Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Der Tag auf Quiberon.[]

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Der ein und zwanzigste Julius 1795.

Eine Menge französischer Ausgewanderter hatte sich bereits auf die Halbinsel Quiberon gezogen, als am 17ten Julius 1795 unter dem General Sombreuil noch so viele nachfolgten, daß die Zahl dieser Royalisten sich nahe an achttausend erstreckte. Sie waren auf ihrer Fronte durch das Fort Penthievre und auf der Flanken durch eine furchtbare englische Seemacht gedeckt, welcher der französische General Hoche kaum 7000 Mann entgegensetzen konnte. Man hatte große Hofnungen, was jenes Heer ausrichten werde, aber der englische Minister Pitt machte den großen Fehler, daß er, um die Ausgewanderten zu verstärken, von den französischen Kriegsgefangenen nicht nur die, welche gerne gemeine Sache mit den Königlichgesinnten machten, dahin sandte, sondern auch andere dazu zwang, die ungerne gegen ihr Vaterland die Waffen trugen. Einige derselben entwichen in Hoches Lager, entdeckten ihm die Lage der Feinde und erboten sich zu seinem Führer. Er nützte diesen glücklichen Umstand und lies in der Nacht vom 20ten auf den 21ten Julius angreifen. Ein Sturm hatte sich eben erhoben, der Regen stürzte stromweise aus den Wolken und kaum konnten die Soldaten einander erkennen, deren einzelne Haufen zusammen nur 2000 Mann betrugen, die, da endlich der Tag graute, sich im Angesicht des Forts Penthievre befanden. Bis an den Gürtel wadeten sie im Meer, ohne eine Kanone, und mit Gewehren, die der Regen unbrauchbar gemacht hatte. Nur das Bajonnet blieb ihnen zur Wehre übrig. Schon stutzten sie bey dem Feuer der Engländer, als endlich eine Kolonne durchbrach und sich des Forts bemächtigte. Schrecken des Todes und Verwirrung kam unter die Emigrirten, -- die Republikaner siegten. in einem Augenblick ward die Halbinsel durchlaufen, alle Häuser durchsucht und ein Regiment um das andere streckte entweder die Gewehre, oder gieng zum Feind über. Alle Ausgewanderten auf Quiberon und die Chouans, die noch eine Zeitlang Widerstand leisteten, standen jetzt auf einem Felsen am Ufer des Meeres an der äussersten Spitze der Halbinsel, von allen Seiten umzingelt, und ergaben sich im Angesicht des englischen Geschwaders von 154 Seegeln, das nun ohne Unterschied auf Ausgewanderte und Republikaner einen Kartetschenhagel schleuderte, zu Gefangenen. Der Graf '''von Damas''', um diesen Schicksal zu entgehen, stürzte sich mit seinem Pferd vom Felsen ins Meer hinab. Die Beute, welche die Sieger machten, war unermeßlich. Fast 4000 Fuhren waren nöthig, um die Ballen, Fässer und Kisten mit Kaufmannswaaren, dann Waffen aller Art wegzubringen. Die Zahl der Gefangenen belief sich über 5000 Mann. Und so endete sich der für die Franzosen so glorreiche Tag auf Quiberon.


Zur Geschichte der ersten Emigranten-Expedition auf den Küsten Frankreichs im Juny 1795.[]

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SectieQuiberonTag

Der Tag auf Quiberon. (21 Jul.)

Der unglückliche Ausgang dieser so schlecht überdachten Expedition der allgemein der Unfähigkeit des Grafen von Puisaye zugeschrieben wird, ist zum Theil in andern Quellen zu suchen. Puisaye hatte bloß die Verwaltung des politischen Fachs, das ihm wegen seinem vermeintlichen Einflusse bey den Chouans übertragen wurde; die militärischen Operationen aber standen ganz allein unter der Direction des Grafen d'Hervilly. Um diesem letztern den Posten als Befehlshaber zu sichern, musten einige verdienstvolle Generale, so wie auch die Commandeurs mehrerer Emigranten-Regimenter in England zurück bleiben, weil sie einen höhern Rang als d'Hervilly hatten. Dieser Mann besaß ganz das Zutrauen des englischen Kriegsministers, Mr. Windham, und sein Ehrgeiz so wie sein Eigendünkel waren zu groß, um sie dem öffentlichen Wohl aufzuopfern.

Der erste große Fehler, den diese bewaffneten Emigranten begiengen, war ihre zu sehr übereilte Räumung von Avray. Hiedurch entzogen sie den Einwohnern des Landes die Gelegenheit, sich mit ihnen zu vereinigen; sie vermehrten den Muth der Republikaner, und erleichterten ihnen die Mittel, Verstärkung zu erhalten. Sie litten es, daß General Hoche mit einer geringern Truppenzahl wie die ihrige, sie in der Halbinsel Quiberon blokirte. Dies kann jedoch einigermaaßen dadurch vertheidigt werden, daß sie den wirklichen Zustand seiner Macht nicht wußten, und daß sie sich nicht einbilden konnten, ein Oberbefehlshaber würde seine Armee weit zurück lassen, und nur mit einem kleinen Corps auf sie losgehen; hiezu kamen andere Betrachtungen, deren behutsame Erwägung den Geist dieser Expedition characterisirte. Die Emigranten wollten nichts wagen, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, das Depot ihrer Magazine und Waffen zu verlieren, und einen Ort verlassen zu müssen, wo sie auf Verstärkungen warten, oder im Nothfall ihren Rückzug sichern konnten. In dieser Lage gestatteten sie, daß Hoche mit einem kleinen Corps in Eil zusammengerafter Republikaner eine Postenlinie quer über den Jsthmus zog, worauf er sofort eine Correspondenz mit den Republicanischgesinnten in d'Hervils Armee anfieng, von welchen er sodann alles erfuhr, was er wissen wollte.


Der Versuch am 16ten July, diese Linie zu sprengen, hatte militärische Unwissenheit und Eifersucht zur Quelle. Mehrere Officiere von Ansehn machten Vorstellungen dagegen; besonders that dies M. de Sombreuil, der den Tag zuvor bey der Emigranten-Armee eingetroffen war; er drang in d'Hervilly wenigstens zu warten, bis die beyden Regimenter die er mitgebracht, gelandet werden könnten. Der letztere aber, der nicht einen Augenblick an den glücklichen Erfolg zweifelte, besorgte, nach geschehener Verstärkung die Ehre des Siegs mit Sombreuil theilen zu müssen; er blieb daher bey seinem ersten Vorsatz. Seine Verblendung dabey gieng so weit, daß er die nöthigsten Maaßregeln zum Rückzuge im Fall einer Niederlage, verabsäumte. Hoche wurde genau von dem Plan und der Zeit des Angriffs benachrichtigt, und machte sogleich seine Anstalten, die nur einen unerfahrnen Befehlshaber täuschen konnten. Hinter dem Mittelpunct seines Treffens ließ er zwey flankirende Batterien aufpflanzen, und befahl seinen Truppen, bey Annäherung des Feindes, als von einem panischen Schrecken befallen, sofort die Flucht zu nehmen, und sich eiligst hinter diesen Batterien zu stellen. Hervilly fiel in dies Netz, rückte bis auf einen Pistolenschuß auf die Batterien loß, wurde verwundet, und mit großem Verlust zurückgeschlagen; das ganze Corps wäre damals schon gänzlich abgeschnitten worden, wenn die Republikaner nur einige Cavallerie gehabt hätten.

Nach diesem Unfall waren alle Militär-Personen unter den Royalisten überzeugt, daß ihre Lage sehr mißlich war, sie hatten aber unter sich keinen Befehlshaber von hinreichender Authorität, um entscheidende Maaßregeln vorzuschlagen. Puisaye wollte nichts vom Wiedereinschiffen hören, um nicht die zu ihnen gestoßenen Chouans zu verlassen; dabey schmeichelte man sich täglich, ja stündlich mit einer starken Verstärkung aus England die jedoch ausblieb. So groß war die Täuschung und Sorglosigkeit der Royalisten, daß sie in dieser ganzen Zeit, nichts von der verrätherischen Correspondenz entdeckten, die mitten unter ihren Truppen, durch Hülfe angeblicher Ueberläufer stündlich mit dem Feinde geführt wurde; ja sie übertrugen die Vertheidigung eines wichtigen Postens, eben den Leuten, die die überzeugendsten Beweise gegeben hatten, daß sie beydes ihre Anführer und ihre Sache verabscheuten. Dies führte sodann zur schrecklichen Catastrophe, die am 20sten dieser Expedition ein Ende machte.

Ein großer Theil der Schuld bey dieser so mißlungenen Unternehmung, die für die unglücklichen Gefangenen so traurige Folgen hatte, fällt auf das englische Ministerium, besonders auf den Kriegsminister, Mr. Windham. Die Emigranten hatten ihm gesagt, daß sie ohne Widerstand landen könnten; daß sie viele Freunde im Lande Hätten; und daß diese Freunde zu ihnen stoßen würden, nach dem Maaße der Unterstützung, die sich vor sich sähen. Diese Unterstützung aber blieb gänzlich aus, und die Emigranten wurden allein ihrem Glücke überlassen, das ihnen nie hold gewesen war; sie wurden gelandet, so wie transportirte Missethäter, nicht aber wie die Avantgarde einer Armee, und so blieben sie beynahe einen Monat ohne Hülfe; wären sie auch wirklich fähig gewesen ihren Standort zu behaupten, so würden doch mehrere Wochen verstrichen seyn, bevor sie Hülfe hätten erhalten können.

Man vergleiche diese Saumseligkeit des brittischen Kriegsministers, als bekannten Urhebers dieser Expedition, mit der raschen Verfahrungsart des französischen Generals Hoche. Sobald dieser von der Invasion Nachricht erhielt, eilte er mit den wenigen Truppen, die er in der Geschwindigkeit zusammen bringen konnte, dem Orte zu, wo sich der Feind befand, nachdem er Befehl gegeben hatte, seine Armee schleunig zusammen zu ziehen, und ihm zu folgen; er verjagte die abgesonderten Haufen von Emigranten, und trieb sie alle nach der Halbinsel Quiberon; zog eine Kette von Verschanzungen quer über den Isthmus; schnitt ihre Gemeinschaft mit dem festen Lande ab; öffnete eine Correspondenz mit ihren Soldaten, und hielt ihre ganze Macht blokirt, bis er im Stande war einen entscheidenden Angriff zu thun.


Liste dieser Emigranten-Expedition.

Die sämmtlichen Truppen auf der Halbinsel Quiberon, mit Inbegriff von 3000 Chouans,

bestanden aus . . . . 7508 Mann
Von diesen giengen zu den Franzosen über . . . 800
Todte und Verwundete . . . 500
Zu Gefangenen gemacht . . 4003
--------
5303
Es entkamen . . . 2205


Diese Entkommenen waren:

Officiere. Unt.Offic. u. Gem.
Vom Regiment la Chatre 12 85
Von Rohan . . 13 63
Vom d'Hervilly oder Royal Louis . . 30 207
Vom Hector, Beon und Perigord . . 19 55
Vom Salm, Damas und Dudresnay . . 19 17
Artilleristen und Ingenieurs 45 313
Chouans . . . 3 1324
------ ------
141 2064


Die Expedition von Quiberon.[]

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Von F. L. Janillon, Ehrenlegionsritter und Offizier der Pariser Gendarmerie.

Von allen, die über diese unselige Unternehmung geschrieben, haben derselben doch nur wenige persönlich beygewohnt; viele haben die ihnen zugekommenen Gerüchte bloß nacherzählt, viele so gar Thatsachen angeführt, die für beyde Parteyen gleich schimpflich waren. Man kann mit vollem Grunde vermuthen, daß alle darüber vorhandenen Erzählungen falsch und unrichtig sind.

Eben so lächerlich als verabscheuungswerthe Meinung hat rücksichtlich dieser Expedition gegen die Engländer so tiefe Wurzel geschlagen, daß ich selbst geistvolle Personen, welchen ich das Gewebe von Lügen und Betrug, das man um sie gesponnen, unwiderlegbar gezeigt hatte, nicht zu bekehren vermochte, und daß diese, ungeachtet aller meiner Bemühungen sie zu überzeugen, daß ich von dem Zeitpunkte der Landung der Emigrirten bis zu dem traurigen Ende dieser unglücklichen Begebenheit zugegen gewesen, und folglich ein nicht verwerflicher Zeuge jener Ereignisse sey, doch noch immer zweifeln und ungläubig geblieben sind.

Es lag in dem Plane der Proconsuln, die zu jener unglücklichen Zeit Frankreich beherrschten, die Wahrheit zu verrathen, jedes menschliche Gefühl unter dem Volke zu ersticken, und das Abscheuliche ihres eigenen Betragens auf eine Nation zu werfen, deren Macht und Rechtlichkeit sie mit banger Sorge erfüllte.

England von jeher Frankreichs Nebenbuhlerinn in Kunst, Wissenschaft und Handel, empfing dessen ungeachtet in seinem Schooße gastfreundlich alle Franzosen, die zur Auswanderung gezwungen waren, um sich den schändlichen, ewig erneuerten Verfolgung zu entziehen. Obgleich diese hier jede Hülfe und Unterstützung fanden, die ihre traurige Lage forderte, so blickten sie doch sehnsüchtig nach dem theuren, durch so viele Parteyen zerrissenen Vaterlande hinüber; wieder dahin zurückzukehren war ihr heißester Wunsch.

Zu diesem Schritte bewog sie noch ein anderer Grund; die Bemühungen der treuen Vendeer, ihren rechtmäßigen Herrscher wieder auf den Thron zu setzen, waren ihnen nicht unbekannt. Stolz darauf ihre edelmüthigen Anstrengungen zu theilen, wollten sie im Verein mit ihnen für eine so gerechte Sache die Waffen ergreifen. Die englische Regierung gewährte ihnen alles, was ihr Unternehmen befördern konnte, und wenn der Erfolg ihren Erwartungen nicht entsprach, so kann man, ohne ungerecht zu seyn, das Mißlingen ihres Planes nicht jenem Volke zur Last legen, das sie so großmüthig unterstützte. Der Leser wird sich von der Wahrheit meiner Worte überzeugen, sobald er die hier angeführten Thatsachen wird gelesen haben.

Ich gehörte zur Garnison von Vannes, als wir von der Landung und Annäherung einer Colonne hörten, die aus sieben Regimentern französischer Emigrirten bestand, die größtentheils aus den in England befindlichen Kriegsgefangenen zusammengesetzt waren.

Hier folgt die Zusammenstellung dieser Regiementer. Das erste bestand aus Adeligen, und führte den Nahmen Loyal-Emigrant; es war das einzige, dessen Uniform aus langen Röcken von scharlachrothem Tuche mit gelben Aufschlägen bestand.

Die anderen hießen: Royal-Marine, das aus vielen alten ausgewanderten Offizieren dieser Waffengattung zusammen gesetzt war; ferner Rohan, d'Hervilly, d'Hector, Salm-Salm und Royal-Louis.

Die Nachricht von der Annäherung dieser Truppen und ihrer Ausschiffung wurde bald durch die verdoppelte Kühnheit, mit der die unter dem Nahmen der Chouans bekannten Royalisten ihre lebhaften Angriffe fortsetzten und wiederholten, bestätiget. Man sah sich genöthiget, die auf der Straße nach Auray aufgestellten Vorposten innerhalb den Mauern von Vannes aufzunehmen.

An dem Thore von Auray waren bereits mehrere Soldaten getödtet worden, als man den Befehl ertheilte, daß die Garnison auf dem Platze bivouaquiren, und die Kranken und Verwundeten, die sich in die Spitälern befanden, in das Innere der Stadt gebracht werden müßten; eine Anordnung, die auf das schnellste in Vollzug gesetzt wurde. Die ganze Stadt war in größter Bestürzung; mehrere Soldaten wurden in der Nacht angefallen und getödtet; der Commandant der Nationalgarde hatte am Eingange des Hafens das gleiche Schicksal.

Mit Anbruch des Tages sahen wir nach und nach die Generäle Hoche, Lemoine, Jasnet, Vatteau, Humbert, Botta, Menage, Palasne, Dechampeaux und Renaud-Dejeu; der letztere blieb bey einem Ausfalle der königlichen Armee.

Ehe ich in dieser Erzählung fortfahre, sey es mir vergönnt, eine kleine Schilderung des Generalen Lazarus Hoche, der damahls das Commando führte, zu entwerfen.

Dieser General war zu Montreuil bey Versailles am 24. Juny 1768 geboren, und ein Sohn des Hundewärters Ludwig des Fünfzehnten. Bald wurde er in dem königlichen Stallungen zum überzähligen Stallknecht ernannt; aus Neigung zum Soldatenstande aber verließ er diese Anstellung, und nahm als ein sechszehnjähriger Jüngling bey dem Garde-Regiment Dienste. In diesem Corps erhielt er am 28. Dezember 1788 in den Gruben von Montmartre, in einem Zweykampf mit dem Gardecorporalen Serre, eine Säbelhieb über das Gesicht, von dem er die Narbe durch sein ganzes Leben behielt. Zur Zeit der Revolution, als die französischen Garden größtentheils zur besoldeten Pariser Garde übertraten, und man aus ihnen das 102te 103te und 104te Infanterie Regiment bildete, kam Hoche zum 104ten Regiment, und wurde dort zum Unteroffizier und Adjutanten ernannt. Mit Berücksichtigung seiner als Exerziermeister erprobten Fähigkeit beförderte ihn der Kriegsminister Servan zum Lieutenant im Regimente Rovergue, das er verließ, um Adjutant des Generalen Leveneur zu werden. Für sein ausgezeichnetes Betragen bey der Belagerung von Thionville wurde er zum Generaladjutanten und Bataillons-Chef ernannt. Erst bey dem Entsatz von Dünkirchen erwarb sich der General Hoche, unter den Befehlen des kommandirenden Generalen Ouchard, in der Armee einen ausgezeichneten militärischen Ruf. Er wurde von den Repräsentanten des Volks zum Brigade-Chef ernannt, der Wohlfahrtsausschuß beförderte ihn zum Brigade-Generalen, und so stieg er nach und nach bis zur Würde eines kommandirenden Generalen. Auf Befehl des nähmlichen Ausschusses zu Nizza verhaftet, wurde er nach Paris geführt, und von dort zuerst in das Gefängniß der Carmeliter, und sodann in die Conciergerie gebracht, die er am 9ten Thermidor verließ. Im Anfange des dritten Jahrs der Republik erhielt er den Befehl über die Küstenarmee von Cherbourg, bald darauf auch über jene der Bresterküsten. Der Friede, den er schloß, ist viel zu bekannt, um hier auseinander gesetzt zu werden; ich begnüge mich zu sagen, daß er sich zu Rennes befand, als die Ausgewanderten zu Quiberon ausgeschifft wurden.

Wir wollen nun den Faden unserer Erzählung wieder auffassen. Am anderen Tage stellten sich die Generäle Hoche und Lemoine an unsere Spitze, und wir marschirten in drey Colonnen nach Carnak und Auray; unsere Macht bestand aus ungefähr fünftausend Mann Infanterie und wenige Cavallerie, die zum Theil aus der Gendarmerie der nachbarlichen Stations-Commandos gebildet wurde.

Der kommandirende General Hoche ertheilte, als wir die Stadt verließen, unserem Obersten Befehl, vier und zwanzig der schnellsten und entschlossensten Soldaten auszuwählen, um seine Flanke zu decken. Ich war unter der Zahl der zwölfe, welche die rechte Seite der Straße von Vannes nach Auray zu schützen beauftragt waren.

Zwischen diesen beyden Städten befindet sich eine Brücke, welche die Hauptstraße abschneidet, und unter der jene Wässer fließen, welche bey der Fluth zurücktreten; die königlich Gesinnten hatten die Brücke abgeschnitten, und die Straße mit großen Bäumen verrammelt und breiten Gräben durchschnitten.

Auf der rechten Seite einer Anhöhe, die vor der Brücke lag, befand sich ein Schloß, dessen Haupteingang der Hauptstraße zugekehrt war. Dieses Schloß und dieser Eingang waren von einem großen Theil der königlichen Armee besetzt. Auf der rechten Seite, auf der ich mich befand, wurde zu feuern begonnen, und bald wurde das Treffen allgemein. Die königlich Gesinnten, viel weniger zahlreich als wir, aber in einer sichern Stellung verschanzt, empfingen unsern Kugelregen mit Muth, und verwundeten uns viele Leute; sie waren endlich der Uebermacht zu weichen gezwungen, und wir bemeisterten uns sowohl der Brücke als des Schlosses und aller Umgebungen.

Der Übergang über die Brücke würde für unsere Infanterie keine Schwierigkeit gehabt haben, wenn man es für räthlich gehalten hätte, ihn zu eröffnen. Man begnügte sich mit der Verfolgung der Royalisten, die aus ihrer Position vertrieben wurden: sie verloren einige Leute, die, als sie diesen kleinen Meeresarm, obgleich er beynahe ganz ausgetrocknet war, durchwaten wollten, im morastigen Sande erstickten; jene, die rechts längst dem Meere hinabmarschirten, hatten das Leben gerettet.

Während an der Wiederherstellung der Brücke gearbeitet wurde, langten einige Feldstücke an. Sobald der Übergang möglich wurde, setzte man sich gegen Auray in Marsch. Bey unserer Annäherung fanden wir keine Spur, daß diese Stadt von Royalisten besetzt wäre, denn sie hatten von außen keine Vorposten aufgestellt.

Der Vortrab, bey dem ich mich befand, setzte nun über die Brücke eines viel größeren Meeresarm, als der war, von dem ich oben gesprochen habe, und der sich am Fuße und am Eingange der Stadt Auray befand; aber kaum waren wir auf dem Platze angelangt, als sich von allen Seiten die Fenster öffneten, und ein fürchterliches Kleingewehrfeuer anfing, das ganze Reihen der unserigen zu Boden streckte. Diejenigen aus uns, die nicht getroffen worden waren, eilten den Berg hinab, und zogen sich fechtend zurück.

Der General Hoche befand sich an der Spitze unseres kleinen Armee-Corps noch eine halbe Meile entfernt; er stieß nun zu uns, und erfuhr sowohl unsere Niederlage, als den Überfall, den wir bey unserem Eintritte in die Stadt erlitten hatten. Er ließ sogleich auf dem rechten Meeresufer einige Artillerie-Stücke aufführen, die Royalisten folgten unserem Beyspiele, führten ebenfalls ihre Batterien auf, und ein lebhaftes Kanonenfeuer begann auf beyden Seiten.

Vor und nach jedem Kanonenschusse rief die königliche Armee: Es lebe der König! Dieses Geschrey wurde von dem vielstimmigen Echo dieser Gegend wiederhohlt. Diese Handlung, so einfach an und für sich, hatte durch die dadurch hervorgebrachte Wirkung einen Anstrich von Außerordentlichkeit gewonnen; ich werde mich in dieser Hinsicht, so wie rücksichtlich alles dessen, was ich erzähle, auf das Zeugniß derjenigen berufen, die bey den verschiedenen Gefechten, deren nähere Umstände ich aufzeichne, gegenwärtig waren.

Auf Befehl des kommandirenden Generalen versuchten wir mehrmahls, jedoch stets vergebens, in der Stadt Fortschritte zu machen; jeder Versuch kostete uns viele Leute, ohne die geringste Hoffnung eines Erfolgs. Das Feuer wurde erst am Abend eingestellt. Wir faßten daher den Entschluß, uns zurückzuziehen, und die uns angekündigten Verstärkung zu erwarten. Wir schlugen unser Nachtlager in einer Entfernung von anderthalb Meilen rückwärts auf den Feldern auf. Der commandirende General bivouaquirte auf dem Kirchhofe eines Dorfes, dessen Nahmen mir entfallen ist. Die Einwohner verbargen sich bey unserer Ankunft, und wir hatten Mühe Lebensmittel zu erhalten, selbst unser General war dem Mangel ausgesetzt. Ich war so glücklich ihm einige Nahrungsmittel und weißen Wein, den wir in einem unbewohnten Hause entdeckt hatten, anbiethen zu können. Wer würde nicht den Wunsch gehegt haben, dem Generalen Hoche gefällig zu seyn, der damahl neun und zwanzig Jahre zählte, und mit einem schönen Wuchse eine kriegerische Gestalt und ein zuvorkommendes Äußere verband? Er wußte seine untergeordneten Truppen zu befehligen und ihnen zu gefallen, so sehr hatte er sich die Achtung und die Liebe der ganzen Armee erworben. So wie ich ihn gekannt habe, war er werth einer bessern Sache zu dienen.

Am anderen Morgen, als die Verstärkung zu uns gestoßen war, erschienen wir vor Auray, und gelangten ohne Schwertstreich in die Stadt, aus der die Royalisten sich zurückgezogen hatten. Der Vortrab übernachtete jenseits Auray, und die Armee, welche durch die Verstärkungen, die unaufhörlich anlangten, groß geworden war, stellte sich in der Stadt auf.

Mit Anbruch des Tages erhielten wir Befehl, uns in Marsch zu setzen, und gegen Carnak zu eilen. Auf dem Felde stießen wir auf den Vortrab einer königlich gesinnten Truppenabtheilung, deren Gros in einem nahen Gehölze, hinter dem sich ein Teich befand, abgeschnitten war. Das Gefecht begann und wurde lebhaft fortgeführt; die Royalisten wurden in ihren Verschanzungen bezwungen, und mehrere aus ihnen, die unvorsichtig genug den Teich durchschwimmen wollten, gingen zu Grunde, indem sie entweder ertranken oder erschossen wurden.

Damahls trafen wir zuerst auf roth gekleidete Royalisten; alle, mit welchen wir bis dahin handgemein wurden, waren in die verschiedensten Farben gekleidet. Der größte Theil und insbesondere ihre Anführer hatten indessen die graue Farbe gewählt.

Ein bey gesitteten Völkern unbekanntes Gesetz, von dem man kaum in den Zeiten der Barbarey ein Beispiel auffinden kann, verboth in diesem Kriege Gefangene zu machen. Leider wurde dasselbe nur zu genau befolgt, man sah das schreckliche Beyspiel, daß die großmüthigste Nation, daß der Franzose gegen den Franzosen kämpfend, mit Außerachtlassung eines jeden menschlichen Gefühls einen entwaffneten Feind mit kaltem Blute tödtete. Zu welcher Grausamkeit führen Kriege, die der Zwiespalt der Meinungen entflammt!

Gegen das Ende des Gefechtes formirte sich die Armee in Colonnen, welche der kommandirende General in Person anführte. Die vom Feinde ausgestellten Posten zogen sich gegen das Meer, und nur zu Carnak, wo wir auf drey Colonnen stießen, leisteten die Royalisten einigen Widerstand; aber sobald der General den Angriff befohlen hatte, räumten sie das Dorf, und zogen sich gegen das Meer zurück, wo sie sich einschifften, um entweder auf die Eskadre oder die Halbinsel Quiberon zu gelangen, die, so wie das Fort Penthievre, das die Vorwerke und den Eingang vertheidigt, sich in den Händen der königlichen Armee befand.

Von dem am Meeresufer, der Halbinsel Quiberon gegenüber gelegenen Dorfe Carnak führte eine Colonne von Royalisten, die dort ausgeschifft worden war, und sich auf dem Lande weit vorgewagt hatte, den Nahmen. Diese Colonne hatte den Hrn. von Tinteignac an ihrer Spitze, einen Officier, der mit persönlichem Muthe und vielem Verstande eine vollkommene Kenntniß der Landessprache und der Ortsverhältnisse verband; er war gefürchtet in der Provinz, in der er sich einen bedeutenden Ruhm erworben hatte.

Bis dorthin hatten weder wir noch der Feind viele Leute verloren. Die Einschiffung der Royalisten zu Carnak ließ und auf dieser Seite nichts mehr unternehmen; wir waren daher entschlossen, uns auf dem steilen Ufer von Quiberon, das ich nun beschreiben werde, aufzustellen. Die Halbinsel Quiberon hat ein und eine halbe Meine in der Länge, und gegen drey Viertel-Meilen in der Breite, sie liegt an den Küsten von Bretagne, drey Meilen von der im Meer befindlichen Isola-bella; das Ufer, das vor dem Eingange der Insel liegt, besteht aus einer Landzunge, die sich immer mehr verengend bis zum Fort Penthievre, das den Eingang bildet, hinzieht; sie ist an diesem Orte nur mehr drey Klafter breit; um dahin zu gelangen, marschirte eine Colonne längst der rechten Seite des Meeresarms, der uns davon trennte, hinab.

Eine Colonne republikanischer Truppen, die sich von dem Fort Penthievre einem lebhaften Musketen- und Artillerie-Feuer ausgesetzt fand, war uns bereits zuvorgekommen. Durch den erlittenen Verlust zum Rückzuge genöthigt, vereinigte sie sich mit uns, um auf dem Ufer, ungefähr drey Viertel-Meilen von dem Fort gegenüber, wo die Armee ihr Bivouac aufschlug, ihre Stellung zu nehmen.

Am anderen Tage dehnten sich die verschiedenen von dem commandirenden Generalen Hoche befehligten Armee-Corps auf dem Ufer aus, den Vortrab bildete das zweyte, von dem Bataillons-Chef Ronzier commandirte Bataillon der belgischen Tirailleurs. Einige Tage darauf erschien ein Bataillon von Nanteser-Jägern auf der linken Seite dieses Corps, und so bestand die Avant-Garde, über die der Brigade-General Humbert das Commando führte, bloß aus diesen einzigen beyden leichten Bataillons. Während dieses zwey und zwanzigtägigen Kampfes kam mir weder von der einen noch der anderen Seite eine Vedette zu Gesichte.

Die Armee des Generalen Hoche zählt nur zwey hundert und fünfzig Reiter; die königliche Armee hatte entweder gar keine, oder nur sehr wenige Cavallerie.

Indessen erinnerte ich mich doch einige rothgekleidete Husaren mit Csako von gleicher Farbe bey den verschiedenen Ausfällen und Gefechten, die der Eroberung des Forts Penthievre und der Halbinsel Quiberon vorhergegangen waren, gesehen zu haben.

Die Einwohner der umliegenden Gegenden hatten sich bey unserer Annäherung geflüchtet, Vieh und andere Lebensmittel mit sich genommen, und was sie nicht retten konnten, vergraben. Dadurch waren wir während unseres Aufenthaltes auf der Halbinsel, auf der sich kein Haus, kein Baum, nicht einmahl eine Quelle frischen Wassers befand, dem größten Mangel ausgesetzt. Wir sahen uns genöthiget das Meereswasser mittelst kleiner Sandhaufen, die wir aufschichteten, und in welche wir kleine Wasserkufen stufenweise aushöhlten, zu reinigen, wodurch dasselbe das Salzige und seine größte Bitterkeit verlor, ob es gleich noch eine weißliche Farbe und einen widrigen Geschmack beybehielt.

Die Vertheilung der Lebensmittel bestand nach dem, was ich gesehen habe, in einem dreypfündigen, aus Heidekorn und anderen Getreidearten gebackenem Brote, das für acht oder zehn Personen bestimmt war, und aus einem nach dem gleichen Verhältnisse geschnittenen Stücke gesalzenen Fleisches; außer diesem war, man mochte auch zahlen, so viel man wollte, weder irgend eine Gattung von Lebensmitteln noch Fische zu bekommen.

Der drückende Mangel, in dem sich die Armee befand, verhinderte die kleinen Gefechte nicht, die täglich und besonders bey der Avantgarde vorfielen, die ihre Plänkler bis unter die Mauern des Forts vorschickte; diese einzelnen Gefechte waren aber keineswegs entscheidend, und hatten keinen anderen Erfolg, als daß auf beyden Seiten einige Leute blieben, und jeder Theil sich zurückzog, um seine alte Stellung wieder einzunehmen.

Die republikanische Armee wurde von Zeit zu Zeit verstärkt, und zählte, so viel mir bekannt wurde, zwey und zwanzig tausend Mann Infanterie, die aus den Städten und nahen Cantonirungen gezogen worden waren; man führte eine große und hohe Verschanzung, nach Art der Engländer, mit Netzen auf, um auf diese Art den Rückzug der Tirailleurs zu decken. Diese einzige halb zirkelförmige Verschanzung zog sich durch die ganze Insel, und wurde durch einige von einer Entfernung zur andern aufgestellte Feldstücke, und durch basteyenartige Platformen, die mit dem nähmlichen Geschütze besetzt waren, vertheidigt.

Ich übergehe alle die kleinen, wenig folgereichen Gefechte, um hier die unbesonnene Kühnheit jener Colonne der königlich Gesinnten zu schildern, die von Hervilly, der dem Hrn. von Puysaie, welcher sich auf die englische Eskadre zurückgezogen hatte, in dem Commando der königlichen Armee nachgefolgt war, befehligt wurde.

Ehe ich von diesem Ausfalle, der am 28sten Messidor im Jahre 3 statt fand, und bey welchem die Ausgewanderten von acht Kanonen fünf verloren hatten, spreche, wird es nicht überflüssig seyn, unseren Lesern von dem kühnen Charakter diesen Generalen einen Begriff zu geben.

Der Marquis d'Hervilly, klein von Person, war der heftigste und leidenschaftlichste Mensch seines Landes. Niemand konnte den König mit größerer Liebe umfassen, als er es that. Überspannt in allen seinen Handlungen, den Tod verachtend, und ihn selbst ohne alle Ursache herausfordernd, fähig alles dessen, was den Mann von Ehre und den bis zur Unbesonnenheit Unerschrockenen bezeichnet, nach Rache glühend, wenn er den Ruf seiner Tapferkeit verletzt glaubte, übertrieb er alles, und insbesondere die Verachtung des Lebens.

Vor der Revolution bewohnte er ein Landgut bey Guise in der Pikardie, bekannt unter den Nahmen la terre de Leschelles. Die Jagd liebte er leidenschaftlich, er hatte ein Regiment von Revier-Förstern; sein Landgut hätte ihm jährlich sechszig tausend Franken eintragen können, aber er bezog nicht einmahl die Hälfte, da er so ungeheuer viel Wildpret unterhielt, auf dessen Erhaltung er ein achtsameres Auge, als alle seine Forstbeamten zusammen hatte.

Der folgende Zug wird das bewähren, was ich über seinen heftigen Charakter gesagt habe.

Eines Tages wurde ihm die Nachricht gebracht, daß mehrere seiner Förster die Wildschützen, die sie auf frischer That ertappten, weder zu verhaften, noch auf sie zu schießen gewagt hatten. Er setzte sich an die Spitze seiner Jäger, und begab sich an den Ort, wo sich die Wildschützen befanden. Er befahl den Seinigen zurückzubleiben, und ging ganz allein den Verbrechern entgegen. Die Wildschützen warfen ihre Hüte auf die Erde, und drohten ihn zu erschießen, wenn er die dadurch bezeichnete Gränze überschreiten würde. Er spottete ihrer Drohung, stieg über die Hüte, und entblößte seine Brust, indem er sie aufforderte, Feuer zu geben. Von so viel Kühnheit in Furcht gesetzt, bleiben sie vor Schrecken und Erstaunen ergriffen, starr und unbeweglich . . . "Nun wohlan, rief er ihnen zu, weil ihr zu feige seyd, um mich zu tödten, werde ich euch zu bestrafen wissen." Er stürzte ihnen nun entgegen, gab Feuer, verwundete einige, und entwaffnete die übrigen. Sein Herz war indessen nicht minder gut, seine Seele nicht minder edel, als sein Charakter heftig. Am anderen Tage schickte er die Wildschützen zurück, ohne sie noch ferner zu bestrafen, und begnügte sich damit, sie zu erinnern, ihn nicht abermahl zu reitzen, und überzeugt zu seyn, daß er stets in der Lage sey, einen ähnlichen Frevel mit gleicher Strenge zu behandeln.

Dieses Beyspiel mag die Kühnheit bewähren, mit der er sich an die Spitze der Colonne, von der ich oben gesprochen, stellte. Am Vorabende und in der Nacht, die diesem merkwürdigen Ausfalle vorausging, hatte sich in der republikanischen Armee das Gerücht verbreitet, daß zwischen ihren Generalen und jenen der katholischen und königlichen Armee (mit diesem Ausdrucke beantworteten die Royalisten unser wer da?) eine Unterredung statt gefunden, daß man sich wechselseitig beleidiget, und einander gedroht habe, und daß endlich die Generäle der königlichen Armee die Unseren herausgefordert und ausgesagt hätten, daß sie unsere Verschanzungen am nächsten Morgen mit dem Degen in der Faust erobern würden.

Mir ist der Glaube, den man dieser Großsprecherey schenken konnte, völlig unbekannt; aber wenn diese Worte auch falsch und erdichtet waren, die Folge hat uns wenigstens den Versuch gezeigt. Das unglückliche Resultat dieses Wagestückes war die Niederlage und der fruchtlose Tod von sechs hundert eilf tapferen Royalisten, deren Muth und Tapferkeit mit mehr Erfolg hätte angewendet werden können. Nie wird dieses schreckliche Schauspiel, das einen so starken Eindruck auf mich gemacht hat, aus meinem Gedächtnisse verschwinden.

Schön und imponirend war der Ausfall dieser prächtigen Regimenter, die alle neu und in Scharlach gekleidet sich in drey Colonnen entwickelten; mit den Waffen in der Faust rückten sie bis auf Pistolen-Schußweite, den Sturmmarsch schlagend, unseren Verschanzungen zu. Die ganze unter dem Commando des Generalen Hoche stehende Armee war hinter diesen Verschanzungen verborgen, und hatte Befehl, sich nicht zu erheben, und keine Bewegung zu machen, sondern ruhig des Commandowortes des Befehlshabers zu harren. Als der Feind auf fünf und zwanzig bis dreyßig Schritte herangerückt war, ertönte das unselige Signal Feuer zu geben. Wir hatten unsere Gewehre zum ersten Mahle losgebrannt, und schon war d'Hervilly, der sich an der Spitze des ausgewanderten Regiments Royal-Louis befand, das bey diesem Ausfalle, dem Mittelpunkte unserer Verschanzungen gegenüber, am meisten gelitten hatte, zwey Mahl verwundet worden. Es fand beynahe nur diese einzige General-Decharge statt, wir verließen sogleich unsere Verschanzungen, um die Royalisten mit dem Bayonette zu verfolgen. Ich sah damahls, wie dieser nur zu muthige Hervilly, von innerem Gram nicht weniger als von seinen Wunden gefoltert, sich gegen das Regiment kehrte, an dessen Spitze er sich unaufhörlich befand, den Degen zwischen die Zähne faßte, und wiederhohlt in das Eisen biß. In diesem Augenblicke ließ er dasselbe jene bekannte Wendung machen, durch die viele der unserigen, die sich von ihrer Heftigkeit zu weit hatten fortreißen lassen, ihren Tod fanden; denn das Regiment Royal-Louis, welches den Rückzug vollkommen zu decken verstand, gab während dieser Wendung, in einem Augenblicke, wo man es am wenigsten vermuthete, Feuer. Dieses Manövre setzte dem Vordringen derjenigen, die eine unbesonnene Hitze zur allzuschnellen Verfolgung des Feindes verleitet hatte, eine wirksame Gränze. Der General-Adjutant Renaud-Dejeu erhielt in diesem Augenblicke eine Schußwunde in die Achsel, die ihn vom Pferde stürzte, sein grauer Überrock, ähnlich denjenigen, welche die emigriten Officiere über ihre Kleider trugen, verleitete einen Unter-Officier jenes Corps, bey dem ich diente, zu einem traurigen Irthume; er tödtete den Generalen vollends, und erkannte seinen Fehlgriff zu spät. Diese That, deren Zeugen nur wenige aus uns waren, blieb unbekannt. Renaud-Dejeu, an der Spitze der wenigen Cavallerie, die wir hatten, starb durch den unseligen Irrthum, den ich so eben erzählt habe, an der bey dem Angriffe erhaltenen Wunde.


Eroberung des Forts Penthièvre, von uns das Fort Quiberon genannt.

Am zweyten Thermidor im dritten Jahre der Republik, Abends gegen zehn Uhr, erschien auf meinem Posten, der längst dem Meere am äußersten rechten Vorposten-Ende gelegen war, ein Stabs-Officier vom General-Stabe. Der Regen fiel damahls gerade in Strömen herab.

Nachdem er uns über das, was wir selbst oder durch Überläufer erfahren haben konnten, ausgefragt hatte, sagte er zu uns: "Bald werden Sie aus dem Mittelpuncte der von dem Armee-Corps besetzten Verschanzungen eine Flamme emporsteigen sehen; sobald Sie dieses Signal erblicken, eilen Sie längst dem Meere vorwärts, welcher Weg Sie dem Fort zuführen wird. Den ersten Posten, die auf Sie rufen, antworten Sie, die katholische und königliche Armee! sollte man auf Sie Feuer geben, so verfolgen Sie Ihren Weg, ohne zu antworten. Er schloß mit der in dem festestem Tone ausgesprochenen Zusicherung: wir müssen das Fort in dieser Nacht nehmen."

Der Geist des französischen Soldaten ist im allgemeinen bekannt: indem wir das Signal erwarteten, erschöpften wir uns über den Ausgang der bevorstehenden Unternehmung in mehr oder weniger falschen Vermuthungen. Sie schien uns um so schwieriger, je mehr wir, da wir uns als Tirailleurs so oft den Vorwerken genaht hatten, mit der Lage des Forts und seinen Verschanzungen bekannt waren. Vor wenigen Tagen war Desombreuil, dessen Ruf uns wohl bekannt war, dem Generalen d'Hervilly im Commando der königlichen Armee gefolgt. Er hatte uns neun Kriegsgefangene zurückgeschickt, nachdem er sie vorher mit Kleidung, die ihnen mangelte, mit Lebensmittel und Geld versehen hatte. Wir konnten nicht umhin, das Betragen dieses jungen Generalen mit jenem unserer Revolutions-Tyrannen zu vergleichen, die im Nahmen einer vorgeblichen Freyheit mit größerem Despotismus als die grausamsten Römer herrschten, deren Laster und Grausamkeiten nachzuahmen sie eifrig bemüht waren, ohne eine ihrer Tugenden zu haben. Wir bewunderten diesen Zug von Seelengröße und Menschenliebe, wir, die wir alle Soldaten, die in unsere Hände fielen, sogleich tödteten. Nicht ohne Erröthen konnte man damahls den Nahmen eines französischen Soldaten tragen; aber, die Wahrheit zu gestehen, konnten doch alle diese Verbrechen nur den obersten Heerführern zur Last gelegt werden. Ich zählte damahls nicht mehr als sechszehn Jahre und sechs Monathe, ich wußte das erbärmliche Gewerbe, das ich treiben mußte, zu würdigen, und es war mit schon damahls klar geworden, daß die edelste Seele, das großmüthigste, reinste Herz bey den besten Absichten dem Strome folgen, und oft unwürdige Handlungen begehen müsse, sobald sie von den Befehlshabern angeordnet werden. In dieser Zeit hatte man alle Soldaten, die bis dahin Menschlichkeit mit militärischer Tapferkeit verbunden hatten, in Henker verwandelt. Als der Revolutions-Schwindel sich ein wenig gelegt hatte, suchten manche dieser Anführer ihrer Verbrechen und ihre Treulosen Handlungen auf den Ungehorsam der Soldaten und auf die wenige Gewalt, die sie über ihre Truppen hatten, zu wälzen. Diese Tieger, diese politischen Cameleons mögen sich erinnern, daß ein Oberhaupt nie des Gehorsams der Seinigen entbehren wird, wenn seinen Befehlen Achtung und Liebe vorausgehen. Seyd fest, aber gerecht, seyd gut, liebt eure Soldaten und eure Soldaten werden euch lieben, und euch, was von den französischen Kriegern insbesondere gilt, mit Unerschrockenheit in die größten Gefahren folgen. Hätte Biron, als die Revolution angefangen, noch gelebt, die französischen Garden würden sich keineswegs so entehrt haben, wie es im Jahre 1789 geschehen ist.

Kurz vor Mitternacht wurde das verabredete Signal gegeben, und mit marschirten vorwärts. Als wir bey den ersten, nicht ferne von dem Fort aufgestellten Posten anlangten, rief man uns: Wer da? entgegen. Wir antworteten wie uns befohlen worden war: Die katholisch-königliche Armee. Allein die Royalisten ließen sich nicht täuschen, und gaben Feuer auf uns. Sie wußten wohl, daß von der Seite, von der wir erschienen waren, nur der Feind kommen konnte. Die Posten zogen sich zurück, und eilten mit dem Ausrufe: zu den Waffen! in das Fort. Einige aus uns, drückten, ungeachtet des erhaltenen Gegenbefehls, ihre Gewehre ab.

Wir langten rechts am Fuße des Forts an. Dort fand ein Theil des vormahligen Regiments der Normandie sein Grab, weil man bey niederem Meere, an einem tiefen Orte diese Stellung eingenommen, und die Soldaten, als die Fluth eintrat, ihr um so weniger zu entrinnen vermochten, als der gegenüberstehende Felsen zu schroff war, um erstiegen zu werden. Mit Sonnenaufgang sahen wir das Ufer mit einer großen Anzahl dieser Unglücklichen bedeckt. Man hatte die bey dem Armee-Corps befindlichen Grenadier-Compagnien beordert, die zu uns gestoßen waren, und mit uns am Fuße des Forts das Signal zum Sturme erwarteten.

Die Nacht war in tiefe Finsterniß gehüllt, und der Regen strömte wie ein Gießbach herab. Das Meer war groß und unruhig, das Geräusch der Wogen fürchterlich. Endlich wurde das Zeichen zum Angriff und zum Sturme gegeben. Der General Humbert befehligte den Vortrab. Die Royalisten empfingen uns mit einem Regen von Kugeln, eine derselben fiel zufällig auf ein Stein des Felsen, auf welchem das Fort gelegen ist die Splitter, die absprangen, verursachten uns großen Schaden, ja größeren noch, als die Kugel selbst. Wir beantworteten das heftige Feuer unserer Gegner nur wenig, denn der häufige Regen hemmte den Gebrauch unserer Waffen, und unsere Stellung war von der Art, daß die Belagerten sich vor unserem Musketenfeuer, gesichert sahen. Inzwischen langte der Rest der Armee an, und stellte sich ungefähr eine Viertelstunde vom Fort hinter unserem Rücken auf. Die Generäle Hoche, Lemoine und Champeaux fanden sich daselbst persönlich ein.

Kaum waren wir einige Schritte vorwärts gekommen, als wir von einer so lebhaften Füsillade empfangen wurden, daß jeder aus uns, wie durch Verabredung, eigentlich aber aus keinem anderen Grunde rückwärts ging, als weil er seinen Nachbar rückwärts schreiten hörte. Wir stellten uns wieder am Fuße des Felsens auf, wo wir keiner Gefahr ausgesetzt waren, da wir uns ganz außer dem Schusse befanden.

Von unseren Anführern ermuthiget, eilten wir nach einem Augenblicke des düstersten Stillschweigens in dem stürmischen Wetter, das ich erst beschrieben habe, wieder vorwärts. Als wir zwey Drittheile der Höhe des Forts erstiegen hatten, verdoppelten die Royalisten ihr Kleingewehrfeuer, und begrüßten uns mit einem Hagel aus kleinem Feldgeschütze und Kartätschen. Jeder suchte nun sein Heil in der Flucht, und achtete der Stimme der Anführer nicht. Mancher stürzte im Hinabeilen, und unser Geschrey und jenes der Verwundeten trug die Furcht auch in den Mittelpunkt der Armee, die man dem Fort sich hatte nähern lassen. Sie wurde von der feindlichen Artillerie noch härter mitgenommen als wir, und hielt den Lärmen und unseren abermahligen Rückzug für einen Ausfall der Feinde. Nichts konnte sie aufhalten, Generäle und Volks-Repräsentanten, alles theilte die allgemeine Unordnung, und nur in den Verschanzungen sammelte sich die Armee wieder. O Schande, o Schmach! Dieses waren de zu Quiberon proklamirten Sieger. Wir blieben, so wie die Grenadier-Compagnien, die man aus dem Armee-Corps gezogen und zum Sturm bestimmt hatte, als den Vortrab bildend, am Fuße des Forts stehen. Eine Stimme ertönte, ich hielt sie für die des Generals Humbert, von dem die Avant-Garde befehliget wurde: "Muth, meine Kinder, sagte er zu uns, wir müssen den Felsen ersteigen und das Fort nehmen, sollten auch nur vier aus uns dahin gelangen." Traurig, daß so viel Muth gegen Franzosen, die wir lieben mußten, und deren Tapferkeit uns Ehrfurcht und Achtung einflößte, verschwendet wurde!

Wenn die Eigenliebe dem Soldaten nicht mehr als die Ehre gilt, so ist sie ihm doch das nächste nach ihr. Lautes Kriegsgeschrey ertönte, und wir klimmten den Felsen noch ein Mahl hinan. Es schien, als ob derselbe Schrecken, der uns ergriffen hatte, sich nun der Wachen des Forts bemächtiget habe, oder was wahrscheinlicher ist, daß Verrath im Spiele war; die Räumung der Schanzen und die Öffnung des Haupteinganges konnte insbesondere bey einem Feinde, der alles zu fürchten hatte, wenn er in unsere Gewalt kam, nicht das Resultat einer größeren Kraftanstrengung seyn. War es aber, wie in verschiedenen Werken, die von dieser Expedition handelten, behauptet wurde, die Folge des Überfalls, so erscheint diese Unvorsichtigkeit unverzeihlich. Ich nehme hier die sogenannten Touloner Kanoniere aus, die sich an ihren Kanonen niedermetzeln ließen.

Wir waren kaum in das Fort eingedrungen, so setzten wir an die Stelle der von den Royalisten aufgepflanzten weißen Fahne die dreyfarbige. Ich muß den Leser ersuchen, sich zu erinnern, daß die Nacht sehr finster war, und unser Sieg nicht der Wirkung unserer Artillerie, die wir in diesem Sturme gar nicht benutzten, zugeschrieben werden konnte; wir wurden also von anderen Umständen begünstiget, über welchen der Schleyer des Geheimnisses ruht. Der Tag brach endlich an, und die erste Sorge derjenigen aus uns, die sich auf den Artillerie-Dienst verstanden, war nun darauf gerichtet, die Kanonen des Forts auf die am Fuße des Felsens befindlichen englischen Fahrzeuge anzufeuern. Erst am Tage sahen der commandirende General und die Repräsentanten unsere Fahne von dem Walle wehen, und erfuhren zu ihrer Beschämung unseren Sieg. Sie stießen nun zu uns, und zwischen beyden auf der Insel Quiberon befindlichen Parteyen entspann sich nun ein lebhaftes Gefecht. Der stürmischen Nacht war ein schöner, heiterer Tag gefolgt. Die Royalisten, die in einer schönen Schlachtlinie standen, hatten die Chouans, welche mit ihnen auf die Insel gekommen waren, in das zweyte Treffen gestellt. Man fing auf beyden Seiten zu feuern an, einige Corps der Armee des Generalen Hoche marschirten mit gefälltem Bajonette vorwärts; die Royalisten, von einigen Kanonen, die sie im Mittelpunkte der Insel bey einer Windmühle aufgestellt hatten, und den zur Flotte gehörigen Kanonier-Schaluppen, die uns so vielen Schaden zufügten, unterstützt, schlugen diesen Schwarm zurück.

Die unseligen Chouans, die sich in der zweyten Linie hinter den königlichen Regimentern befanden, gerathen nun plötzlich in Bestürzung, und fliehen bis das äußerste Ende der Insel. Die dort befindlichen Schiffe, Fischerkähne und Schaluppen fallen in ihre Hände, und als die Emigranten dort und auf dem kleinen Fort St. Peter anlangen, treffen sie kein einziges Fahrzeug, das ihren Rückzug hätte sichern können. Ich glaube mit Grund behaupten zu dürfen, daß ohne den Abfall der Chouans der größte Theil der königlichen Armee wäre gerettet worden. Man sage mir nicht, daß die Engländer auf die Emigranten gefeuert hätten, ich vermag das Gegentheil zu beweisen, denn am Tage nach der Einnahme von Quiberon schickten uns die Engländer unter der National-Flagge mehrere Fahrzeuge, auf welchen diese Chouans, ihre Weiber und Kinder eingeschifft waren, zurück, ohne daß jedoch von der einen oder anderen Seite eine Kanone abgeschossen wurde; ausgeschifft wurden sie auf der Batterie von St. Peter. Jene Truppenabtheilungen, welche die Eroberung des Forts in Erfahrung brachten, stießen nun zu uns, und zogen unter dem Jubelschalle kriegerischer Musik ein, die mit ihrem einigen Stunden früher gezeigten Benehmen in einem sonderbaren Widerspruche stand.

Wenn die Royalisten die in der Nacht vorgefallene Flucht unserer Armee, die geringe Anzahl derjenigen, die im Fort der Ankunft der Armee entgegensahen, und vor allem der Mangel an Ordnung und Mannszucht, der dort herrschte, bekannt geworden wäre, so würde es ihnen nicht schwer gefallen seyn, und zu verjagen. Die englische Flotte war über die Eroberung des Forts nicht minder erstaunt, als unsere Armee und ihre Befehlshaber. Die Veränderung der Flagge und einige Kanonenschüsse, die vom Fort auf die englischen Fahrzeuge fielen, ließen ihr darüber keinen Zweifel; sie suchte nun das Weite, setzte ihre Kanonierschaluppen ins Meer, und beunruhigte uns nicht viel. In diesem Augenblicke der Verwirrung war ich so wie viele meiner Waffengefährten bemüht, Brot aufzufinden. Wir entdeckten welches, das jedoch noch heiß war, was uns um so lästiger fiel, als wir seit geraumer Zeit keine regelmäßige Nahrung zu uns genommen hatten.

Der Abfall der Chouans begann in dem Augenblicke, als sie sich der Fahrzeuge bemächtigt hatten; ein großer Theil der in England angeworbenen Kriegsgefangenen, die mit ihnen dienten, verließen nun die königlich Gesinnten, und traten zu uns herüber. Als der commandirende General Hoche und die übrigen Befehlshaber dieses erfuhren, ließen sie eine Colonne auf die linke Seite des Forts oder vielmehr der Batterie von St. Peter, und die andere rechts vom Meere aufmarschiren, während ein starkes Observations-Corps im Centrum aufgestellt wurde. Die Emigranten zogen sich bis ans Meeresufer zurück.

Ich war damahls unter den Plänklern; ein Stabs-Officier, der, wenn ich nicht irre, Major im Regimente Royal-Louis war, erschien. Aus dem weißen Schnupftuche, das er an der Spitze seines Degens befestiget hatte, erkannte ich in ihm den Parlamentair. Ich ging ihm entgegen, er lud mich ein, mit ihm Rum zu trinken, den er in einer kleinen Feldflasche hatte. Er war ein schöner Mann, und trug ein Ordenszeichen, dessen Band schwarz war. Er sagte mir, daß ihn Sombreuil sende, um die Einstellung der Feindseligkeiten und des Blutvergießens zu verlangen. Er erzählte mir, daß der junge und tapfere Rohan, der in der Achsel eine Schußwunde erhalten habe, nicht weit entfernt sey, und bath mich für seine Sicherheit zu sorgen, was ich ihm auch versprach. Endlich stellte er die Frage an mich, wo er unsere Feldherren treffen könne: obgleich ich es nicht bestimmt wußte, so erwiederte ich ihm doch, daß die Straße, die uns zunächst wäre, ihn wahrscheinlich zu ihnen führen würde. Er schlug diesen Weg ein, war aber noch nicht über hundert fünfzig Schritte weit gekommen, als er von einem Dutzend Freywilligen, so nannte man damahls diese Nachzügler, die den Nahmen des Soldaten schänden, und durch ihre Feigheit und Niederträchtigkeit den ersten Stand zum letzten herabgewürdiget haben, angefallen wurde. Schon hatten sie sich seiner Uhr und seines Degens bemächtiget, als ich sein Mißgeschick und seine Bestürzung bemerkte. Ich rufe einen meiner Waffengefährten zu Hülfe, wir eilen dahin, und befreyen ihn in dem Augenblicke, als diese Landstreicher ihn seines Geldes berauben wollen. Ich reiße den Degen aus den Händen des Soldaten, der ihn denselben abgenommen hatte, und stelle ihm sein Eigenthum zurück. Er zeigt mit nun denjenigen, der sich in den Besitz seiner Uhr gesetzt hatte. Mit meinem, mit einem Doppellaufe versehenen Carabiner bewaffnet, fordere ich ihn auf, die Uhr herauszugeben, da ich im Weigerungsfalle auf ihn abzudrücken entschlossen wäre. Er gab mir nun die Uhr mit den Worten, daß meine Ehrlichkeit wohl nur ein Vorwand wäre, die Uhr für mich zu behalten, und daß wir leichten Truppen den Linien-Truppen nie etwas übrig ließen. Ich begnügte mich damit, ihm den Raub abzunehmen, und erinnerte ihn und seine Gefährten sich zu ihrem Corps zu verfügen. Ich fühle mich gegen diese Nichtswürdigen, die ihre Raubsucht an den Todten und Verwundeten übten, um so mehr empört, als an demselben Morgen einer unserer verwundeten Unter-Officiere von einer Bande ähnlicher Buben, wenn es nicht immer dieselben waren, bestohlen wurde. Um diesem Officier die Erneuerung einer solchen Scene zu ersparen, erfüllte ich willig seine Bitte, ihm das Geleite zu geben.

Das Feuer der Royalisten und der Kanonier-Schaluppen spielte quer über den langen Engpaß, durch den wir marschiren mußten; ich machte den Major darauf aufmerksam, der mir erwiederte, daß er Eile habe, und seine Sendung, auch wenn es sein Leben koste, vollziehen müsse. Wir beschleunigten unsere Schritte, denn das Geschütz setzte unser Leben in Gefahr; als wir diesen Weg zurückgelegt hatten, sahen wir uns durch die Lage des Terrains beschützt. Wir langten nun bey einem Meyerhofe an, und trafen, ganz gegen meine Vermuthung, den Volks-Repräsentanten Tallien mit seinem Gefolge und einem Geleite von berittenen Jägern des 16ten Regiments. Er ruft mich, ich nähere mich ihm, und er fragt mich, wohin ich diesen Emigrirten Officier führe. Ich antworte ihm, daß er mit den Oberhäuptern der Armee zu sprechen wünsche, und daß ich sehr erfreut darüber sey, daß der Zufall mir die Gelegenheit, die er suche, sobald verschafft hätte. Der Major nahm nun das Wort, und sprach zu Tallien gewendet: "Mein Herr General (diese Täuschung war bey Leuten sehr verzeihlich, welchen die Tracht der bey den Armeen befindlichen Volks-Repräsentanten unbekannt war), der General Sombreuil, der seit der Einschiffung des Hrn. d'Hervilly die katholisch-königliche Armee befehliget, hat mich gesendet, um ihnen die Einstellung der Feindseligkeiten, und ein wechselseitiges Einverständniß anzubiethen, damit endlich der Zwiespalt aufhöre, der nur allzulange die Franzosen, die geschaffen sind, sich wechselseitig zu achten und zu lieben, getrennt hat." Unerwartet war mir Tallien's Antwort, der ihm mit einem Schneidenden und ironischen Ton erwiederte: "Mit Räubern unterhandeln wir nicht."

Der achtungswerthe Officier, obgleich überrascht, wiederholte seine Bitte dringender, erhielt aber keine andere Antwort als "Begeben Sie sich auf das Fort, wir werden sehen, was zu thun ist." Ich erlaubte mir gegen Tallien die Bemerkung, daß dieser Officier nicht mein Gefangener sey, und daß, nachdem man keine Unterhandlungen anknüpfe, meine Pflicht und die National-Ehre mich aufforderten, ihn zurückzuführen. Tallien gerieth in Wuth, und befahl mir, mich auf meinen Posten zu verfügen. Ich nahm von den braven Major Abschied, den zwey berittene Jäger nach dem Fort führten. Ich war gegen Tallien entrüstet, der mit Verachtung der Gesetze der Ehre und des Krieges einen Officier zurückbehielt, dessen heiliger Gesandtschafts-Charakter ihn hätte schützen sollen, und der das Gefühl der Ehre bey Menschen zu finden hoffte, welche die Worte Vaterland und Nation stets in ihrem Munde führten, aber freylich Verrätherey und Feigheit in ihrem Herzen trugen.

Ich umarmte den unglücklichen Major, bezeigte ihm mein Bedauern, ihn hierher geführt zu haben; er zog seine Rum-Flasche heraus, und both sie mir an, ich trank daraus, und gab auch den beyden Jägern zu trinken, die in uns drangen, schnell von einander Abschied zu nehmen. Tallien schickte uns einen Menschen aus seinem Gefolge, der mir den Befehl, mich auf meinen Posten, und den Major auf das Fort zu bringen, wiederhohlte. Gehe, antwortete ich ihm, gehe und sage dem Repräsentanten, er möge seinen Befehl diesem Officier dann ertheilen, wenn sich derselbe an der Spitze seines Regiments befindet.

Ich gehorchte indessen dem Befehle, da der Ungehorsam für mich traurige Folgen gehabt haben würde, und kehrte mit dem Degen dieses tapferen und unglücklichen Officiers, den er Niemand als mir hatte übergeben wollen, zurück. Am anderen Tage wurde er mir von dem Generalen Hoche abgefordert, der ihn dem General-Adjutanten und General-Quartiermeister Champeaux gab. Man könnte diese Erzählung bezweifeln, wenn ich nicht den Nahmen dieses Majors wüßte, und diese Thatsachen, die damahls in dem Corps, in dem ich diente, allgemein bekannt waren, zu erweisen vermöchte. Die Herren Pitra und Pradal, beyde ausgezeichnete Officiere, die sich jetzt zu Vannes befinden, können diese Thatsachen bestätigen, insbesondere der letztere, der damahls mein Capitän war, und vor der Revolution von der königlichen Garde zu dem Infanterie-Regimente Bresse, bey dem der erwähnte Major von Royal-Louis als Officier gedient hatte, in der Eigenschaft eines Feldwebels übergetreten war. Pitra und Pradal zeichneten sich vor den gewöhnlichen Soldaten auf eine sehr vortheilhafte Weise, und insbesondere durch ihre den gefangenen Emigranten geleisteten Dienste aus. Der Major hatte dasselbe Schicksal wie seine übrigen Waffen- und Unglücksgefährten, er wurde zu Vannes verhaftet. Pradal, der seine Ankunft erfahren hatte, besuchte ihn, und erfuhr das von ihm, was ich jetzt erzählt habe. Beyde verabredeten sich nun über die Mittel, wie seine Vertheidigung vor dem Tribunal zu führen sey, und waren gleich mir überzeugt, daß er nicht als Gefangener betrachtet werden könne, und daß man rücksichtlich seiner die Kriegsgesetze verletzt habe.

Sie ließen mich rufen; ich war damahls zu Quiberon, und reiste in gerader Linie zur See nach Vannes; bey meiner Ankunft war dieses unglückliche Schlachtopfer bereits verurtheilt und hingerichtet.

Als ich mich von dem Major getrennt, und zur Armee zurückbegeben hatte, ließ das Feuern nach, und man sprach von einer bevorstehenden Capitulation. Ich durchschritt den linken Flügel der republikanischen Truppen, die das Feuer eingestellte hatten, und den Ausgang einiger Unterhandlungen zu erwarten schienen. General Hoche ließ die Armee die Stellung verändern, und bald darauf langten in dem Dorfe, das wir besetzt hatten, mehrere Generäle und Stabs-Officiere an, die uns befahlen, uns in Tirailleurs aufzulösen, aber nicht zu schießen, sondern den Royalisten zuzurufen, die Waffen niederzulegen, und sich im Vertrauen auf französische Rechtlichkeit zu ergeben.

Diese friedlichen Verfügungen, durch die der Kampf beendiget werden sollte, erfüllten mich mit Vergnügen, denn die Royalisten konnten noch immer einen Versuch wagen, den sie auch sicher unternommen haben würden, wenn sie unsere Treulosigkeit hätten ahnen können. Allgemein, und insbesondere bey der Avant-Garde des linken Flügels, bey der ich mich befand, ertönte der Ruf: ergebt euch, vertraut der französischen Redlichkeit! Bald darauf, und wahrscheinlich während sie Sombreuil mit dem Generalen Hoche unterredete, näherte man sich mit größerem Zutrauen. Die Republikaner trieben den Verrath aufs äußerste, indem sie die Royalisten entwaffneten, und auf einen Sandhaufen, der sich in der Mitte der Halbinsel befand, zusammentrieben.

Ich sah den Herrn von Sombreuil ankommen, er war einer der schönsten Officiere der königlichen Armee; seine edle Miene und sein anmuthsvolles Betragen wurden durch seine schlanke Gestalt noch erhöht; er trug ein gesticktes Kleid von scharlachrothem Tuche, weiße Pantalon, und einen bordirten, mit Federn versehenen Hut. Ich bewunderte diesen Generalen, der in jeder Rücksicht eines besseren Looses würdig war. Mir sind alle einzelnen Umstände, die seiner Verurtheilung und seinem mit dem Bischofe von Dol erlittenen Tode vorausgegangen sind, wohl bekannt, aber ich will nicht davon reden, da ich nicht dabey gegenwärtig war. Ganz anders verhält es sich mit Rohan, den mir der Major von Royal-Louis empfohlen hatte, und der, wie ich wohl wußte, in einem zu ebener Erde befindlichen Saale, dessen Fenster vergittert waren, verwahrt wurde. Dieser beynahe im Mittelpuncte der Insel befindliche Ort hieß St. Peter.

In allen Häusern, in welchen sich Verwundete und Gefangene befanden, hatte man Wachtposten aufgestellt; in Rohan's Saale befanden sich mit Inbegriff seines Erziehers, der der erste auf mich zugegangen war, und mich angeredet hatte, dreyzehn Gefangene. Rohan war damahls noch sehr jung, und in der rechten Achsel durch einen Schuß verwundet; er lag auf Stroh, rührende Sanftmuth und Unschuld sprach aus seinen Zügen. Der Abbé war aus St. Germain-en-Laye, oder hatte dort lange Zeit gelebt, wir wurden bald mit einander bekannt. Er erzählte mir, daß keiner aus ihnen an diesem Tage noch etwas gegessen habe, daß sie seit dem Verluste von St. Peter eingesperrt gehalten, und gleichsam auf einen Haufen zusammengelagert würden, und daß er durch die Gitter mehreren Soldaten Geld mit der Bitte gegeben habe, ihnen Lebensmittel zu bringen, von welchen aber keiner zurückgekehrt sey.

Ich gab ihm meinen Unwillen über das Betragen dieser Soldaten zu erkennen, und versprach ihm, daß sie bis zum Abende alles haben sollten, was ich immer aufzubringen vermöchte. Er erzählte mir nun das traurige Schicksal und die Leiden seines Zöglings. Ich war damahls mit der Bewachung der verschiedenen Magazine des Forts St. Peter beauftragt; man fand darinnen Rum, weißen Wein, Chocolate, Mehl und sogenannten Thomas-Zucker. Überdieß enthielten diese Magazine eine große Menge von Sätteln, Kleidern, Westen, Hosen, Hemden, wachsleinwandnen Tornistern, auf welchen zwey L und eine Lilienkrone angebracht waren, viele Fässer mit Hufeisen, andere mit ganzen Bündeln und Büchern von Assignaten jeder Gattung. Alle diese der königlichen Armee abgenommene Beute wurde auf neun Fischerkähnen eingepackt und nach Vannes geführt. Die scharlachrothen Kleider wurden schwarz gefärbt, um damit die in Irland gelandete, unter den Befehlen des Generalen Humbert stehende Legion zu kleiden; die Assignaten wurden zu verbrennen angeordnet. Die Colonne der Emigrirten Royalisten war, von einem Theile unserer Armee eskortirt, bereits auf dem Marsche nach Auray und Vannes.

Ich ließ für die Soldaten meiner Compagnie Brot backen, und verwaltete die Geschäfte eines Fouriers. Gegen neun Uhr Abends übergab ich einem Jäger meiner Compagnie zwey Flaschen Rum, einige Maß weißen Weines, Chocolate, Zucker, Brot und ungefähr acht Pfund gebratenes Hammelfleisch, und eilt mit ihm nach St. Peter, dessen Einwohner sich auf die um die Insel befindlichen Fahrzeuge geflüchtet hatten; daher auch die verlassenen Häuser uns ganz zu Gebothe standen.

Durch diese, jeder gefühlvollen Seele so natürliche menschliche Handlung hatte ich mit die Achtung und die Dankbarkeit dieser Unglücklichen erworben. Ich besuchte sie alle Tage, aber leider waren meine Besuche nur von kurzer Dauer. Herr von Rohan fragte mich einige Mahle, was das Peloton-Feuer, das er höre, und das eigentlich den Ausgewanderten, die man zum Erschießen verurtheilt hatte, galt, zu bedeuten habe. Vergebens suchte ich ihm die Wahrheit zu verhehlen und ihm zu zerstreuen, er schien meinen Worten wenig Glauben beyzumessen; der Unglückliche sah sein Geschick voraus. Endlich schleppte man alle zum Tode, und die Militär-Commissionen waren in voller Arbeit, um die Emigranten zu Auray, Vannes und Quiberon, und vor allen die Verwundeten zu verurtheilen und erschießen zu lassen.

Ich habe den Herrn von Rohan und seine Unglücksgefährten, die so wie er verwundet waren, zur Richtstätte führen sehen; diese Unglücklichen wurden hinter den Mauern eines eingeschlossenen Bezirks getödtet. Im Augenblicke der Exekution verlangte mich Rohan's Lehrer zu sprechen. Man ließ mich kommen, er umarmte mich, und bezeigte mir seine Dankbarkeit sowohl in seinem Nahmen, als im Nahmen seines Zöglings und seiner Unglücksgefährten. Er bath mich seine Halsbinde aufzuknüpfen, und sie nebst dem darin befindlichen Briefe einer in Vannes befindlichen Person zu übergeben: ich versprach es ihm, und habe mein Versprechen erfüllt. Ich will bey diesen Schreckensscenen nicht länger verweilen, die alles, was sich durch Tapferkeit und Unbescholtenheit bemerkbar machte, und so viele ausgezeichnete Franzosen, die der Tugend, der Ehre und dem Ruhm bis zum letzten Lebenshauche treu geblieben waren, zu Grunde gehen sahen.


Vermischte Nachrichten.[]

[4]

Aus Brest meldet man, daß die Ebene von Oray, wo die gefangnen Emigranten von Quiberon todtgeschoßen wurden, jetzt die Ebene der Märtyrer genannt werde, daß daselbst ein Pfahl errichtet sey, wobey eine Büchse angeheftet, in welcher man Allmosen hineinwerfe, um eine Capelle zu erbauen, und daß täglich Leute dahin kommen, Geld in die Büchse stecken und ihr Gebet verrichten.


Quellen.[]

  1. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Für das Jahr 1795. Im Verlage des Herausgebers.
  3. Historisch-biographische Gemälde zur Aufklärung der denkwürdigsten Ereignisse, welche durch die französische Revolution seit ihrem Ausbruche bis zur Wiederherstellung des Throns unter Ludwig XVIII. veranlaßt worden sind. Aus den neuesten und besten Quellen gesammelt. Pesth 1817, bey Konrad Adolph Hartleben.
  4. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1797.
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