Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Einundsiebenzigstes Armeebulletin.[]

Finkenstein, 19 April.

Da der Sieg bei Eylau alle Entwürfe des Feindes gegen die untere Weichsel vereitelt hatte, so sezte er uns in den Stand, Danzig einzuschliessen, und die Belagerung davon anzufangen. Allein man mußte die Belagerungsgeräthschaften aus den Festungen in Schlesien und an der Oder ziehen, wohin sie eine Streke von mehr als hundert Lieues durch ein Land zu machen hatten, in welchem es keine Strassen gibt. Diese Hindernisse wurden jedoch überwunden, und das Belagerungsgeräth fängt an einzutreffen. Hundert Stük, von Stettin, Küstrin, Glogau und Breslau gekommene, schwere Kanonen werden in wenigen Tagen vollständig mit Munition versehen seyn.

Der preussische Gen. Kalkreuth kommandirt in der Stadt Danzig, seine Besazung besteht aus 14,000 Preussen und 6,000 Russen. Ueberschwemmungen und Sümpfe, mehrere Reihen Festungswerke und das Fort Weichselmünde erschwerten die Einschliessung. Aus dem beigefügten Tagebuche wird man die Fortschritte der Belagerung bis zum 17 April sehen.

Wir sind mit unsern Werken bis auf 80 Klaftern von der Festung vorgerükt; wir haben selbst den bedekten Weg mehrmals angegriffen, und die Pallisaden ausgerissen.

Der Marschall Lefebvre zeigt die Thätigkeit eines jungen Mannes. Er wurde durch den Gen. Savary treflich unterstüzt, allein dieser General liegt jezt in der Abtei Oliva, unweit der Stadt, an einem Gallenfieber darnieder. Seine Krankheit war so heftig, daß man eine Zeitlang für sein Leben Sorge trug. Auch die Brigadegen. Schramm, der Artilleriegen. Lariboissiere und der Ingenieurgen. Kirchener haben den Marschall Lefebvre sehr gut unterstüzt. jezt hat sich auch der Divisionsgen. Chasseloup vom Genie zur Belagerung verfügt.

Die Sachsen, die Polen, so wie die Badenschen Truppen, seitdem der Erbprinz von Baden an ihrer Spize ist, wetteifern unter sich an Eifer und Muth.

Der Feind hat noch durch kein anderes Mittel der Stadt zu Hülfe zu kommen versucht, als durch Zusendung einiger Bataillone und Lebensmittel von der Seeseite. --

In Schlesien läßt der Prinz Jerome die Belagerung von Neisse lebhaft treiben.

Seitdem der Fürst von Pleß die Partie aufgegeben hat, ist der Adjutant des Königs von Preussen, Baron Kleist, mit dem Titel eines Generalgouverneurs von Schlesien, über Wien zu Glaz angekommen. Ein englischer Kommissär begleitete ihn, um über die Verwendung der 80,000 Pfund, welche England dem König von Preussen gegeben hat, zu wachen.

Am 13 April zog dieser Offizier mit einem Korps von 4,000 Mann aus Glatz, und griff den Brigadegen. Lefebvre, der das Observationskorps zu Dekung der Belagerung von Neisse kommandirt, in der Stellung von Frankenstein an. Diese Unternehmung blieb ohne Erfolg, H. v. Kleist ward lebhaft zurükgetrieben;

der Prinz Jerome verlegte am 14 sein Hauptquartier nach Münsterberg. --

Gen. Loison hat das Kommando der Belagerung von Kolberg übernommen, und man fängt an, die zu seinen Operationen nöthigen Hülfsmittel zusammenzubringen. Es gab dabei einige Zögerung, weil die Bildung des Belagerungsparks für Danzig nicht gestört werden durfte.

Der Marschall Mortier, unter dessen Direktion die Belagerung von Kolberg steht, hatte sich selbst dahin begeben, und den Gen. Grandjean nur mit einem Observationskorps, und dem Befehle, sich an der Peene aufzustellen, zurükgelassen.

Mittlerweile erhielt die Besazung von Stralsund über See eine Verstärkung von einigen Regimentern, und rükte, auf die Nachricht von dem Abmarsch des Marschalls Mortier mit einem Theile seines Armeekorps, mit Macht aus. Gen. Grandjean zog sich, seinen Instruktionen gemäs, über die Peene, und stellte sich bei Anklam auf. Die zahlreiche Flotille der Schweden verschafte ihnen die Leichtigkeit, auf verschiedenen Punkten zu landen, und eine holländischen Posten von 30, ingleichem einen italienischen von 37 Mann zu überfallen. Der Marschall Mortier marschirte auf die Kunde von diesen Vorgängen am 13 nach Stettin, vereinigte seine Macht, und manövrirte, um die Schweden vorwärts zu loken, deren Korps nicht 12,000 Mann stark ist. --

Die große Armee befindet sich seit zwei Monaten unbeweglich in ihren Stellungen. Man hat diese Zeit angewendet, um die Kavallerie neu beritten zu machen, die Bewafnung auszubessern, große Magazine von Zwiebak und Branntewein anzulegen, und den Soldaten mit Schuhen zu versehen. Jeder Mann trägt jezt, ausser dem Paare an den Füssen, zwei im Tornister.

Schlesien und die Insel Nogat haben den Kürassieren, den Dragonern und der leichten Reiterei viele und gute Pferde geliefert.

In den ersten Tagen des Mais wird ein Beobachtungskorps von 50,000 Mann, Spanier und Franzosen, an der Elbe versammelt seyn. Während Rußland beinahe alle seine Truppen in Polen konzentrirt hat, befindet sich nur ein Theil der Macht des franz. Reichs daselbst; aber hierin liegt eben der Unterschied der wahren Macht beider Staaten. Die 500,000 Russen, welche die Zeitungsschreiber bald rechts, bald links marschiren lassen, existiren nur in ihren Blättern und in der Einbildungskraft einiger Leser, die desto leichter zu täuschen sind, da man ihnen nur immer von der Unermeßlichkeit des russischen Gebiets, aber nicht von der Größe seiner unbebauten Ländereien und von seinen weiten Wüsten spricht.

Die Garde des russischen Kaisers ist dem Vernehmen nach bei der Armee angekommen; sie wird bei den ersten Vorfällen erfahren, ob die Versicherung der feindlichen Generale, daß die kaiserliche Garde vernichtet sey, gegründet ist. Diese Garde ist heute zahlreicher, als je, und fast noch einmal so stark, als bei Austerlitz.

Ausser der Brüke, die man über die Narew geschlagen hat, baut man noch eine auf Pfeilern zwischen Warschau und Praga, welche schon weit vorgerükt ist. Der Kaiser hat vor, noch drei auf verschiedenen Punkten schlagen zu lassen. Diese Pfeilerbrüken sind dauerhafter, und leisten bessere Dienste, als die Schiffbrüken sind. ---So groß die Arbeiten sind, welche dergleichen Unternehmungen bei einem Flusse von 400 Klaftern Breite erfordern, so erleichtert doch die Geschiklichkeit und Thätigkeit der damit beauftragten Offiziere und der Ueberfluß an Holz den guten Erfolg. --

Der Herr Fürst von Benevent befindet sich noch zu Warschau, und ist beschäftigt, mit den Bothschaftern der Pforte und des Kaisers von Persien zu unterhandeln. Ausser den Diensten, welche er Sr. Majestät in seinem Ministerium leistet, erhält er auch oft wichtige Aufträge in Bezug auf die mancherlei Bedürfnisse der Armee.

Finkenstein, wo Se. Majestät Ihren Aufenthalt aufgeschlagen haben um Ihr Hauptquartier Ihren Stellungen zu nähern, ist ein sehr schönes Schloß, welches durch H. v. Finkenstein, Gouverneur Friedrichs II, gebaut wurde, und jezt dem Obermarschall des preussischen Hofes, H. v. Dohna, gehört.

Seit zwei Tagen ist wieder Kälte eingetreten, und man sieht, ausser den Thauwetter, noch keine Spur vom Frühlinge. Selbst die frühesten Pflanzen geben noch kein Zeichen von Vegetation.


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Quellen und Literatur.[]

  • Europäische Annalen Jahrgang 1807 von D Ernst Ludwig Posselt. Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1807.
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