Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Volksaufstand in Dresden.


Der zehnte März 1813. [1]

Am 9ten März fiengen die Franzosen an, über dem vierten Pfeiler der prächtigen Elbebrücke nach der linken Seite des Flusses hin das Pflaster aufreissen zu lassen. Wie ein Lauffeuer gieng die Sage herum: die Brücke werde zerstört werden. Am Morgen des folgenden Tages insultirte das Volk einen besoffenen französischen Soldaten, der mit einem sächsischen Husaren Händel angefangen hatte, und dies gab die Veranlassung, daß sich immer mehrere auf dem Platz, wo das Pflaster aufgerissen wurde, sammelten und an dem Rumor Antheil nahmen. In den Nachmittagsstunden wurde der Zulauf zu den Arbeiten an der Brücke stärker und das Murren lauter. Endlich wiedersetzte man sich thätlich der Arbeit, rieß den Werkleuten Spaten und Hacken aus den Händen, drängte die Schildwachen zurück, übermannte einen französischen Officier und warf seinen Tschako ins Wasser. Nur durch einen sächsischen Officier ward er gerettet, sonst hätte man ihn vielleicht dem Tschako nachgeworfen. Wollten die Arbeiter fortfahren, so wurde das Toben und Lärmen dagegen immer stärker. "Fort mit den Franzosen!" tönte es von allen Seiten und jeder, der sich zeigte, wurde wenigstens beschimpft. Nun wirbelten in der Neustadt die Trommeln, die Besatzung stellte sich in den Strassen auf und so ward wenigstens für den Augenblick von der einen Seite Ruhe, indeß von der andern auch die Arbeiten an der Brücke eingestellt wurden. Kaum brach der Abend an, so entstand der Aufruhr aufs neue. Ein lautes Geschrey: "Fort mit den Franzosen! Reynier heraus!" ertönte unaufhörlich auf dem Brückenplatz. Man warf dem Kommandanten die Fenster ein und der Unfug dauerte so lange, bis Reuter und Fußvolk die Zugänge zu den Straßen besetzten. Endlich Nachts nach zehn Uhr verlor sich die Volksmenge und gieng, ohne weiter ein Unheil anzurichten, auseinander.


Die Russen besetzen die Neustadt von Dresden.


Der zwey und zwanzigste März 1813. [2]

Brown University Library.

Nach der Sprengung der Brücke blieben noch ohngefär hundert Mann von dem sächsischen und französischen leichten Fußvolk in der Neustadt, welche die beyden Thore und die Ueberreste der Wälle besetzten; die russische leichte Reiterey stund in der Gegend und am 20ten März zeigten sich die ersten Kosacken vor den Thoren. Am 21ten wurde wegen Uebergabe der Neustadt zwischen dem Obersten Davidoff und den französischen Generalen Durutte und Lecoq unterhandelt und am 22ten Mittags um zwölf Uhr nahmen die Russen die Neustadt in Besitz. Dabey wurde bedungen, daß zur Schonung der Stadt innerhalb einer deutschen Meile auf und abwärts von Dresden keine Feindseligkeit Statt finden und ein vier und zwanzig Stunden vorher aufzukündender Waffenstillstand geschlossen werden solle.


Ankunft des Kaisers von Rußland und des Königs von Preussen in Dresden.


Der vier und zwanzigste April 1813. [3]

Brown University Library.

Mittags gegen Ein Uhr trafen die beeden Monarchen nicht weit von der Stadt zusammen, bewillkommten sich mit einem Handschlag und zogen zu Pferd an der spitze ihrer Leibwachen gegen das sonst so prächtige, nun so wüste gewordene Dresden. Am Thor, wo zwo durch Blumengewinde verbundene Säulen errichtet waren, wurden sie von dem Stadtrath und den Geistlichen der drey christlichen Confeßionen empfangen. Weiß gekleidete Mädchen, welche Blumenkörbe trugen, standen in doppelten Reihen und streuten die Erstlinge des kommenden May's den Fürsten in den Weg. Unter dem Geläute aller Glocken und dem Zuruf des Volks, den sie mit freundlichem Dank erwiderten, zogen die Befreyer Europens ein. Fünf und zwanzig Bataillons der russischen Leibgarde, zwey Bataillons preussisches Fußvolk, ein preussisches Regiment Kavallerie und 60 Stücke Geschütz, zusammen ohngefähr 16000 Mann begleiteten sie, alle dürstend nach Sieg und schnaubend, die Schmach vom Jahr 1806 und den neuen verwegenen Einmarsch in das Land der Väter an Napoleon zu rächen.


Brown University Library.




Übergang der grossen Armée über die Elbe zu Dresden den 14. May, 1813.


Übergang der grossen Armée über die Elbe zu Dresden den 14. May, 1813.

Befehl an das Festungs-Kommando von Dresden.


Dresden, 12. August. [4]

In den acht Schanzen auf dem rechten Elbe-Ufer sind acht Baracken nach dem Modell der Baracken der jungen Garde zu erbauen; man hat aber stärkere Bäume dazu zu nehmen, so dass die Mannschaft in denselben nicht blos vor dem Kleingewehr-, sondern auch vor Kartätschen-Feuer gesichert ist.

Der Genie-Kommandant wird Befehl zur Abstechung dieser Baracken ertheilen; sie werden doppelt so gross seyn, als die der Garde und 40 Mann erhalten. Graf Lobau hat anzuordnen, dass jedes Bataillon der jungen Garde mit Erbauung einer solchen Baracke beauftragt, und dass sie morgen fertig werden.

Aehnliche Baracken sind gleichfalls in den fünf Schanzen auf dem linken Ufer zu erbauen. Die zwey Bataillons des westphälischen Regiments und die vier Bataillons des 11ten schützen- und 8tes 11ten Voltigeur-Regiments haben diese Baracken zu fertigen.

In jede dieser dreyzehn Schanzen ist ein Feldgeschütz einzuführen. Dieses Geschütz ist ohne Munitionswagen; allein in einem kleinen Magazin sind 200 Schüsse und 5,000 Infanterie-Patronen mit den erforderlichen Flintensteinen aufzubewahren. Von morgen an werden sich in jeder Schanze ein dienstthuender Kanonier und 24 Mann Wache befinden; alle fünf oder zehn Tage werden sie abgelöst. Der Kanonier wird sechs Leute von der Wachtmannschaft in den Handgriffen zur Bedienung des Geschützes unterrichten. Auch wird auf dem linken, sowie auf dem rechten Ufer ein mit der Aufsicht und dem Kommando über dieses Geschütze beauftragter Sergeant aufgestellt werden; sie werden die Magazine visitiren und täglich die in den Schanzen befindlichen Geschütze besichtigen.

In der grossen Lunette wird der tägliche Dienst bestehen, aus hundert Mann, einem Hauptmann von der Besatzung, einigen Offizieren und wenigstens einem Artillerie-Sergeanten, einem Korporal und vier Kanonieren.

Es sind so viele Erdsäcke und Schanzkörbe im Vorrath zu halten, um in wenigen Stunden die Ausgänge der fünf Strassen, die auf die Brêche von Wilsdrussen hinlaufen, zu verrammeln; vorläufig ist vor jedem dieser Ausgänge eine Schranke anzubringen, so dass diese Strassen alle Tage gesperrt sind. Im Falle einer Annäherung des Feindes wird man sich jener Erdsäcke und Schanzkörbe bedienen und hinter den Schranken achtzehn Fuss breite Traversen anlegen. Ferner wird man vor allen Thüren der Häuser, die der Brêche zugekehrt sind, Pfahlwerke anbringen, vorausgesetzt, dass die Kommunikation mit diesen Häusern dadurch nicht beeinträchtigt werde und dass sie noch einen andern Ausgang haben. In entgegengesetzten Falle sind die Pfahlwerke nur in der Nähe bereit zu halten, um sie innerhalb einer Stunde anbringen zu können. Ebenso sind auch Schanzkörbe und Erdsäcke bereit zu halten, um sie in alle Kreuzstücke stellen zu können, so dass, wenn der Feind erscheint, man sich in allen diesen Häusern festsetze und die Erdsäcke als Schiessscharten dienen. Ein gleiches Verfahren hat bey den Häusern, die der Pirnaer Brêche zugekehrt sind, einzutreten, doch Alles diess so, dass die Einwohner nicht dadurch in Unruhe versetzt werden.

Alle Handwerker sind am Graben des Pirnaer Thores zu verwenden, so dass dieser Theil durch einen mit Wasser angefüllten Graben verstärkt werde. Diese Arbeit muss allem Uebrigen vorangehen.

Alle Thüren der Gartenmauern, sowie sieben oder acht Thore der Vorstadt sind durch Pfahlwerke zu schliessen, so dass man durch diese Thore der Vorstadt nicht mehr einpassiren kann. Noch vor dem 18ten ist an jedes Thor und jede Schranke der Vorstadt ein Feldgeschütz mit einem dienstthuenden Kanonier und einigen aus den Wachen entnommenen Handlangern zu stellen. Diese Wachen werden 25 Mann stark seyn. Die hölzerne Brücke über den Wassergraben bey der Brêche gegen Wilsdrussen ist durch eine Schranke und einen spanischen Reiter zu decken und alle Abend sind die Bretter derselben abzunehmen. Nachts darf sie nicht gebraucht werden. Am Sonnenthor ist ein gutes Thor und eine Schranke anzubringen.

Mit der Rüstung des Festplatzes hat man so vorzuschreiten, dass, am 18ten, 80 Kanonen in Batterie, und 20 in Reserve stehen.

Ausser der sächsischen Artillerie-Kompagnie wird sich noch eine französische, 120 Mann stark, in der Festung befinden; ferner ein Oberst, ein Bataillons-Chef und fünf bis sechs Artillerie-Offiziere. Im Falle der Annäherung des Feindes werden Nachts die Zugbrücken aufgezogen, und, wenn die Stadt wirklich bedroht werden sollte, haben alle erwähnten Maassregeln einzutreten. Man wird sich der vier in der Contre-Escarpe am Pirnaer Thor gelegenen Häuser bemeistern und sie, nach Umständen, entweder niederreissen, oder militairisch besetzen.

Nach dem 18ten wird man alle grösseren und kleineren Schiffe in Königsstein und Dresden zusammenbringen lassen; was sich davon weiter unter, als halb Wegs nach Meissen, befindet, wird in Torgau verwahrt werden.

Die Barken lässt man fortbestehen; allein bey ihrem Sammelplatz ist eine Wache, eine Schildwache und eine Kanone aufzustellen.

Alle nicht bespannte, einer Reparatur bedürftige Bagage-Wägen, sowie die französische und sächsische Artillerie müssen auf den verschiedenen Esplanaden der Festungswerke Dresden's eingeschlossen werden. Sämmtliche Dêpots von Kranken, Verwundeten und Rekonvalescenten, die sich ausserhalb Dresden befinden, haben vom 18ten an dahin zurückzukehren, und Patrouillen der französischen und sächsischen Gend'armerie die Umgegend zu durchstreifen, um die vereinzelten Leute in die Stadt zu treiben.

Von Morgen, dem 13ten an, wird man alles Gehölz, im ganzen Umkreis und auf hundert Ruthen Entfernung von den auf dem rechten Ufer gelegenen Schanzen umhauen.


Quellen.

  1. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  2. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  3. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  4. Napoleon's politisches und militairisches Leben, von ihm selbst erzählt vor dem Richterstuhle Cäsars's, Alexander's und Friedrich's des Zweyten. Aus dem Französischen. Tübingen, bey C. F. Osiander. 1828.


Literatur.

  • Kriegsschauplatz im Jahre 1813. Enthält die geographisch-statistisch-topographische Beschreibung der Haupt- und Residenzstadt Dresden nebst einer umständlichen Schilderung des Königreichs Sachsen. Begleitet mit einer ausführlichen Karte. Breslau, 1813.
  • Tagebuch der Begebenheiten in Dresden, vom 13ten bis 27sten März 1813. vom Einrücken des Marschall Davoust, bis zur Räumung der Stadt von den französischen und zur Ankunft der ersten russischen Truppen; von F. v. D. K. Sächsischem Hauptmann.
  • Neueste Chronik von Dresden. Eine Uebersicht der merkwürdigsten Ereignisse vom Einzuge der Franzosen im März bis zur Befreyung der Stadt im November 1813. Von einem Augenzeugen.
  • Darstellung der Ereignisse in Dresden im Jahr 1813. Von einem Augenzeugen. Dresden, 1816. in der Arnoldischen Buchhandlung.
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