Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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SectieHamburg

Plan der Gegend von Hamburg zur Uebersicht der Begebenheiten in den Jahren 1813 u. 1814.

Hamburg. Diese reiche und große Stadt liegt an der Gränze der Holsteinischen Provinz Stormarn an der Nordseite der Elbe, 8 Meilen von der Mündung diese Flusses, der hier so tief und breit ist, daß Schiffe, welche 15 Fuß Wassertiefe brauchen, mit voller Ladung bis zur Stadt kommen können; im Hafen selbst hat das Wasser 20 Fuß Tiefe.

Die Stadt hat 2 Stunden im Umfang, und war bisher außer dem Walle durch tiefe Gräben und viele Bastionen befestigt; aber im J. 1804 ward beschlossen, alle diese Befestigungen zu demoliren.

Der kleine Fluß Alster, welche die Stadt durchschneidet und in derselben sich in die Elbe ergießt, bildet östlich vor der Stadt einen See und in demselben ein Bassin, aus welchem Kanäle zwischen den Hinterreihen der Häuser zur bequemen Entladung der Kaufmannsgüter in die Speicher gezogen sind. Auch fließt ein Arm der Elbe in die Stadt und bildet auf der Ostseite den obern Hafen für die Flußschiffe; auf der Westseite, wo er sich wieder mit dem Hauptstrome vereinigt, ist der größere Niederhafen für die Seeschiffe, wozu noch der in neuern Zeiten angelegte Rummelhafen kommt.

Die Zahl der Häuser beläuft sich auf 8000, und die Volksmenge, die sonst noch beträchtlicher war, übersteigt noch jetzt 100,000 Seelen. Hamburg ist zwar eine alte und unregelmäßig gebaute Stadt mit meist engen Straßen und Plätzen; aber es hat schöne öffentliche Gebäude. Dahin gehören die Michaeliskirche und der alte Dom, ferner das Rathhaus, die Börse, die Bank und das Zeughaus. Von öffentlichen Anstalten führen wir an: die große Stadtbibliothek, die Commerzbibliothek, das Gymnasium, das zweckmäßig eingerichtete Johanneum, das Waisenhaus und die berühmte Armenanstalt.

Die Verfassung Hamburgs war eine glücklich combinirte repräsentative Demokratie, welche nur dadurch einen Anstrich von Aristrokratie erhielt, daß der aus 24 Rathsherren und 4 Bürgermeistern bestehende Rath durch Wahl und Loos aus der übrigen Bürgerschaft sich immer selbst ergänzte. Drei von den Bürgermeistern und eilf von den Senatoren waren graduirte Juristen (meist Licentiaten), die übrige Kaufleute. Hiezu gehörten noch als berathende Personen vier Syndici mit eben so vielen Sekretären. Auswärtige Staatsgeschäfte besorgte ausschließlich der Rath, an den innern nahm die erbgesessene Bürgerschaft Antheil. Diese ward in 5 Kirchspiele getheilt, von denen jedes 36 Mitglieder zu seinem großen Ausschuß oder dem Collegium der Hundert und achtzig abgab. Der Ausschuß der Sechziger ward aus diesem Collegium gezogen, welcher außer den allgemeinen Geschäften die Kirchen- und Schulangelegenheiten besorgte, auch die Stellen vergab. Ein Auszug aus den Sechzigern war das Collegium der Oberalten (drei aus jedem Kirchspiel), bei welchem die Klagen gegen den Rath angebracht wurden. Nur der Rath und sie erhielten Besoldung, alle übrigen Stellen wurden als Ehrenämter unentgeltlich verwaltet. Jedes Gesetz, jede Verfügung gelangte vom Rath an dieses Collegium, und bei wichtigen Gegenständen an die ganze Bürgerschaft, deren Einfluß jedoch nur gering war. War der Vorschlag allgemein genehmigt, dann erst erwuchs er zum Raths- und Bürgerschluß. Die Justiz besorgten: das Obergericht oder der Rath, das Admiralitäts-Nieder-Amtsgericht, und 35 Deputationen. Die öffentlichen Einkünfte waren zwar unter der Aufsicht des Raths, wurden aber von der Kämmerei verwaltet, welche dem Rathe Rechnung ablegte. Sie waren sehr beträchtlich; man schätzte sie auf 4 Millionen Thaler Banko.

Seine Größe und seinen Wohlstand verdankt Hamburg dem Handel; nach dem Falle von Amsterdam war es die zweite Handelsstadt in Europa. Im J. 1802 liefen 2108 Schiffe nach Hamburg ein, von denen 200 der Stadt eigenthümlich gehörten. Alle auf den Handel Bezug habende Anstalten, wie die Assecuranzcompagnien, die Börse, die Bank u. s. w. waren in dem glänzendsten Zustand. Auch die Fabriken waren, und sind zum Theil noch von großer Wichtigkeit; dahin gehören besonders die Zuckersiedereien, die Wachsbleichen, die Tabaksfabricken, die Gerbereien, Webereien u. s. w.

Was von Hamburg als ehemaliger Hansestadt hier anzuführen wäre, ist in dem Art. Hansa angedeutet worden. Als freie Reichsstadt, wofür es 1613 von der kaiserlichen Kammer erklärt wurde, erlangte es erst 1770 die ungestörte Ausübung des Sitz- und Stimmrechts auf dem Reichstage, und behauptete seine Selbstständigkeit unter manchen schwierigen Umständen, die einige Male nur durch bedeutende Geldopfer beseitigt werden konnten, selbst nach der Auflösung des Deutschen Reichsverbandes, als freie Hansestadt.

Es ward jedoch nach dem Ausbruch des Preußisch-Französischen Krieges 1806 von den Franzosen zur Handhabung des Continentalsystems, das allem Handel plötzlich ein Ende machte, besetzt, bis es im J. 1810 von Napoleon dem Französischen Reichs einverleibt, zum Sitz eines kaiserlichen Gerichtshofs, so wie zur Hauptstadt des Departements der Elbmündungen und zur fünften guten Stadt des Reichs gemacht wurde. Als solche theilte es die Schicksale Frankreichs und des Continents. Als aber im März 1813 bei Annäherung der Russischen Truppen die Französischen Behörden die Stadt verlassen hatten, wurde die ehemalige reichsstädtische Verfassung noch vor dem einrücken derselben, welches am 18. März unter dem General Tettenborn erfolgte, wieder hergestellt.

Leider kam durch eine unglückliche Wendung des Kriegs Hamburg zur zu bald wieder in französische Hände, und mußte seinen deutschen Patriotismus theuer bezahlen. Eine Contribution von 48 Millionen Francs ward als Strafe ausgeschrieben, und kaum war der unmenschliche Gouverneur Davoust angekommen, so folgten Verbannung, Einkerkerungen, Einziehung des Vermögens der Entwichenen, Aushebung von Geiseln zur Sicherheit für die unerschwinglichen Zahlungen, die schonungsloseste Zerstörung der Besitzungen unter dem Vorwande der Befestigungsarbeiten; eine schrecklich lange Reihe von Drangsalen, Qualen und Martern aller Art. Die Bank, deren Bestände man zwischen 8 bis 10 Millionen Mark Banko schätzte, wurde geplündert, und mitten im rauhesten Winter, stieß man Männer und Frauen, Greise und Kinder von der Heimath ihre Väter und ihrem wirthlichen Heerd aus, selbst der Kranken und Wahnsinnigen nicht schonend. Kaum 40,000 Einwohner blieben zurück, deren Leben ein Athmen unter Henkers Hand war. Und dieser qualvolle Zustand dauerte nah an ein Jahr, bis die Ereignisse von Paris auch Hamburg befreiten, die Franzosen am 3. Mai 1814 ab, und dann die Russen, unter Beningsen, einzogen.

Am 26. Mai trat die alte Regierung der Stadt, der die Monarchen ihre republikanische Selbstständigkeit zuerkannt hatten, die Verwaltungsgeschäfte wieder an, und die vorige treffliche Verfassung wurde, mit wenigen Modificationen, hergestellt. Mit neuem Muthe begannen die Bürger, in der Sonne des Friedens und der Freiheit, die unterbrochenen Handlungsgeschäfte, und sie betrieben sie bisher mit einem so glücklichen Erfolge, daß es scheint, daß sich Hamburg in wenigen Jahren von den so großen erlittenen Drangsalen erholen werde.


Von Reisende.

Kaum hatte ich einige Wochen dem Hospital in Lüneburg vorgestanden, als mir die Oberaufsicht über das in Hamburg errichtete übertragen wurde.

Diese Stadt ist achthalb Meilen von Lüneburg entfernt. Die Gegend, welche man passirt, ist ohne Annehmlichkeit, und die Wege sind schlecht. Bey Hope, einem einzeln stehenden Hause, setzt man über die Elbe, auf einem flachen, mit einem Segel versehenen Fahrzeuge, das geräumig genug ist, um den Wagen und die Pferde aufnehmen zu können. Die Elbe ist hier ziemlich breit, und die etwa viertelstündige Ueberfahrt sehr angenehm. Auf einer kleinen, mitten im Strome belegenen Insel, hat man Hannöverscher Seits eine Batterie angelegt, die aber nicht viel Wirkung thun kann. In Zollenspieker, vier Meilen von Hamburg, steigt man ans Land. Nun kömmt man durch Bergedorf, ein niedliches, sehr lebhaftes Städtchen, das viel Handlung treibt, und den Städten Hamburg und Lübeck gemeinschaftlich gehört. Außerdem passirt man noch auf dem dänischen Gebiet einige Städte, in welchen dänische Garnison liegt. Eine Meile von Hamburg bemerkt man schon, daß man sich einer großen und reichen Stadt nähert. Man sieht nämlich viele Landhäuser, die an mehrern Orten, z. B. nahe bey dem Dorfe Hamm, ganze Häuser-Reihen bilden.

Hamburg ist eine der ansehnlichsten und bevölkertsten Städte Deutschlands. Sie liegt am Elbstrom, unweit der holsteinschen Gränze, ungefähr achtzehn Meilen von der Nordsee.

Die Elbe entspringt bekanntlich auf der schlesischen Gränze, durchfließt Böhmen und Sachsen, trennt das Lüneburgsche vom Mecklenburgschen, und fällt südwärts von Hamburg in die Nordsee. Dieser Strom nimmt in seinem Lauf mehrere Flüsse auf, z. B. die Moldau, Eger, Mulde, Saale, Havel, Ilmenau, Stör, u. s. w. Die Elbe ist so tief, daß Schiffe von vier hundert Tonnen bis vor Hamburg segeln können.

Ein anderer nicht unbeträchtlicher Fluß, die Alster, fließt an der Nord-Seite der Stadt, und bildet im Innern derselben ein Wasser-Becken, was man die Binnen-Alster nennt. Das Wasser dieses Flusses durch schneidet die Stadt in vielen Kanälen, an welchen Schleusen angebracht sind. Auch dieser Fluß fällt in die Elbe.

In jenen Kanälen, wie auch in der Elbe selbst, nimmt man Ebbe- und Fluth wahr, die gewöhnlich bis Zollenspieker ihre Wirkungen äußert. Vermittelst der Schleusen kann man das Wasser der Alster, wenn es zu hoch stehet, in die Elbe ablassen, und so, wenn die Fluth in die Elbe zu stark ist, sie wieder in die Alster ableiten. Die vorhin erwähnten Kanälen bieten den Kaufleuten große Bequemlichkeiten dar, da sie auf denselben ihre Waaren bis dicht vor ihre Häuser spediren lassen können.

Man nimmt an, daß Hamburg mehr als hundert Tausend Einwohner hat. Es ist eine sehr alte Stadt, die schon Karl der Große im Jahr 808 erbaute, um den Einfällen der Veneter zu wehren.

Beynahe alle Straßen in Hamburg sind eng, krumm, und schmutzig, die Häuser steinern und sehr hoch; man findet deren von sechs bis sieben Stockwerken. Doch giebt es einzelne breite, regelmäßig durchschnittene Straßen. Z. B. der Neuwall, eine der schönsten Straßen Hamburgs, die Admiralitäts-Straßen, der alte und neue Steinweg, u. s. w. Man findet in mehreren Straßen Bäume. Der Jungfernstieg ist ein schöner, schattigter Spatziergang an der Binnen-Alster; er wird häufig besucht. Man macht von hier aus Wasser-Partien auf Gondeln. -- Die vielen Kanälen, welche die Stadt durchschneiden, machen eine beträchtliche Anzahl von Brücken nöthig; man zählt deren achtzig.

Auch viele Kirchen giebt es in Hamburg, die mehrsten sind gothischer Bauart, haben Kuppeln und spitzige Thürme. Die Dom-Kirche behauptet unter ihnen der ersten Rang, ihr Thurm ist drey hundert sieben und funfzig Fuß hoch. Man trifft im Innern dieser Kirche viele sehenswerthe Denkmähler an. -- Das Rathhaus ist ein altes, unregelmäßiges Gebäude, welches dem Umfange und dem Reichthume der Stadt keinesweges entspricht. -- Die Börse, welche ihm gegenüber liegt, verdient denselben Tadel.

Die Stadt hat gute Festungswerke. Die Wälle sind mit Bäumen besetzt, die angenehme Spatziergänge gewähren; man umgeht sie ungefähr in zwey Stunden. Von dem Theil des Walles, der zwischen der Elbe und dem Altonaer-Thor liegt, genießt man einer reizenden Aussicht über den Hafen und einen Theil der Stadt. Jener ist sehr sehenswerth. Er ist mit Kauffahrteyschiffen angefüllt, die neben einander liegen. Dem Hafen entlang läuft ein Kay, an welchem großentheils niedrige und unansehnliche Häuser stehen; hier wohnen die Schiffer, Matrosen, Handlanger und andere beym Schiffswesen thätigen Personen. Auch liegen hier Wirthshäuser und Vereinigungsplätze dieser Menschenklasse.

Wenn man in dieses Viertel kommt, hört man häufig plattdeutsch sprechen. Dieß ist die eigentliche Volkssprache und das gewöhnliche Idiom der Matrosen und Landleute. Die Kinder in Hamburg lernen daher diesen Dialekt gewöhnlich früher von den Dienstboten, ehe sie hochdeutsch sprechen lernen. Mit Unrecht hält man das Plattdeutsch für schlechtes, verdorbendes Deutsch; es ist vielmehr ein besonderer Dialekt. Man glaubt, daß es die Ursprache der angelsächsischen Völker gewesen sey, von welcher sich noch viel Ueberbleibsel im heutigen Englischen finden.

Hamburg ist eine freye Reichs- und Hanse-Stadt. Die Regierung ist unter dem Senat und dem Kollegium der Bürgerschaft getheilt, welches sich alle drey Monate versammelt. Jener zählt vier Bürgermeister und zwanzig Rathsherren zu seinen Mitgliedern.

Bereits im Jahr 1241 vereinigten sich die Städte Hamburg und Lübeck zu einem Bündnisse, bey welchem sie ihr gemeinschaftliches Handels-Interesse berücksichtigten. Dieser Bund erhielt den Namen der Hanse. Mehrere Städte folgten ihrem Beyspiele; daher entstand der Name Hanse-Städte. Der Handel ist immer der Hauptzweig der Industrie der Hamburger gewesen. Er war zu jeder Zeit beträchtlich, und nahm seit dem Ausbruche der französischen Revolution außerordentlich zu. Seit aber der Ausfluß der Elbe von den Engländern blockirt gehalten wird, ist der Handel gehemmt und sehr in Stockung gerathen.

Der Marschall Mortier ließ, nach der Besetzung Hamburgs, alle in großer Anzahl vorhandene englische Waaren, so wie alle im Hafen liegende englische und schwedische Fahrzeuge in Beschlag nehmen. Alle hier anwesende Engländer wurden zu Kriegsgefangene gemacht, und ihre beweglichen und unbeweglichen Effekten konfiszirt.

Hamburg hat viele Fabriken und Manufakturen; vorzüglich zeichnen sich die Sammt- und Seiden-Manufakturen aus. Am erheblichsten aber sind die Zucker-Raffinerien, deren man drey hundert zählt. Der Hamburger Zucker ist beleibt und wird sehr gesucht.

Alle Jahr geht eine Anzahl Schiffe von hier nach Grönland, um dort den Wallfischfang zu treiben. Diese Fahrzeuge bringen eine Quantität von Kinnladen der Wallfische mit, aus denen man eine Art Eckpfähle oder Pfeiler verfertigt, die man an den Häusern und an den Landstraßen aufstellt. In einem Lande, wo das Holz selten ist, und wenig Bausteine gefunden werden, ist die Benutzung jenes Naturprodukts allerdings wichtig. --

Hamburg hat zwey Theater, ein französisches und ein deutsches, die beide geschickte Mitglieder zählen. -- Die Börsenhalle ist ein Zusammenkunfts-Ort der Kaufleute, wo man eine beträchtliche Sammlung von Zeitschriften, Landkarten und neu erschienenen Bücher in allen Sprachen findet.

Hamburg ist wegen seiner Armenanstalten und milden Stiftungen berühmt. Die bedeutendsten derselben sind das Waisenhaus, das Arbeitshaus, das Freymaurer-Hospital, der Krankenhof, u. s. w. Auch sieht man auf den Straßen Hamburgs keine Bettler. Von den beiden letzten Instituten will ich etwas ausführlicher reden. --

Die Umgebungen Hamburgs vereinigen mannichfache Vorzüge. Altona liegt sehr nahe; eine schöne Allee führt dahin. Auf der rechten Seite derselben liegt der Hamburger Berg, eine Vorstadt Hamburgs, die sich bis ohnweit Altona erstreckt.

Der Elbstrom theilt sich vor Hamburg in zwey Arme, zwischen welchen eine Menge Inseln liegen. Unterhalb Altona, Flottbeck gegenüber, strömen beide Arme wieder zusammen, und der Fluß erreicht nun die Breite einer Meile, welche immer zunimmt, bis er sich in die Nordsee ergießt.


Quellen und Literatur.

  • Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
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