Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Die Kaiserin floh am 4 Mai aus Wien nach Ungarn. Am folgenden Tage machte Erzherzog Maximilian, der Kaiserin Bruder, welchem der OberBefehl in Wien übertragen war, laut bekannt: er wolle die Residenz vertheidigen und rechne dabei auf der Einwohner kraftvollste Mitwürkung. [≡] - Seltsam genug, der Vergleichung wegen, erschien am selbigen Tage, aus dem Hauptquartier Ens, der französische TagesBefehl: "ein gewisser Chasteller, der sich österreichischer General nennt, soll als Anstifter der Insurrektion in Tyrol und Urheber der an den gefangenen Franzosen und Baiern begangenen Mordthaten, so bald man seiner habhaft wird, vor eine MilitärKommission geführt und in den ersten 24 Stunden als Räuber erschossen werden!" [≡]

Erzherzog Karl hatte sich allerdings mit der HauptArmee von Budweis nach der Donau in Marsch gesetzt, aber die französischen Heerschaaren waren schneller als die seinigen, und hatten überdem einen kürzern Weg zum Mittelpunkte der Monarchie. Montebello war am 6 Mai zu Mölk, Rivoli zu Amstetten, Auerstädt zu Linz und PonteCorvo zu Retz, nordöstlich von Regensburg.

Die Reste von Hillers und Erzherzog Ludwigs Korps verließen am folgenden Tage St. Pölten, zwei Drittheile gingen bei Krems über die Donau, ein Drittheil zog nach Wien. Den 8 Mai war Napoleon zu St. Pölten, den 9 in Sieghardskirchen, den 10 mit Montebellos Korps vor Wien. Hier hatte man alle Punkte, welche des FeindesAndringen erschweren konnten, bevestigt; den Riedesberg, die Gegend vom Wienerberg bis nach Nußdorf an der Donau, die Brigittenau und den Prater. In der Stadt befanden sich 20 Bataillone, halb LinienTruppen, halb Landwehr, und jeder waffenfähige Unterthan, welchem Vaterland, Familie und Eigenthum theuer war, aufgefordert, sich vor der Obrigkeit seines Wohnorts zur LandesVertheidigung zu stellen. Wer Feuergewehr, Pulver und Blei hätte, sollte sich damit versehen; die Uebrigen sich mit Sicheln und Sensen bewafnen. Der Pöbel war fanatisirt, und kühne Hofnungen belebten die Gemüther, da auch Kienmayer mit der Avantgarde des hillerschen Korps erschien, und Nachricht brachte, der Erzherzog Karl eile als Retter der Hauptstadt herbei.

Montebello sandte den General Tharreau nach Wien, um zur Unterwerfung aufzufordern, dieser ward aber, als er auf der Esplanade erschien, mit GewehrFeuer und Kanonenschüssen empfangen; ein französischer Offizier, der würklich in die Stadt kam, wurde vom Pöbel insultirt und verwundet. Nun bediente der Fürst von Neufchatel sich der Einwohner von Wiens Vorstädten, um dem Erzherzog Maximilian ein Schreiben zuzufertigen, worin "sowohl Auskunft über das Schicksal des nicht zurückgekehrten Parlementairs verlangt, als auch der Erzherzog aufgefordert wurde, den Kaiser nicht in die Nothwendigkeit zu versetzen, das Er eine Stadt vernichten müsse, die zu erhalten Er sich zur Ehre rechne!" [≡]

Es erfolgte keine Antwort, vielmehr donnerte das Geschütz von den Wällen, ohne Schonung der Vorstädte, noch heftiger. Da begab sich Napoleon mit Rivoli nach dem DonauArm, welcher den Prater von den Vorstädten trennt, und befahl: einen Pavillon auf dem linken Ufer zu nehmen, um den Bau einer Brücke zu decken. Ein österreichisches Bataillon konnte, aus Mangel an Kanonen, den Uebergang nicht hindern. Schon um 9 Uhr (am 11 Mai) spielte eine Batterie von 20 Haubitzen, nur 100 Klafter von den Wällen entfernt, auf die Stadt; 1800 HaubitzGranaten waren binnen 2 Stunden geworfen, und in der Gegend des FischerThors standen 40 Häuser in Flammen. Maximilian versuchte um Mitternacht, durch 2 Bataillone den Pavillon wieder zu erobern, als aber der Angrif mißlang, eilte Maximilian mit dem größten Theile der Truppen, um nicht abgeschnitten zu werden, über die Donau, und verbrannte hinter sich die TaborBrücke. General Oreilly übernahm nun in Wien den Oberbefehl, und sandte zu Napoleon eine Deputation, an deren Spitze der Erzbischof von Wien sich befand. Am 12 Mai Nachmittags ward in 16 Artikeln die Kapitulation geschlossen, wodurch Wien in Napoleons Gewalt kam, und die österreichische Garnison Kriegsgefangen war. Die Besatzung bestand aus 16 Generalen, 30 Obristen, ObristLieutenants und Majors, 440 Kapitäns und Lieutenants und 3000 UnterOffizieren und Gemeinen.

Napoleon erließ nun, da alles eingetroffen, was er versprochen, aus seinem Hauptquartier zu Schönbrunn, am 13 Mai, folgenden TagesBefehl:

Soldaten!

Einen Monat, nachdem der Feind den Inn überschritten hat, am nämlichen Tage, in derselben Stunde sind wir in Wien eingezogen. Seine Landwehren, sein Landsturm, seine Wälle, aufgeworfen durch die ohnmächtige Wuth der Prinzen des Hauses Lothringen, haben eure Blicke nicht ausgehalten. Die Prinzen dieses Hauses haben ihre Hauptstadt verlassen, nicht wie Männer von Ehre, welche den Umständen und dem Wechsel des Krieges nachgeben, nein, wie Meineidige, welche von ihren eigenen Gewissensbissen gejagt werden, indem sie Wien mit dem Rücken ansehen, spricht sich ihr Abschied an die Einwohner mit Mord und Brand aus, wie Medea haben sie mit eigenen Händen ihre Kinder gemordet.

Soldaten! das Volk von Wien ist, nach der einstimmigen Aussage der Deputazionen seiner Vorstädte, verlassen, hülflos, preisgegeben jedem Ereignisse: es erhält dadurch allen Anspruch auf eure Schonung. Ich nehme seine gutmüthigen Bewohner unter meinen besonderen Schutz. Was die Unruhstifter und Aufwiegler betrifft, diesen soll ihr Lohn nach der strengsten Gerechtigkeit werden.

Soldaten! Laßt uns mitleidig seyn gegen die armen Bauern, gegen das gute Volk, das in so mancher Rücksicht unsere Achtung verdient, legt jeden Stolz ab, der sich nur auf eure Siege gründet, wir wollen in denselben nichts sehen, als den unumstößlichen Beweis der göttlichen Gerechtigkeit, welche den Undank und Meineid unausbleiblich straft.

Napoleon


Andreossy wurde zu Gouverneur, BrigadeGeneral Razout zum Kommandanten von Wien ernannt. - Merkwürdiger noch als dieser TagesBefehl, war die Verordnung vom 14 und die Proklamation vom 15 Mai. Im ersteren hieß es: "Die Landwehr ist aufgelöset. Ein GeneralPardon wird hiermit allen Gliedern derselben bewilligt, die sich binnen 14 Tagen, nach der Einrückung der französischen Truppen, in die Ortschaften, wohin sie gehören, nach Hause begeben. Sollten Offiziere derselben in dem bestimmten Zeitraum nicht zurückkehren, so sollen ihre Häuser abgebrannt und ihr sonstiges Eigenthum konfiszirt werden. Die Ortschaften, welche Mannschaft zur Landwehr gestellt, müssen dieselbe zurückrufen und die erhaltenen Waffen sogleich abliefern u. s. f."


Die Stadt Wien wird von den Franzosen besetzt.[]

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Der zehnte May 1809.

"Ehe noch ein Monat vergeht" -- sagte Napoleon in einer von Regensburg aus an seine Armee erlassenen Publikation vom 24ten April 1809 -- "werden wir in Wien seyn," und die Erfüllung dieses Versprechens kam früher, als es verheissen war. Schon am heutigen Tag besetzte der voran eilende Herzog von Montebello, Marschall Lannes, die Vorstädte und wenige Stunden darauf nahm der französische Kaiser wie vor drey Jahren sein Hauptquartier zu Schönbrunn. Aber nicht unvorbereitet und ohne Gegenwehr fiel diesmal Wien, denn obgleich der Erzherzog Maximilian die Einwohner vergebens zur Vertheidigung der Stadt aufgefordert hatte, so versuchte er es doch mit ungefähr sechzehntausend Mann, theils Linientruppen, theils Landwehre, sich zu widersetzen. Man machte ein lebhaftes Feuer auf die Franzosen in den Vorstädten, welches diese mit eben so lebhaftem Bombardement beantworteten und dadurch mehrere Strassen der Stadt in Schutthaufen verwandelten. Erst als der Herzog von Rivoli sich des Donauarms im Prater bemächtigt hatte und keine Hoffnung, sich länger zu halten vorhanden war, wurde am 12ten May die Kapitulation unterzeichnet, worauf sich der Erzherzog in aller Eile aus der Stadt zog und über die Brücken floh.


Quellen.[]

  1. Chronik des neunzehnten Jahrhunderts. Sechster Band. Jahr 1809. von Dr. Karl Venturini. Altona, bei Johann Friedrich Hammerich. 1811.
  2. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.


Literatur.[]

  • Wien, seine Geschichte und seine Denkwürdigkeiten. Im Vereine mit mehreren Gelehrten und Kunstfreunden bearbeitet und herausgegeben durch Joseph Freyherrn v. Hormayr. Wien, 1823. Im Verlage der Franz Härter'schen Buchhandlung.
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