Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Guerillas.


Guerillas [1] hiessen die leicht bewaffneten undisciplinirten Haufen, welche in dem spanisch-französischen Kriege den Spanischen und Englischen Armeen meistens als Tirailleurs dienten, zuweilen aber auch eigene kleine Corps bildeten. Sie wurden zuerst in Portugal von Wilson organisirt.


Vorpostengefecht von Vernet.

Ursprung der spanischen Guerillas.


[2] Die Guerilla's, welche sich in dem spanischen Kriege so vielen Ruhm erworben haben, waren leichte und unregelmäßige Truppen, die den Franzosen Tag und Nacht keine Ruhe ließen. Sie waren von allem unterrichtet, indem sie mit den Einwohnern in steter Verbindung lebten und fingen die Munition und die Lebensmittel auf, welche man aus Frankreich über die Pyrenäen nach Spanien schickte. Einer ihrer Anführer, Mina, hatte 3000 Mann unter seinen Befehlen, welche in Banden eingetheilt waren; sie waren mit dem Lande so genau bekannt, daß sie bloß einige Stunden brauchten, um sich zu zerstreuen, oder zu versammeln. Mina war Mitglied einer spanischen Universität; Einer seiner Neffen nebst einigen seiner Freunde, die größtentheils sehr unterrichtete Leute waren, ersannen diese verheerende Methode, den Feind zu schwächen. Der Neffe wurde in einem Scharmützel getödtet und der Onkel trat im Commando an seine Stelle. In den Augen der Franzosen hatte er eine solche Wichtigkeit erlangt, daß vier französische Generale den Plan faßten, ihn und seine Anhänger in einem Augenblicke in eine Schlinge zu locken, wo man von Bayonne eine beträchtliche Sendung von Lebensmitteln erwartete, von denen man besorgte, sie möchten diesem verwegenen Anführer und seinen kühnen Gefährten in die Hände fallen. Sie glaubten, daß, wenn sie vier verschiedene Wege einschlügen, um sich alsdann auf einem Punkte zu vereinigen, es ihnen gelingen werde, ihn mit seiner ganzen Truppe zu umringen. Der schlaue Mina wußte indessen nicht bloß diesem Anschlage zu entgehen, sondern erwartete auch die Sendung, welche von 2000 Mann begleitet wurde, um sie anzugreifen. Durch die Art, wie er seine Truppen in kleine Abtheilungen vertheilte, entging er leicht den Franzosen. Hierauf vereinigte er seine ganze Macht an einem bestimmten Orte in den Pyrenäen, griff die Sendung an, tödtete 900 Mann von der Bedeckung, macht 600 Gefangene und bemächtigte sich aller Lebensmittel. Der Secretär des Königs Josephs, der als Bauer verkleidet war, kam bei diesem Gefechte um.

So sicherten also die Talente, der Muth und die Geschicklichkeit Minas an der Spitze einer handvoll undisciplinirter Leute ihm den Sieg über ein Corps von 2000 Franzosen und machten ihn Meister einer ansehnlichen Beute. Ihre unermüdete Thätigkeit sieht man auch daraus, daß die Franzosen kein Briefpaquet ohne eine Bedeckung von 250 Mann, sowohl Fußvolk, als Reiterei, abschicken konnten. Diese Guerilla's waren unvernichtbar; denn sie kannten die Schluchten in den Bergen und die Wege im Lande so gut, daß sie sich auf einem bestimmten Punkte vereinigten und sich wieder zerstreueten, ohne daß man sie einholen konnte.

Da diese Truppen unabhängig waren und keine Kriegszucht kannten, ob sie schon jederzeit bereit waren, die Befehle eines Anführers auszuführen, so konnte man ihre Anzahl nie genau erfahren; indessen schätzte man sie allgemein auf 15000 Mann. Sie lebten von der Beute und kosteten dem Staate nichts. Jeder kleidete sich, wie er konnte; ihre Waffen waren solche, wie sie sich verschaffen konnten. Die Einen waren zu Fuß, die Andern zu Pferde. Alle aber waren gleich wild und muthig. Diese Truppen haben der spanischen Armee geschickte Offiziere und treffliche Soldaten geliefert.


Die spanischen Guerillas.


[3] Herr von Rocca gibt uns in den von uns schon angeführten Mémoires sur la guerre des Français en Espagne merkwürdige Beiträge zur Geschichte der Quadrillen oder Guerillas, wie man sie nun nennen will. Sie waren anfänglich nicht furchtbar. Einige flüchtige Soldaten, und die größte Zahl der Bauern, begaben sich hier unter das Panier eines Priesters, dort unter das eines Arztes; ja oft war es gar nur ein Handwerker, den die allgemeine Stimme zur Generalswürde erhob, oder selbst ein Dominicaner führte das Commando. Doch bald überschwemmten diese Volkshaufen ganz Spanien, und zwangen die französischen Armeen sich zu zertheilen, um ihnen Einhalt zu thun. So verschwendeten jene ihre Kräfte in einem ungeregelten Kriege, wo die Tapferkeit zu keinem Siege führte und die Schwierigkeit nicht im Schlagen des Feindes bestand, sondern immer nur im Auffinden.

Die gut berathenen Guerillas griffen nie anders als mit großer Uebermacht an. Einzelne Abtheilungen waren ihnen sichere Beute; sie schnitten alle Verbindungen ab. Zur Ueberbringung eines Briefes bedurfte es eines ganzen Bataillons. Jeder Transport kostete mehreren Menschen durch verborgne Schützen das Leben. Herr von Rocca sagt: man könne sagen, wie es in der Bibel heißt: wir aßen unser Fleisch und tranken unser eigenes Blut in diesem Kriege ohne Ruhm, um für die Unrechtmäßigkeit dieses Krieges, denn der Soldat schlug sich nur aus Pflicht und Ehrliebe, bei sich selbst verwünschte er einen Angriffskrieg, dessen Grund so häßlich, und dessen Folgen so unheilbringend waren.

In diesem Kriege galt keine allgemeine Uebereinkunft aller Nationen unter einander. Die Schwüre selbst waren ohne Kraft, und Meineide heiligte die Religion. Doch genug von Grausamkeiten, vor denen die Menschheit allemal schaudert. Ich will lieber erzählten, was man von den Nonnen in Andalusien sagt, die Barmherzigkeit mit Vaterlandsliebe so rührend vereinigten. Diese frommen Mädchen brachten ganze Nächte im Gebete für die spanischen Waffen zu, und bereiteten am Tage Arzneien und Verbande für die französischen Verwundeten. Auch dürfen die Spanier es nie vergessen, wie gutmüthig ihre Kriegsgefangenen in Frankreichs Provinzen aufgenommen wurden, und wie sehr sie die französische Menschenliebe zu rühmen haben, die nie fragt, welchen Landsmann sie unterstützt. Solche Erinnerungen werden mehr als alle politische Tractaten dazu beitragen, die beiden Nationen gleich nachtheilige Erbitterung zu mildern. Hoffentlich werden so viele großherzige Bemühungen für die spanische Nation nicht verloren seyn. Man wird nicht Männern schmerzliche Wunden schlagen, die sich eben so rächen, wie sie sich aufopfern, die eben so hassen, wie sie lieben, -- mit der höchsten Leidenschaft. Der Thron, welchen sie wieder erhoben, wird dankbar seyn, und sein Besitzer wird nie vergessen, daß die braven Spanier in ihrem Panier das Wort führten: Siegen oder Streben für unser Vaterland und Ferdinand VII.


Von einem englischen Offizier.


[4] Ein Officier von der 7ten Division von Lord Wellingtons Armee schreibt: Ehe wir nach Spanien kamen, haben wir und keinen Begriff von dessen gegenwärtigem Zustande und von der Geschicklichkeit, mit welcher jeder französische Officier sich in allen kleinen Städten festzusetzen und zu sichern wußte, machen können. Alle Orte, wo Posthäuser sind, finden wir verschanzt, und vor einem plötzlichen Ueberfalle gesichert. Die Mauern der Kirchen und Glockenthürme sind mit Schießscharten versehen. Diese Anstalten waren gegen die Guerillas nöthig, und wurden an vielen Orten von den Einwohnern in Gemeinschaft mit den französischen Officieren getroffen. Denn nach eigner Aussage dieser Einwohner, welche ihrer traurigen Lage überdrüssig sind, fürchteten sie sich vor den Guerillas mehr, als vor der Anwesenheit eines französischen Detaschements. Hatten sich die Franzosen einmal eingerichtet, so bildeten sie bald ein gutes Verständniß mit den Einwohnern, und beschränkten im Allgemeinen ihre Forderungen auf die nöthigsten Lebensbedürfnisse; dagegen erhoben die wilden und undisciplinirten Banden der Guerillas Brandschatzungen in ihren eigenen Dörfern und plünderten sie dann ohne Barmherzigkeit aus. Als Bundsgenossen haben uns diese Guerillas wenig oder nichts genutzt; wir können uns auf sie durchaus nicht verlassen, wenn sie mit unserer Cavallerie oder Infanterie zusammen agiren sollen; sie sind blos für die Einwohner ein Schrecken, und ich habe bemerkt, daß, wenn wir nach dem Rückzuge der Franzosen in den verlassenen Ortschaften gut empfangen wurden, dies nicht geschah, weil wir Engländer, sondern weil wir regulirte Truppen sind, und jetzt gegen die Erpressungen der Guerillas das thun, was die Franzosen vor wenig Tagen thaten.


Von einem deutschen Offizier.


[5] Von den Guerillas macht ein deutscher Officier, der im Jahre 1810 in Spanien bey dem französischen Heere diente, in dem schätzbaren Journale Geist der Zeit V. 3. folgende Beschreibung:

"Diese sonderbaren Banden bestehen aus spanischen Bürgern und Bauern, versprengten Soldaten der Insurgentenarmee, und Deserteurs aller Nationen. Der eigentliche Stamm derselben waren aber meistens wirkliche Räuber, an denen es in Spanien nie fehlte. Ihre Befehlshaber und Oberhäupter verschaffen sich ihr Ansehen entweder durch Verdienste oder Familienverhältnisse. Nicht selten sind es tüchtige zu ihnen übergegangene Soldaten und Unterofficiere. Diese suchen sie dann durch sehr reiche Montur, schöne Pferde, große Bezahlung und hohe Aussichten für die Zukunft zu fesseln. Sie sind nie gleichförmig gekleidet, bis auf eine rothe Leibbinde, deren Ende der Geldbeutel ist. Ihr Hut ist mit einer bunten Feder geziert. Wenn sie französische Montirungen erbeutet haben, ziehen sie solche gern an, um im Gefechte zu täuschen und Verwirrungen anzurichten. Sie sind gewöhnlich zu Pferde oder auf Eseln, und gut gewaffnet, aber desto schlechter beritten. Ihre Waffen bestehen in 2 Pistolen im Gürtel, einem Säbel, einem Gewehre und einer Lanze. Ihr Reitzeug besteht bloß aus einem Wollkissen anstatt des Sattels, aus übergehängten Stricken, an den Enden mit Schleifen versehen, anstatt der Steigbügel, und anstatt des Zaumes binden sie dem Maulthiere einen Strick um das Maul. Dennoch sind sie gute Reiter und besitzen große Gewandtheit. Weder in Kompagnien, noch in Bataillons getheilt, bilden sie einen wilden Heereshaufen, wo im Gefecht jeder kommandirt, der Fähigkeit und Uebergewicht hat. An ihrer Spitze reitet ein Tambour-Major, auf den sie viel halten. Sie überladen ihre Gewehre zwar oft, treffen aber gut. Wenn sie zum Gefecht anziehen, verkündigen sie sich durch ein wildes Geschrey von weiter Ferne her, sind aber nicht betrunken, welches überhaupt bey Spaniern ein seltener Fall ist. Wenn sie einen Angriff vorhaben, lassen sie es Tags vorher dem anzugreifenden Posten förmlich ankündigen, und die Stunde des Angriffs melden. Diese sonderbare Art, Krieg zu führen, liegt wohl in dem stolzen Charakter der Spanier, und ist gleichsam eine Herausforderung, die fast immer richtig gehalten wird. Sie greifen mit vieler Heftigkeit, aber in größter Unordnung an, halten auch selten einen regelmäßigen Angriff aus, zerstreuen sich, und flüchten in ihre Felsenklüfte. Pardon wird von ihnen weder gegeben noch erwartet.


Einzelnachweise.

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Das Echo aus den Sälen europäischer Höfe und vornehmer Zirkel oder merkwürdige Erzählungen und unbekannte Anekdoten von den Ereignissen der neuesten Zeit. 1823. Erstes Stück. oder 53ste Sammlung von der Ameise. Leipzig, im Magazin für Industrie und Literatur.
  3. Deutsche Blätter Herausgegeben von Friedr. Arn. Brockhaus. Sechster Band, Leipzig und Altenburg, 1815.
  4. Leipziger Zeitung Nr. 206. Dienstags den 20. October 1812.
  5. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 100. Donnerstag, den 25. April 1812.
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