Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Cattaro.[]

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Cattaro, eine Stadt mit 1400 Einwohnern, starken Mauern, und einem Bergschlosse, im venetianischen Theil von Albanien, an dem von ihr benannten Meerbusen. Sie ist von hohen Bergen umgeben, so daß sie im Winter die Sonne nur wenige Stunden sieht. Die Einwohner der Stadt und des Gebiets sind theils Catholiken, theils Griechen. Cattaro unterwarf sich 1420 aus Furcht vor den Türken freiwillig der Republik Venedig. Längs des engen und gekrümmten Busens von Cattaro liegen mehrere wohlbewohnte Orte, welche sich wie Cattaro selbst von der Seefahrt, einigem Handel und der Fischerei nähren. Die Gegend bringt Oel, Wein und edle Baumfrüchte hervor. Durch den Frieden von Campo Formio kam Oesterreich in den Besitz dieser Stadt und ihres Bezirks; in dem pressburger Frieden aber 1805 trat es beides wieder an Italien ab. Doch ehe die dahin bestimmten französischen Truppen davon Besitz nehmen konnten, erschienen russische Kriegsvölker, welche sich, mit Hülfe der Landesbewohner und der Montenegriner, der an dem Meerbusen von Cattaro gelegenen festen Plätze bemächtigten. Dies Ereigniß verursachte zwischen Frankreich, Rußland und Oesterreich große Spannung und viele diplomatische Verhandlungen. Erst nach dem tilsiter Frieden kam Frankreich in den wirklichen Besitz. Der Ganze Bezirk mit der Stadt gehörte seit 1810, nach dem wiener Frieden, zur zweiten militärischen Division der illyrischen Provinzen. Er hat auf ungefähr 20 Quadratmeilen 25,000 Einwohner. Am 10. Jun. 1814 wurde Cattaro von den Oesterreichern, unter dem General Milutinokich, wieder in Besitz genommen.


Besetzung und Räumung der Bouches du Cattaro von den Russen.[]

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Während in Oesterreich und in den übrigen Gegenden Deutschlands die Stipulationen des Presburger Friedens schon größtentheils in Erfüllung gegangen waren, trat im ehemaligen Venetianischen Albanien ein militärischer Incidentpunkt ein, der mehrere merkwürdige Folgen gehabt hat, und noch merkwürdiger, ohne die friedliebenden Gesinnungen des erhabenen Russischen Souveräns, würde gehabt haben.

Im 23sten Artikel des Pressburger Friedensschlusses *) war bestimmt: "daß Istrien, Venetianisch Dalmatien, Bouches du Cattaro und die Venetianischen Inseln im Adriatischen Meere, binnen 6 Wochen nach Auswechslung der Ratificationen, welche bekanntlich am 30sten Dec. geschah, von Oesterreich an Frankreich überliefert werden sollten." Nachdem jener Termin verstrichen war, und wie man Franz. Seits eben im Begriff war, das Gebiet von Cattaro von Oesterreich in Besitz zu nehmen, erschien plötzlich gegen Ende Februars eine Russische Escadre unter Commando des Contreadmirals Henry Bailey, eines gebornen Engländers, mit einigen tausend Mann Landungstruppen vor Cattaro, und forderte das daselbst befindliche Oesterreichische Militär, welches (mit dem in den übrigen Plätzen) aus 2 Bat. des Regiments von Thurn bestand, zur Räumung und zur Uebergabe jenes von Bergen umgebenen Seeplatzes auf, welcher über 400 Jahre unter Venetianischer Regierung gestanden hatte, und durch den Frieden von Campo Formio an Oesterreich gekommen war.

*) Man sehe denselben S. 97 im Jan. St. D. J.

Da die Oesterreichische Besatzung zu schwach zum Widerstande war, so erfolgte auch die Uebergabe an die Russen. Diese betrachteten nemlich Cattaro bereits als den Franzosen gehörig, da der Termin von 6 Wochen, welcher von Oesterreich für die Uebergabe an Frankreich bestimmt worden, verflossen gewesen war.

Die unerwartete Nachricht von jener Russischen Occupation erregte bei den Franz. Befehlshabern in Dalmatien großes Aufsehen, und veranlaßte die Absendung vieler Couriere nach Wien, München, an den Französ. Kriegsminister daselbst, und nach Paris. Franz. Seits wurden dem Oestr. Commissär, Marquis von Ghisilieri, welchem die Ueberlieferung der abgetretenen Besitzungen in Dalmatien und Albanien übertragen war, und dem Oestr. Commandanten in jenen Gegenden, Generalmajor Brady, ein Irländer von Geburt, viele Vorwürfe gemacht, und es entstand über die Sache eine sehr lebhafte Correspondenz. Der Marquis von Ghisilieri schrieb an den Franz. General Molitor, Gouverneur von Dalmatien und Albanien, zu seiner Rechtfertigung einen Brief [≡], in welchem er anführte: daß er die Truppen zurückgezogen hätte, um eine Provinz, welche schon ein Eigenthum des Kaisers von Frankreich sey, vor Plünderung und gänzlichen Ruin zu bewahren, welches gewiß die Folge würde gewesen seyn, da die Tapferkeit der Besatzung der unendlich überlegenen Anzahl der Montenegriner xc. nicht gewachsen sey xc.

Mit dieser Erklärung war aber die Franz. Generalität nicht zufrieden. General Lauriston forderte unterm 25sten März in einer Note [≡] den Marquis von Ghisilieri auf zu erklären, ob er bei dem Vorgefallenen eigenmächtig gehandelt habe oder nicht. Zwischen dem Franz. und Wiener Hofe wurden die Erörtungen über das von Russischer Seits Vorgefallene sehr lebhaft. Franz. Seits enthielt man sich irgend etwas mit den Waffen gegen Cattaro zu unternehmen. Man drang vielmehr zu Wien darauf, daß der dasige Hof die Russische Räumung von Cattaro bewürken möchte, und hielt bis dies geschehen sey, die Festung Braunau besetzt.

Auf die Nachricht von der Russischen Besetzung von Cattaro wurden die Dispositionen der großen Franz. Armee in Deutschland sogleich verändert. Ein Theil davon ward nach Dalmatien und Italien detaschirt, und der größte Theil, über 100000 Mann blieben bis weiter in Baiern, Schwaben, Franken xc. Der Kriegsminister, Herzog Alexander von Neufchatel, verlängerte seinen Aufenthalt zu München, und die Triumphfeste der Franz. Armee, die auf den Mai angesezt gewesen waren, mußten weiter hin verschoben werden.

Um den Franzosen in Istrien und Dalmatien die Zufuhr von Bedürfnissen zu erschweren, erklärte der Commandant der Russischen Escadre bei Cattaro, Heinrich Bailey, der seine Flagge von dem Linienschiffe Asia wehen ließ, unterm 15ten März alle den Franzosen gehörigen, oder von ihnen besetzten Häfen am Adriatischen Meere, im Blokadezustand. Franz. Seits ward dagegen im Anfange des Aprils in allen Häfen des mittelländischen Meeres Erlaubniß ertheilt daß die Franz. Italienischen Kriegsschiffe und Kaper alle Schiffe wegnehmen könnten, welche Einwohner der von den Russischen besetzten Republik der 7 Inseln gehören.

Bei den lebhaften Vorstellungen des Franz. Hofes erfolgten zu Wien auch gerichtliche Proceduren. Der Marquis v. Ghisilieri ward in Arrest und Verhör genommen, und der Generalmajor Brady vor ein Kriegsgericht gestellt.

Inzwischen hatte der Wiener Hof sehr dringende Vorstellungen zu St. Petersburg durch seinen dasigen Bevollmächtigten, den General Grafen von Meerveldt, machen lassen, und diese hatten für die Beibehaltung der Ruhe den gewünschten Erfolg, daß der Kaiser Alexander den Befehl ertheilte, die an den Mündungen des Cattaro belegenen Orte von seinen Truppen räumen zu lassen.



Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1806.
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