Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Löwenberg.[]

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Löwenberg, Kreisstadt am Bober, im Fürstenthum Jauer, in Schlesien. Sie hat mit der Vorstadt 397 Häuser und 3,050 Einwohner. Vor diesem ist ein gutes Bergwerk daselbst gewesen: ingleichen auch ein berühmter Schöppenstuhl, den Herzog Heinrich, der Bärtige, errichten ließ, und von dem alle Criminalsachen in Niederschlesien ihr Urtheil empfiengen. Die Lutheraner haben eine Kirche und Schule, ingleichen die Maltheserritter die große katholische Pfarrkirche zu St. Johannis. Die Katholiken haben noch 2 andere Kirchen. Sie heißt auch öfters Lemberg. Die Einwohn. nähren sich vom Korn- und Flachsbau, vorzüglich aber vom Tuchmachen, es sind 100 Meister in der Stadt; auch wächst in dieser Gegend viel Roßmarin. Die Stadt ist reich an Wasser, und fast jedes Haus hat seinen besondern Brunnen.

Der Löwenberg-Bunzlauische Kreis enthält 33 Quadratmeilen, und im J. 1796. 100,836 Einwohner, dem größern Theile nach Katholiken. Das Land ist nicht sehr fruchtbar, hat aber viele Fabriken.


Zeitgeschichte der Stadt.[]

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Von itzt an erholte sich Löwenberg zusehend. Magistrat und Bürgerschaft sparten keine Kosten ihre Stadt durch Bauten und Naturanlagen von innen und außen möglichst zu verschönern. Der Laubaner Thorthurm wurde 1784 wieder hergestellt, und 1803 der Löwe über dem Goldberger Thore bronzirt. Ruhe und Friede begünstigte den Betrieb der Gewerbe, und man hatte bereits alle erduldeten Drangsale älterer Zeit vergessen und ihre Folgen überwunden, als

1806 Preußens Unfälle im Kriege mit Frankreich neue Auflagen, Kriegssteuern u. s. w. herbeiführten, woran die Stadt ebenfalls Theil nehmen mußte, und wie alle Fabrikstädte Napoleons heillose Kontinentalsperre bitter empfand. Sieben Jahre verstrichen in so trauriger Verfassung -- da ging der Hoffnungsstern

1813 auf. Anfangs freilich noch in Wolken verhüllt, als nach der Schlacht bei Bauzen die Verbündeten sich zurückzogen, solches der sich nähernde Kanonendonner verkündigte, und am 22. Mai Alexander, und Friedrich Wilhelm der Stadt als Gäste angemeldet wurden, aus Tages darauf beide eintrafen. Man bereitete für beide in der Kommende und dem Streckenbachschen Hause Quartier. Noch an diesem Tage erließ der König den bekannten Armeebefehl, worinn er die Ursachen des Rückzugs andeutet und seine Unterthanen zur Standhaftigkeit ermahnt. -- Am 24. Mai folgte das russische Heer unter Wittgenstein, lagerte sich am Ufer des Bobers und die Wiesenbesitzer verloren ihr gesammtes Heu. -- Den 25ten Mai reisten die Monarchen ab, und die Nachziehenden Truppen nahmen mit was sie an Vieh und andern Lebensmitteln hatten zusammenbringen können; ein Umstand der die Einwohner so bestürzt machte, daß an 60 Familien flüchteten. Die Zurückbleibenden schwebten in banger Besorgniß, zumal das sie sahen, wie die Russen Anstalten zu kräftiger Gegenwehr trafen. Ruhig verstrich die Nacht; aber den 26. Mai brennten die Russen alle Boberbrücken ab und zogen davon. Um 8 Uhr Morgens trabten die ersten Feinde von Marmonts Korps herein, und bald darauf wurde in den Häusern nach Lebensmitteln gesucht, auch mitunter geplündert. Die Vorstädte kamen dabei am schlimmsten weg, und verlohren ihr Eigenthum von Geld und Geräthschaften bei 12,000 Rtl. Werth. Ein französisches Bataillon blieb als Besatzung in der Stadt, wo nach dem Pläswitzer Waffenstillstande und während dessen Dauer das beliebte Aussaugungssystem im ganzen Umfange gehandhabt wurde. Nach dem Wiederausbruch des Kriegs drang

Den 16. August Nachts mit Fluchen und Toben ein ganzes Franzosenregiment in die Stadt, die Soldaten schlugen die Hausthüren auf, forderten Lebensmittel und plünderten nebenbei. Obgleich General Gerard auf Ansuchen des Kommandanten Girard die Offiziere dieser Unmenschen verhaften ließ, so kostete diese Unglücksnacht den Bürgern doch über 350 Rtl. und mehrern darunter Leben und Gesundheit.

Am 19. August mußte die städtischen Lazarethe im Kloster und Schießhause über 500 bei Obermoys und Siebeneichen verwundete Franzosen einnehmen, und am 20. August Nachmittags wurde um die Stadt ununterbrochen gefochten.

Am 21. August zogen sich die Franzosen bis auf 100 Mann nach Greifenberg. Um 8 Uhr entstand eine gegenseitige Kanonade, welche ein der Niedermühle benachbartes Haus in Brand steckte, und diese ebenfalls beschädigte. Um 10 Uhr kam Napoleon persönlich, frühstückte in der Stadt und ritt dann nach dem Popel- und Hospitalberge, wo ihn seine dort gelagerten Truppen mit wilden Geschrei begrüßten. Nachdem er auf vorgenannten Standpunkte die Gegend erlugt hatte, kehrte er zurück ins weiße Roß und ertheilte hier vor einem mit Landcharten belegten Schemmel grimmigen Blicks Befehl, den Boberübergang durch Brücken zu beschleunigen. Weil man dieses nicht schnell genug bewerkstelligte, so gebehrdete sich der Kaiser fürchterlich; ging über die Pelzbrücke nach der Obermühle; überblickte aus deren Oberstock den Lauf des Mühlgrabens und wiederholte sogleich den Befehl Brücken zu schlagen. Indessen tödteten die Russischen Batterien vom Oberweinberge her etliche Sappeurs mitten im Wasser und mehrere Schüsse durchlöcherten das Dach der Mühle, worauf Napoleon dieselbe verließ, beim weißen Rosse seinen Schimmel bestieg, in die Stadt ritt und im Streckenbachschen Hause einkehrte. Kein Mensch durfte sich demselben nähern. Die um 12 Uhr Mittags beginnende Kanonade that zwar der Stadt keinen Schaden, aber desto toller wirthschafteten die Feinde. Sie holten die Getreidegarben aus den Scheunen, und bauten Hütten darauf; sie trugen aus den Wohnungen alles Küchengeschirr, plünderten die Gärten und verbrannten alles Haus- und Feldgeräthe, Thore und Thüren. Auf solche Weise wurden 9 Häuser und 13 Scheunen zerstört. Auch alle Obstbäume fielen unter den Aexten dieser Barbaren.

Am 22. August mußte überfüllter Einquartierung wegen der evangelische Gottesdienst ausgesetzt werden; außer dem Kaiser, König Joachim und 62 Generalen, hatte in der Stadt mancher Bürger bis 30 Soldaten zu beköstigen. Napoleons Begleiter schliefen auf der Streu, er im mitgebrachten Bette und ließ was verzehrt wurde baar bezahlen. Desto drückender fiel der Bürgerschaft die Unterhaltung seiner ungenügsamen Garden; es gebrach an Wein, Brandtwein und Semmeln, zuletzt auch an Brodt. Die Brücke nach Braunau wurde wieder hergestellt, dagegen die Schleuße bei der Niedermühle zerstört. Nachmittags ritt Napoleon kundschaften, ließ am 23. August 120 verwundete Preußen aus Plagwitz in das Löwenberger Lazareth schaffen, und marschirte Mittags 12 Uhr nebst Joachim nach Lauban. Außer den bereits erwähnten Verwüstungen auf den Feldern und in den Gärten hatten die Feinde auch das innere Räderwerk der Obermühle zu Grunde gerichtet. Nachmittags 3 Uhr rückte ein Bataillon Westphalen ein, dessen Anführer, Namens Schmidt wurde zum Kommandanten ernannt, und betrug sich sehr edel. Er erhielt täglich 5 Rtl. ohne die Beköstigung und Nebengeschenke.

Am 24. August häuften sich die Menge verwundeter Franzosen, welche von Goldberg kamen, so sehr, daß sie in Privathäusern untergebracht werden mußten. Der Kommandant ließ Nachts die Stadtthore verrammeln.

Den 27. August sehr früh liefen Französische Fußsoldaten und Reuter, gesund und verwundet, alles durcheinander eiligst durch die Stadt, wo der Kommissar Severoli ohne Hehl den Verlust der Schlacht am Katzbach gestand. Der Kommandant ließ auf Macdonalds Befehl an den Brücken arbeiten, allein 3 Soldaten und der Zimmermann Heydrich verlohren darüber das Leben. Abends quartirte sich der Kommandant in die Vorstadt, wo seine wehrhafte Mannschaft aus Nachlässigkeit das Rußelsche Haus bei der Pforte einäscherte. Severoli, kaum abgetrocknet, begann das bekannte Ausschreiben von Lebensmitteln aller Art. Sämmtliche Bobermühlen standen und es konnte blos in der Parchentmühle noch gemahlen werden. Die Vorstädter kauften den französischen Flüchtlingen mehrere Kühe um ein Spottgeld ab.

Den 28. August wurde zwar eine Menge Holz zum Brückenbau bei der Obermühle zusammengeschleppt; allein da weder Bitten, Belohnungen, noch Drohungen die Fischer bewegten den Marschall Macdonald von der steinernen Brücke in einem Kahne herüber zu holen, unterblieb Abends der veranstaltete Brückenbau. Die Kommissäre unterhielten die Bürger mit Siegesnachrichten von Dresden, welche ihr Kaiser im gewöhnlichen Styl mitgetheilt hatte. Sie erwarteten denselben also in Löwenberg und besoffen sich vor Freude, weil sie alle das ihnen von den Kosaken abgenommene Gut nun wieder zu erlangen hofften. Mancher darunter hatte statt des Rocks blos ein Stück von den Rahmen zerschnittnes Tuch um sich gewickelt.

Den 29. August machte sich die Besatzung marschfertig. Der Kommandant ließ abermals an Wiederherstellung der Brücken arbeiten. Kurz darauf erscholl der fürchterlichste Kanonendonner der ankommenden Russen, und geschreckt davon hinkten die französischen Verwundeten nach Sachsen ab. Abends entstanden Unordnungen; weil die Bürger die ungestüme Forderung der Lebensmittel nicht zu befriedigen vermochten, klagten die Soldaten bei ihren Offizieren und gaben vor, sie wären geprügelt worden. Nun drohte der Kommandant Schmidt diese Bürger zu erschießen, wofern er nicht 900 Rtl. Lösegeld bekäme; doch ließ er sich endlich mit 100 Rtl. abfertigen.

Am 30. August umlagerte das Heer der Russen und Preußen die Stadt, welche kein Brodt mehr besaß. Mittags rückten 2 Kompagnien Franzosen ein, machten Feuer auf dem Ringe und boten geraubte Sachen feil. Nachmittags steckten sie die Brücke bei der Obermühle in Brand, hieben alle Obstbäume und Pappeln um und benutzten dieselben so wie alles vorräthige Bauholz zu Verhacks. Um 4 Uhr endlich wurde die Stadt diese Gäste für immer los, und die Kommandanten Girard und Schmidt machten den Beschluß; alles nahm den Weg nach Lauban.

Am 31. August ließ der Feldmarschall Blücher in Löwenberg den vierten Armeebericht drucken, der die frohe Nachricht verkündigte: Schlesien ist von den Franzosen befreit. Also schloß sich heute das Sündenregister der willkührlichen Forderungen, Plünderungen und Verwüstungen des 11ten feindlichen Armeekorps und der Garden in und um die Stadt, welche laut aufgenommenen Verzeichnisses ihrer Behörden, vom 26. Mai bis zum 30. August an Feldfrüchten, verbrannten oder weggerißnen Gebäuden, umgehauenen Obst- und Waldbäumen, geraubten Vieh, so wie für Brodt, Bier, Brandwein, Fleisch, Tuch, Leinwand u. s. w. 135,076 Rtl. verlohr. Die Einquartirungskosten sind auf 116,960 Rtl. 10 Gr. und der Werth gesetzlicher Forderungen 29,660 Rtl. 13 Gr. angegeben; es kostet demnach der Stadt dieser Krieg 281,697 Rtl. 1 Gr.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
  2. Zeitgeschichte der Städte Schlesiens mit Abbildungen herausgegeben von D. Christ. Friedrich Emanuel Fischer und Carl Friedrich Stuckart. Schweidnitz bei Carl Friedrich Stuckart. 1819.
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