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Das Herzogthum VVarschau.[]


VVarschau,[1] das Herzogthum wurde durch den Tilsiter Frieden 1807 aus Bestandtheilen der Preussischen Monarchie, oder aus Theilen des ehemaligen Königreichs Polen gebildet. Es umfaßte bey seiner Entstehung Südpreußen mit Neuschlesien oder Severien, Neuostpreußen (mit Ausnahme des Bezirks um Bialystok), und noch aus dem abgetretenen Theil des Netzdistrikts oder dem Departem. Bromberg. Diese Provinzen enthielten nach den lezten Preußischen Bestimmungen:

Seelen
Südpreußen auf 999 QM. 1387800
Neuostpreußen -- 603 -- 629000
Neuschlesien -- 41 -- 72000
Dep. Bromberg -- 159 -- 214000

Das ganze Herzogthum hatte also auf 1702 QM. 2302800 Seelen. Hiezu kam aber im J. 1809 durch den Abtritt Oesterreichs ebenfalls an ehemaligen Polnischen Provinzen:

Seelen
Westgalizien mit 866 QM. u. 1307262
der Zamoscer Kreis -- 98 -- 190000
und der Halbzirkel
südlich um Krakau -- 3 -- ungef. 9000

Also hat gegenwärtig das ganze Herzogthum 2669 QM. Flächeninhalt und auf demselben 3809062 Einwohner; wiewohl der Preußische Krieg xc. diese Zahl in den ältern Provinzen mag vermindert haben.

Das ganze Land ist eine zusammenhängende durch kleine Anhöhen unterbrochene Ebene, nur auf der Südseite gegen die Oesterreichische Gränze hat es Berge, welche aber ebenfalls nicht von großer Bedeutung sind. Folglich fehlen auch die Produkte der Gebirge, die Metalle, größtentheils. Eisen haben die südlichen Berge, Sumpfeinsen Westgalizien mit einigen andern Gegenden. Salz erhielt der neue Staat durch den mit Oesterreich gemeinschaftlichen Besiz von Wielyczka südöstlich von Krakau. Von andern Metallen finden sich Spuren, sie sind aber von keinem Belange. Das Land hat zwar vielen Sand, aber durch die natürliche Vermischung mit Kalk-, Thon- und andern Erdtheilen wird es sehr ergiebig, zum Getreide- und Flachs-, auch Hopfenbau. Waldungen haben die meisten Gegenden, doch besonders die Provinz Neu-Ostpreußen, im Ueberfluß. Diese Waldungen nähren viele Bienen, deren Produkt der Einwohner benüzt und nur wenig an künstliche Behandlung der Bienen denkt. Die zahlreichen Auen und Wiesen nähren eine ansehnliche Menge von leichten dauerhaften Pferden, Rindvieh, viele Schweine, und Schafe mit grobe Wolle. Die hier angegebenen Produkte nähren nicht blos die Einwohner, sondern verschaffen durch ihre Ausfuhr das nöthige Geld zum Ankauf der aus der Fremde bezogenen Bedürfnisse und Gegenstände des Luxus. Der große Weichselstrom, welcher das ganze Herzogthum von Süden nach Norden durchfließt und mehrere für kleine Fahrzeuge und Flöße schiffbare Nebenflüsse aufnimmt, verschafft den Einwohnern die Leichtigkeit, ihren überflüssigen Roggen, Gerste, Waizen, Häute, Honig, Wachs, Fettwaaren xc. nach der Ostsee zu verführen, bey welchem Handel Danzig als vorzüglichste Stappelstadt betrachtet werden muß. Ein Theil dieser Produkte geht auf der Warthe der Oder zu, und Holz, Pech, Fettwaaren finden ihre vorzüglichste Strasse auf dem Niemen oder sie gehen auf dem Pregelfluß nach Königsberg. Zu Land erlaubt die Schwere der meisten dieser Artikel keinen weiten Transport. Das ganze Land erlaubt einen ungleich größern Anbau als er es bis jezt ist; am sorgfältigsten gepflegt sind die durch Oesterreichs Abtretung hinzugekommenen Bezirke, weil daselbst die Leibeigenschaft längst abgeschafft war. In den übrigen Provinzen wurde sie erst durch Kaiser Napoleon 1807 aufgehoben. Durch die Fähigkeit liegendes Gut zu besitzen wird die Regsamkeit des Landmanns in den nächsten Generationen sich erheben; bisher hat der Druck des Edelmanns ihn zu sehr unter die Menschheit herabgewürdigt, als das er den Werth des neuen Geschenks in seinem vollen Umfange sollte fühlen und benüzen können. Manufakturen fanden sich größtentheils nur in den Besizungen einzelner Grossen, und sie fiengen unter Preußischem Schutz an sich mehr zu heben. Grobe auch Mittel-Tücher wurden seit langer Zeit in dem Bromberger Depart., auch in den Städten an der Schlesischen Gränze xc. von vielen einzelnen meistern in hinlänglicher Quantität verfertigt, um ein Artikel der Ausfuhr vorzüglich nach Rußland zu werden. Schlesiens Nachbarschaft munterte auch zur sorgfältigern Bearbeitung des Flachses auf. Doch legte die lezte Hand zur Ausfertigung der Leinwand gewöhnlich erst der Schlesier an und die erzeugten Produkte gehörten zu seinem Handel. Fast alle übrigen Manufakturwaaren bezieht der Einwohner des Herzogthums vom Auslande. Er gehört seiner Hauptmasse nach zum Polnischen Zweig des Slawischen Völkerstammes; doch finden sich auch viele deutsche, unirte und nicht unirte Griechen und gegen 300000 Juden in den einzelnen Provinzen des Landes verbreitet. Sie sind der wichtigste Theil des Volks, denn durch ihre Hände gehen fast alle Gewerbs- und Handlungsgeschäfte und nur durch ihren Betrieb finden sich längs den Straßen und in den kleinern Orten schlecht eingerichtete Wirthshäuser. -- Bisher gab es nur einen Stand im Lande, den Adel, alle Vorrechte, ehemals auch alle Gewalt lagen einzig in seinen Händen. Bürger im deutschen Sinne des Worts kannten nur die wenigen bedeutenden Städte; die übrigen in den sehr vielen andern, von Dörfern nur durch den Namen ausgezeichneten, Städten waren Untergebene meist Leibeigene des Adels, und der Landmann war völliges Eigenthum desselben, kein Mitglied der Nation.

Allmählig gewann, schon unter Oesterreich. und Preußischer Regierung, dies alles einen menschlichern Gang. Der Adel blieb der hervorragende, so wie der reichste Theil des Volks (wiewohl auch viele arme Mitglieder sich unter der großen Zahl desselben befinden), aber neben ihm fieng der Bürger und allmählig auch der Landmann an sich zu heben, und durch K. Napoleons Verfügungen hat nun der Staat eine regelmäßige Form erhalten. An der Spitze desselben steht ein erblicher Herzog, jezt der König von Sachsen, mit eingeschränkter Gewalt: er bezieht, mit Einrechnung des neuen Zuwachses, über 2 Millionen deutscher Gulden, wovon aber nach Bestreitung des erforderlichen Aufwands sehr wenig in seine Kassen fließt. Da er nicht selbst zugegen seyn kann, so vertritt unter Frankreichs Auspicien seine Stelle der Präsident des aus den 6 Ministern, mehrern Räthen und Referendarien bestehenden Staatsraths, welcher in die vier Sektionen: der Justiz, der innern Angelegenheiten und des Kultus, des Kriegswesens und der Finanzen, zerfällt. Ihm zur Seite steht zur Besorgung der exekutiven Gewalt der Senat von 30 adelichen Mitgliedern, 10 Bischöfen, 10 Woywoden, und 10 Castellanen. Die gesezgebende Gewalt liegt in der Mehrheit der Stimmen auf dem Reichstage, welcher alle 2 Jahre berufen werden soll. Er besteht, ausser dem Senate, aus 100 Landtags-Deputirten oder Landboten, meist aus dem Adel, einige auch aus dem Bürgerstande; der Landmann wird bis jezt nicht präsentirt. Der Siz der höchsten Kollegien ist zu Warschau, folglich auch des höchsten Appellationsgerichts, an welches man sich von den in jedem Departement befindlichen Tribunale wendet, Friedensgerichte finden sich in jedem Kreise. Recht wird gesprochen nach dem Code Napoléon.

Mit dem neuesten Zuwachse hat nun der Staat folgende 10 Departements: 1) Warschau mit 10 Kreisen, 2) Posen mit 14 Kreisen, 3) Kalisch mit 13 Kreisen, 4) Bromberg mit 10 Kreisen, 5) Plock mit 6 Kreisen, 6) Lomza mit 7 Kreisen. Dann die neuen aus Westgalizien xc. gebildeten Departem. 7) Radom, 8) Krakau (an der linken Seite der Weichsel), 9) Siedlce, 10) Lublin (an der rechten Seite der Weichsel). Die vier lezten Departem. erhalten 40 Kreise. In dem ältern Theil ist die ehemalige preußische Eintheilung größtentheils beybehalten worden; in den neuern Besizungen erwuchsen aber aus den ehemaligen 7 Kreisen 4 Departements.

Die herrschende Religion des Landes ist die katholische, aber in ihren ehemals gekränkten Vorrechten bleiben die zahlreichen Lutheraner (gegen 190000), die Reformirten und die Griechen, oder mit ehemaliger allgemeiner Benennung die Dissidenten; auch die Juden und die wenigen Mohammedaner haben freye Ausübung ihrer Gottesverehrung. -- Die Abgaben werden bis jezt noch nach ältern Einrichtungen bezogen und sind in einiger Rücksicht erhöhet worden; ehemals zahlte der Adel beynahe nichts, jezt das meiste zu den Einkünften des Staats, welche auf 8 Millionen deutscher Gulden berechnet werden, aber bey der jezigen Stockung der Ausfuhr schwer zu beziehen sind. Vier polnische Gulden machen sehr nahe einen deutschen Gulden. Die Kriegsmacht läßt sich nicht genau bestimmen, vorzüglich da mehrere Regimenter in Französischen Diensten im Auslande stehen. Mit Einschluß derselben beträgt sie über 46000 Mann. Schulden sind vorhanden; theils ältere, über welche man sich noch mit Preußen auszugleichen sucht, theils neuere, welche die Kriegsjahre herbeyführten.


Das Herzogthum Warschau.[]


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I. Land.[]

1. Bestandtheile. Dieses erst seit dem Frieden zu Tilsit entstandene Herzogthum, ein Nebenland des Königs von Sachsen, welches keinen Theil des rheinischen Bundes ausmacht, ist aus preußischen und östreichischen Besitzungen vom ehemaligen Königreiche Polen zusammengesetzt, nämlich aus Südpreußen mit Neuschlesien oder Severien, aus Neu-Ostpreußen mit Ausnahme des Bezirkes um Bialystock, aus dem so genannten Netzdistrict, oder dem Bromberger Departement von Westpreußen, ferner aus dem östreichischen Westgalicien, aus dem Zamoscer Kreise in Ostgalicien und einem Bezirke im Süden von Krakau.
2. Größe und Gränzen. Das ganze Herzogthum hat einen Flächenraum von ungefähr 2769 Quadratmeilen, und gränzt östlich an Rußland und Oestreich, südlich an Oestreich und Schlesien, westlich an Brandenburg, nördlich an Preußen. Natürliche Gränzen bilden der Bug, die Weichsel und die Netze.
3. Boden, Gewässer und Klima. Bei weitem der größte Theil des Landes ist eine unübersehbare Ebene, worauf fettes, oder mit Sand und Lehm vermischtes Erdreich hier und da durch Haiden, Hügel, Wälder und Moräste unterbrochen ist. Nur im Süden gegen die östreichische Gränze hin erheben sich einige Berge, die aber nicht zu den sehr hohen gezählt werden können. Fast nirgends findet man unwirthbares Land; fast in jeder Gegend ist es entweder zum Ackerbau, oder zur Viehzucht wohl geeignet. Die vornehmsten Flüsse, welche das Land durchströmmen, oder wenigstens die Gränze berühren, sind der Bug, die Narew, die Weichsel, die Netze und Warte. Seen hat Süd- und Neuostpreußen; der größte ist der Goplo See im Bromberger Bezirke. Wichtig ist der Netze- oder Bromberger Kanal, welcher die Weichsel mit der Netze und Warte, und durch sie mit allen denjenigen Flüssen in Gemeinschaft setzt, welche sich mit der Oder und Elbe vereinigen.
4. Producte. a. Aus dem Pflanzenreiche. Getreide, Flachs, Hanf, Hopfen bringt das Land in großer Quantität hervor. Auch den Tabak sieht man auf den Feldern blühen, und Holz ist besonders in Neu-Ostpreußen im Ueberfluß vorhanden. b. Aus dem Thierreiche weiset es viel und schönes Hornvieh, eine Race leichter, schnelle laufender polnischer Pferde, viele Schweine, Schaafe nur mit grober Wolle, Wildprät, auch wilde Thiere, besonders Bären auf. Der Fische giebt es in den Flüsse und Seen, und wilder Bienen in den Wäldern genug. c. Mit Mineralien ist das Herzogthum wenig versehen, da sich nicht viele Berge darin befinden. An Metallen fehlt es fast ganz; höchstens zeigen sich hier und da unbedeutende Spuren davon. Etwas Eisen enthalten die Berge im südlichen Theile, und Sumpfeisen findet man in Westgalicien, und an einigen andern Orten. Das wichtigste mineralische Product ist das Salz zu Wieliczka, welches aber der Herzog von Warschau nicht allein, sondern gemeinschaftlich mit Oestreich besitzt.


II. Bewohner.[]

1. Nach ihrer Anzahl, Abkunft und ihren Sitten. Die Bevölkerung, worüber noch zur Zeit ganz genaue Angaben fehlen, beläuft sich wahrscheinlich in runder Zahl auf 3'800,000 Seelen. Der größte Theil der Einwohner besteht aus Polen, und ist slavischer Abkunft; doch leben auch viele Teutsche, Griechen und Juden in dem Herzogthume. Der Nationalunterschied aller dieser Völker verräth sich deutlich durch die ihnen eigenen Sitten. Das hier herrschende Volk beurkundet seine polnische Abkunft laut genug durch seine Unwissenheit, Trägheit und Unreinlichkeit.
2. Nach ihrer Erziehung, wissenschaftlichen Bildung und Religion. Weder die Privaterziehung, noch der öffentliche Unterricht sind hier besonders gut bestellt. Wo auch gute Schul- und Bildungsanstalten getroffen sind, läßt die natürliche Indolenz der Einwohner, und ihr Mangel an Cultur beinahe keine Früchte davon aufkommen. Natürlich können sich in einem solchen Lande auch die Wissenschaften in keinem sehr blühenden Zustande befinden. Zum Unterrichte junger Leute, die sich dem gelehrten Stande zu widmen gedenken, ist zu Warschau ein Gymnasium, und zu Krakau eine Universität errichtet, welche eine Bibliothek, einen botanischen Garten und eine Sternwarte hat. Zu Warschau gewährt die Zaluskische Bibliothek dem Freunde der polnischen Geschichte durch ihre Handschriften gute Hülfsmittel. Die herrschende Religion war zwar hier immer die katholische, doch war auch die Zahl der Dissidenten, nämlich der Lutheraner, Reformirten, Griechen, Socinianer, Arianer und Juden beinahe eben so stark.
3. Nach ihrer Industrie, ihrem Wohlstande, und ihren Beiträgen. Ackerbau und Viehzucht sind hier beinahe die einzigen Erwerbsmittel. Sie verschaffen dem Einwohner nicht nur seine tägliche Nahrung, sondern auch einen Zufluß fremden Geldes, wodurch er sich seine übrigen Bedürfnisse erkaufen kann. Von der Stärke des Ackerbaues kann der Umstand einen Begriff geben, daß in den Jahren 1802 und 1803 allein in den 4 damals preußischen Departements Posen, Kalisch, Plotzk und Warschau am den gewöhnlichen 4 Getreidearten 91,562 Berliner Wispel, 8 Scheffel, 7 Metzen ausgesäet worden, und daß dort der Haber meist 4, die übrigen Getreidesorten aber 5 bis 6 Körner Ertrag geben. Der Preis des Wispels Weizen war 30 - 36, des Korns 20 - 24, der Gerste 16 - 20, und des Habers 12 - 14 Thaler. Die Aussaat der Hülsenfrüchte, deren Ertrag im Durchschnitte zu 5 Körnern berechnet ist (Hirse giebt gewöhnlich 15 Körner), betrug 5862 Wispel, 10 Scheffel, 3 Metzen, diejenige von Buchweizen 7128 Wispel, 6 Scheffel, 2 Metzen *). Mehr als die Hälfte dieser Aussaat darf man allerdings für das Brombergische Departement, für Westgallicien, welches unter allen Provinzen des Herzogthums Warschau am meisten cultivirt ist, für den Zamoscer Kreis, und für den Bezirk um Krakau annehmen. Nicht minder ausgebreitet ist die Viehzucht. In den gedachten Jahren zählte man nur in den 4 genannten Departements 871,770 Stücke Horn- und Jungvieh, ohne die Kälber, 215,714 Pferde und Fohlen, eine noch weit größere Zahl Schaafe, Lämmer, Schweine, und 81,959 Bienenstöcke **).
Die Fabrication in diesem Herzogthume schränkt sich fast allein auf Leinwand und grobes und mittlers Tuch ein. Am meisten Leinwand liefern die an Schlesien gränzenden Städte. In Schlesien wird die Leinwand erst gebleicht und appretirt. Am meisten Tuch kömmt theils aus einigen Manufacturen, theils aus den Werkstätten einzelner Meister in den ehemals preußischen Provinzen. In den 3 Departements, Posen, Warschau und Kalisch allein (das brombergische Departement, wo die Tuchfabrication am stärksten ist, nicht mitgezählt) betrug im J. 1802 der Werth aller Fabricate 2'132,463, und mit Abzug der nöthigen Materialien der Gewinn der Fabricanten für Arbeitslohn und aufgewendetes Capital 713,450 Thaler.
Das Tuch, und die Leinwand, vorzüglich aber die natürlichen Producte: Getreide, Holz, Pech, Häute, Talg, Wolle, Wachs und Honig sind die Gegenstände einer starken Ausfuhre theils auf der Weichsel nach Danzig, und von dieser Stadt nach Rußland und in andere Länder, theils auf der Warthe nach der Oder.
Fabrication, Schiffarth und Handel sind daher für diejenigen, die sich im Großen mit denselben beschäftigen, eine ergiebige Quelle reicher Renten, so wie der Besitz großer Landgüter die Quelle des Reichthums für den Adel ist. Der Bauer ist in dem ehemals östreichischen Galicien, wo die Leibeigenschaft schon lange aufgehoben war, mehr wohlhabend, als in den ehemals preußischen Besitzungen. Dort ist sie zwar seit 1807 gleichfalls aufgehoben; aber in so kurzer Zeit konnte die Aufhebung derselben die Industrie in dem an Indolenz gewöhnten Landmanne noch nicht so sehr wecken, daß einige Früchte davon schon jetzt sichtbar wären. An Einkünfte wirft das Land mehr als 2 Millionen teutscher Gulden ab.
4. Nach ihren Vertheidigungsmitteln. Die Kriegsmacht des Herzogthums soll nach der Constitution aus 30,000 Mann von allen Waffen bestehen. Da es aber seitdem einen ansehnlichen Zuwachs an Ländern erhielt, so stieg die Truppenzahl auf mehr als 45,000 Mann, wovon ein großer Theil in französischen Kriegsdiensten ist.


III. Staatsverfassung.[]

1. Erbfolge und Verhältnisse des Herzogs. Das Grundgesetz, wodurch die Verfassung und Verwaltung des Herzogthums ihre Bestimmung erhielten, ist die Constitution vom 21. Jul. 1807. Nach derselben ist die herzogliche Krone von Warschau erblich in der Person des Königs von Sachsen, und seiner Nachkommen nach der im sächsischen Hause geltenden Successionsfolge. Als Civilliste sind ihm 7 Millionen polnischer Gulden, zur Hälfte in Domänen, und 2 Palläste angewiesen. Der Herzog ist Gesetzgeber im Herzogthume, und hat auch die vollziehende Gewalt. Er kann seine Authorität ganz, oder zum Theile einem Vicekönig übertragen, oder er ernennt an dessen Stelle einen Präsidenten des Conseils der Minister. Doch theilt er die gesetzgebende Gewalt, so viel neue, oder Veränderung alter Gesetze, Auflagen und Münzwesen betrifft, mit der Versammlung der Stände, welche nach der Mehrheit der Stimmen darüber Beschlüsse fassen.
2. Rechte und Verhältnisse der Staatsbürger. Die hohe Geistlichkeit und der Adel genießen das Recht der Reichsstandschaft. Die adelichen Mitglieder der Reichsversammlung werden auf den Vorlandtagen, d. i. auf den Districtsversammlungen, die aus den Edelleuten des Districts bestehen, gewählt. Eben dieselbe Fähigkeit, zu Mitgliedern der Reichsversammlung gewählt zu werden, hat auch der Stand der Bürger. Diese Wahl geschieht durch die Gemeindeversammlungen. Das Stimmrecht in denselben hat 1. jeder nicht adeliche Bürger, welcher ein Eigenthum besitzt, 2. jeder Fabricant und Herr einer Werkstätte, jeder Kaufmann, der ein Gewölbe oder Magazin zu 10,000 polnischen Gulden an Werth hat, 3. jeder Pfarrer und Vicar, 4. jeder Künstler und Bürger, der sich durch Talente, Kenntnisse, oder geleistete Dienste auszeichnete, 5. jeder verabschiedete Unterofficier und Soldat, welcher Wunden erhalten, oder mehrere Feldzüge mitgemacht hat, 6. jeder Officier, von welchem Grad er seyn mag. Der Bauernstand besitzt zwar die Fähigkeit nicht, zur Nationalrepräsentation zugelassen zu werden; doch ist die Leibeigenschaft gänzlich abgeschafft.
Uebrigens kann keiner, der nicht Bürger des Herzogthums Warschau ist, darin ein geistliches, weltliches, oder gerichtliches Amt bekleiden, und alle Acten der Regierung müssen in der Nationalsprache abgefaßt seyn.


IV. Staatsverwaltung.[]

1. Die Centralverwaltung besorgt a. das Ministerium, oder ein Justizminister, ein Minister des Innern und der geistlichen Angelegenheiten, ein Kriegs- ein Minister der Finanzen und des Schatzes, und ein Polizeiminister nebst einem Minister Staatssecretär; b. der Staatsrath, welcher unter dem Präsidium des Königs alle von den einschlägigen Ministern vorgeschlagenen Gesetze und Administrationsreglements entwirft; c die aus 66 Adelichen und 40 Deputirten der Gemeinen bestehende Kammer der Landboten, oder der allgemeine Reichstag, welcher nur alle 2 Jahre vom König zusammenberufen wird, die Gesetzentwürfe untersucht, und über ihre Annahme Beschlüsse faßt, und d. der Senat, ein Zweig des allgemeinen Reichstages, welcher aber permanent ist, und dem die Beschlüsse der Reichsversammlung zur Genehmigung vorgelegt werden. In Hinsicht auf justizielle Gegenstände, welche nach dem Codex Napoleon verhandelt werden, besteht für das ganze Herzogthum ein Appellationsgericht, und die Stelle des Cassationshofes vertritt der Staatsrath. Die Verhandlungen sowohl in Civil- als in Criminalsachen geschehen öffentlich.
2. Provinzialverwaltung. Seitdem das Herzogthum am Umfange zugenommen hatte, ist es in 10 Departements, und diese sind in 100 Kreise getheilt; doch hat nicht jedes Departement gleich viel Kreise. Jedes Departement wird durch einen Präfecten verwaltet, und hat ein Conseil der Streitsachen, und ein Generalconseil. Ein Tribunal entscheidet in jedem Departement über Civilsachen in erster Instanz, und für Criminalsachen haben 2 Departements mit einander einen Gerichtshof. Jedem Districte oder Kreise ist ein Unterpräfect vorgesetzt; in jedem befinden sich ein Districtsrath, ein oder mehrere Municipalräthe, Friedensgerichte xc. wie in Frankreich.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
  2. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
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