Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Anfang des Krieges, und Feldzug des Jahres 1792.[]

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Die erste wichtige Folge der bekannten Revolution in Frankreich die wir in ihrem Ursprunge zu beschreiben nicht willens sind, war ein fast allgemeiner Krieg in Europa, der mit einem Manifeste Frankreichs gegen den teutschen Kaiser Leopold (den 20. April 1792) seinen Anfang nahm. In demselben behauptete das französische Gouvernement unter andern: 1) der Kaiser habe i. J. 1791 in feindlichen Gesinnungen mit mehreren Fürsten gegen Frankreich in Pilnitz eine Convention geschlossen; 2) er habe längs seinen Gränzen bewaffnete Versammlungen von französischen Emigranten geduldet, so wie auch 3) selbst grosse Zurüstungen daselbst veranstaltet.

Dagegen erwiederte man in Wien, der französis. Minister daselbst habe im nämlichen Zeitpuncte des oben erwähnten Manifestes seiner Regierung erklärt, dass nach seiner Meinung der teutsche Kaiser bloss defensive oder friedliche Absichten habe. Auch Necker sprach in seiner Adresse an das französische Volk zu Gunsten Ludwigs XVI. von einem officiellen Briefe des damaligen Ministers der äusseren Angelegenheiten, welcher gleichfalls behauptete, es sey klar erwiesen, dass weder der kaiserliche noch preussische Hof Frankreich den Krieg hätten ankündigen wollen, ja nach unwidersprechlichen Beweisen habe Frankreich selbst die Feindseligkeiten angefangen und ganz Europa gegen sich aufgewiegelt. Auch Brissot (obgleich der König im Tempel gefangen sass) bekräftigte dies endlich mit den Worten, dass er nebst seiner Partei (die Brissotiner) Ludwig XVI. gezwungen habe, Oestreich den Krieg zu erklären, bloss um ihn auf die Probe zu stellen; 2) dass Kaiser Leopold die Emigranten wirklich habe entwaffnen lassen, und mehrere teutsche Fürsten zu gleichem Schritte bewogen; 3) dass der Kaiser so wenig an ernstliche Kriegszurüstungen gedacht, dass er dem Fürst-Bischof von Basel nur 600 Mann zu Hülfe geschickt, als sein Land von den Franzose bedroht wurde; 4) dass er ferner, als Mainz erobert wurde, gar keine Armee weiter am Rhein gehabt habe, so wie auch endlich kaum 20,000 Mann in den Niederlanden, die, als ein offener, allen Gefahren ausgesetzter Punct zuerst bedroht und angegriffen werden sollten.

Wie dem auch sey, so hatte schon das Schleifen der niederländischen Festungen durch K. Joseph II. die Vertheidigung dieser Provinzen den Kaiserlichen fast unmöglich gemacht; auch herrschte ausserdem zu Zeiten seines Nachfolgers eine so grosse Oeconomie, dass man aus eben dem Grunde fast immer in diesem Jahre das that, was man schon im vorigen hätte thun sollen; dass man sich stärker auf dem Papiere und in der Fremde angab, als man in Reih und Gliede war; dass man endlich durch Hin und Hermärsche dem Feinde überall mehr als man hatte zeigen wollte. Dieses Oeconomie- und Cordonsystem allenthalben zu erscheinen und nirgends stark genug zu seyn, konnte zwar im Anfange einen unerfahrnen Feind leicht täuschen, hatte aber auch nachher nachtheilige Folgen, als die Franzosen, die sich nach jedem Schlage, den sie erhielten, hinter ihre zahlreichen Festungen postirten, ihre Soldaten an das Feuer gewöhnt, so wie auch das ganze Kriegs-Metier, (worin sie grosse Theoristen zählten,) aus Erfahrung gelernt hatten.

Der erste Angriff der Franzosen, der ihrer Kriegserklärung im Monat Mai nachfolgte, sollte in drei Hauptcolonnen oder Corps d'Armée in den Niederlanden geschehen; die linke Colonne unter dem General Rey de Carles war bestimmt über Fürnes nach Flandern einzubrechen; die mittelste, oder Hauptcolonne, vom General Dillon angeführt, die von Lille ausmarschirte, um Tournay zu erobern und in die Mitte von Brabant einzudringen; die rechte Colonne erst Namur anzugreifen und dann längs der Maas vorzurücken. Als aber das Hauptcorps bei Erblickung der Kaiserlichen, die schon die Anhöhen von Baisieux erstiegen hatten, vom panischen Schrecken ergriffen, sogleich beim ersten Schusse die Flucht nahm, und seinen Oberbefehlshaber ermordete, musste General de Carles, der schon bei Fürnes stand, ganz zurück, so dass der Marsch des Corps d'Armée zur Rechten gar nicht Statt fand; doch zog sich der Feind, da die Kaiserlichen seine Verwirrung keineswegs benutzten, überall unverfolgt zurück.

Endlich kam die bekannte Expedition nach Champagne zu Stande. Mit weniger als 80,000 Mann, worunter sich gegen 20,000 kaiserliche und 10,000 französische Emigranten befanden, wagte man es bekanntlich unter der Anführung des Herzogs von Braunschweig, den 27. Julius in ein Land einzumarschiren, worin fast 4 Millionen wehrhafter Männer bewaffnet standen; wo der angreifende Theil nicht allein keine Magazine errichtet fand, sondern sogar nicht einmal mit Zuversicht auf die Zufuhre seiner Lebensmittel rechnen konnte; wo man sich keine Reservearmee noch Divisionen vorbehielt, als das unnütze Bombardement das der Herz. v. Sachsen-Teschen mit etwa 6,000 M. gegen Lille versuchte, wodurch die schon in allgemeine Gährung versetzten Gemüther des französischen Volks nur noch mehr entzündet wurden; in ein Land endlich, wo man Sédan, Stenay, und andere Oerter an der Maas zu erobern vernachlässigte, welche alle bei der Zerstreuung der Armee durch La Fayette ihnen leicht in die Hände gefallen seyn würden; da, wie aus der Erfahrung erhellete, die Festungen Longwy und Verdun keiner einzigen angreifenden Armee hinlängliche Stütze zusicherten geschweige denn widrigenfalls die Winterquartiere im feindlichen Lande zu decken vermögend waren.

Im Uebrigen waren die französischen Armee gegen die preussische Invasion vortrefflich gestellt. La Fayette stand vor seiner Desertion bei Sédan; nach ihm commandirte Dumouriez daselbst; bei Metz stand im vortheilhaften Posten Kellermann, um den Preussen den grössten Schaden zuzufügen; bei Valenciennes, den Niederlanden gegenüber, stand ein kleines Corps; und bei Landau sammelte General Custine eine Armee, die nach der Eroberung von Mainz den Rückzug der Preussen nach Coblenz hätte unmöglich machen können. Dann hätten sie sich durch die Ardennen nach Luxemburg werfen müssen, einer Stadt, die schon vorher durch Zufuhre an die Armeen erschöpft worden war, und die überhaupt nebst Longwy keine hinlängliche Basis war, um längs Verdun nach Chalons zu operiren. Weit vortheilhafter wären, um über Rheims nach Paris zu gelangen, Namur, Sédan und Verdun gewesen, hätte man auch gleich in diesem Falle statt eines, zwei grosse Ströme besetzt haben müssen.

Da sich alle Elemente zu Gunsten des französischen Oberbefehlshabers Dumouriez (der übrigens eine gute Position im Argonner Walde zu nehmen wusste) gegen die verbundenen Heere vereinigten, und die stark einbrechende rothe Ruhr diese an thätigeren Fortschritten hinderte, so gewährte dies den Franzosen Zeit, mehrere Corps zur Verstärkung ihrer Hauptarmee von allen Seiten anrücken zu lassen. Unterdessen hatte der Tag des 10. Augusts zu Paris alle Hoffnungen einer Mitwirkung der königliche Partei in der Hauptstadt zernichtet, da es ja überdies sehr zweifelhaft war, ob eine Schlacht bei Valmy (wäre sie auch gewonnen worden), etwas Gutes bewirkt hätte. Theils aus Schonung für den Monarchen, theils aus Besorgniss sich den Rückzug abschneiden zu lassen, woran auch endlich Furcht vor den obenerwähnten Krankheiten keinen geringen Antheil hatte, fanden die Alliirten für gut, einen Rückzug anzustellen, den die Franzosen nur schwach beunruhigten, welchen aber Custine, der sich unterdessen durch Verrätherei und List der Stadt Mainz bemeistert hatte, äusserst hätte erschweren können, wäre er ein eben so geschickter General, als ein ausserordentlicher Prahler gewesen. Sein Marsch nach Frankfurt war gegen alle Regeln, wenn such gleich seine Operation gegen Mainz sehr gut überdacht genannt werden kann. Uebrigens bemächtigte sich unterdessen General Montesquieu des ganzen Savoyens, bedrohte die Stadt Genf, welche die Schweitzer diesmal noch retteten, ohne jedoch den Mord ihrer Brüder in Paris durch Rache weiter zu verfolgen; während sich besagter französischer General aus Furcht vor der Guillotine (der gewöhnlichen Belohnung der damaligen republicanischen Befehlshaber) von seiner Armee ins fremde Land begab, so wie schon La Fayette gethan hatte, dessen Beispiel dann auch Dumouriez nachfolgte.

Unterdessen versäumte letzterer nicht, seine errungenen Vortheile zu benutzen, und versprach sich in den ganz offenen Niederlanden sowohl leichten Sieg als reiche Beute. Uebrigens kann man nicht behaupten, dass die Invasion des Dumouriez in die Niederlande so ausgezeichnet und bewunderungswerth nach den Regeln der Strategie gewesen sey, als er uns dies in seinen Mémoires glauben machen will; denn sich mit dreifach grösserer Macht und einer ungeheuern Artillerie seinem Feinde entgegenzustellen, ihn mit grobem Geschütze zu bombardiren, und ihn, jedoch nichts bis über den Rhein, fortzutreiben. Hätte er denn nicht 20,000 Mann von seinem zahlreichen Heere ersparen und noch eben so viel Zuwachs aus Frankreich sich verschaffen können, wenn er diese zweite Armee seinem Nächsten im Commando hätte anvertrauen und sie längs der Maas nach Namur zu operiren lassen wollen? ich frage, ob er alsdann nicht den Rhein vor Clerfayt und dieser 3ten Armee erreicht haben würde? Da man in der That kaiserlicher Seits nicht die mindeste Verstärkung hinunter geschickt hatte, und die 40,000 Mann, welche die Armee im Anfang des Feldzugs stark war, durch den Marsch nach Champagne sehr geschwächt worden waren, da ferner Luxemburg nicht unbesetzt bleiben konnte; so hatte man bei der Position der Anhöhen von Mons keine 25,000 Mann ins Feld zu stellen. Vier bis 5,000 blieben auf den Anhöhen von Tournay, und ein paar tausend in Namur, dessen Schloss in der Eile etwas reparirt worden war. Hierin also bestanden die Vertheidigungsmittel der Oesterreicher gegen einen Feind, der ihnen 60 bis 80,000 Mann nebst einer schweren Artillerie entgegen zu setzen hatte; da hingegen die Kaiserlichen selbst in einer ziemlich ausgedehnten Stellung bei Mons einige lange Zwölf-Pfünder mit 7pfündigen Haubitzen in so geringer Anzahl führten, dass sie sich nur defensiv darin halten konnten.

Die damals so hochgepriesene Schlacht von Gemappes bestand eigentlich nur darin, dass Dumouriez, nachdem er einige Tage lang alles wohl recognoscirt hatte, und die Oestreicher aus Mangel an Reiterei und aus Besorgniss wegen der Feinde überlegener Anzahl, nicht selbst angriffen, sich endlich den 6ten November entschloss, sein zahlreiches grobes Geschütz gegen die Oestreicher auf allen Puncten anrücken zu lassen. Durch alte und geschickte Artilleristen bedient; brachte dies die kaiserlichen Stücke von kleinerem Caliber gar bald zum Schweigen; und die Armee, durch Schuss und Knall ermuntert, folgte in Angriffscolonnen, welche Dumouriez, Egalité und noch einige andere gediente Generäle endlich deployiren liessen, selbst anführten, und durch ein gutes Beispiel dorthin zum Avanciren brachten, wo der schwächere Feind schon anfieng einige Lücken zu bekommen. Jetzt war es Zeit der Uebermacht zu weichen. Die Kaiserliche thaten es gelassen und in Ordnung; die Walloner-Regimente desertirten zwar zum Theil, doch brachte General Clerfayt das Uebrige mit bedeutendem Verluste glücklich bis an die Roer, bot einigemal dem Feinde die Stirn, und erwarb sich bei jedem sachkundigen Militär grosse Ehre.

Was den Gen. Dumouriez betrifft, so hätte er nicht eher ruhig seyn sollen, als bis er die Oestreicher über den Rhein verdrängt hätte; denn dies war äusserst nöthig, ehe er weitere Fortschritte gegen Holland machen konnte. Als er nun die kaiserlichen Niederlande fast ausgesaugt, und die Einwohner derselben durch allerlei Erpressungen des Convents-Commissairs gegen sich aufgereizt hatte, als der strenge Winter die Confusion, welche in allen Theilen seiner Armee herrschte, und andere Gründe, deren er erwähnt, ihn, seiner Meinung nach, hinderten, die Kaiserlichen weiter als bis an die Roer vorzutreiben; so entschloss sich der kriegerische Wagehals sein Heer in Holland (wie er selbst sagt) durch ein Nadelöhr einzuführen. Dessen ungeachtet konnte er Sicherheits halber sich zur Stütze, im Unglücksfalle zur Begünstigung seiner Retraite, der Festungen an der Maas (als Maastricht und Venlo) zu bemeistern nicht vernachlässigen, obgleich dieses ohne förmliche Kriegserklärung gegen Holland nicht wohl angieng; die den wirklich in der Folge der Kriegsminister le Brun (ehemaliger Zeitungsschreiber und Journal-Redacteur), ohne sich eben die Mühe gegeben zu haben, einen gerechten Vorwand hierzu aufzufinden, mit dem Anfange des Jahrs 1793 auch bewerkstelligte.


Quellen.[]

  1. Historisch-militärisches Handbuch für die Kriegsgeschichte der Jahre 1792 bis 1808. Von A. G. Freiherrn von Gross. Amsterdam, im Verlage des Kunst- und Industrie-Comptoire. 1808.

Literatur.[]

  • Briefe eines preußischen Augenzeugen über den Feldzug des Herzogs von Braunschweig gegen die Neufranken im Jahre 1792. Germanien, 1793.
  • Kriegsbegebenheiten in Deutschland und ausführliche Beschreibung der Operationen der Preussen und Hessen nach ihrem Rückzuge aus Frankreich zur Behauptung von Coblenz, und Vertreibung der Franzosen vom rechten Rheinufer und zur Wiedereroberung von Frankfurt im Jahr 1792. von einem Augenzeugen. Frankfurt am Main, bei Friedrich Eßlinger. 1796.
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