Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Greiffenberg.[]

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Greiffenberg, Grieffenberg, Stadt im Brandenburgischen Pommern, am Fluß Rega, giebt einem landräthlichen Kreise den Namen, hat Manufakturen von Tüchern, Wollenzeugen und Leder, und treibt starken Leinwandhandel. Sie hatte im J. 1794. 368 Häuser und 2,138 Einwohner, ohne das Militär. Der Kreis umfaßt 2 Immediatstädte, und drey Aemter.


Briefe eines Reisenden.[]

[2]

Colberg, den 22. Sept.

Greifenberg, das man auf der Reise von Stargard nach Colberg berührt, ist ein sehr ödes und todtes Städtchen. Ehedem soll es recht lebendig gewesen seyn; jetzt wüthet die Ruhr fürchterlich daselbst und stürzt täglich mehrere Menschen in's Grab. Auf einer sehr bedeutenden Reihe von Brandstädten gelangt man endlich in die Stadt selbst. Sechs und dreißig Scheunen, wohin die Bürger gerade ihre besten Effekten geborgen hatten, sind durch die Unvorsichtigkeit des Domestiquen eines hier gewesenen französischen Kommandantens ein Raub der Flammen geworden. Der Mensch schoß auf das Strohdach einer Scheune nach Sperlingen. Ein brennender Wergpfrof entzündete das Dach, und nach wenig Stunden lagen diese 36 Gebäude in Asche. Wie mag es kommen, daß an so vielen Orten, wo französische Truppen waren, Feuer ausbrach? So viel ist gewiß, daß dieses niemals aus Vorsatz und immer nur durch Unvorsichtigkeit geschah.

Die exemplarische Wachsamkeit der Gensdarmerie erstreckt sich zwar zur Zeit noch nicht bis zu diesem Punkt; allein man darf hoffen, daß zu Vermeidung so vielen Unglücks die Menschfreundlichen französischen Obern auch hierauf einst Rücksicht nehmen werden.

Auch in Greifenberg lebt ein braver Mann, der Justizrath Streuensee, bekannt und geschätzt durch seine edle Freimüthigkeit, wodurch er in der letzten Zeit dem Städtchen nützlich wurde. Freilich war die Sache nicht von hoher Bedeutung; aber du lieber Gott! wenn man nur das Außerordentliche in Anspruch nehmen sollte, indem man das Ganze in's Auge faßt, so würde man wenig Gutes zu erzählen finden. Zur Sache. Das Städtchen Greifenberg hatte starke Durchmärsche und Einquartierungen gehabt und viel requirirte Bedürfnisse geliefert. Der Verdienst stockte bei dem Brachliegen der Gewerbe; die Scheunen waren niedergebrannt; die Bürger befanden sich in äußerster Armuth. Dessenungeachtet wurden noch 1000 Quart Branntwein von dem armen Städtchen requirirt. Der Justizrath Streuensee, welcher an der Spitze des Magistrats steht, stellte vor, daß bei dem erdrückenden Elende der Einwohner diese Forderung unmöglich befriedigt werden könne; ein Drittel nur vermöge die Kasse zu liefern. Es wurde mit Exekution gedroht, und im Orte lief schon das Gerücht umher, die Stadt solle angezündet werden, wenn nicht die Lieferung ganz geleistet würde. So wenig Wahrheit an dieser Sage war, so gebahr sie doch in den Gemüthern der unglücklichen Bewohner des Ortes die schrecklichste Furcht. Streuensee begab sich zum Kommandanten, und stellte den beklagenswürdigen Zustand der Stadt mit eben so viel Wahrheit als Unerschrockenheit dar, daß man sich endlich bewogen fühlte, statt der verlangten 1000 Quart mit 334 zufrieden zu seyn. Streuensee that wenig, und doch that er alles; denn weiter reichte sein Würkungskreis nicht.

Greifenberg ist der letzte Ort nach hierher zu, worin französische Truppen stehen; schon im nächsten Dorfe findet man Preußen vom Blücherschen Korps, dessen Hauptquartier in Treptow an der Rega ist.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Neu bearbeitet von Konrad Mannert, Königl. Bairischen Hofrath und Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
  2. Neue Feuerbrände. Herausgegeben von dem Verfasser der vertrauten Brief über die innern Verhältnisse am Preussischen Hofe seit dem Tode Friedrichs II. Ein Journal in zwanglosen Heften. Zehntes Heft. Amsterdam und Cölln, 1808. Bei Peter Hammer.
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