Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Jetziges Schicksal.

[1]
Lafayette, Obergeneral der Ardennenarmee, flüchtet nach dem 10. Aug., wird auf dem Lütticher Gebiet arretirt, uun mehrere Jahre lang in preussischen und östreichischen Gefängnissen herumgeschleppt, privatisirt jetzt auf seinem Gute bei Melun im Seine- und Marne-Departement.


Lafayette.[]

[2]

PortretDeLaFaijette240

De la Faijette.

Lafayette.

Lafayette, geboren zu Avergne aus einer der ältesten Familien dieser Provinz. Er kam sehr jung zur Armee, welche Ludwig XVI. den Amerikanichen Kolonien zur Vertheidigung ihrer Unabhängigkeit zu Hülfe schickte. Rochambeau, der in ihm einen thätigen, muthvollen, jungen Mann wahrgenommen hatte, stellte ihn an die Spitze einiger mit den Einwohnern vereinigten Freywilligen, und Lafayette machte den ganzen Krieg auf diese Weise mit einiger Auszeichnung mit. Er kehrte nach Frankreich als Feldmarschall zurück, trunken von den Dankbezeigungen der Amerikaner und voll von Freyheits- und Revolutions-Ideen, die jenes glückliche Beyspiel, das er eben gesehen hatte, in ihm nährte. Als ernannter Deputirter des Adels seiner Provinz votirte er die gemeinschaftliche Darlegung der Vollmachten. Nach der Vereinigung der drey Stände bestand er mit Mirabeau auf der Entfernung der Truppen, welche der Hof gegen Paris marschiren ließ. Als ernannter Vicepräsident legte er seine Erklärung der Rechte vor. Den 15. July 1789 wurde er zum Kommandanten der Pariser Nationalgarde ernannt. Im Februar 1790 trug Lafayette auf Unterdrückungsmaaßregeln gegen die Beunruhiger der Provinzen und auf Entschädigungen für die Eigenthümer der niedergebrannten Häuser an. Bey der Flucht Ludwigs XVI. beschuldigten ihn die Jakobiner, den König dabey unterstützt, und die Royalisten, dessen Verhaftung vorbereitet zu haben; die ersten rotteten den Pöbel um das Rathhaus zusammen und liessen seinen Kopf fordern. Durch seine Standhaftigkeit aber gelang es ihm, die Rotte in Zaum zu halten. Nach der Annahme der Konstitution stimmte Lafayette für die Amnestie, welche der König verlangte, und legte seine Stelle als Kommandant der Garde nieder, weil er bloß durch die Revolution dazu bevollmächtigt wäre, und alles, was derselben sein Daseyn zu danken hätte, jetzt der konstitutionellen Regierung Platz machen müßte. Seine Waffenbrüder machten ihm damals ein Geschenk mit einem Degen, und die Municipalität ordnete an, daß ihm zu Ehren eine goldene Medaille geschlagen und ihm Washingtons Büste verehrt werde. 1792 begab sich Lafayette nach Metz und übernahm das Kommando der Armee des Zentrums, die zur Zeit der Kriegserklärung aus 50000 Mann bestand, und zur Vertheidigung der Ardennengrenze bestimmt war. Anfangs hatte er sein Lager unter den Mauern von Givet aufgeschlagen, und seine Avantgarde, die bey Philippeville stand, erlitt einen leichten Verlust. Hierauf führte er sie in das verschanzte Lager von Maubeuge; aber bald wurde seine Avantgarde unter Gouvion bey Grisuelles überfallen, niedergehauen, und Gouvion von einer Kanonenkugel getödtet. Kurze Zeit darauf erhielt seine Armee die Nachricht von den Gewaltthaten des 20. Juny und erklärte sich in verschiedenen Addressen mächtig gegen die dem Könige angethanenen Beleidigungen. Stolz auf diesen Rückenhalt begab sich Lafayette nach Paris, erschien vor den Schranken des gesetzgebenden Körpers, beschwerte sich über diese Vergehungen und klagte mit Festigkeit die Jakobinerparthey an. Die Versammlung schien einen Augenblick durch diesen muthvollen Schritt in Furcht gesetzt, die Partheysüchtigen faßten sich aber bald wieder, und Lafayette kehrte zu seiner Armee zurück, nachdem er vergebens in Ludwig XVI. gedrungen war, Paris zu verlassen und sich in die Mitte seiner damals treuen ihm zugethanen Truppen zu begeben. Weniger Tage nachher verlangte die Girondeparthey das Anklagedekret gegen ihn, wurde aber mit 400 Stimmen überstimmt. Nachdem er seine Armee noch verschiedene Märsche hatte machen lassen, wendete er sich endlich nach Sedan zu, um sich den Preussen entgegen zu stellen, die gegen die Mosel zu vorzurücken anfingen. Hier erfuhr er die Katastrophe vom 10. August. Umringt von Truppen und Ortsbeamten, die ihm ergeben waren, wollte er anfangs dem Ungewitter die Spitze bieten, verordnete die Verhaftnehmung der Kommissäre, die gekommen waren, ihn abzusetzen, und erließ an seine Truppen eine Proklamation, in welcher er ihnen das letzte Ereigniß mit den schwärzesten Farben zeichnete und sodann sie einlud, zwischen der Konstitution und Petion als Könige zu wählen. Niemand war unentschieden, die ganze Armee schrie: Es lebe der König, es lebe die Konstitution!" Den folgenden Tag aber erfuhr sie mit grossem Erstaunen, daß ihr Anführer sich mit Recht wenig auf den esten Ausbruch von Großmuth und Enthusiasm verlassen und mit einigen Offiziers seines Generalstabes die Flucht ergriffen hatte. Er wurde sogleich für ausgewandert angesehen, und die Pariser Gemeine ließ durch die Hand des Henkers den Stämpel der für ihn dekretirten Medaille zerbrechen. Bey seiner Ankunft auf den österreichischen Vorposten ward er arretirt, als Staatsgefangener behandelt und nach Luxemburg geführt. Hierauf ward er dem Könige von Preussen ausgeliefert, der ihn nach Wesel und von da nach Magdeburg bringen ließ, wo er ein Jahr im Gefängniß blieb. Bey dem Baseler Friedenschluß lieferte der König seinen Gefangenen wieder an Oesterreich aus, und Lafayette kam nach Olmütz. Damals war es, wo der Doktor Bollmann und der junge Huger, Sohn des Mannes, bey dem Lafayette das erstemal in Amerika gelandet war, den kühnen Plan ausführten, ihn in dem Augenblick, wo man ihn frische Luft schöpfen ließ, aufzuheben. 8 Meilen von Olmütz wurde Lafayette aber arretirt und von neuem verhaftet. Zu Ende 1795 erhielten seine Gemahlinn und seine Kinder die Erlaubniß, seine Gefangenschaft zu theilen. Endlich nach 3 Jahren und 5 Monaten kam er auf ansuchen des Direktoriums und Bonapartes wieder in Freyheit und begab sich nach Hamburg. Nach den 18. Brümaire ist er in sein Vaterland zurückgekehrt und lebt friedlich und ruhig auf seinen Gütern in Auvergne, die ihm zurückgegeben worden sind. Bey einem Aufenthalt in Paris brach er das Bein, und mußte eine schwere Kur ausstehen. Auch seine Frau ist ihm gestorben.


Lafayette in seiner wahren Größe.[]

[3]
Der fünfter Oktober 1789.

Bey dem Aufstand von Paris am heutigen Tag *) zeigte sich Lafayette in bewundrenswürdiger Größe. Brodmangel und überhaupt Theurung der Lebensmittel, war der Vorwand zu demselben, Im Grund aber war das Volk blos von einigen herrschsüchtigen Demagogen verhetzt geworden. Lafayette gab sich alle mögliche Mühe, die Wuth des empörten Volks zu besänftigen, aber lange vergebens. Man drohte ihm von einer Seite mit dem Laternenpfahl und von der andern, in Stücke gehauen zu werden; doch er wußte die Unsinnigen zu zähmen, wie der Mann, von dem Virgilius singt: **)

Ac veluti magno in populo cum saepe coorta est

Seditio, saevitque animis ignobile vulgus,

Jamque faces et saxa volant, furor arma ministrat;

Tum, pietate gravem ac meritis si forte virum quem

Conspexere, silent, arrectis auribus adstant:

Ille regit dictis animos, et pectora mulcet.

Lafayette gab dem Sturm nach, stellte sich zum Schein an die Spitze der Misvergnügten und zog mit ihnen um schrecklichsten Regenwetter nach Versailles, in Hofnung, daß ein Weg von vier Stunden ihre Hitze abkühlen werde. Während des Marsches gieng er von einem Glied zum andern, um es zu besänftigen, und machte die meisten geneigt, der Stimme der Ehre und wahren Vaterlandesliebe zu folgen. Am ersten Schlagbaum von Versailles ließ er die ganze Armee ein Viereck schließen und dem König und der Nation den Eid der Treue schwören. Hierauf vermochte er den König: dem Mangel an Lebensmitteln in Paris zu steuern, die Truppen von seiner Person zu entfernen und seine Beschützung der Nationalgarde anzuvertrauen. Anbey erklärte der König, daß er alle Artikel der Constitution unbedingt annehme.

Mehrere Gardisten, die das empörte Volk ermorden wollte, flüchteten sich in die königliche Gallerie. Der Pöbel hieb die Thüren mit Aexten auf und war schon an der letzten, als sich Lafayette kaltblütig vor derselbe stellte, die Mörder zurück hielt und sagte; "Freunde, wo wollt ihr hin? Warum wollte ihr ein so schönen Tag mit Meuchelmord besudeln? warum euren König betrüben? die Garden lieben ihn, wie wir, seht, hört, ob sie nicht eure Brüder sind!" -- In diesem Augenblick schwuren die Gardisten den Eid der Treue für König und Nation und plötzlich war die Wuth des Volks besänftigt. -- Zuletzt vermochte Lafayette auch noch Ludwig XVI., dem Wunsch des Volks gemäs nach Paris zu gehen, und so war durch das kluge Benehmen eines einzigen Mannes in der kürzesten Zeit ein Aufstand gestillt, der wahrscheinlich aus keiner andern Absicht angesponnen war, als daß der König entfliehen möchte. Dann hätte man den Thron für ledig erklärt, die wahren Patrioten aus dem Weg geräumt und die Alleinherrschaft in blutige Hände überliefert. Lafayette erhielt damals noch dem König seine Krone und rettete die Nation von dem drohenden Bürgerkrieg.

*) Man sehe den ersten Band dieses Handbuchs, Seite 409 f.
**) Aeneidos Lib. I. V. 152. sqq.


Der General La Fayette.[]

Anne Louise Germaine de Staël.

[4]
La Fayette hatte seit seiner frühsten Jugend für die Sache Amerikas gefochten, und sich dadurch frühzeitig die Grundsätze der Freiheit zu eigen gemacht, welche die Grundlage der Verfassung der vereinigten Staaten sind; wenn er Irrthümer begangen hat in Beziehung auf die französische Revolution, so stehen sie in genauer Verbindung mit seiner Bewunderung für die amerikanischen Einrichtungen und für den Helden-Bürger Washington, der die ersten Schritte seiner Nation auf der Bahn der Unabhängigkeit leitete.

La Fayette, jung, reich, von Adel, geliebt in seinem Vaterland, entsagte allen diesen Vorzügen, in einem Alter von neunzehn Jahren, um jenseits des Meers der Freiheit zu dienen, deren Liebe sein ganzes Leben entschieden hat. Hätte er das Glück gehabt, in den vereinigten Staaten geboren zu werden, er hätte sich wie Washington betragen; die gleiche Uneigennützigkeit, die gleiche Begeisterung, die gleiche Beharrlichkeit in den Meinungen, zeichnen den einen wie den andern von diesen großmüthigen Freunden der Menschheit aus. Wäre der General Washington Oberbefehlshaber der pariser National-Garde gewesen, wie der Marquis de la Fayette, vielleicht hätte auch er nicht über die Umstände siegen können, vielleicht wäre auch er an der Schwierigkeit gescheitert, seinem Eid gegen den König treu zu seyn und dennoch die Freiheit der Nation zu gründen.

Man muß es sagen, La Fayette ist als ein ächter Republicaner zu betrachten; keine der Eitelkeiten seines Standes kam je in seinen Sinn; die Gewalt, deren Einfluß in Frankreich so groß ist, hat kein Uebergewicht über ihn; der Wunsch in den Gesellschafts-Sälen zu gefallen, verändert nicht das kleinste seiner Worte; er hat sein ganzes Vermögen mit der edelsten Gleichgültigkeit seinen Ueberzeugungen aufgeopfert. In den Gefängnissen von Ollmütz wie auf dem Gipfel des Ansehens ist er gleich unerschütterlich in seiner Anhänglichkeit an die nehmlichen Grundsätze geblieben. er ist ein Mann, dessen Ansicht und Betragen vollkommen geradeaus geht. Wer ihn beobachtet hat, kann zum voraus mit Zuverläßigieit wissen, was er bei jeder Gelegenheit thun wird. Seine politischen Ansichten und Grundsätze sind ähnlich wie die der Amerikaner aus den vereinigten Staaten; sein Gesicht selbst ist mehr englisch als französisch. Der Haß, der La Fayette verfolgt, hat niemals seinen Charakter erbittert; sein Gemüth ist vollkommen ruhig; allein nichts hat auch seine Ueberzeugungen verändert, und sein Glaube an den Sieg der Freiheit ist so fest, wie der Glaube eines Frommen an das zukünftige Leben. Diese Gesinnungen, welche der selbstischen Berechnung der meisten Männer, die in Frankreich eine Rolle gespielt haben, so entgegengesetzt sind, mögen wohl Einigen bemitleidenswerth erscheinen; es ist so einfältig, denken sie, sein Vaterland sich selbst vorzuziehen, die Parthie nicht zu wechseln, wenn sie geschlagen ist; kurz die Menschen nicht als Spielkarten, deren man sich zum Vortheil bedienen muß, sondern als einen heiligen Gegenstand der vollkommensten Hingebung zu betrachten. Gleichviel, wenn man auf diese Weise den Vorwurf der Einfalt sich zuzieht, möchten nur unsere guten Köpfe ihn einmal verdienen. Es ist eine eigene Erscheinung, daß ein solcher Charakter wie La Fayette sich unter dem ersten Rang der französischen Edelleute entwickelt hat; allein man kann ihn mit Unpartheiligkeit weder anklagen noch rechtfertigen, ohne ihn zu erkennen, wie ich ihn so eben geschildert habe. Man kann sodann die verschiedenen Widersprüche, die aus seiner Lage und seiner Weise zu seyn, entstehen mußten, leicht begreifen. Während er die Monarchie mehr aus Pflicht als aus Neigung unterstützte, näherte er sich unwillkührlich den Grundsätzen der Demokraten, gegen die er zu kämpfen verbunden war; und man konnte an ihm einige Vorliebe für die Freunde der Freiheit bemerken, wenn gleich sein Verstand ihm verbot, ihr System in Frankreich zuzulassen. Seit La Fayette's Abreise nach Amerika, vor vierzig Jahren kann man keine That, kein Wort von ihm anführen, das nicht in der gleichen Bahn gewesen wäre, ohne daß je ein persönliches Interesse sich in sein Betragen gemischt hätte. Ein glücklicher Erfolg hätte die Art zu seyn hervorgehoben; allein sie verdient dennoch die ganze Aufmerksamkeit des Geschichtschreibers, trotz de Umstände und der Fehler, die seinen Feinden zu Waffen dienen können.

Am eilften Julius, ehe der dritte Stand gesiegt hatte, erschien La Fayette auf der Rednerbühne der constituirenden Versammlung mit dem Vorschlag einer Erklärung der Menschen-Rechte, ungefähr wie die, welche die Amerikaner an die Spitze ihrer Verfassung stellten, als sie ihre Unabhängigkeit errungen hatten. Auch die Engländer ließen Wilhelm den dritten, als die ihn nach der Ausschließung der Stuarts auf den Thron riefen, eine Urkunde der Rechte unterzeichnen, auf welche die gegenwärtige Verfassung England gegründet ist. Allein da die Erklärung der rechte in Nordamerika für ein Volk bestimmt war, wo kein früheres Vorrecht dem reinen Zweck der Vernunft ein Hinderniß in den Weg legte, so stellte man an die Spitze dieser Erklärung allgemeine Grundsätze über die politische Freiheit und Gleichheit, ganz in Uebereinstimmung mit den unter der amerikanischen Nation bereits verbreiteten Einsichten. In England beruht die Urkunde der Rechte gar nicht auf allgemeinen Ideen, sie heiligte positive Gesetze und Einrichtungen.

Die Erklärung der Rechte vom Jahr 1789 begriff das Beste aus den Erklärungen in England und Amerika in sich, vielleicht hätte man aber besser daran gethan, sich mit dem zu begnügen, was von der einen Seite unbestreitbar, und von der andern keiner gefährlichen Auslegung fähig ist. Es ist kein Zweifel daran, daß die gesellschaftlichen Auszeichnungen keinen andern Zweck haben können, als den Vortheil Aller, daß alle politischen Gewalten von dem Interesse des Volks ausgehen, daß die Menschen frei und gleich vor dem Gesetze geboren werden und bleiben; allein auf einem so ungeheuren Feld ist ist ein weiter Raum für Trugschlüsse, während nichts klarer und bestimmter ist, als die Anwendung dieser Wahrheiten auf die persönliche Freiheit, die Einrichtung der Geschwornen Gerichte, die Preßfreiheit, die Wahl durchs Volk, die Trennung der gesetzgebenden Gewalt, die Verwilligung der Abgaben xc. Philipp der Lange hat gesagt: Jeder Mensch und besonders der Franzose, sey und bleibe frei geboren; man weiß übrigens, daß er sich durch die Folgerungen aus diesem Grundsatz nicht irren ließ; aber die Völker konnten leicht noch einen ausgedehntern Sinn damit verbinden als die Könige. Als die Erklärung der Menschen-Rechte in der constituirenden Versammlung erschien, mitten unter diesen jungen Edelleuten, die kaum noch Höflinge waren, so trug einer um den andern seine philosophischen Phrasen auf die Rednerbühne, so selbstgefällig in dem kleinlichen Streit über die Fassung dieses oder jenes Grundsatzes, dessen Wahrheit übrigens so einleuchtend ist, daß die einfachsten Worte jeder Sprache sie gleichförmig ausdrücken können. Da sah man voraus, daß nichts Bestehendes aus einer Arbeit hervorgehen konnte, deren sich die zu gleicher Zeit frivole und partheisüchtige Eitelkeit so schnell bemächtigt hatte.


Nachrichten.[]

1797.[]

[5]

Von ehrwürdiger Hand haben wir eine, unter Autorität erschienene, authentisch-zuverläßige Nachricht von der Behandlung la Fayettes und seiner Familie, im Verhafte zu Ollmütz, zur Mittheilung in unserm Journale erhalten. Ungemein bedauern wir, daß die verspätete Ankunft dieser Schrift (die wir erst am 23 Junius erhalten haben) es unmöglich macht, sie noch in diesem Monatsstücke in ihrer Vollständigkeit mitzutheilen. Aber zur Berichtigung so vieler grundlosen und gehäßigen Aussprengungen darüber, müßen wir anführen, daß zufolge des officiellen Berichts des Festungs-Commandanten zu Ollmütz des K. K. General-Feldzeugmeisters, Baron von Schröder, jene Verbreitungen nur aus boshafter Verleumdung hergefloßen sind. "La Fayette wohnt mit seiner Familie auf dem Erdgeschoße in dem, gegen das freye Feld gelegnen, Theile des Hauses. Bekanntlich hat dieses Haus die gesundeste Lage von ganz Ollmütz. La Fayette, seine Gemahlin und Töchter besitzen drey Zimmern neben einander. Jeder ihrer Leute hat seine Stube für sich. Die Zimmer sind über die Festungswerke erhoben, und genießen der reinsten Luft, haben große Fenster, dreyzehn Fuß Höhe. Sie werden nach der Bewohner eignem freyem Belieben eingerichtet, und sind mit den anständigsten Meublen versehen. La Fayette und seine Familie erhalten zum Frühstücke was sie wollen, Mittags fünf Gerichte, und einen Nachtisch, Abends zwey Gerichte, Ungarischen Wein u. s. w. Alles was der Marquis an Kleidung und Wäsche verlangt, erhält er sogleich. Für frische Luft, und Reinigung der Zimmer wird stete Sorgfalt getragen. Sie werden von ihren eignen Leuten bedient, es fehlt ihnen an nichts. Sie befinden sich wohl, und haben, im Erforderniße, Aerzte zu Diensten. Sie erhalten Bücher und können an ihre Verwandten und Freunde schreiben, und Briefe empfangen. u. s. w.


Von Reisenden.[]

Carl Gottlob Küttner.

[6]

[1797]

Ich bin wieder seit mehrern Tagen auf dem Lande gewesen, sonst hätte ich Ihnen von einem gewissen Frühstücke geschrieben, bey dem ich den General Lafayette, seine Familie und die übrigen Gefangenen aus Brün sah. Sie kamen zu Anfange dieses Monats hierher, und sind seitdem durch eine Reihe von Einladungen und Vorstellungen gegangen, die nicht ohne Beschwerde gewesen seyn können; denn man hat ihnen selten einen Augenblick der Ruhe gegönnt. -- Oeffentliche Ehre, oder Aufmerksamkeiten (das heißt, von Seiten des Staats) hat man ihnen hier nicht erzeigt, wie sich denn das auch nicht erwarten ließ; aber desto mehr hat sich das große Publikum mit ihnen beschäftiget. Eine Menge Leute, die nur irgend eine Art von Vorwand finden konnten, haben sie besucht, oder sich bey ihnen vorstellen lassen. Vor dem Wirthshause, in welchem sie wohnten, versammelte sich ein zahlreiches Volk, und selbst auf der Gasse gingen sehr anständige Leute zu gewissen Zeiten auf und ab, in der Hoffnung, irgend jemand von der Familie zu sehen.

Lafayette ist, wie Sie wissen, ein Mann von vierzig und etlichen Jahren, eine gute Figur, voller Annehmlichkeit in Umgang und Rede, aber von einem ziemlich unbedeutenden Gesicht. Ich fand ihm in seinem Aeußern, nur wenig verändert, ob das schon eine ganz andere Lage war, in der ich ihn einst zu Paris sah. Auch jetzt noch trug er die Französische Nationalcocarde. -- Die Gesellschaft, in der ich ihn traf, war sehr zahlreich. Alles drängte sich an, und manche thaten Fragen an ihn, die ich freylich nicht gethan haben würde, auf die ich aber gar sehr seine Antwort zu hören wünschte. Besonders mußte er viel von Brün und seiner dortigen Lage erzählen. Da so mancherley darüber gesagt und geschrieben worden, und so viel widersprechendes darüber in die Welt gegangen ist, so kann es Ihnen nicht unangenehm seyn, wenn ich Einiges umständlich wiederhole. Aus seinem eignen Munde also kann ich Ihnen sagen, daß das Gefängniß, in dem er saß, kein finsteres, unterirdisches Loch war. Es war ein ziemlich hohes Zimmer, dessen Fenster zwar so hoch waren, daß sie ihm nicht hinauszusehen erlaubten, die er aber doch öffnen, und durch die er Luft einlassen konnte. Seine Tafel war zu allen Zeiten anständig, und enthielt etliche Gerichte. Daß diese nicht immer auf das beste zubereitet waren, läßt sich, aus der Natur der Sache, leicht erwarten; auch kann ich sehr wohl begreifen, daß ein Pariser von Rang und Vermögen einen beträchtlichen Abstand zwischen einer Mährischen Küche und der Tafel fand, an die er vorher gewöhnt gewesen war. -- Er bekam Bücher aller Art, und so viele, als er wollte, nur mußten sie vor dem Jahre 1789 erschienen seyn. -- Er ist in seinem Gefängnisse nicht gemißhandelt worden; niemand hat ihm persönlich übel begegnet, und der Officier, der beständig um ihn war, ist unausgesetzt höflich gegen ihn gewesen. -- Er war nie angekettet! -- (Vielleicht fällt es Ihnen sonderbar auf, daß ich diese Bemerkungen wiederhole. Aber man hatte, wie so vieles andere, auch dieses erzählt.) -- Seine Lage hatte, außerdem daß er seiner Freyheit beraubt war, noch so manches andere, das hart und drückend seyn mußte, und das theils die Natur der Sache von selbst mit sich brachte, theils durch die Schuld derer geschah, denen er anvertraut war, und das in ihrem Mangel an Delicatesse, in ihrer Art und Verschiedenheit zu sehen und zu fühlen, und in einer gewissen Hartherzigkeit seinen Grund hatte, die mehr oder weniger allen Kerkermeistern eigen ist. -- Aus dem allen kann ich nicht sehen, daß ein besonderer Befehl der Obern da war, ihn härter zu behandeln, als es die Lage eines Gefangenen fordert, und von selbst mit sich bringt. Aber die Befehle, ihn zu bewachen und fest zu halten, scheinen sehr strenge und pünktlich gewesen zu seyn: und in solchen Fällen geschieht es denn immer, daß diejenigen, die sie auszuüben haben, durch Aengstlichkeit und Furcht den Geist der Befehle übertreiben: welches denn natürlich auf Kosten des Gefangenen geschehen muß. -- Hart und grausam war es, daß man ihn und seine beiden Freunde jahrelang im nehmlichen Gebäude sitzen ließ, ohne daß je der eine von den andern beiden das geringste erfuhr. Ueberhaupt blieben sie über alles, was seit ihrer Gefangennehmung in der Welt vorgegangen war, in der tiefsten Unwissenheit; und erst dann, als Madam Lafayette zu ihrem Gemahl kam, erfuhr er die neueste Geschichte von Europa, und die großen und schaudervollen Begebenheiten der Französischen Revolution. -- Madam ließ sich nun mit ihm einsperren, und von dem Augenblicke an, wurde die ganze Familie abermals in der Unwissenheit gehalten, in der er vorher gewesen war. Als er vor einigen Wochen Brün verließ, hörte er zum ersten Male den Namen Buonaparte.

Madam Lafayette, eine kleine Frau mit einem ausdrucksvollen Gesichte, soll mit ihm ungefähr von gleichem Alter seyn; aber ihr Körper ist so zu Grunde gerichtet, daß sie zehn Jahre älter zu seyn scheint, als ihr Gemahl. Sie hat in der langen Gefangenschaft schrecklich durch rhevmatische Uebel gelitten; ihre Füße sind geschwollen, ihr Gesicht ist blaßgelb, und ihre Bewegungen gelähmt und mit Beschwerden verknüpft. -- Die Töchter, beide ziemlich erwachsen, scheinen, so wie der Vater, am wenigsten durch das Gefängniß gelitten zu haben. Desto mehr ist Herr Büreau de Puissy zu Grunde gerichtet, ein Mann, der mir sehr interessant und geistreich zu seyn scheint. -- Der andere Mitgefangene war nicht gegenwärtig, und von den übrigen Frauenzimmern auch keine. Die ganze Gesellschaft dieser gewesenen Gefangenen macht funfzehn Personen aus.

Ehe der General Lafayette seine völlige Freyheit erhielt, legte man ihm eine lange Reihe von Bedingungen vor, die er auf sein Ehrenwort eingehen und unterschreiben sollte. Die mehresten schlug er geradezu ab. Er sollte sich anheischig machen, nicht in Deutschland zu bleiben, nicht nach Frankreich zurückzukehren, nie wieder in die Oestreichischen Lande zu kommen xc. Unter die letzte Bedingung, die er einging, schrieb er: "Sauf les droits de mon pays:" welches denn wohl nichts anders heißen kann, als daß er sich vorbehält, als Französischer Gesandter, oder mit einer Französischen Armee wieder dahin zu gehen. -- Nur eine gewisse Zahl von Tagen zu Hamburg zu bleiben, ist ein Punkt, den er auch eingegangen ist. -- Die ganze Familie wird sich von hier in das Holsteinische wenden, in die Gegend von Plön, wo eine Verwandte von Lafayette ein Gut besitzt. Da, heißt es, werde er den Winter zubringen, um künftiges Frühjahr nach America zu gehen. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, daß er Absichten auf sein Vaterland hat, wo er vielleicht auf eine neue Revolution hofft. So viel ist gewiß, daß die Parthey in Frankreich, über die das Directorium kürzlich gesiegt hat (am 18ten Fruktidor) noch immer sehr stark, und, nach den letzten und besten Nachrichten sehr thätig ist. Das ganz widerrechtliche und unconstitutionelle Verfahren des Directoriums hat allgemeines Schrekken in Frankreich verbreitet: und in der That hat nie ein König dieses Landes, durch lettres de cachet, gewagt, was wir kürzlich von dem Directorium erlebt haben. -- In England muß doch auch dem niedrigsten Menschen, förmlich und öffentlich, der Proceß gemacht werden, ehe man ihn nach Botany-Bay schicken kann; und hier werden eine Menge Glieder der Souveränität gefangen und in andere Welttheile geschickt, ohne daß man sich nur die Mühe nimmt, dem Publikum einige rechtliche Beweise ihrer Schuld vorzulegen. Die republicanischen Franzosen, die sich ihrer Geschäfte wegen hier aufhalten, reden auch ziemlich frey davon, und behaupten zu wissen, daß in Frankreich selbst die ganze Geschichte von vielen für erdichtet gehalten wird, und daß man glaubt, das Directorium habe sie erfunden, um zwey ihrer Brüder und eine gewisse Zahl von Mitgliedern beider Räthe zu entfernen.

Uebrigens war die Gesellschaft, in der ich die aus Brün angekommene Familie traf, eine sonderbares Gemische von Menschen, die sehr verschiedene Grundsätze haben. Hier fanden sich unter dem nehmlichen Dache, an der Seite derer, die vor fünf Jahren das Opfer der ersten republikanischen Partey wurden -- der Französische und der Spanische Minister, constitutionelle und republikanische Franzosen aller Art, und aller verschiedenen Zeitperioden; ein Spanier, der ein alter Bekannter von Lafayette ist, und ein anderer, der unter Buonaparte gedient hat; ein Deutscher, der den Krieg in der Vendee mitgemacht hat, und noch in Französischen Dienste ist, und nebenher Menschen aus zehn verschiedenen Ländern.


Quellen.[]

  1. Das jetzige Schicksal der vielen französischen und gallobatavischen Generäle die sich bei so manchen Gelegenheiten ausgezeichnet, und den Krieg überlebt haben. 1802.
  2. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  3. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  4. Betrachtungen über die vornehmsten Begebenheiten der Französischen Revolution. Ein nachgelassenes Werk der Frau von Staël. Herausgegeben von dem Herzog von Broglie und von dem Freiherrn von Staël. Heidelberg, bey Mohr und Winter. 1818.
  5. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1797.
  6. Reise durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen und einen Theil von Italien, in den Jahren 1797. 1798. 1799. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1801.
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