber bis dahin ruhig bleiben wollte, den erkenne ich für keinen echten Sachsen, für keinen Deutschen. Wer nicht mit der Freiheit ist, der ist gegen sie. Darum wählt! meinen brüderlichen Gruß oder mein Schwert! Vereint Euch mit mir, um Euren König und seine Selbstständigkeit wieder zu erobern; und dann möge Er Euch, so Gott will, noch 45 Jahre in Frieden und Ueberfluß regieren; denn glaubt nicht ich wolle Euch von ihm abwendig machen; ich will vielmehr die Bande zwischen Euch und ihm wieder enger knüpfen, die von fremder Tiranney zerrissen worden; Ihr sollt einen freien König haben und freie Sachsen genannt werden! - Auf! Auf! bewaffnet Euch! und wäre es auch nur mit Sicheln und Sensen und Keulen! Vertilgt die Fremdlinge von Eurem Boden! Mich und meine Russen und die tapfern Preußen sollt Ihr überall finden, wo die Gefahr am größten ist. Schon hat Gottes Gericht am Uebermüthigen sich offenbart! Glaubt mir, wir werden siegen! Gottes Langmuth ist erschöpft; wir werden siegen! so spreche ich nicht aus eitler Prahlerei, sondern im Vertrauen auf Gott und Euch und die heilige, gerechte Sache!

Gegeben in meinem Hauptquartier zu Berlin, am 11. (23.) März 1813.

Graf v. Wittgenstein.


Proklamation von Blücher an die Soldaten.[]

An die Truppen unter meinem Befehl.

Preußen! wir überschreiten die Grenze unseres Gebiets und betreten ein fremdes, nicht als Feinde, sondern als Befreier. Ausziehend zum Kampf um unsere Unabhängigkeit, wollen wir nicht ein Nachbarvolk unterdrücken, das mit und dieselbe Sprache redet, denselben Glauben bekennt, öfters ehedem seine Truppen mit den unsrigen siegreich fechten ließ, denselben haß gegen fremde Unterdrückung fühlt, und das nur durch die von Frankreichs Arglist irre geleitete Politik seines Landesherrn bis jetzt verhindert ward, die Waffen gegen die Schergen fremder Tiranney zu kehren. Seyd mild und menschlich gegen dieses Volk, und betrachtet die Sachsen als Freunde der heiligen Sache deutsche Unabhängigkeit, für welche wir die Waffen erhoben haben; betrachtet sie als künftige Bundesgenossen. Sachsens Einwohner werden dagegen auf ordnungsmäßigem Wege Eure billigen Wünsche befriedigen. Ahmt das Beispiel Eurer Waffengefährten im Yorkschen Armee-Corps nach, die, obgleich lange auf fremdem Gebiet stehend, durch die strengste Mannszucht die Ehre des Preußischen Nahmens bewahrt haben.

Den Unwürdigen, der den Ruhm Preußischer Mannszucht durch Gewaltthätigkeit entheiligt, werde ich nicht als einen der Unsrigen anerkennen, sondern durch entehrende Strafen sein Verbrechen zu ahnden wissen. Soldaten meiner Armee, Ihr kennt mich. Ihr wißt daß ich väterlich für Euch sorge, Ihr wißt aber nicht weniger, daß ich Ausschweifungen nicht dulde, sondern solche einen unerbittlichen Richter an mir finde. Achtet Euch hiernach.

Bunzlau, den 23sten März 1813.

Blücher.


Proklamation an die Sachsen von dem General von Blücher.[]

An Sachsens Einwohner.

Sachsen! Wir Preußen betreten Euer Gebiet, Euch die brüderliche Hand bietend. Im Osten von Europa hat der Herr der Heerschaaren ein schreckliches Gericht gehalten und der Todesengel hat dreimalhunderttausend jener Fremdlinge durch Schwerdt, Hunger und Kälte von der Erde vertilgt, welche sie im Uebermuth Ihres Glücks unterjochen wollten. Wir ziehen wohin der Finger der Vorsehung uns weiset, um zu kämpfen für die Sicherheit dar alten Throne und unserer Nationalunabhängigkeit. Mit uns kommt ein tapferes Volk, das die fremde Unterdrückung trotzig abgewiesen hat und im Hochgefühl seiner Siege den unterjochten Völkern Befreiung verheißt. Wir bringen Euch die Morgenröthe eines neuen Tages. Die Zeit ist endlich gekommen, ein verhaßtes Joch abzuwerfen, das uns seit sechs Jahren furchtbar drückte.

Ein unglücklich begonnener und noch unglücklicher geendeter Krieg drang uns den Friedenstraktat von Tilsit auf; aber selbst von jenen harten Traktats-Artikeln ist uns nicht ein einziger gehalten worden. Jeder folgende Traktat steigerte die harten Bedingungen des vorhergehenden. - Darum werfen wir ab dieses schimpfliche Joch und ziehen zum herzerhebenden Kampf für unsere Freiheit.

Sachsen! Ihr seid ein edles aufgeklärtes Volk! Ihr wißt daß ohne Unabhängigkeit alle Güter das Lebens für edelgesinnte Gemüther keinen Werth haben; - daß Unterjochung die höchste Schah sey! Ihr könnt und werdet nicht die Sklaverei länger tragen. Ihr werdet nicht länger dulden, daß eine arglistige gleisnerische Politik für ihre ehrfürchtigen, raubgierigen Entwürfe das Blut Eurer Söhne fordere, die Quellen Eures Handels austrockne, Euren Kunstfleiß lähme, Eure Preßfreiheit vernichte und euer einst so glückliches Land zum Schauplatz des Krieges mache. Schon hat der Vandalismus der Euch unterdrückenden Fremdlinge Euer schönstes Monument der Baukunst, die Brücke zu Dresden unnöthig und muthwillig zerstört. - Auf! Vereinigt Euch mit uns, erhebt die Fahne des Aufstandes gegen die fremden Unterdrücker und seyd frei!

Euer Landesherr ist in fremder Gewalt; die Freiheit des Entschlusses ist ihm genommen. Die Schritte beklagend, die zu thun eine verrätherische Politik ihn nöthigte, wollen wir sie eben so wenig ihm zurechnen, als sie Euch entgelten lassen. Nur für Euren Herren wollen wir die Provinzen Eures Landes in Verwaltung nehmen, die das Glück, die Ueberlegenheit unserer Waffen und die Tapferkeit unserer Truppen unserer Gewalt unterwirft. Befriedigt die billigen Bedürfnisse unserer Krieger und erwartet dafür von uns die Handhabung der strengsten Mannszucht. Der Zutritt zu mir, dem Preußischen Feldherrn, sey jedem Unterdrückten offen; jede Klage werde ich hören, jede Angabe untersuchen, jede Verletzung der Mannszucht streng bestrafen.

Jeder, auch der geringste, kann sich mir vertrauensvoll nähern, ich werde ihn liebreich aufnehmen.

Den Freund deutscher Unabhängigkeit werden wir als unsern Bruder betrachten, den irre geleiteten Schwachsinnigen mit Milde auf die rechte Bahn leiten; - den ehrlosen verworfenen Handlanger fremder Tyrannei aber, als einen Verräther am gemeinsamen Vaterlande unerbittlich verfolgen.

Bunzlau, den 23sten März 1813.

Blücher.


Quellen und Literatur.[]

  • Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  • Das neue Deutschland. Enthaltend größtentheils freimüthige Berichte zur Geschichte der Bedrückung und der Wiederbefreiung Deutschlands. Berlin 1813 (1814), bei den Gebrüdern Gädicke.
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