Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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F. A. Grangeneuve.[]

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Grangeneuve, (F. A.) Rechtsgelehrter und Substitut des Anwalts der Gemeine zu Bordeaux, Deputirter der Gironde bey der Gesetzgebung. Von Anfange der Sitzung trug er auf strenge Maasregeln gegen die Auswanderung an. Er war einer von denen, die mit dem Exkapuziner Chabot übereingekommen waren, sich von gedungenen Leuten morden zu lassen, um das Volk gegen den Hof zu erbittern; doch im Augenblick der Vollziehung fürchtete er zu gut ermordet zu werden und gab den Plan auf. Als Mitglied des Konvents machte er weniger Aussehen, als in der Gesetzgebung, verfolgte den Gang der Gironde, die sich immer mehr mäßigte im Verhältniß, daß die Montagne immer herrscherischer um sich griff, und bey dem Prozesse Ludwigs XVI. stimmte Grangeneuve nur für den Verhaft des Fürsten und wollte nicht die obersten Funktionen des Anklägers, Zeugen und Richter in sich vereinigt sehen. Nachdem er in die Proscription vom 31. May 1793 verwickelt wurde, flüchtete er sich aus Paris, ward aber zu Bordeaux arretirt und von der dasigen Militärkommission den 21. Dezember 1793 zum Tode verurtheilt. Er war 43 Jahr und in Bordeaux geboren.


Charakterschilderung.[]

Von Madame Roland.[]

[2]

Grangeneuve.

Grangeneuve ist gewiß das beste Geschöpf, das man unter einer Gestalt von so geringem Ansehen nur finden kann; er hat einen gewöhnlichen Verstand, aber eine wahrhaft große Seele; er thut schöne Dinge mit Simplicität, ohne daran zu denken, was sie wohl andere für Mühe kosten möchten.

Als das Betragen und die Anstalten des Hofes im July 1792 feindselige Absichten zu erkennen gaben, räsonnirte jeder über die Mittel, ihnen zuvor zu kommen, oder sie zu vereiteln. Chabot sagte bey dieser Gelegenheit mit der Wärme, die von Exaltation und nicht von Seelenstärke herrührt, daß es zu wünschen wäre, der Hof möchte auf das Leben einiger patriotischen Deputirten Angriffe thun lassen; dies würde eine unfehlbare Veranlassung zu einem Aufstande des Volkes seyn, als dem einzigen Mittel, es in Bewegung zu setzen, und eine heilsame Crisis hervorzubringen. Chabot erhítzte sich bey diesem Texte, den er ziemlich weitläuftig commentirte. Grangeneuve, der ihn, ohne ein Wort zu sagen, in der kleinen Gesellschaft, worin diese Rede gehalten worden, gehört hatte, ergriff den ersten günstigen Augenblick, um mit Chabot ins Geheim zu sprechen. "Ich bin, sagt er ihm, von Ihren Gründen hingerissen worden; sie sind vortreflich; aber der Hof ist zu schlau, um uns je eine solche Gelegenheit zu verschaffen; man muß an seine Stelle treten; finden Sie nur Menschen, die den Streich ausführen könnten; ich erbiete mich zum Opfer." -- Wie? Sie wollen -- -- ? -- "Freylich; was ist denn hiebey so schwierig? Mein Leben ist nicht sehr nützlich; meine Person hat nichts Wichtiges; und ich werde mich glücklich genug schätzen, meinem Vaterlande damit ein Opfer zu bringen." -- Ach, mein Freund! rief Chabot in einem begeisterten Tone; Sie sollen nicht der Einzige seyn; ich will diese Ehre mit Ihnen theilen! -- "Wie Sie wollen; Einer ist genug; zwey können es noch besser machen, aber es ist dabey keine Ehre; es muß Niemand etwas davon wissen. Lassen Sie uns nun an die Mittel denken."

Chabot übernahm es, dafür zu sorgen; einige Tage darauf meldete er Grangeneuve, daß er seine Leute habe, und daß alles bereit sey. -- "Nun gut! lassen Sie uns die Zeit bestimmen; wir wollen uns morgen Abend in den Ausschuß begeben; um halb eilf will ich weggehen; wir müssen dann durch diese wenig besuchte Straße kommen; da müssen wir die Leute hinstellen; nur müssen sie sich bey der Sache wohl zu nehmen wissen; sie müssen uns gut niederstoßen, und uns nicht verstümmeln." -- Die Stunde war festgesetzt; man verabredete alles; Grangeneuve machte sein Testament; ordnete noch einige häusliche Angelegenheiten ohne Affectation an; und fehlte nicht bey dem gegebenen Rendezvous. Chabot erschien nicht; die bestimmte Stunde kam, er war noch nicht da. Grangeneuve schloß hieraus, daß derselbe die Idee der Ehrentheilung aufgegeben habe; doch glaubte er, die Ausführung würde an seiner Person geschehen, und so ging er ab. Er nahm den verabredeten Weg; machte kleine Schritte; stieß aber auf gar keinen Menschen; ging den Weg zum zweytenmale durch aus Furcht, es könnte ein Irrthum in der Zeit vorgefallen seyn, und war zuletzt gezwungen, mißvergnügt über das Unnütze seiner Vorbereitung, gesund und wohlbehalten nach Hause zu gehen. Chabot rettete sich durch elende Ausflüchte von Vorwürfen, und verläugnete weder die Feigheit eines Priesters, noch die Heucheley eines Capuciners.


Quellen.[]

  1. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Für das Jahr 1795. Im Verlage des Herausgebers.
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