Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Advertisement

Mufti.[]


Mufti, Großmufti [1] (bei den Türken auch Sheikh-Ulislam, d. h. Haupt der Auserwählten, genannt), ist in der Türkei das Oberhaupt der Religion und der Gesetze, und dem Range nach der nächste Reichsbeamte nach dem Großvezier. Er genießt sogar vom Sultan Ehrenbezeigungen, die dieser nicht empfängt. Seine Wahl hängt einzig und allein von dem Kaiser ab; so lange er in seinem Posten steht, kann er nicht, gleich andern Staatsdienern, zum Tode verurtheilt werden. Nur absetzen kann ihn der Kaiser, jedoch kann sein Vermögen dabei nicht confiscirt werden. Der Mufti wird als Ausleger des Coran über alle gerichtlichen Handlungen, besonders in peinlichen Sachen, und überhaupt bei allen wichtigen Angelegenheiten zu Rathe gezogen, und gibt gewöhnlich seine Meinung ganz kurz, und ohne Beifügung der Entscheidungsgründe zu erkennen. In bedenklichen Fällen setzt er noch hinzu: "Gott weiß, was besser ist." In der Unterschrift nennt er sich den armen Knecht Gottes. Ein solcher schriftlicher Ausspruch heißt Fetfahz und daher der Mufti selbst Sahidi Fetive, d. h. Herr der richterlichen Aussprüche, und sein Secretär Fetfah-Emini. Dieser geht ihm an die Hand, setz auch wohl in Sachen, womit sich der Mufti nicht selbst bemüht, den Spruch auf und legt ihm denselben bloß zur Unterschrift vor. Die festgesetzten Einkünfte des Mufti belaufen sich täglich auf 2000 Asper. Da er aber viele Stellen an den kaiserlichen Moscheen zu besetzen und bei allen Beförderungen der Gesetzverständigen zu thun hat, so fließen ihm noch ansehnliche Accidenzen zu. In großen Städten ist ein Untermufti, der seine Stelle vom Großmufti nicht ohne große Geschenke erhält.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
Advertisement