Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Kowno.[]

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Kowno, Kauen, Stadt, in dem nach ihr benannten Distrikt, in der Litauischen Woiwodschaft Trock, beym Zusammenfluß der Wilia und Memel, hat in der Ferne, wegen ihrer Thürme, ein gutes Ansehen, aber das Innere bestehet, ausser den zahlreichen Klöstern und Kirchen, aus schlechten Häusern und Ruinen. Ausser den Katholiken wohnen daselbst Lutheraner und Reformirte, die eine Kirche in Gemeinschaft haben, Juden, die eine Vorstadt inne haben, und Tatarn, welche den Gartenbau treiben. Jezt ist sie Kreisstadt im Russischen Gouvernement Wilno. Sie hat ein lebhaftes Verkehr, als Stappelort der Güter die nach Preussen gehen, vorzüglich von Getreide, Honig und Wachs.


Von Reisende.[]

Friedrich Schulz.[]

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[1793]

Der Fluß, über welchen ich mich nun setzen ließ, um vollends nach Kauen hinein zu kommen, war die Wilia, die in die Niemen oder Memel fällt, und diesen Strom um ein Drittel stärker macht. Er nimmt dann seinen Lauf so, daß man sich, wenn man Kauen hinter sich hat, noch einmal darüber setzen lassen muß. Diese Stadt ist also rund herum von diesen beyden Flüssen eingeschlossen.

Kauen selbst ist eine der ältesten Städte in Lithauen. Die Spuren davon sieht man an einigen altgothischen Häusern, die sich bey den Verheerungen, welche die Stadt in den Schwedischen Kriegen und durch Feuersbrünste ausgestanden hat, erhalten haben. Es ist diejenige Art von Häusern, die mit den Giebeln nach der Straße gebauet sind. Die Giebel sind entweder doppelt und abgerundet, oder nur einfach und oben Spitz zulaufend und beschnörkelt. Ein paar Kirchen sind in demselben Geschmacke erbauet; was aber unter den Häusern später aufgeführt ist, zeigt einen reinern, neuern Geschmack, und einige darunter habe ich ganz artig gefunden. So ist das ehemalige Jesuiten-Kollegium am Markte, nebst seiner Kirche, obgleich nicht übermäßig groß, dennoch nach sehr guten Verhältnissen erbauet, und, was man ganz natürlich finden wird, das beste öffentliche Gebäude in der Stadt. Das Rathhaus hat einen schönen Thurm nach alter Weise, welcher der höchste in der Stadt ist, und den Markt ziemlich vortheilhaft aufputzen hilft, war, in einer andern Art, einige zwanzig Stück Russisches Geschütz, nebst dazu gehörigen Pulverwagen, ebenfalls thaten. Die äußern Theile der Stadt sind durchweg mit Holzhäusern besetzt, zwischen denen noch manche Ueberbleibsel von Mauerwerk sich befinden, die deutlich beweisen, daß diese Stadt ehemals grösser, volkreicher und blühender war, als jetzt. Der Bürgermeister und Posthalter des Orts, der, wie er mit selbst versicherte, Herr von Essen hieß, gab mir die Zahl der Häuser zu 400 und die Einwohner zu vier bis fünfthalb tausend an.

Uebrigens ist die Lage von Kauen nicht unangenehm. Ich habe eben gesagt, daß sie in einem Thale liegt, und durch die Wilia und Memel umschlossen wird. Letztre fließt an einem beträchtlichen, behölzten Bergrücken hin, der über die höchsten Häuser in der Stadt hervorragt, so daß jede Straße eine Aussicht nach demselben zeigt. Das Thal selbst ist rund umher frisch und fruchtbar.

Endlich ist diese Stadt noch ihres Meths wegen berühmt, der ganz vorzüglich ist und hier Lippitz heißt. Es ist ein abgezogenes Getränk von Honig, das sich wohl funfzig Jahr hält, und dem man dadurch, daß man es auf Fässer oder auf Flaschen zieht, worin Ungarischer Wein war, solch einen Grad von dem Geschmack und dem Geruche dieses Weines zu geben weiß, daß man, wenn man nicht Kenner ist, wohl irre geführt werden kann. Derjenige ist der beste, welcher der weißeste ist, und diese Art wird von Liebhabern mit einem, zwey und dritthalb Dukaten die Flasche bezahlt. Man schreibt die Vorzüge, die dies Getränk in Kauen vor den andern Arten anderwärts hat, dem Umstande zu, daß die Bienen hier herum ihr Honig auf den Linden sammlen. Vermuthlich trägt die Behandlungsart nicht weniger dazu bey.

Ungefähr eine halbe Stunde von Kauen, muß man, wie ich schon bemerkt habe, sich über die Niemen setzen lassen. Auf der Fähre befand sich ein Russischer Korporal, der dorthin gestellt war, um Ordnung und Thätigkeit beym Uebersetzen zu erhalten. Ein ansehnlicher Haselstock beförderte dies; und er war auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Pflicht so erpicht, daß er, wenn die Fahrleute auch gut arbeiteten, sie dennoch mit derben Streichen zwang, noch besser zu arbeiten. Dies ging so weit, daß er auch ein paar Reisende (einen Lithauer und einen Juden) mit zur Arbeit trieb, und sie eben so gut durch die Ausbrüche seines Diensteifers beunruhigte, als die eigentlichen israelitischen Matrosen. Erst etwas spät bemerkte ich, daß er mich, bey jeder Erinnerung, die er austheilte, von der Seite lächelnd ansah, um mir anzudeuten, es geschehe, um mit desto geschwinder hinüber zu helfen; und daß er also auf dem Buckel jener ein Trinkgeld von mir zu ärnten vermuthete. Da mir diese Entdeckung keine sonderliche Freude machte, so nahm ich mit vor, ihn nicht für seinen guten Willen zu belohnen; aber am gegenseitigen Ufer machte mich die Zufriedenheit, auf dem elenden Flosse glücklich hinüber gekommen zu seyn, wieder weich, und ich gab ihm einige Polnische Groschen, die er eben so demüthig annahm, als er vorher übermüthig geprügelt hatte.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
  2. Reise eines Liefländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nürnberg, Regensburg, München, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol. Berlin, 1795. bei Friedrich Vieweg dem ältern.
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