Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Bozen.[]

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SectieBotzen

Charte vom Königreiche Bayern nach seiner neuesten Eintheilung vom Jahre 1808.

Bozen, Botzen, Balzano, Bolgiano, berühmte Handelsstadt mit 8000 Einwohnern, von Bergen umgeben, am Fluß Eisack, im Etschlande, in Tyrol. Sie ist wegen des guten Weins, und wegen der schönen Gegend bekannt, und hat vier berühmte Jahrmarkts, als 1) auf Oculi, 2) auf Fronleichnam, den ersten Monats hernach, 3) den ersten Tag nach Maria Geburt, und 4) den ersten Tag nach Andreas, welche von Deutschen, Schweitzern und Italienern stark besucht werden. Sie hat ein Schloß, wichtige Seidenmanufakturen, und ist die Residenz des österreichischen Landshauptmanns im Etschlande und des Kreisamtes; es wird hier das Hofgericht, wegen des Etschlandes jährlich viermal gehalten.


Von Reisende.[]

Friedrich Schulz.[]

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[1793]

Je mehr man sich Botzen nähert, desto grösser wird die Anzahl der Wohnungen, und anderthalb Stunden vor dieser Stadt werden schon wieder Weinstöcke, terrassenartig über einander gepflanzt, sichtbar, besonders an der rechten Seite, die vorher die furchtbarste war. Der Weg führt jetzt, da man über die Eysack auf einer bedeckten Brücke gegangen ist, an der linken Seite hart an deren Ufer hin. Gegen ihre Wuth ist er theils durch Mauern, theils durch vorgewälzte Steine geschützt; aber an einigen Stellen hat dieser Fluß ihn doch schon untergraben, und drohet ihn herunter zu reissen. Der Eingang nach Botzen (2. M.) ist fast wie der nach Brixen, nur ist der Kessel, worin ersteres liegt, nicht so tief. Man fährt einen gepflasterten Weg hinan geht sodann über die Eysack zurück, steigt eine kleine Anhöhe hinauf, und von dieser herab übersieht man das ganze Botzener Thal. Es giebt den Anblick eines großen Weingartens, der aus unzähligen Lauben besteht, die dich an einander stoßen und solchergestalt ein wahres Dach von Blättern bilden, das von drey Seiten her bis gegen die Mitte der umliegenden Berge sich hinauf zieht. Im Hintergrunde steigen abermals hohe Berge amphitheatralisch hervor.

Botzen, dem politischen Range und der Größe, Bevölkerung und Wohlhabenheit nach, die zweyte Stadt in Tyrol, liegt im Etschlande, an der Eisack, *) mitten unter Bergen. Sie ist der Sitz des Landeshauptmanns von gedachter Provinz, und eines Hofgerichts, das jährlich viermal gehegt wird.

*) Richtiger vielleicht: Eisach, von Eis und Ach, oder Aa, was bey unsern Alten Wasser und, in der zweyten Bedeutung, Fluß hieß. Daher Aachen Salza oder Salzach, Schwarzach u. s. w.

Die Stadt ist offen und ihr Standplatz uneben. Dieser Lage wegen sind ihre Straßen und Plätze ziemlich enge und zusammen gedrängt. Die Häuser sind von Stein, großentheils vierstöckig, sehr fest, aber ziemlich altmodisch, erbaut. Sie haben von außen und innen schon viel Italienisches, z. B. häufige Balkone, wenige Fenster als die deutschen Städte, und auf dem Dache mehrentheils Altane, die zum Trocknen der Wäsche gebräucht werden, und zugleich Licht in das Innere der Häuser herabschicken. Die Treppen sind nämlich nach dem Hofe zu angebracht. Man gelangt über dieselben auf den Flur des ersten Geschosses, und über diesen in die Zimmer, die vorwärts nach der Straße und hinterwärts nach dem Hofe führen. Der Flur selbst bildet ein Viereck, ist mit Estrich übergossen und wird auf die gedachte Art erleuchtet und gelüftet. Da die Sonne, deren Strahlen hier schon italienisch brennen, weder von der Seite noch von oben in denselben herabdringen können, so bleibt er an den heißesten Tagen kühl, gewährt einen angenehmen Aufenthalt, und giebt dadurch dem Besitzer an Behaglichkeit, was er ihm an Platz nimmt. Noch sind die Häuser, besonders in denjenigen Theilen der Stadt, die, zur Zeit der vier großen Jahrmärkte, von fremden Kaufleuten besetzt werden, mit Lauben versehen, unter denen Gewölbe und Waarenlager angebracht sind, die ihre Zinsen reichlich tragen. Das Pflaster ist erträglich und wird in den niedriger liegenden Straßen durch Kanäle von lebendigem Wasser reinlich gehalten.

Unter den Kirchen zeichnet sich keine durch Größe, Pracht, oder Geschmack in der Baukunst, aus, aber sie besitzen einige nicht schlechte Gemälde; und in der Pfarrkirche fand ich in der That ein treffliches Altarblatt, das aber, in den Augen andächtiger Seelen, weit hinter einem unansehnlichen Marienbilde zurück bleibt, welches in der Nähe ist, und Wunder thut. Es war so herablassend, sich einem Fuhrmann in den Weg zu legen, der es fand und nach der Stadt lieferte, wo fromme und scharfsichtige Männer dessen Kräfte auf den ersten Blick erkannten und "ad majorem Dei gloriam" sogleich in Thätigkeit zu setzen anfingen.

Botzen hat ungefähr die Größe von Klagenfurt, ist aber volkreicher, wie mir däucht, wenn nicht etwa die engeren Straßen die Einwohner mehr zusammen pressen und zahlreicher scheinen lassen, oder wenn nicht der angehende Marienmarkt schon viel Fremde herzu gelockt hat. Wäre in diesem Punkt die bloße Ansicht des Getümmels nicht so trüglich, so würde ich die Zahl der Einwohner auf 13 bis 14,000 setzen.

Botzen zieht seinen Nahrungserwerb besonders aus dem Handel. Seine vier großen Jahrmärkte (auf Okuli, nach Fronleichnam, nach Marien Geburt und nach Andreas) werden häufig von Deutschen, Schweitzern und Italienern besucht. Diese machen hier ansehnliche Geschäfte mit baumwollenen, wollenen, seidenen, mit Nürnberger, mit Spezerey- Stahl- Linnen und andern Waaren. Sie schlagen sie theils gegen andere um, theils setzen sie dieselben zur Versorgung von Tyrol selbst für baares Geld ab.

Der Weinbau ist der zweyte Nahrungserwerb von Botzen. Das Gebiet der Stadt ist ganz mit Reben bedeckt. Die umliegenden Ortschaften sind ebenfalls reichlich damit versehen; und sie liefern ihre Moste und Weine meist an die hiesigen Weinhändler. Mann kennt die Tyroler Weine. Sie sind im Ganzen lieblich und angenehm, aber freylich, mit den Ungarischen, Spanischen, Deutschen und Französischen verglichen, weichlich und unkräftig, und halten sich nicht. Die Botzener Weine gelten unter ihnen für die besten, besonders das Gewächs von Leytach, Leyfer und Rentsch, Oerter, die in der Nachbarschaft liegen. Ich ziehe den hiesigen weißen Wein den rothen Arten vor, nachdem ich mehrere Proben aus dem Keller meines Wirthes, des Postmeisters, durchgekostet habe. In Deutschland trinkt man ihn als Nachtischwein, aber man erhält ihn selten erträglich, vielmehr meist immer mit einem kleinern oder größeren Stich, den er meist immer bekömmt, wenn er von einem Jahre zum andern stehen bleibt.

Botzen gewinnt noch an einem beträchtlichen Versendungs- und Durchfuhr-Handel von Italien nach Nieder- und Inner-Oesterreich und aus diesen Provinzen nach Italien. Der Durchzug von Fremden eben dahin, die gern einen oder ein paar Tage hier verweilen, trägt auch etwas zur Nahrung der Stadt bey. Noch versorgt sie die Nachbarschaft mit Obst aller Art, und einige ihrer Aepfelgattungen, die Borsdorfer, Reinetten und die länglichen sogenannten Tyroler Aepfel, gehen bis nach München, Salzburg und Wien.

Ich habe kein schöneres Obst je gesehen und gekostet. Selbst das Pariser steht demselben nach und das italienische keiner Provinz hält eine Vergleichung damit aus. Es wird größestentheils in den umliegenden Weinbergen gezogen. Schon vor vier Wochen waren hier die Pfirschen reif, und sie stehen jetzt in solcher Menge auf dem hiesigen Markte zu Kaufe, wie in Leipzig in guten Jahren die Pflaumen. Sie haben die Größe von Stettiner Aepfeln und doch kann man ihrer zwey für einen Kreutzer haben. Noch vor einigen Tagen mußte ich in Wien, das seines schönen und häufigen Obstes wegen so berühmt ist, weit kleinere, das Stück mit 15 bis 20 Kreutzern bezahlen. Die Weiß- und Graubirnen, die in Deutschland erst zu Anfange des Oktobers einzeln zum Vorschein kommen, sind hier schon in großer Menge vorhanden.

Das Aeußere der Bewohner von Botzen ist im Ganzen wohlhabend und sauber, aber altmodisch. Ich glaubte mich, in dieser Rücksicht, wieder in Salzburg zu befinden. Adel, oder was wie der Adel lebte und sich kleidete, ist hier wenig vorhanden. Die besten Bürger und Bürgersfrauen tragen sich nach altbürgerlicher Art: erstre ihre Kleider mit langem Schnitte, in dunkeln, bescheidenen Farben, mit steifen, gestreckten Locken und Zöpfen; letztere ihre Wämser weit, ihre Röcke drey über einander gezogen, sehr kurz, und dazu die abscheuliche Salzburger gehörnte Haube von schwarzem Klar. Im Hause gehen sie in bloßem Kopfe, das Haar geflochten, am Hinterkopfe in ein Nest zusammen gewunden, und mit einer queer hindurch gesteckten Nadel befestigt. Auch die steifen Salzburger Mieder sind hier, aber noch mit einem langen Schwanze verschönert, den die hiesigen Weiber entweder von den Bayreuther Mägden, oder diese von den Botz'nerinnen überkommen haben.

Die hiesige Einwohnerschaft ist schon häufig mit italienischen Familien vermengt, und man hört eben so viel Italienisch als Deutsch sprechen, ersteres in venetianischer, letzteres in salzburgischer Mundart, beydes rauh und unrichtig, wie in allen limitrophischen Ländern. Eben so gemischt erscheinen die deutschen und italienischen Gesichtszüge, doch wird die weiße Menschengattung schon merklich seltener, als die braune und schwarz Der Pöbel hat in seinem Aeußern, und in seinem Benehmen und Charakter fast nichts deutsches mehr; er geht in Lumpen von den hellsten Farben umher, liegt unthätig in der Sonne, und ist sehr laut und dreist.

Der angehende Markt hatte eine fliegende Gesellschaft Italienischer Schauspieler hieher geführt, die mit den meisten stehenden Bühnen in Deutschland wetteifern konnte. Da kein Schauspielhaus in Botzen ist, so hatte sie ihr Gerüst auf einem langen Saale aufschlagen müssen, der ziemlich niedrig war, und mich an das Theater der Drey Rosen, in der Willsdrufer Vorstadt bey Dresden, erinnerte. Vielleicht wäre mir diese Gesellschaft minder gut vorgekommen, wenn mir die letzten Vorstellungen, die ich auf deutschen Bühnen gesehen, minder mißfallen hätten. In der That, diese Leute hatten doch Anstand, Ton und Leichtigkeit; konnten doch, wie Leute von Erziehung, gehen, stehen und sich setzen; und hatten ihre Rollen so gefaßt und gelernt, daß sie dieselben passend und höchst geläufig zu geben verstanden. Auch die Zuschauer ihrerseits waren schon nicht mehr so wunderlich deutsch gesinnt, daß sie ihren Beyfall ängstlich zurück gehalten, daß sie nicht von ganzem Herzen gelacht hätten, wenn etwas Lächerliches vorkam, und daß sie nicht jeden kleinen gefallenden Zug herausgehoben und dem Dichter, wie dem Schauspieler, jedem was ihm gebührte, zugetheilt haben sollten. In der That, die Deutschen, besonders die Niederdeutschen, sind zu feyerliche Schauspieler und Schauspielliebhaber; und mit scheint es, als ob sie die alten protestantisch-theologischen Vorurtheile gegen diese Kunst noch nicht ganz abgelegt hätten, und sich innerlich immer noch ein wenig albern schämten, sich ihren Wirkungen unbefangen, frey und offen hinzugeben.

Mit Botzen hatte ich das Ziel meiner Reise erreicht, und die Meilen hatten die bezweckte Wirkung auf meine Gesundheit gethan. Ich fühlte keines Uebel mehr, die mich bey meiner Abreise von Riga beunruhigten. Der Strom der frischen Luft, und die Bewegungen und Zerstreuung hatten mich wiedergeboren. Das Botzener Thal, worin ich mich befand, athmete schon die Luft Italiens; es hielt mir das Bild der schönsten Gegenden dieses Landes vor, und füllte meine Brust mit einer Sehnsucht, die den schwachen Wall, den eine hypochondrische Angst vor Aerger, zwischen mit und Hesperien aufgeworfen hatte, darnieder riß. Neapel schien mir ein würdiger Ziel für eine große Reise, und nach drey Tagen ging ich mit einem Freunde, dessen Wille mein Wille ist, wirklich dahin ab.


August von Kotzebue.[]

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[1804]

Botzen ist schon eine halb italiänische Stadt, wird auch hier meistentheils Botzano genannt. Man hört weit mehr italiänisch als deutsch reden. Auf den Dächern sieht man schon sogenannte Logen, um die frische Luft daselbst zu genießen. Auch scheint, nach italiänischer Sitte, kein Frauenzimmer mehr in dem Zimmer des Reisenden, Mannspersonen bereiten sogar die Betten. -- Die komischsten Kopfzeuger in Asien und Europa werden von den Weibern der Wotiäken und von den Bürgerfrauen zu Botzen getragen. Die ersteren habe ich auf meiner Reise nach Sibirien geschildert; die letzteren bestehen aus einer Art von dreieckigten Mannshüten, von schwarzem Flor, die aber fast in den Nacken gesetzt werden; vorn läuft eine Art von schwarzem Zipfel, wie man ihn bei tiefer Trauer hin und wieder in Deutschland trägt, bis auf die Stirn. Das Drollige und Häßliche des Ganzen läßt sich nicht mit Worten beschreiben.


Zeitungsnachrichten.[]

1807.[]

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Gemeinnützige Anstalten und Vorschläge.

Tyrol. Seit dem Jahre 1744 bestand im südlichen Tyrol ein höchst verderbliches Monopol, welches an 9 wälsche Familien als ein Lehen verkauft war. Nur diese privilegirte Kompagnie allein war berechtigt, die Kaufmannsgüter von Botzen nach Verona zu verflößen, und kein anderer Mensch durfte Holz nach Italien führen. Keine Feder kann diesen Druck und Schaden beschreiben. Nun hat unsere humane Regierung, die ein goldener Spiegel für Staatsökonomie ist, dieses Monopol als staatszweckwidrig aufgehoben, und den Speditionshandel, wie auch die Holzverflößung freygegeben. Die Dankbarkeit und die Liebe der Tyroler gegen ihre so wohlthätige Regierung ist so groß, als aufrichtig. Durch Liebe und Zutrauen regiert man am sichersten und leichtesten.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Neu bearbeitet von Konrad Mannert, Königl. Bairischen Hofrath und Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
  2. Reise eines Liefländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nürnberg, Regensburg, München, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol. Berlin, 1795. bei Friedrich Vieweg dem ältern.
  3. Erinnerungen von einer Reise aus Liefland nach Rom und Neapel von August von Kotzebue. Berlin 1805. bei Heinrich Frölich.
  4. National-Zeitung der Deutschen. 19tes Stück, den 7ten May 1807.
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