Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Stufenleiter Jugend 1400


Charakteristik des Generals Buonaparte.[]

[1]
Neopolem Buonaparte erblikte im Jahre 1768 auf der Insel Korsika das Licht des Tages. Marquis de Marboeuf, der als französischer General auf dieser Insel kommandirte, stiftete allda mit der Mutter Buonaparte's eine zärtliche Bekanntschaft, und die Frucht ihrer gegenseitigen Liebe war -- unser Held. Buonaparte zeigte schon von frühster Jugend an die glüklichsten Anlagen, und seine Mutter, deren Geistesbildung mit der Schönheit um den Vorzug stritt, unterlies nichts, sie zum Vortheil des Knaben zu benuzen.

Um allzugroße Weitschweifigkeit zu vermeiden, übergehe ich die frühern Jugendjahre Buonaparte's mit Stillschweigen, und begnüge mich an einem einzigen leicht hingeworf'nen Zuge, der zum Besten darthun wird, was er schon als Knabe war.

Sein Vetter Salicetti sprach oft in seiner Gegenwart über das französische Joch, unter dem seine Landsleute seufzeten, und über ihr trauriges Loos, das doch die braven Korsikaner nicht verdient hätten; -- "aber, fügte er meistens hinzu, man glaube ja nicht, daß diese harten Schläge des Schiksals sie so ganz entmannten, noch immer nähren sie den Gedanken bei sich, den Kampf für ihre Unabhängigkeit zu erneuern." Unser Held war allezeit Einer der aufmerksamsten Zuhörer. Als eines Tages Salicetti wieder über die schreklichen Bedrükungen in den lautesten Unwillen ausbrach, sprang der Knabe mit diesen Worten auf ihn zu: "Vetter, Korsika soll frei sein! Man mus etwas wagen, wenn man etwas wünscht."

Wir finden nun unsern Buonaparte in der Artillerieschule zu Paris, wohin ihn Marboeuf brachte, um seinem Sohn eine Laufbahn anzuweisen, in der er seine Talente vorzüglich entwikeln konnte.

Hier in dieser Pflanzschule der grössten Ingenieurs, wo die geschiktesten Männer zu Lehrern angestellt waren, hier war es, wo Buonaparte sich bildete. Neben seinem Hauptstudium, der Kriegswissenschaft und andern dahin einschlagenden Wissenschaften, worin er mehrere Male den Preis über seine Mitschüler davon trug, fand er vorzüglichen Geschmak an der Geschichte. Ein Julius Caesar, Sallustius, Tacitus, Homer, Polybius u. a. die er in der Ursprache studierte, waren seine Lieblingsschriftsteller, und sind es noch gegenwärtig; sie begleiten ihn in das Feld, und er ruht bei ihnen nach dem Geräusche der Waffen aus.

Durch die Lektüre der Alten wurde er allmählig mit den Ideen über Gesezgebung und über Plane zu politischen Verfassungen vertraut. Um auch hierin seinem Geiste die möglichste Helle zu verschaffen, las er einen Macchiavelli, Montesquien, Raynal, Rousseau und andere Schriftsteller, die die Gesezgebung zum Gegenstande ihrer Spekulationen gemacht hatten -- bald nachher fielen ihm auch die Schriften des grosen Friedrichs in die Hände -- aber er las nicht nur, sondern er drang in den Geist dieser Schriften ein, fasste den verschiedenen Ideengang glüklich auf, und machte durch Selbstdenken alles, war er las, zu seinem Eigenthum.

Ein so feuriger Jüngling, als er war, dessen Geist zu so frühzeitiger Reife gelangte, konnte es nicht anders sein, als daß die Militairschule, wo seine Lage äusserst einengend war, und wo ihn dich jeder Gegenstand zu Thaten aufrief, bald zu einem Gefängnisse ward. Dieses erwachte Gefühl der Thätigkeit regte in ihm den Gedanken auf, die Schule zu verlassen, und irgendwo einen weitern Spielraum sich zu schaffen. In einem Briefe vertraute er seiner Mutter diesen Entschlus; aber sie erinnerte ihn an seine ihm obliegenden Pflichten, und äusserte mit unter ihre Besorgnisse wegen seines Unterhalts in einem ihm ganz fremden Lande. Er schrieb ihr wieder, daß er zwar das thun würde, was Pflicht von ihm heischte, und daß er sich nicht entfernen wollte, um sie nicht zu kränken, war aber ihre Besorgnisse beträfe, so wären sie vergeblich. "Denn, fügte er hinzu, mit meinem Degen an der Seite und mit meinem Homer in der Tasche hoffe ich durch die ganze Welt zu kommen." ---Und nun ehe wir mit ihm die Militairschule verlassen, noch einen Zug von ihm, der uns ganz den nach Thaten begierigen Jüngling vor Augen stellt, der jede Gelegenheit ergreift, sich über die Menge emporzuarbeiten.

Es war am 2ten Merz im Jahre 1784, daß der berühmte Luftschiffer Blanchard auf dem Marsfelde einer unzähligen Menge Menschen das sonderbarste Schauspiel gab. Gespannt war die Erwartung der Zuschauer, der Ballon gefüllt, alles zur Auffahrt bereit, und Blanchard wollte eben in die Gondel steigen, als Bonaparte hervordrang, und zugleich die Luftreise mit ihm machen wollte. Jener weigerte sich; dieser aber bestand darauf mit dem Degen in der Hand. Der Gouverneur der Militairschule, den man sogleich davon benachrichtigt, ertheilt den Befehl, ihn vom Ballon zu entfernen; er widersezt sich, versucht das Seil das den Ballon befestigte, mit dem Degen abzuhauen, und nur mit Gewalt wird er an seinem Vorhaben verhindert. Ganz Paris sprach von diesem Vorfall, und er hatte dem Schicksal wenigstens einige Tropfen abgetrozt, seinen heisen Durst damit in Etwas zu stillen.

Noch vor dem Ausbruche der Revolution sehen wir ihn als Lieutenant bei dem vierten Artillerieregimente, ehemals Grenoble, welche Stelle er 1785 erhielt.

Nach verlauf einiger Jahre brachen Unruhen allenthalben aus, und das Schiksal zog allmählig den Vorhang des tragisch erhabenen Schauspiels auf, in dem Buonaparte eine Rolle übernehmen sollte.

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Le Mémorial de Sainte-Hélène.[]

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Sonntag, den 27sten bis Donnerstag den 31sten. (August 1815)

Kindheit des Kaisers. -- Nähere Umstände. -- Napoleon zu Brienne. -- Pichegru. -- Napoleon in der Militärschule von Paris. -- Bei der Artillerie. -- Seine Gesellschaften. -- Napoleon im Anfang der Revolution.

Napoleon ist am 15ten August 1769, am Tage von Mariä Himmelfahrt, um Mittag geboren. Seine Mutter, eine an Körper und Geist starke Frau, welche während ihrer Schwangerschaft mit ihm in den Krieg gezogen war, wollte an diesem Festtage in die Messe gehen: sie mußte aber eilig zurückkehren, konnte ihr Schlafzimmer nicht mehr erreichen, und gebär ihr Kind in einem Zimmer, dessen alte Tapeten die großen Gestalten der Mythologie oder der Iliade darstellen. Dieß Kind war Napoleon.

Napoleon war in seiner ersten Kindheit ungestüm, verschmizt, lebhaft, äußerst flink; er hatte, sagte er, über seiner ältern Bruder, Joseph, die größte Gewalt. Der Leztere wurde geschlagen, gebissen; die Klagen waren schon bis zu der Mutter gelangt, die Mutter zankte, während der arme Joseph noch nicht die Zeit genommen hatte, den Mund zu öffnen.

Napoleon kam in einem Alter von ohngefährt zehn Jahren in die Militärschule von Brienne. Sein Name, den er mit seiner corsischen Mundart ohngefähr wie Napoilloné aussprach, zog ihm den Spottnamen la pailee au nez zu. In diesem Zeitpunkt ging eine große Veränderung in Napoleons Charakter vor. Alle die Geschichten, die man als Anekdoten aus seinem Leben aufgeführt hat, zeigen sich als unächt; Napoleon war zu Brienne sanft, ruhig, fleißig und sehr gefühlvoll. Eines Tags verurtheilte ihn der Quartier-Meister, ein von Natur roher Mann, der, wie Napoleon sagte, weder die physischen noch moralischen Eigenschaften des Knaben berücksichtigte, zum Tragen des groben Kleides und zum Essen auf den Knieen an der Thüre des Speisesaals: dieß war eine Art von Entehrung. Napoleon hatte viel Eigenliebe, eine große innern Stolz; im Augenblicke der Ausführung wurde er schnell von einem Erbrechen, und heftigen Nervenzuckungen ergriffen. Der Vorsteher, welcher zufälligerweise vorüber ging, entriß ihn der Strafe, und verwies dem Quartier-Meister seine Unüberlegtheit. Auch der Pater Patrault, sein Professor in der Mathematik, eilte herbei, und beklagte sich, daß man auf diese Art seinen besten Schüler ohne alle Rücksicht mißhandle.

(*) "Beim Eintritt in das Alter der Mannbarkeit wurde Napoleon mürrisch und düster; das Studiren wurde für ihn eine Art von Leidenschaft, fast bis zur Wuth gesteigert; er verschlang alle Bücher. Pichegru war sein Quartiermeister und sein Repetent in den vier Regeln der Arithmetik.

(*) Das Folgende ist von dem Kaiser selbst diktirt; das wei und wann wird später angegeben werden.

"Pichegru war aus der Franche-Comté gebürtig, und stammte von einer Bauernfamilie ab. Die Minimen-Brüder der Champagne hatten die Militärschule von Brienne zu besorgen; da aber ihre Armuth, und ihre geringen Einkünfte ihnen wenig Zuspruch von neuen Mitgliedern verschaffte, so konnten sie diesen Dienst nicht ganz besorgen; sie ließen sich von den Minimen der Franche-Comté aushelfe; der Pater Patrault gehörte zu den Leztern. Eine Tante Pichegru's, eine Schwester des Ordens der Barmherzigen, folgte ihm dahin, zur Besorgung des Krankendienstes. Sie hatte ihren Neffen bei sich, einen kleinen Knaben, der ohne Bezahlung die Erziehung der Zöglinge theilte. Pichegru, ein Mann von großem Verstande, wurde, so wie er das gehörige Alter erreichte, Quartiermeister, und Repentent des Paters Patrault, der ihn die Mathematik gelehrt hatte. Er hatte die Absicht, Minime zu werden: dahin ging sein ganzer Ehrgeiz, und das Bestreben seiner Tante; der Pater Patrault rieth ihm aber davon ab, mit der Vorstellung, daß ihr Stand nicht mehr mit dem Geiste des Jahrhunderts übereinstimmte, und daß Pichegru auf etwas besseres denken sollte. Er überredete ihn, sich bei der Artillerie einschreiben zu lassen, wo er bei Eintritt der Revolution Unterofficier war. Seine militärische Laufbahn ist bekannt: er ist der Eroberer Hollands. Der Pater Patrault hat demnach den Ruhm, unter seinen Zöglingen die beiden ausgezeichnetsten Generale des neuern Frankreichs aufzuweisen.

"Später wurde dieser Pater Patrault, durch Herrn von Brienne, Erzbischof von Sens und Cardinal de Lomenie, säkularisirt, der ihn zu seinem General-Vikar ernannte, und ihm die Besorgung seiner zahlreichen Beneficien anvertraute.

"Bei der Revolution hatte der Pater Patrault zwar eine der Ansicht seines Gebieters ganz entgegengesezte politische Meinung, suchte aber doch allem aufzubieten, um ihn zu retten. Er verwendete sich für ihn bei Danton, der aus der Nachbarschaft gebürtig war; dieß war aber vergebens, und man glaubt, daß er, nur der Sitte der Alten gemäß, dem Cardinal den Dienst leistete, ihm das Gift zu verschaffen, durch das er sich, um dem Schaffot zu entgehen, selbst tödtete.

"Frau von Loménie, Nichte des Cardinals, vertraute vor ihrem Tode, nach der Verurtheilung durch das Revolutionstribunal, dem Pater Patrault ihre beiden noch sehr jungen Töchter. Nach Verfluß der Schreckenszeit wurden diese von ihrer Tante, Frau von Brienne, die sich aus dem Sturme gerettet hatte, und noch ein großes Vermögen besaß, von dem Pater Patrault zurück gefordert, der aber ihre Auslieferung lange unter dem Vorwand verweigerte, daß ihm die Mutter empfohlen hätte, sie in der Folge an Bauern zu verheirathen. Er hatte die armselige Absicht, diesen bildlichen Auftrag wörtlich auszuführen, und sie mit seinen beiden Neffen zu verheirathen. "Ich war damals, sagte Napoleon, General der Armee des Innern, und zum Vermittler der Auslieferung dieser beiden Kinder gebraucht, was mir nicht ohne große Mühe gelang, da Patrault sich dabei aller Mittel bediente, welche ihm die Zeitverhältnisse an die Hand gaben. Es sind dieselben Kinder, die Sie später unter dem Namen Frau von Marnesia, und der schönen Frau von Canisy, Herzogin von Vicenza, gekannt haben.

"Der Pater Patrault suchte bei seinem vormaligen Zögling die Erlaubniß nach, ihm zur Armee von Italien zu folgen, wo er eine weit größere Geschicklichkeit in Berechnung der Curven des Wurfgeschützes, als Muth, sich demselben auszusetzen, an den Tag legte. Zu Montenotte, zu Millesimo, zu Dego zeigte er eine wahrhaft kindische Furchtsamkeit. Er brachte nicht, wie Moses, die Zeit der Schlacht mit Beten, sondern mit Weinen zu. Der Ober-General ließ ihn bei der Verwaltung der Domänen in Mailand zurück, wo er gute Geschäfte machte. Nach der Rückkehr von Egypten stellte er sich bei Napoleon vor: er war nun nicht mehr ein unbedeutender Minime der Champagne, sondern ein starker und fetter Financier, der mehr als eine Million im Vermögen hatte. Zwei Jahre später suchte er den ersten Consul zu Malmaison auf; er war elend, abgemagert und schlecht gekleidet. "Was soll dieß heißen?" fragte ihm der erste Consul. -- Sie sehen hier einen verunglückten Mann, der Alles verloren hat. -- "Wie so?" -- Allerdings unerhörtes Unglück. Der erste Consul wollte zuerst durch die Polizei genaue Erkundigungen einziehen; und es ergab sich dabei, daß der Pater Patrault den Wucherer gemacht hatte. Dieser große Rechenmeister hatte mit Anlehen auf kurze Ziele durch Bankerutte Alles verloren. "Ich habe bereits meine Schuld an Sie bezahlt, sagte ihm der erste Consul beim Wiedersehen, ich kann nun nichts mehr für Sie thun; ich bin nicht im Stande, zweimal das Glück eines Mannes zu machen." Er begnügte sich hierauf, ihm einen kleinen Gnadengehalt zur Bestreitung seiner nothwendigsten Bedürfnisse aufzusetzen.

"Napoleon hatte von Pichegru nur noch eine sehr dunkle Vorstellung; er wußte nur von ihm, daß er groß war, und etwas Rothes im Gesicht hatte. Dieß scheint nun aber bei Pichegru nicht der Fall gewesen zu seyn, der sich die äußern und die Charakterzüge des jungen Napoleon sehr wohl bemerkt zu haben schien. Als Pichegru sich an die königliche Partei anschloß, und gefragt wurde, ob man wohl nicht bei dem Obergeneral von Italien zum Ziele kommen könnte, so sagte, er: "Verliert eure Zeit nicht damit; ich habe ihn in seiner frühsten Jugend gekannt; er muß ein ganz unbeugsamer Charakter seyn; er hat eine Partei ergriffen; er wird nicht wechseln."

Der Kaiser lachte sehr über alle Erzählungen und Anekdoten, die man aus seiner Jugendzeit, in einer Menge kleiner Schriften verbreitet hat; er erklärte fast alle für falsch. Doch findet sich eine, die er für wahr erklärt, und die seine Confirmation in der Militärschule in Paris betrifft. Als der Erzbischof, der ihn confirmirte, bei dem Namen Napoleon sin Erstaunen bezeugte, und sagte, daß er diesen Heiligen nicht kenne, indem er nicht im Calender vorkomme, so antwortete der Knabe mit Lebhaftigkeit, daß dieß kein Grund wäre, indem es eine Menge Heilige, aber nur 365 Tage gebe.

Napoleon hatte vor dem Concordat nie einen Festtag gehabt: in der That stand sein Patron nicht in dem Calender, und das Datum desselben war überhaupt ganz ungewiß; die Artigkeit des Papstes wies ihm aber den 15ten August, den Geburtstag des Kaisers, und den Tag der Unterzeichnung des Concordats an.

(*) "Im Jahr 1783 war Napoleon einer von denen, welche durch die gewöhnliche Prüfung in Brienne zur Vollendung der Erziehung in der Militärschule in Brienne zur Vollendung der Erziehung in der Militärschule von Paris angewiesen wurden. Die Wahl erfolgte jährlich durch einen Inspector, der die zwölf Militärschulen durchreiste. Dieses Amt versah der Ritter von Keralio, General, und Verfasser eines Werks über die Taktik, welcher der Lehrer des gegenwärtigen Königs von Baiern, als Herzogs von Zweibrücken, in dessen früher Jugend gewesen war. Er war ein liebenswürdiger Greis, der sich vorzüglich zu diesem Geschäfte eignete; er liebte die Kinder, spielte mit ihnen nach der Prüfung, und behielt diejenigen, die ihm am meisten gefallen hatten, an der Tafel der Minimen bei sich. Er hatte eine vorzügliche Neigung für den jungen Napoleon gefaßt, den er auf alle Art aufzumuntern suchte. Er wählte ihn für die Militärschule in Paris aus, obschon er noch nicht ganz das erforderliche Alter hatte. Der Knabe war nur in der Mathematik stark, und die Mönche stellten ihm vor, daß es besser seyn würde, das folgende Jahr abzuwarten, wo er dann Zeit gewinnen würde, sich auch im übrigen zu vervollkommnen. Keralio hörte aber nicht auf diese Gründe, und sagte: "Ich weiß was ich thue; wenn ich hier eine Ausnahme von der Regel mache, so geschieht dieß nicht aus einer Familien-Rücksicht, denn ich kenne die Familie dieses Knaben nicht; es geschieht wegen seiner selbst; ich entdeckte hier einen Funken, den man nicht sorgfältig genug anfachen kann." Der gute Ritter starb fast gleich darauf; sein Nachfolger aber, Herr v. Regnaud, der vielleicht seinen Scharfblick nicht gehabt hätte, führte dennoch die von ihm aufgefundenen Anweisungen aus, und der junge Napoleon wurde nach Paris geschickt."

(*) Von Napoleon dictirt.

Alles verkündete nun von dieser Zeit an in ihm höhere Eigenschaften, einen bestimmten Charakter, tiefes Nachdenken, starke Conceptionen. Schon von seiner ersten Jugend an, scheinen seine Verwandte alle ihre Hoffnungen auf ihn gesetzt zu haben. Sein Vater sprach auf seinem Todtenbette in Montpellier, obschon Joseph bei ihm war, in seinen Phantasien immer mit Sehnsucht von Napoleon, der in der Schule entfernt war: er rief ihn unaufhörlich auf, ihm mit seinem großen Degen zu Hülfe zu kommen. Später sagte der alte Oheim Lucian auf seinem Sterbebette, wo er von der ganzen Familie umgeben war, zu Joseph: "Du bist der Aelteste der Familie; hier aber, indem er auf Napoleon deutete, ist das Oberhaupt derselben, vergiß dieß niemals." -- "Dieß war, sagte der Kaiser scherzhaft, eine wahre Enterbung; die Scene des Jacobs und des Esau."

Da ich selbst in der Militärschule von Paris, aber ein Jahr früher, als Napoleon, erzogen wurde, so konnte ich darüber in der Folge, bei meiner Rückkehr von der Auswanderung, mit unsern gemeinschaftlichen Lehrern sprechen.

Herr von l'Eguille, unser Lehrer in der Geschichte, rühmte sich, daß wenn man in den Archiven der Militärschule nachsuchen wollte, so würde man daselbst finden, daß er seinem Zögling, eine große Laufbahn vorausgesagt, und in seinen Zeugnissen die Tiefe seiner Reflexionen, und den Scharfblick in seinem Urtheil herausgehoben hätte. Er sagte mir, daß ihn der erste Consul häufig zum Frühstück nach Malmaison kommen ließe, und noch immer von seinem frühern Unterricht spräche: Er hätte ihm einmal gesagt: "Eine Ihrer Lehrstunden, welche den größten Eindruck auf mich hinterlassen hat, war die, wo Sie von der Empörung des Connetables von Bourbon sprachen, bschon Sie diese nicht ganz unter dem gehörigen Gesichtspunkt darstellten: nach Ihnen bestand nämlich die Größe seines Verbrechens darin, daß er gegen seinen König Krieg führte; was sicher zu den Zeiten der Feudalherrschaft und der getheilten Souveränitäten, nur ein unbedeutendes Verbrechen war; vorzüglich wenn man die wahrhaft anstößige Ungerechtigkeit, deren Opfer er geworden ist, in Betracht zieht. Sein einziges, sein großes, sein wahres Verbrechen, worauf Sie nicht den gehörigen Nachdruck legten, bestand darin, daß er mit Fremden seinen vaterländischen Boden angegriffen hat."

Herr Domairou, unser Professor der schönen Wissenschaften, sagte mir, er sey immer über die Seltsamkeit der Umschreibungen Napoleons betroffen gewesen, er hätte sie von dieser Zeit an mit Granitstücken verglichen, die in einem Vulkan erhizt wurden.

Nur ein einziger täuschte sich in ihm; dieß war Herr Bauer, der dicke und schwerfällige Lehrer der deutschen Sprache. Der junge Napoleon that nichts in dieser Sprache, wodurch er sich bei Herrn Bauer, dem nichts darüber ging, die tiefste Verachtung zuzog. Eines Tags, als der Schüler nicht an seinem Platze war, antwortete man ihm, daß er in diesem Augenblick seine Prüfung in der Artillerie bestünde. "Weiß er denn aber etwas darin?" sagte ironisch der dicke Herr Bauer. -- Wie, mein Herr, Sie wissen nicht, daß er der stärkste Mathematiker in der Schule ist, antwortete man ihm. -- "Nun gut! ich habe immer sagen hören, und habe immer so gedacht, daß die Mathematik nur für Dummköpfe gemacht ist." "Ich möchte wissen, sagte der Kaiser, ob dieser Bauer noch so lange gelebt hat, um mich aufsteigen zu sehen, und sich über sein Urtheil zu freuen."

Er hatte kaum das 16te Jahr erreicht, als der Abbé Raynal, über den Umfang seiner Kenntnisse erstaunt, ihn so sehr zu würdigen verstand, daß er ihn als ein der Zierden zu seinen wissenschaftlichen Frühstücken einlud. Endlich war der berühmte Paoli, für den er lange die höchste Verehrung gefühlt hatte, dem er sich aber sogleich, als er die Engländer begünstigen wollte, an der Spitze einer Parthei entgegenstellte, gewohnt zu sagen, dieser junge Mensch habe einen antiken Zuschnitt, er sey ein Plutarchs Mann.


Im Jahr 1785 verließ Napoleon, der zugleich als Zögling und als Artillerie-Offizier aufgenommen worden war, die Militärschule, um in das Regiment la Fère als Secondlieutenant einzutreten; von wo er in der Folge als Premierlieutenant in das Regiment nach Grenoble kam.

Napoleon traf bei seinem Austritt aus der Militärschule mit seinem Regimente zu Valence zusammen. Während des ersten Winters, den er daselbst zubrachte, hatte er den Lariboissière zum Tischgesellschafter, den er nachher, als Kaiser, zum Inspektor der Artillerie ernannte; den Sorbier, der in dieser Eigenschaft auf Lariboissière folgte; den jüngern Hedouville, bevollmächtigten Minister zu Frankfurt; den Mallet, einen Bruder desjenigen, der an der Spitze des Aufstandes im J. 1813 in Paris stand; einen gewissen Mabille, den der Kaiser nach seiner Rückkehr von der Auswanderung, mit der Zeit bei der Administration der Posten anstellte; den Rolland de Villarceaux, später Präfekten von Nismes; den jüngern Desmazzis, seinen Kameraden in der Militärschule, und den Gesellschafter seiner ersten Jugendjahre, dem er später als Kaiser das Gardemeuble der Krone anvertraute.

Es befanden sich bei dem Corps mehr oder weniger vermögliche Offiziere; Napoleon gehörte zu den erstern: er bekam 1200 Franken von seiner Familie; dieß war damals der ganze Gehalt der Offiziere. Nur zwei Offiziere bei dem Regimente hatten ein Cabriolet, oder einen Wagen, und sie standen dann im Ansehen großer Herren. Zu diesen gehörte Sorbier; seine Kameraden ließen sich von ihm fahren, und bedankten sich mit plattem Witz. Sorbier war der Sohn eines Arztes von Moulins.

Napoleon fand in Valence sehr bald in dem Hause der Frau von Colombier Zutritt; sie war eine sehr verdienstvolle Frau von 50 Jahren; sie regierte die Stadt, und interessirte sich vorzugsweise für den jungen Artillerieoffizier; sie ließ ihn zu allen Lustparthieen in der Stadt und auf dem Lande einladen; und verschaffte ihm die genaue Bekanntschaft des Abbé de Saint-Rufe, eines reichen, im Alter schon etwas vorgerückten Mannes, der häufig die ausgezeichnetsten Personen des Landes in seinem Hause versammelte. Napoleon verdankte seine Gunst und die Vorliebe der Frau von Colombier seinen umfassenden Kenntnissen, der Leichtigkeit, Kraft und Klarheit, womit er sie gebrauchte; die Dame sagte ihm öfters eine große Zukunft voraus. Bei ihrem Tode hatte die Revolution schon angefangen; sie nahm großes Interesse daran; und man hörte in einem, ihrer lezten Augenblicke von ihr den Ausspruch, daß, wenn dem jungen Napoleon kein Unglück begegnen sollte, er unfehlbar eine große Rolle spielen würde. Der Kaiser spricht noch immer mit einer zärtlichen Dankbarkeit von ihr, und behauptet, daß der ausgezeichnete Umgang, und die hohe Lage, in welche ihn diese Dame in seiner so frühen Jugend schon in der Gesellschaft zu bringen wußte, einen großen Einfluß auf das künftige Schicksal seines Lebens ausgeübt haben dürfte.

Die so vorzüglich begünstigte Lage Napoleons erweckte aber bei seinen Kameraden eine große Eifersucht. Sie sahen ihn ungerne so oft aus ihren Gesellschaften entfernt; obschon ihnen dadurch in keiner Beziehung ein Nachtheil erwuchs. Glücklicher Weise wußte ihn der Commandant, Herr d'Urtubie, ein achtungswerther Greis, vollkommen zu beurtheilen: er schenkte ihm fortwährend seine Gunst, und erleichterte ihm auf alle Art die Mittel, die Pflichten seines Dienstes mit den Annehmlichkeiten der Gesellschaft zu verbinden.

Napoleon fühlte eine Neigung für Mademoiselle du Colombier, die sich nicht unempfindlich dafür zeigte; bei beiden war dieß ihre erste Liebe, und von der Art, wie sie bei ihrem Alter und ihrer Erziehung seyn konnte. "Man konnte nicht unschuldiger seyn, als wir, sagte der Kaiser; wir wußten uns kleine Zusammenkünfte zu geben; und ich erinnere mich noch einer derselben, mitten im Sommer, bei Tagesanbruch, wo, man wird es kaum glauben, unser ganzes Glück sich darauf beschränkte, daß wir einen Teller Kirschen zusammen speisten."

Uebrigens ist falsch, was man sich in der Beziehung erzählt hat, daß die Mutter diese Heirath gewünscht, der Vater sich aber dagegen gesetzt hätte, unter dem Vorwande, daß sie sich beide durch ihre Verbindung schaden würden; während sie von beiden Seiten in der Lage waren, einander gegenseitig ihr Glück zu begründen. Eben so wenig wahr ist eine andere Anekdote, von einer ähnlichen Heirathsabsicht mit Mademoiselle Clary, später Madame Bernadotte, gegenwärtig Königin von Schweden.

Als der Kaiser im J. 1805 nach Italien reiste, um dort als König gekrönt zu werden, so fand er Mademoiselle du Colombier, die indessen Frau von Bressieux geworden war, in Lyon. Sie drang durch alle Schwierigkeiten, welche die Souveräne umgeben, und erreichte den Kaiser. Er hatte eine große Freude, sie wieder zu sehen; fand sich aber furchtbar verändert. Ihre Wünsche in Betreff ihres Gemahls wurden erfüllt, und sie selbst als Ehrendame bei einer seiner Schwestern angestellt.

Die Demoiselles de Laurencin und St. Germain waren damals das Entzücken der Gesellschaften von Valence, und eroberten alle Herzen; die Leztere ist Frau von Montalivet geworden, deren Gemahl damals gleichfalls mit dem Kaiser genau bekannt, und später von ihm zum Minister des Innern ernannt worden war. "Ein redlicher Mann, sagte Napoleon, der, wie ich glaube, mir immer aufs innigste ergeben geblieben ist."

Der Kaiser war in seinem 18ten und 20sten Jahre höchst unterrichtet, von festem Nachdenken, und ein strenger Logiker. Er hatte unermeßlich viel gelesen, gründlich darüber nachgedacht, und war, wie er selbst sagte, vielleicht darin rückwärts gekommen. Sein Geist war lebhaft, schnell, seine Rede energisch; er fesselte überall die Aufmerksamkeit und hatte den Beifall beider Geschlechter, vorzüglich aber desjenigen, dem man in diesem Alter den Vorzug gibt. Auch mußte er den Frauen durch seine neuen und seinen Gedanken, und durch seine kühnen Urtheile gefallen. Die Männer mußten seine Logik und seine Erörterungen fürchten, zu welchen ihn das Bewußtseyn seiner eigenen Kraft natürlich hinzog.

Mehrere Bekannte seiner Jugendjahre haben ihm über die wirklich von ihm durchwanderte erstaunt. In jener Zeit erhielt er, als anonymer Verfasser, bei der Akademie von Lyon einen Preis über die von Raynal aufgestellte Frage: "Welche Grundsätze und welche Lehren muß man den Menschen einflössen, um sie so glücklich als möglich zu machen?" Die anonyme Abhandlung wurde sehr ausgezeichnet; sie war übrigens ganz im Geiste der damaligen Zeit geschrieben. Er fing damit an zu fragen, was denn das Glück wäre, und antwortete, daß es darin bestehe, das Leben ganz, auf die mit unserer moralischen und physischen Natur am meisten übereinstimmende Weise, zu genießen. Er sprach eines Tags als Kaiser über diese Schrift mit Herrn v. Talleyrand: dieser brachte ihm, als gewandter Hofmann, nach Verfluß von acht Tagen die erwähnte Abhandlung, die er aus den Archiven der Akademie von Lyon sich zu verschaffen gewußt hatte. Es war Winter, der Kaiser nahm sie, las einige Stellen, und warf dieses erste Erzeugnis seiner Jugend ins Feuer. "Da man niemals auf alles gefaßt ist, sagte Napoleon, so hatte sich Herr von Talleyrand nicht die Zeit genommen, sie kopiren zu lassen."

Der Prinz von Conde ließ sich eines Tags in der Artillerieschule von Auxonne ansagen; es war eine große Ehre und eine wichtige Angelegenheit, von diesem militärischen Prinzen eine Inspektion zu erhalten. Der Commandant stellte, trotz der militärischen Rangordnung, den jungen Napoleon an die Spitze des Polygons, und zog ihn Andern von einem höhern Range vor. Nun wurden aber den Tag vor der Inspektion alle Kanonen des Polygons vernagelt; Napoleon war aber zu flink und zu scharfblickend, als daß er sich durch diesen Streich seiner Kameraden bethören, oder gar in den vielleicht durch den vornehmen Reisenden gelegten Hinterhalt hätte locken lassen.

Man hört allgemein die Behauptung, der Kaiser sey in seinen ersten Jahren verschlossen, mürrisch und düster gewesen. Er war aber im Gegentheil sehr heiter. Mit großem Vergnügen erzählte er uns seine lustigen Streiche aus der Artillerieschule; und schien, wenn er sich über die Details dieser glücklichen Zeiten seiner ersten Jugend verbreitete, für den Augenblick das Unglück ganz zu vergessen, das uns hier in Fesseln hielt.

Ein alter, mehr als 80jähriger Commandant, den die Zöglinge übrigens sehr hochachteten, ließ sie eines Tags mit der Kanone exerciren; er beobachtete jeden Schuß mit seiner Brille, versicherte, daß man weit vom Ziele geschossen hätte, sah überall nach, und erkundigte sich bei den Umstehenden, ob jemand die Kugel hätte treffen sehen; niemand hatte Acht gegeben, und die jungen Leute hatten jedesmal die Kugel bei der Ladung heimlich weggenommen. Der alte General ließ sich nicht zum Besten haben; nach 5 oder 6 Schüssen kam er auf den Einfall, die Kugeln zählen zu lassen; hier war keine Ausflucht möglich; er fand den Spaß zwar ganz lustig, ließ sie aber doch alle in Arrest setzen.

Ein andermal hatten sie es auf einige ihrer Kapitäne abgesehen, an denen sie vielleicht eine kleine Rache ausüben wollte. Sie beschlossen, diese aus der Gesellschaft zu treiben, und sie dahin zu bringen, daß sie sich gleichsam selbst einen Arrest auflegen mußten. Vier oder fünf der jungen Leute vertheilten die Rollen unter einander, und verließen den armen Verbannten keinen Augenblick; wo dieser in der Gesellschaft erschien, waren sie auch, und so wie er den Mund öffnete, wurde jede seiner Behauptungen methodisch auf eine sehr höfliche Weise mit Witz und Logik widerlegt; der Unglückliche konnte sich nicht anders helfen, als fortzugehen.

"Ein andermal, sagte Napoleon, hatte einer meiner Cameraden, der gerade über mir wohnte, den furchtbaren Einfall, das Horn zu lernen; er betäubte dadurch so sehr, daß man nichts mehr arbeiten konnte. Man begegnet sich auf der Treppe. -- Mein Freunde, Ihr Horn muß Sie wohl sehr ermüden? -- o nein, durchaus nicht. -- Nun, Sie ermüden aber Andere sehr damit. -- Dieß thut mir leid. -- Es wäre aber besser, wenn Sie auf Ihrem Horn in größerer Entfernung übten. -- Ich bin Herr in meinem Zimmer. -- Darüber könnte man Ihnen einige Zweifel aufwerfen. -- Ich glaube nicht, daß dieß jemand wagen würde." Es wurde ein Duelle geschlossen; das Conseil der Cameraden berathschlagt zuvor, und gibt den Ausspruch, daß in Zukunft der eine das Horn entfernter blasen, und der andere duldsamer seyn soll u. s. w.

Im Feldzuge des J. 1814 traf der Kaiser seinen Hornbläser wieder in der Nachbarschaft von Soissons oder von Laon: er lebte auf seinem Landgute, und hatte dem Kaiser wichtige Nachrichten über die Stellung des Feindes mitgetheilt. Der Kaiser behielt ihn bei sich und ernannte ihn zu seinem Adjutanten. Es war der Oberst Bussy.

Napoleon besuchte, so lange er bei seinem Artillerie-Regimente war, überall, wo dasselbe zu stehen kam, die Gesellschaften, und immer mit vielem Glück. Die Frauen hielten damals sehr viel auf geistreiche Unterhaltung, und sie war bei ihnen das große Mittel der Verführung. In dieser Zeit fällt seine sentimentale Reise, wie er sie nennt, von Valence auf den Mont-Cenis, in Burgund, die er im Begriff stand, nach Art des Sterne zu beschreiben. Der treue Desmazzis war von der Gesellschaft; denn er verließ ihn niemals. Da seine Erzählungen von dem Privatleben Napoleons bis zu seinem öffentlichen Leben reichen, so könnten sie dienen, das ganze Leben des Kaisers zu vervollständigen. Daraus dürfte hervorgehen, daß, so außerordentlich es auch in den Ereignissen war, es doch in seinem Verlauf durchaus einfach und natürlich sich zeigte.

Umstände und Ueberlegung haben viel zu einer bestimmten Richtung seines Charakters beigetragen. Sogar seine Schreibart, die gegenwärtig lakonisch und gedrängt ist, was damals emphatisch und weitschweifig. Von dem [[Assemblée nationale législative |Zeitpunkt der gesetzgebenden Versammlung]] wurde Napoleon ernsthaft, streng in seinem Benehmen, und zurückhaltend. Die italienische Armee machte gleichfalls eine Epoche in seinem Charakter. Sein sehr jugendliches Alter bei Uebernahme des Oberbefehls, erforderte eine große Zurückhaltung und die höchste Strenge der Sitten. "Dies war nothwendig, unabweislich, sagte er, um über Menschen gebieten zu können, die bedeutend älter, als ich waren. Auch war mein Benehmen vorwurfsfrei, musterhaft; ich zeigte mich als eine Art von Cato, mußte jedermann so erscheinen; auch war ich in der That ein Philosoph, ein Weiser." Mit diesem Charakter betrat er den Weltschauplatz.

Napoleon lag zu Anfang der Revolution gerade in Valence in Besatzung. In diesem Augenblick betrieb man die Auswanderung der Artillerieoffiziere mit ganz besonderer Geschäftigkeit; diese waren aber, ihrer Seits, in ihren Ansichten sehr getheilt. Napoleon, ganz in den Geist der Zeit eingeweiht, mit einem innern Trieb zu großen Unternehmungen, und einer leidenschaftlichen Liebe für den Nationalruhm, ergriff die Partei der Revolution, und sein Beispiel war auf die große Mehrheit des Regiments entscheidend. Er war unter der constituirenden Versammlung ein sehr eifriger Patriot; aber die gesetzgebende Versammlung machte für sein Inneres und seine Ansichten eine neue Epoche.

Am 21sten Juni 1792 war er zu Paris, und auf der Wasserterasse Zeuge der Aufstände der Vorstädte, welche durch den Garten der Tuilerien zogen, und den Pallast erstürmten. Es waren keine 6000 Mann, und das Ganze stellte eine unordentliche Masse dar, die in ihren Aeusserungen und Kleidern den gemeinsten und verworfensten Pöbel bezeichnete.

Er war auch Zeuge vom 10ten August, wo die Stürmenden ohngefähr von gleichem Gelichter waren.

Im J. 1793 war Napoleon in Corsika, und hatte dort ein Commando bei der Nationalgarde. Er stellte sich dem Paoli entgegen, so wie er versichert war, daß dieser Greis, der ihm bisher so theuer gewesen war, die Insel an die Engländer überliefern wollte. Auch ist die so allgemein verbreitete Erzählung ganz falsch, als ob Napoleon oder ein Mitglied seiner Familie je in England gewesen wäre, um dort die Aushebung eines korsikanischen Regiments für den englischen Dienst anzubieten.

Die Engländer und Paoli besiegten die korsikanischen Patrioten; sie verbrannten Ajaccio. Bonaparte's Haus wurde angezündet, und die ganze Familie genöthigt, sich nach dem festen Lande zu flüchten. Sie ließ sich zu Marseille nieder, von wo Napoleon sich nach Paris begab. Er kam daselbst in dem Augenblick an, wo die Föderirten von Marseille Toulon den Engländern übergeben hatten.


Anekdoten.[]

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Cousin von Avallon.

Ein Partikulier, der sich durch seine Freimüthigkeit und Unparteilichkeit bekannt gemacht hat, ließ in eine Broschüre des Tages folgende Nachrichten über Bonaparte einrücken. Wir schreiben sie wörtlich aus, weil man die Kindheit der Helden gern studiert, und aus ihren ersten Zügen die großen Eigenschaften auffaßt, welche der Welt dereinst Ehrfurcht und Bewunderung gebieten.

„Hier haben Sie einige Züge Bonaparte's Kindheit und Jugendjahren. Sie sind wenig bekannt, aber zuverlässig; ich habe sie von einem seiner Mitschüler (dem Baron von L....r), welcher der Freund seiner Jugend war, und sie mir zu einer Zeit erzählte, wo Freundschaft allein das Andenken an denselben erwecken konnte.

„Man hat damahls im Verlaufe der Revolution Bonaparte's Namen noch nicht nennen hören. Dieser sein Freund sprach zu mir: "Ich möchte wissen, was aus einem meiner Mitschüler, Namens Bonaparte, geworden wäre; er muß der Revolution von Herzen zugethan sein.

„Sie waren mit einander auf der Militärschule zu Brienne gewesen, welche sie auch zu gleicher Zeit verließen, um nach Paris zu gehen. Ihre innige Freundschaft wurde dadurch nicht unterbrochen.

„Mein Freund entwarf mir Bonaparte's Porträt, wie es in den Schriften stand, die schon von ihm und seinen Jugendjahren gesprochen haben. Der Charakter meines Freundes war sanfter, aber auch schwächer.

Frankreich führte damahls mit Korsika Krieg. Bonaparte nahm an dem Glücke der Waffen seines Vaterlandes den lebhaftesten Antheil, und verschlang alles, was Nachrichten aus diesem Lande erhielt. Sein Abgott war Paoli; er sprach von ihm und seinem Lande nie anders, als mit Enthusiasm.

„Eines Tages kamen Französische Offiziers, die von Korsika zurück kamen, in die Militärschule, und erzählten und übertrieben die Thaten der Franzosen großsprecherisch. Bonaparte ließ sie immer reden, that schlaue Fragen an sie, und rief, als er gewiß war, ihnen beweisen zu können, daß sie gelogen hätten, aus: Wegen eines kurzen Genusses der Eigenliebe verleumden Sie eine ganze Nation so sehr! Denn da, wo Sie sagen, daß Sie ihrer nicht mehr als sieben hundert gewesen wären, waren Sie ihrer sieben tausend! Und gegen unglückliche Landleute! u. s. w.

„Nun schlug er seine Tagebücher und geographischen Karten auf, und endigte seine Deklamation damit, daß er zu seinem Freunde sagte: Komm, L....r, komm; laß die Memmen reden!

L....r folgte ihm, und beruhigte ihn.

„Er arbeitete damahls an einem Gedicht über die Freiheit von Korsika. Er nahm an, er wäre in einer seiner zahlreichen Höhlen eingeschlafen, und das Vaterland wäre ihm im Traum erschienen, hätte ihm einen Dolch in die Hand gegeben, und ihm befohlen, es zu rächen. Dieß war sein Anfang. Als er zu diesem Werke noch einige Stücke hinzu gesetzt hatte, grub er einen kleinen, alten und verrosteten Degen aus der Erde, den er seinen Dolch nannte. Er rufte seinen Freund, deklamierte ihm mit Enthusiasm die eben vollendete Tirade, und ging dann, seinen Dolch wieder zu vergraben.

„Es ist bekannt, daß ihm die Rauhigkeit seines Charakters und die Strenge seiner Sitten unter seinen Kameraden einige Feinde machte. Eines Tages kam er zu L....r, und sagte: Mein Lieber L....r, man trachtet uns nach dem Leben; Du bist mein Freund, und in der Proskription mit begriffen! Diesen Abend werden wir attakiert werden; komm' zu mir auf mein Zimmer, bring Deine Kufe, Deinen Wasserkrug u. s. f. mit. Wir wollen uns mit meiner Kommode verschanzen. Schlägt man diese Batterie zurück, so werfen wir alles unser Geschirr ihnen an den Kopf; forßiert man uns, so hab' ich meinen Degen.

L....r ging zu ihm; die Vertheidigungsanstalten wurden gemacht; waren aber glücklicher Weise unnütz, weil man sie nicht attakierte.

„Sie kommunicierten mit einander zum ersten Mahle; die Konfirmation wurde damahls an demselben Tage ertheilt, und der Erzbischof von Paris war es, der die Zöglinge der Militärschule konfirmierte. Er kam an Bonaparte, und fragte ihn, wie gewöhnlich, nach seinem Taufnamen. Er sagte ihn mit einer Dreustigkeit, welche gegen das schüchterne und demüthige Wesen seiner Kameraden sehr kontrastierte. Der Erzbischof verstand diesen etwas ungewöhnlichen Namen (Napoleone) nicht, und ließ sich ihn noch einmahl sagen. Bonaparte wiederholte ihn mit einiger Ungeduld. Der Großvikar sprach hierauf zu dem Prälaten: Ich kenne diesen Heiligen nicht! -- Parbleu! das glaub' ich wohl, antwortet Bonaparte: es ist ein Korsischer Heiliger.

„Seine Freundschaft mit L....r wurde einige Mahl getrübt. Dieser war nicht ausschließlich sein Freund, sondern stand noch mit einigen andern etwas lockern Kameraden in Verbindung, deren Grundsätze Bonaparten mißfielen. Eines Tages sprach er zu L....r: Mein Herr, Sie haben Verbindungen, die ich nicht billige; ich bin so glücklich gewesen, Ihre Sitten rein zu erhalten, und Ihre neuen Freunde werden Sie verderben. Wählen Sie also unter diesen und mir; ich lasse Ihnen hierin keinen Ausweg offen; Sie müssen ein Mann sein, und sich entschließen.

L....r sagte ihm vergebens, er irrte sich: er selbst wäre immer derselbe, immer sein Freund. Bonaparte glaubte seiner Sache gewiß zu sein, und sagte mehrmahls zu ihm: Wählen Sie, mein Herr, wählen Sie: und rechnen Sie dieß für meine erste Warnung.

„Einige Zeit darauf ermahnte er ihn zum zweiten Mahle dazu: L....r gab ihm immer dieselbe Antwort. Endlich sagte ihm Bonaparte trocken: Mein Herr, Sie haben den Rath der Freundschaft verachtet, und thun dadurch auf die meinige Verzicht: reden Sie in Ihrem Leben kein Wort mehr mit mir."


Quellen.[]

  1. Charakteristik des Generals Buonaparte. Mit dem Portrait desselben. Deutschland 1797.
  2. Denkwürdigkeiten von Sanct-Helena, oder Tagebuch, in welchem alles, was Napoleon in einem Zeitraume von achtzehn Monaten gesprochen und gethan hat, Tag für Tag aufgezeichnet ist. Von dem Grafen von Las Cases. Stuttgart und Tübingen in der J. G. Gotta'schen Buchhandlung. 1823.
  3. Bonapartiana, oder Sammlung von Bonaparte's sinnreichen und erhabenen Antworten heidenmäßigen Thaten und merkwürdigen Handlungen. Von Cousin von Avallon. Nach der dritten verbesserten und vermehrten Ausgabe aus dem Französischen übersetzt. Leipzig, 1803. bei Johann Benjamin Georg Fleischer.


Literatur.[]


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