Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Erste Belagerung von Saragossa (1808).

Als die Franzosen im Mai 1808 Meister von Madrid waren, führte der Generallieutenant Guillermi, als Statthalter von Aragonien, in Saragossa den Oberbefehl. Das Volk hatte für ihn keine Achtung. Ein Tio Jorge und ein Tio Maria (Tio bedeutet Oheim, eine Bezeichnung älterer Personen, die nicht den Titel Señor haben) leiteten die untern Volksclassen. Unter ihrer Anführung entwaffnete ein Haufe Bauern den 28sten Mai 1808 die Wache des Statthalters, und rief: "Es sterbe Murat; es lebe Ferdinand! Gebt uns Waffen!" Guillermi wurde als Staatsgefangener in das Schloß Aljaferia gebracht, und Generallieutenant Mori zum Oberbefehlshaber ernannt. Hierauf bemächtigte sich das Volk des Zeughauses. Mori versammelte eine Junta aus den angesehensten Personen. Das Volk erklärte sich sofort gegen die Franzosen, und sperrte die in Saragossa anwesenden in die Citadelle. Nun ersuchte Mori den General J. Palafox, nach Saragossa zu kommen. Kaum hatte er im Kriegsrathe seine Sitz eingenommen, so zwang das Volk den Kriegsrath, ihn zum Generalcapitain zu ernennen. Jetzt trat blinder Gehorsam an die Stelle der Unordnung, und ganz Aragonien erkannte den General Palafox als Statthalter an. Es fehlte an Linientruppen und Geschütz. Man hatte nur sechzehn Stück. Palafox bildete eine Landwehr unter dem Befehl von abgedankten Offizieren. Eine dieser Schaaren bestand aus den Studenten der Universität. Unter ihnen diente der nachmals so berühmte General Mina, der Neffe. Mit unglaublicher Thätigkeit wurden Waffen geschmiedet und Pulver bereitet. Spanischer Regimenter, die mit den französischen Besatzungen in Pampeluna und Madrid vereinigt waren, lös'ten sich auf und eilten nach Saragossa; so auch die Lehrer der Kriegsschule von Alcala.

Jetzt rückte der französischer General Lefevre-Desnouettes von Pampeluna über Tudela gegen Saragossa vor. Er schlug die Truppen zurück, die ihm Palafox entgegenstellte. Schon drang die Vorhut des Feindes den 16ten Juni in die Stadt ein; sie zog sich aber, als sie die Entschlossenheit der Bürger, sich zu vertheidigen, wahrnahm, wieder zurück. Nun verschanzten sich die Einwohner. Binnen 24 Stunden war die, bisher offene, Stadt gegen einen Ueberfall gesichert. Noch wollte Palafox mit 8000 Mann zusammengeraffter Mannschaft das freie Feld behaupten; allein nach einem hartnäckigen Gefecht mußte er sich in die Stadt werfen.

Jetzt zog das Belagerungsheer heran. Saragossa ward eingeschlossen.

Nach mehrern vergeblichen Angriffen erstürmten die Franzosen, 400 Polen an der Spitze, das Kloster St. Joseph, welches aragonische Bauern vertheidigten, hierauf das Kapuzinerkloster, dann den Monte Torrero, die sämtlich außerhalb der Stadt lagen. Zwei Befehlshaber, die hier der Uebermacht weichen mußten, wurden nach gehaltenem Standrecht von den erbitterten Einwohnern erschossen. Vergeblich stürmte der Feind mehrere Thore der Stadt. Tägliche Ausfälle und der kleine Krieg mit den Bauern störten den Fortgang seiner Belagerungsarbeiten. Doch kaum hatte die Stadt den 2ten Aug. eine Verstärkung von 2000 Mann mit einigen Kanonen erhalten, als der Pulverspeicher am Cosso in die Luft flog. Den 3ten Aug. nahm die Beschießung des Platzes ihren Anfang. Sturmlücken erleichterten den Angriff. Schon den 4ten Aug. drangen die Polen, obgleich mehrmals zurückgeschlagen, in das Kloster St. Engracia ein, und setzten sich in der Straße gleiches Namens fest.

Der Häuserkrieg begann mitten in der Stadt. Die Polen wurden beim weitern Vordringen mit Verlust zurückgeschlagen. Plünderung, Mord und Brand erfüllten den Theil der Stadt, wo das große Siechhaus zerstört wurde, mit namenlosem Elend. Endlich behauptete sich der Feind auf der einen Seite des Cosso; auf der entgegengesetzten fochten die Aragonier mit Erbitterung. Priester feuerten durch Gelübbe und Beispiel den Muth an zum Todeskampfe. Weiber pflegten die Verwundeten. Sie traten wohl auch in die Reihen der Streiter. Eine Frau, deren Mann, ein Artillerist, geblieben war, übernahm seine Stelle und seinen Dienst. Man rief zur heiligen Jungfrau del Pilar. Dieses Heiligthum wollte man schützen; und ihm verdankte man die Rettung der Stadt. Der Feind begnügte sich, ein Haus nach dem andern zu erobern. Vom 4ten bis zum 14ten Aug. konnte er sich nur vier Häuser bemächtigen. Ein einziges kostete ihm sechstägigen Kampf.

General Verdier leitete jetzt an Lefevre's Stelle die Belagerung, als die Niederlage der Franzosen bei Baylen, die Flucht Josephs aus Madrid, der Rückzug des französischen Heers auf Vittoria, und das Anrücken der Heerschaar von Valencia zum Entsatze der Stadt die Franzosen nöthigten, die Belagerung in der Nacht vom 14ten zum 15ten Aug. aufzuheben. Sie warfen ihr schweres Geschütz in den Canal und zogen eilig ab. Das Volk jauchzte freudetrunken: Es lebe U. L. Frau vom Pfeiler und der General Palafox!

Manifest.

Nach so vielen Trauertagen ist endlich der Augenblick da, den ich von der Tapferkeit und Standhaftigkeit der Vertheidiger dieser berühmten Hauptstadt zu erwarten berechtiget war. Nun, wo die französischen Söldlinge der Tyranney auf die schändlichste Art geflohen sind, und Artillerie, Kriegs- und Mund-Vorräthe, die ihre verabscheuungswürdige Raubsucht zusammengeraft hatte, haben in Stich lassen müssen, wollen wir unsere erste Pflicht erfüllen, und dem Allmächtigen danken, dessen Arm die Ruchlosen, die seine Tempeln und Bilder entweihet haben, jene Unmenschen gezüchtiget hat, denen die Moral so fremd ist, daß sie unwürdig sind, irgend einer auch noch so entfernten Gemeinschaft mit dem menschlichen Geschlechte theilhaftig zu seyn. Ueberlassen wir ihren Kaiser den Gewissensbissen und Qualen, die der Erbtheil des Gottlosen sind, und bitten wir den Allerhöchsten, daß er ferner noch unsere Waffen segnen wolle, und daß die beyden Armeen, die in der Verfolgung jener Räuberhorden begriffen sind, sie vollends zu zernichten im Stande seyen.

Die Felder von Saragossa, seine Brücken, selbst seine Straßen sind mit dem Blute von 8000 Franzosen gefärbt, welche die Tollkühnheit ihrer Heerführer mit ihrem Leben bezahlt haben. Dies war die Frucht ihres Einfalles in Arragonien. Europa, die ganze Welt werden die Nahmen eines Lefebre und Verdier nur mit Entsetzen nennen hören, die, ohne Rücksicht auf die Behandlung der französischen Gefangenen und aller Franzosen überhaupt in Arragonien, die Verwünschenswerthesten Grausamkeiten ausgeübt haben. Sie haben den Unterschied bewährt, der zwischen der Handlungsweise einer ehrgeizigen und treulosen, und dem System einer solchen Regierung obwaltet, welche die Glückseligkeit auf Gerechtigkeit gründet, und diejenigen nicht als wirkliche Feinde behandelt, die an dem Betragen ihrer Oberhäupter keinen Antheil haben.

Frankreich wird lange Zeit das Unheil beweinen, das ihm der Krieg mit Spanien zugezogen hat; Frankreich wird sich nicht anders, als mit einem tiefkränkenden Gefühl von Schande, der Mitteln erinnern, die es in diesem verruchten Kriege angewendet hat.

Landleute, Handwerker, Waisen, Greise, Priester, ihr Alle, die ihr durch die Verwüstung euerer Erndten, durch die Zerstörung euerer Häuser, eueres Eigenthumes, das, so gering es auch war, euer Glück und Wohlseyn ausmachte, an den Bettelstab, an den Abgrund der Verzweiflung gebracht worden seyd, lebt künftig außer Furcht und Sorgen! Ihr habt das Glück, in Spanien zu leben; ihr genießt den Ruhm, die Hauptstadt Arragoniens vertheidiget, und einen unmenschlichen Feind an der Verheerung des Ueberrestes unserer schönen Ländereyen verhindert zu haben. Ihr habt alle Leiden mit christlicher Ergebung erduldet, und euere Privatvortheile habt ihr dem allgemeinen Beßten aufgeopfert.

Ihr kann einen solchen Heroismus nicht mit Gleichgültigkeit ansehen, und nicht unterlassen, euch zu Hülfe zu eilen. Ich habe dem General-Intendanten Don Lorenzo Calbo, eigends aufgetragen, sobald der Drang der Umstände es erlauben wird, für die Befriedigung euerer Bedürfnisse zu sorgen. Ich vertraue auf die großmüthigen Gesinnungen der Spanier, und auf die Seelengüte unsers vielgeliebten Königs, und hoffe, daß man das Aeußerste thun wird, euch euere Drangsalen vergessen zu machen, und für jeden erlittenen Verlust zu entschädigen.

Hauptquartier in Sarragossa am 13. August. 1808.
Joseph Palafox y Melci.



Zweite Belagerung von Saragossa (1809).

Vier Monate später nahm die zweite, noch merkwürdigere, Belagerung Saragossa's ihren Anfang. Palafox regierte in Aragonien mit unumschränkter Gewalt; aber das Vertrauen des Volks riß ihn auch oft zu mehr als strengen, zu blutigen Maßregeln hin. Unter den Wüthenden befanden sich drei Geistliche. Wenig Verdächtige entzog dem Todesurtheile das Gefängniß der Inquisition.

Jetzt rüstete sich Napoleon zu Pampeluna und Bayonne, um die stolze Saragossa zu unterwerfen. Drei Heeresabtheilungen von Kerntruppen eilten heran, von einem berühmten Marschall geführt. Indeß hatte man erst seit dem Sept. 1808 an der Befestigung der Stadt thätig gearbeitet. Die Zeit war zu kurz, um große und neue Werke kunstmäßig anzulegen. Man schuf mehrere Klöster in Citadellen um, besserte die alte Mauer aus, legte Schulterwerke an, baute Schanzen, zog Umpfählungen und einen 15 Fuß tiefen und 21 Fuß breiten Graben um die Stadtmauer herum xc. Zugleich versah man viele Häuser mit Schießscharten und zog in den wichtigsten Straßen Zwerchwälle. Jede zusammenhängende Häuserreihe ward zu einer Schanze. Zugleich rief Palafox alle junge Mannschaft unter die Waffen, und sandte zahlreiche Schaaren, überhaupt 13 Bataillone, zu den Heeren des Vaterlandes in Navarra und Catalonien. Die Kenner bewundern, wie eine so eilfertig und regellos befestigte Stadt (Ort und Zeit gestatteten es nicht anders) dem eben so kunstreich als tapfer geleiteten Angriffe der besten französischen Truppen, unter den Marschällen Moncey und Mortier, unter dem Herzog d'Abrantes, endlich unter dem Marschall Lannes, und so ausgezeichneten Ingenieuren, wie die Generale Lacoste und Dedon, und der Obrist Rogniat waren, sechzig Tage lang nach Eröffnung der Laufgräben, bei unausgesetzter 41tägigen Beschießung widerstehen konnte. Nur die begeisterte Thätigkeit und muthige Anstrengung aller Classen von Einwohnern kann dieß erklären. Jeder Arbeitete; die Weiber verfertigten Uniformen, die Mönche Patronen. In dem Platze befanden sich überhaupt 160 Feuerschlünde; bei einem ungeheuern Vorrathe von Salpeter bereitete man täglich das nöthige Pulver, damit kein Speicher wieder aufflöge. Lebensmittel waren für 15,000 Mann auf sechs Monate angeschafft, ohne die Vorräthe des Einwohner und der Klöster. Nur an frischem und an Pökelfleisch war Mangel, und zuletzt an Gerste für die Pferde.

Nach der Niederlage der Spanier bei Tudela den 23sten Nov. füllten sich die Siechhäuser der Stadt mit Verwundeten, und aus den zerstreuten Soldaten bildete Palafox nebst der 15,000 Mann starken Besatzung, ein Heer von beinahe 30,000 Mann, ohne 1500 Mann Artillerie, 800 Sappeurs und die bewaffneten Bauern. Auch hatte man auf dem Ebro einige Kanonierschaluppen bemannt. Den Oberbefehl führte, auch in bürgerlichen Sachen, der Generalcapitain Palafox; auf ihn hatten den meisten Einfluß der P. Basil, sein Adjutant Butron, sein Secretär Cañedo, der Pfarrer von S. Gil, der Tio Marin, der Limonadenwirth vom Cosso, der P. de la Consolacion und der Tio Jorge. Ihre Kriegspolizei bediente sich einer Schaar Almogavares, oder Spione in Uniform, die auf den angegriffenen Punkten die Aufsicht hatten. Kein Einwohner verließ die Stadt, vielmehr flüchteten sich dahin eine Menge Bauern; so fest vertraute man U. L. F. del Pilar! Der Belagerungszeug des Feindes (60 Stück Geschütz, ohne die Bedürfnisse zum Schanzenbau) ging von Tudela den Canal herab. Den 20sten Dec. 1808 erschienen der dritte und fünfte Harst des feindlichen Heeres, von Moncey und Mortier geführt, vor dem Platze; das Belagerungsheer war über 31,000 Mann stark, ohne 6 Comp. Artillerie, 8 Comp. Sappeurs, 3 Comp. Mineurs und 40 Ingenieurofficieren. Allein es wurde um 9000 Mann schwächer, als Moncey mit der Division Suchet im Januar nach Calatayno marschirte. Doch führte er seit dem 22sten Januar mit Erfolg den kleinen Krieg mit den bewaffneten Schaaren, die Saragossa entsetzen wollten. Schon den 21sten Dec. beschossen die Franzosen den Monte Torrero, drangen stürmend ein, und zwangen die Besatzung, mit Verlust sich in die Stadt zu werfen. Die Angriffe aber, welche General Gazan den 22sten auf die Batterie beim Thurm del Arzobispo auf die Vorstadt unternahm, wurden tapfer abgeschlagen. Der Feind entschloß sich daher zu einem regelmäßigen Angriffe des Platzes. Nach vergeblicher Auffoderung den 30sten Dec. rückten die Arbeiten der Belagerer auf drei Punkten der Stadt näher. Unter mehreren Ausfällen gelang es nur bei dem am 2ten Jan., einen Theil jener Werke zu zerstören. Doch der ungewöhnlich trockene Winter begünstigte den Feind, während die milde Witterung in der Stadt Seuchen hervorbrachte. So fing schon den 9ten Jan. das Feuer aus acht Sturmbatterien gegen St. Joseph, ein Werk, das außerhalb der Linien lag, und zugleich die Beschießung des Platzes an. Das Kloster St. Joseph stürzte bald zusammen, ward aber erst den 13ten vom Feinde mit Sturm genommen. Hierauf wurde den 15ten der Brückenkopf bei der Mündung der Huerba eingeschlossen, daher die Belagerten die Brücke sprengten. Nun begann der Krieg gegen die Häuser. Es dauerte 23 Tage. Die Einwohner drängten sich in die Kellern in die Mitte der Stadt zusammen, wo bald ein bösartiges Fieber entstand, das auch die Besatzung ergriff. Bis zum 21sten Jan. war die Sturmzwinge des Feindes (3te Parallele) gegen das Kloster S. Engracia vollendet; doch gelang er den Belagerten in einem blutigen Ausfalle, das Geschütz derselben zu vernageln. Allein bis zum 27sten Jan. hatten 50 Feuerschlünde drei große Sturmlücken geschossen und dem Feinde die Stadt eröffnet. Er drang mit drei stürmenden Heerhaufen ein; aber aus allen Straßen, aus allen Häusern angegriffen, konnte er kaum in den Wallöffnungen und einigen eingeschossenen Häusern sich behaupten. Er hatte bei seiner geringen Zahl die größten Schwierigkeiten zu überwinden. Im Rücken sammelten sich bewaffnete Bauern, um seine Verbindung mit Pampeluna abzuschneiden und die Zufuhr zu hindern. Daher war oft großer Mangel im Lager. Doch stieg auch in der Stadt die Noth immer höher. Man hatte weder Gemüse, noch frisches Fleisch. Seine Henne kostete 5 Piaster. Die Seuche griff immer mehr um sich; täglich starben an 350 Personen, ohne die Gebliebenen; es fehlte an Decken und Heilmitteln, an gesunder Nahrung: so ging schnell die leichteste Wunde in Brand über. Ja zuletzt fehlte der Boden, um die Todten zu begraben. Gleichwohl verwarf der stolze Aragonier jede Auffoderung des Marschall Lannes, der am 22sten Jan. den Oberbefehl des Belagerungsheers angetreten. Wer sich beklagte, war verdächtig, und die Strafe erfolgte sofort auf die Anklage. Fast jeden Morgen fand man Unglückliche auf dem Cosso und dem großen Markte aufgehängt. Der Häuserkrieg dauerte Tag und Nacht fort. Man kämpfte um jede Scheidewand; jede Treppe, jede Kammer, jedes Dach kostete mehrere Menschenleben. Zwei kleine Häuser von einem Stockwerke wurden erst nach zweitägigem Kampfe vom Feinde erobert. Man schlug sich in den Höfen und in den Zimmern. Oft wenn man von den Kellern bis unter das Dach, und vom Dache bis in die Keller sich vergeblich geschlagen, sprengte endlich der eine oder der andre Theil die Häuser in die Luft, um sich auf den Trümmern zu behaupten. so blieben die Spanier den 31sten Januar nach zweitägigem Kampfe in dem Besitze eines einzelnen Hauses bei der Puerta Quemada. Gewöhnlich hatte der Feind bei jedem Hause dreifachen Widerstand zu brechen. Den ersten, um einzudringen, den zweiten von Stockwerk zu Stockwerk, vom Keller bis auf das Dach; den dritten um das Haus zu sprengen und die Trümmer zu besetzen. In dem unterirdischen Kriege richteten jedoch die Franzosen mehr aus, da es den Belagerten an geschickten Minenarbeitern fehlte. Auch jetzt traten nicht selten Mönche in die Reihen der Kämpfenden, und Weiber an die Stelle ihrer getödteten Männer. Die Spanier zündeten, wenn aller Widerstand vergeblich war, das Haus an, um das man kämpfte. Deßhalb überzogen sie die Wände mit Theer. Den 7ten Febr. griff der Feind den Mittelpunkt der Stadt an. Der Kampf entbrannte heftiger als je, unter und über der Erde. Man mußte die Spanier tödten, wollte man sie besiegen. So stand der Feind am 12ten Febr. auf den Trümmern des Klosters San Francisco, des Siechhauses und der frommen Schulen, auf der einen Seite des Cosso. Allein zwei Mal vergeblich suchte er durch Stollenbau diese Straße zu durchbrechen. Die Belagerten führten mit Erfolg Gegenminen; in einem dritten Stollen stießen beide Theile auf einander. Man schlug sich in dem Stollen mit Säbel und Bajonnet. Der Feind mußte selbst seinen Bau zerstören. Endlich gelang es ihm bis zum 17ten, durch Minen einen Theil des Universitätsgebäudes zu stürzen. Da sah man bleiche Jammergestalten noch mit Wuth gegen den anstürmenden Feind kämpfen, unter einstürzenden Mauern und brennenden Balken. Fieberkranke übernahmen die Wachtposten, wo sie saßen, bis der Anfall der Krankheit sie ergriff. In einem Hause hatte der Feind das Erdgeschoß erobert; die Spanier vertheidigten den ersten Stock; eine Mine warf die Wandmauer um, und der Fußboden stürzte mit zwölf Spaniern auf die Feinde herab. Beide Theile wurden unter den Trümmern begraben. Den 18ten bemächtigte sich der Feind im Sturme der eingeschossenen Vorstadt auf dem linken Ufer des Ebro. Dreihundert Spanier schlugen sich durch und entkamen in die Stadt. Dreitausend wurden gefangen. Dieses entschied den Fall der Stadt. Denn nun war auch diese Seite des Platzes dem feindlichen Feuer bloßgestellt. Die Franzosen waren jetzt Meister von einem Drittheile der Ringmauer und von dem vierten Theile des Grund und Bodens, ungerechnet die Vorstadt. Sie hatten dreizehn Kirchen oder Klöster erobert; vierzig waren noch zu nehmen. Binnen 42 Tagen waren 16,000 Bomben in die Stadt gefallen. Schon trieb der Feind sechs neue Stollen quer unter dem Cosso durch. Die Belagerten hatten kaum noch 9000 Mann dienstfähige Leute; es gab keine Siechhäuser, kein Heilmittel mehr für die Kranken. Palafox lag seit vier Wochen krank in einem Keller. Er wollte jetzt die Stadt übergeben, aber auf Bedingungen, welche der Feind verwarf. Darauf nöthigte ihn seine gänzliche Erschöpfung am 20sten Febr., den Oberbefehl an den General St. Mare abzutreten. Noch immer waren ein großer Theil der Bürger und Soldaten, nebst dem Befehlshaber zum Widerstande entschlossen. Allein die einflußreichsten Einwohner stimmten für eine Capitulation. Denn unterdessen hatte der Feind in jedem der 6 Stollen Minen angebracht, mit 3000 Pfund Pulver gefüllt. Mit einem Schlage sollten sie am folgenden Tage springen, und die Häuser auf der andern Seite des Cosso zertrümmern. Da hörten den 20sten um 4 Uhr Abends das Feuern und der Kampf in den Häusern auf. Abgeordnete, unter ihnen der P. Basil, gingen in das feindliche Hauptquartier. Lannes verlangte anfangs unbedingte Ergebung. Endlich kam man über einen Vertrag überein, dem jedoch Ferdinands VII. Name nicht vorgesetzt werden durfte. Die Besatzung zog den 21sten Febr. mit Kriegsehren aus und wurde kriegsgefangen nach Frankreich geführt. Die Officiere behielten ihre Degen, Pferde und Gepäck, die Soldaten ihre Tornister. Auch sollte es ihnen frei stehen, unmittelbar Dienste beim König Joseph zu nehmen. Die Bauern durften in ihre Heimath gehen. Dem Eigenthum und den Kirchen wurde Schutz zugesagt. Diese Capitulation erschien den 24sten Febr. in der Zeitung von Madrid und im Courier d'Espagne, einem französischen Blatte. Allein Napoleon nahm davon keine Kunde. Er ließ erklären, die Stadt habe sich auf Gnade und Ungnade ergeben.

Die Abgeordneten selbst hatten es nicht gewagt, mit dieser Capitulation in die Stadt zurückzukehren, wo ein wilder Haufe nichts von Uebergabe hören wollte. Die Befehlshaber mußten daher noch in der Nacht Anstalten treffen, um jeden Volksaufstand zu verhindern. Den 21sten Mittags zogen 12,000 Mann, bleich und entstellt, zum Theil den Tod schon im Herzen tragend, zum Thore des Portillo hinaus, und streckten das Gewehr, welches sie kaum noch führen konnten. Nur wenige nahmen erst zu Bayonne Dienste beim König Joseph. Die Franzosen, welche überhaupt 3000 Mann während der Belagerung verloren hatten, fanden in der Stadt 96 Kanonen in gutem Zustand, auch Kugeln; überdieß Korn, Wein und Oel. Aber 54,000 Menschen, wovon der vierte Theil Soldaten, waren binnen 60 Tagen umgekommen, davon kaum 6000 durch das feindliche Feuer. Am Tage der Uebergabe lagen 6000 Todte unbegraben vor den Kirchen und auf den Straßen, oder in den Schanzgräben. Wer jetzt aus der Stadt fliehen konnte, der entfloh. Eine Todtenstille schwebte über den öden Trümmern. Von den zurückgebliebenen Einwohnern starben in den ersten zehn Tagen über tausend. Nur die nöthigsten Truppen ließ der Feind einrücken, um den Leichnahm von Saragossa zu bewachen. Lannes und nach ihm Suchet behandelten die Stadt mit Milde.

Für den Kriegskundigen hat die Vertheidigung von Saragossa der spanische Ingenieur, Obristlieutenant Caballero, der im Platz selbst sich befand, und den kunstvollen, eben so muthig als rasch geführten Belagerungskrieg der Franzosen hat der General Rogniat beschrieben, der an die Stelle des während der Belagerung getödteten Generals Lacoste beim Geniewesen getreten war.

Noch verdient bemerkt zu werden, daß Saragossa schon in der Mitte des J. 1816 sich schöner als zuvor wieder aus ihren Trümmern erhoben hatte, man sah beinahe keine Spur von Verwüstung mehr.


Die Belagerung von Saragossa im Jahr 1809.


Quellen und Literatur.

  • Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  • Sammlung der Actenstücke über die spanische Thronveränderung. Vierte Abtheilung. Germanien, 1809.
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