Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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L. F. Sonthonax.[]

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Sonthonax (L. F.) ward nach einander von dem konstitutionellen Könige, von dem Konvente und von dem Direktorium nach St. Domingo beordert, und erwarb sich in diesem Posten einen Namen, der ihn zu einem der ausgezeichnetesten Menschen der Revolution macht. Er kam den 17. September 1792 in dieser Kolonie an. Sogleich proklamirte er und seine Kollegen die Dekrete der Negerfreyheit, fanden aber unter den Kolonisten einen Widerspruch, den sie mit Gewalt zu besiegen suchten. Sie bewaffneten die Neger, und gaben auf diese Weise das Signal zu den Gemetzeln, die seitdem diese unglückliche Gegend verwüstet haben. Southonax und seine Kollegen gaben den Kolonisten Schuld, nach dem Beyspiele der Einwohner von Martinique, die Engländer zu Hülfe gerufen zu haben; sie richteten mehrere militärische Expeditionen gegen sie und zogen im Juny 1793 in der Kapstadt ein, wo sie sich revolutionären Gewaltthaten überließen, die den damaligen in Frankreich glichen. Dieses Benehmen brachte die Mehrheit der Einwohner so in Aufruhr, daß die Civilkommissäre den 21. mit Gewalt der Waffen aus der Kapstadt vertrieben wurden; die Abbrennung dieser Stadt durch die Neger ward aber bald die traurige Vergeltung dieser Selbsthülfe; und die Kommissäre kannten seitdem keine Schonung mehr und bewaffneten alle Neger gegen die kleine Anzahl der Weißen, welche die ersten Mordszenen überlebt hatten. Indessen zog die Proscription Brissots und der Girondeparthey auch die des Sonthonax nach sich; seine Anklage wurde den 16. July 1793 dekretirt, und er ging nach Frankreich ab, um sich bey dem Konvent zu rechtfertigen; da jedoch der 9. Thermidor der Herrschaft seiner persönlichen Feinde ein Ziel setzte, erschien er, ohne etwas zu fürchten zu haben, vor den Schranken und ließ sein Anklagedekret zurücknehmen. 1796 sandte ihn das Direktorium von neuem in die Kolonien. Die Rückkehr des Moderantism in Frankreich, und hauptsächlich der Einfluß der Clichipartey in den gesetzgebenden Körper im Jahr 1797 führten bald eine Menge Denunziationen gegen Sonthonax herbey; seine Aufnahme in den gesetzgebenden Körper machte aber seinen Vollmachten und auch den Angriffen seiner Gegner ein Ende. Nach dem 18. Fruktidor wurde Sonthonax ohne Widerstand in den Rath der 500 aufgenommen. Seine Meinungen trugen das Gespräche der Mässigung, er sprach einigemahl über die Kolonien, stattete Bericht über ihre Lage ab und trat im May 1798 aus dem Rathe. Zur Zeit des 18. Brümaire befand er sich auf der Liste derer, die deportirt werden sollten, wurde arretirt, nach einigen Tagen aber wieder frey gelassen, und lebte seitdem in der Dunkelheit. 1803 wurde er nach Fontainebleau verwiesen.


Lacretelle d. j. über die Colonien und Santhonax.[]

[2]

(Zu Ende des Januars 1797 geschrieben.)

Ist es gegründet, daß man sich endlich mit den Colonien beschäftigt; daß man die Quelle ihres Unglücks untersucht? Ist es wahr, daß Vaublanc und Pastoret den Rath der Fünfhundert durch die herzzerreissenden Gemählde gerührt haben, die sie ihnen unter die Augen stellten? Was darf man von jenem geheimen Ausschusse hoffen, in welchem man mit einem Anschein von Heimlichkeit Uebel untersucht, die der ganzen Welt bekannt sind? Man errichtet sich in einen geheimen Ausschuß, um den Robespierre der Colonien anzugreifen. Greift man auf diese Art einen Tyrannen an, und bereitet man so einen 9ten Thermidor vor, der für die Colonien noch nicht erschienen ist? Hütet Euch, ruft Bailleul, die Verwüstungen von St. Domingo erklären zu wollen! Thut nicht den Uebeln Einhalt, denen diese Insel preisgegeben ist; man wird sie einst dem Nationalconvent zuschreiben, und die Rache dafür wird auf Euch zurückfallen.

So spricht Bailleul; mit solchen Grundsätzen konnte man Carrier und Joseph Lebon retten. Warum hat sich Bailleul nicht zu ihrem officiellen Vertheidiger gestellt? Dieß ist vielleicht das erstemal, daß man auf eine so unverschämte und ungeschickte Art einen politischen Egoismus enthüllt, der die Repräsentanten der Nation von der Nation selbst trennt.

Hat Santhonax Verbrechen begangen oder nicht? Maaßt er sich nicht jezt die National-Souverainetät an? Dieß ist die einzige Frage, die das gesetzgebende Corps untersuchen muß.

Sein Proceß war bereits instruirt; man hatte durch eine Menge von Actenstücken und durch seine eignen Geständnisse den Beweis aller seiner Verbrechen; auf einmal wird alles ausgesetzt; die Stimme der Ankläger wird erstickt; der Mörder der Weißen, der Mordbrenner vom Cap wird durch Amnestie geschützt, und in die Colonie zurückgeschickt, die er mit Leichen und Ruinen bedeckt hat. Kaum ist er dort angekommen, so hört der Waffenstillstand, den die Weißen von ihren Mördern erhalten hatten, auf; die Morde fangen wieder an; Aufruhr und Bürgerkrieg erneuern sich von allen Seiten. Der Engländer triumphirt über diese Uneinigkeiten, und erndtet die Frucht davon ein. Alle bürgerlichen und militairischen Autoritäten werden desorganisirt; ihre Häupter werden in Fesseln gelegt, und auf Schiffe geworfen, um wieder in Gefängnisse gebracht zu werden. Die Todes-Gesetze werden erneuert; ein einziger Mensch giebt und vollzieht sie. Santhonax verjagt seine eigne Collegen; er allein herrscht; er allein hat das Privilegium, unter den Mördern umherzugehen, die ihn ihren Vater nennen. Die Stille des Schreckens bedeckt sogleich die verwüstete Insel. Man verfertigt das Verzeichniß aller der Verbrechen, welche die Weisen mit ihrem Blute büßen sollen. Jede ihrer Bewegungen, jedes ihrer Worte ist ein solches Verbrechen! Wagen sie es zu glauben, wagen sie es zu sagen, daß die Ermordung ihrer unglücklichen Landsleute nicht eine Handlung der Menschenliebe sey; so begehen sie ein Verbrechen; sie werden für gesetzlos erklärt; eine andere Form von Urtheil kennt man in den Colonien nicht. Die tragischen Auftritte, deren Opfer die Weißen wurden, werden in plumpen Farcen vorgestellt, an welchen der Tyrann sich mit seinem schrecklichen Gefolge belustigt. Was Robespierre und St. Just bey allen ihren verhaßten Siegen nicht bewerkstelligen konnten, führt Santhonax jetzt ohne Widerspruch in St. Domingo aus, die Theilung der Ländereyen.

Und diese Greuel begeht man trotz einer Constitution, welche die Colonien schützen soll, so wie sie uns selbst schützt! Dieß Ungeheuer hat es dennoch gewagt, sie einen Augenblick geltend zu machen; aber unter welchen Umständen, und zu welchem Zwecke? Um durch seine blutigen Lictoren die sogenannte Repräsentation von St. Domingo ernennen zu lassen; um dem gesetzgebenden Corps die verhaßtesten Mitglieder des National-Convents beyzufügen, und mit seinen gefährlichen Mitverschwornen Platz darin zu nehmen. Geduld! in sechs Monaten wird er vielleicht die nur zu weit gediehene Ausrottung der unglücklichen Colonisten vollendet haben; und dann wird er, mit einer neuen Autorität versehen, zurückkehren, um unter uns Verbrechen anzustiften.

Was für Vollmachten hat denn der blutdürstige Dictator? Hat er sie vom Directorium? Hat ihm das Directorium das Recht ertheilen können, Gesetze zu geben, das es selbst nicht hat? das Recht, Tribunale zu errichten, das die Constitution verweigert? Hat es ihm das Recht geben können, die Constitution selbst zu suspendiren? ohne Urtheil uns Gefängniß zu werfen? über alles Eigenthum zu verfügen? sie seinen Helfershelfern zuzusprechen? Kann er allein befehlen, ohne Aufseher, ohne Collegen, ohne Widersprecher?

Ueberall spricht man von seinen Verbrechen; und doch scheint der argwöhnische Tyrann alle Wege der Communication mit dem Lande, das er unterdrückt, gesperrt zu haben; und doch würde jeder Colonist auf dem Schaffotte eine Klage büssen, die er niederschreiben, vielleicht nur seinen Nachbar anvertrauen würde. Ein solcher Mensch muß sich ohne Rettung verloren dünken; er erwartet die Stunde des Todes, wie wir sie unter Robespierre erwarteten, da wir alle unsere Klagen ersticken, allen unsern Unwillen zurückhalten mußten.

Hätte ich die Anklageacte gegen Santhonax aufzusetzen: so würde ich auf die eine Columne die blutdürstigsten Gesetze unserer Revolutions-Regierung, die Beschlüsse unserer wüthendsten Proconsuls, die Schilderung der von ihnen angeordnete Morde; und die Gesetze und Beschlüsse von Santhonax, die Schilderung des Brandes auf dem Cap in dem Augenblicke, da er an der Spitze von 20,000 Räubern dort einzog, auf die andere Columne setzen; und man würde dann sehen, wie weit die Grausamkeit unserer Henker noch der Grausamkeit des Henkers unserer Colonien nachsteht.


Quellen.[]

  1. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Hamburg 1797.
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