Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Advertisement

Beaucaire.[]

[1]
Beaucaire, eine wohlgebaute Stadt mit 8000 Einwohnern an der Rhone in Nieder-Languedoc, jetzt im Departement des Gard, mit einem berühmten Jahrmarkte, der am 22sten Jul. anfängt und 10 Tage währt. Für die fremden Kaufleute, die nicht alle in der Stadt unterkommen können, werden außerhalb derselben Hütten aufgeschlagen. Zugleich fanden sich eine Menge von Dieben und Gaunern ein, (wozu ehemals die nähe des päpstlichen Gebietes von Avignon, wohin man sie nicht verfolgen konnte, vieles beitrug), so daß mancher Kaufmann eine Bedeckung von 20 - 50 Soldaten brauchte. Die Geschäfte sind indessen nicht mehr so wichtig wie sonst. Noch bis 1744 belief sich der Vertrieb der Messe zu Beaucaire auf mehr als 14 Millionen Livres, in spätern Zeiten betrug er kaum 8 Millionen. Durch die Revolution hat vollends dieser Handel, welcher größtentheils mit Seide, Wein, Oel, Mandeln, xc. geführt wurde, einen beträchtlichen Stoß erlitten. Es können ziemlich große Fahrzeuge die Rhone bis zur Stadt hinauffahren, welche durch eine Schiffbrücke mit dem gegenüberliegenden Tarascon verbunden ist.


Die Messe von Beaucaire.[]

[2]
Die berühmte Messe, die wichtigste und am meisten besuchte in Frankreich, wird gewöhnlich im Julius gehalten, und dauert vierzehn Tage. Die Handelsgeschäfte werden hier, eben so wie in Leipzig und Frankfurt, in den ersten fünf Tagen gemacht, nachher ist dieser Ort blos den Vergnügungen aller Art gewidmet. Die Waaren und Kaufmannsgüter jeder Gattung werden hier aus allen Gegenden Frankreichs, aus Deutschland, der Schweiz, Spanien und Italien herbeygeführt; auch sieht man in dieser Zeit hier eine erstaunliche Menge baares Geld im Umlauf. In Friedenszeiten besonders wird diese Messe von allen Nationen Europa's, auch von Griechen und Armeniern besucht.

Die Stadt hat eben nicht Vorzügliches; sie ist klein, schlecht gebaut, und hat keinen sehr fruchtbaren Boden; dafür aber hat sie eine sehr glückliche Lage an der Rhone, wodurch sie zum Mittelpunct des Tauschhandels für die Kaufmannsgüter aus Norden und Süden geeignet wird. Vor ihr liegt die Provence, die ihr Oel, ihre Seiffe und ihre Parfumerien nach Beaucaire schickt. Ein gleiches thun alle großen Städte, deren viele hier in der Nähe liegen, die die Producte ihrer Industrie hieher senden. Nach der einen Seite zu hat Beaucaire Communication mit dem mittelländischen Meere, nach der andern Seite mit der Schweiz und mehrern der schönsten Provinzen Frankreichs. Durch die Canäle von Agde und von Languedoc zieht dieser Meßort die Reichthümer des Westens an sich, wo sie gegen die aus Osten und Süden erhaltenen vertauscht werden.

Es ist merkwürdig, daß, Trotz der häufigen Revolutionen, die der Europäische Handel erlitten hat, diese seit vielen Jahrhunderten berühmte Messe, die in den Zeiten der Barbarey gegründet wurde, sich in Zeitaltern erhielt, wo das Reisen und die Communicationen zwischen den Völkern Europens, mit sehr vielen Schwierigkeiten verbunden waren, und daß sie, durch die Bedürfnisse der Nationen in Flor erhalten, immerfort bis auf den heutigen Tag ihren Glanz und ihre Wichtigkeit behauptet hat.

***r.


Zeitungsnachrichten.[]

[1808]

Frankreich. [3]

Die berühmte Messe von Beaucaire, mit der man ehemals kaum die Leipziger-Messe vergleichen konnte, und die seit 5 Tagen zu Ende ist, war diesmal nichts weniger als glänzend. Seit der letzten Störung des Seefriedens war sie freylich alle Jahre schlechter geworden; so lange aber Livorno neutral, und Spanien ein friedlicher Bundesgenosse blieb, behielt sie immer noch einige Ueberbleibsel von ihrem ehemaligen Flor. Nun aber sind beynahe alle Italiener Franzosen geworden, und werden von den Engländern als Feinde behandelt; ihre veränderten Verhältnisse hatten auf diese Messe einen um so fühlbarerer Einfluß, da zugleich alle Spanier ausblieben, und von den zahlreichen Tunesern und Algierern, die sie sonst besuchten, nur ein einziger sich einfand. Kolonialwaaren, und Gegenstände der inländischen Konsumzion, hatten allein Abgang; Leinwand, seidene Stoffe und Strümpfe, sämmtlich Gegenstände, die sonst ausser Landes giengen, blieben liegen.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Herausgegeben von J. W. v. Archenholz. vormals Hauptmann in Königl. Preußischen Diensten. 1807. Im Verlage des Herausgebers und in Commission bey B. G. Hoffmann in Hamburg.
  3. Wiener-Zeitung. Nro 70. Mittwoch, den 31. August 1808.
Advertisement