Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Aufruf Kaiser Napoleons an seine Armee.[]

Potsdam den 26 Oct. 1806.


"Soldaten! Ihr habt meine Erwartung gerechtfertigt, und dem Vertrauen des franz. Volks würdig entsprochen. Ihr habt Mangel und Beschwerden mit eben so viel Muth ertragen, als ihr euch unerschroken und mit kaltem Blute in Mitte der Schlachten bewiesen habt. Ihr seyd die würdigen Vertheidiger der Ehre meiner Krone und des Ruhmes des grosen Volkes. So lange dieser Geist euch beseelen wird, so lang wird euch nichts widerstehen können. Die Kavallerie hat mit der Infanterie und Artillerie in die Wette geeifert. Ich weiß nun nicht mehr, welchem dieser Kriegsstände ich den Vorzug geben soll. Ihr seyd alle brave Soldaten. Vernehmet die Resultate unsrer Arbeiten. Eine der ersten kriegerischen Mächte von Europa, welche uns eine schmäliche Kapitulation zu bieten sich unterstand, ist vernichtet. Die Wälder, die Defileen Frankens, die Saale, die Elbe, welche unsre Voreltern nicht in sieben Jahren zurükgelegt haben würden, haben wir in sieben Tagen überschritten, und in der kurzen Zwischenzeit, vier Treffen und eine grosse Schlacht geliefert. Wir haben den Ruhm unsrer Siege nach Potsdam, nach Berlin, vor uns her geschikt. Wir haben 60,000 Gefangene gemacht, 65 Fahnen, worunter jene der Garden des Königs von Preussen sind, 600 Kanonen, drei Festungen erobert, und mehr als 20 Generale gefangen genommen. Unterdessen bedauert beinahe die Hälfte von euch, daß sie noch keinen Schuß gethan hat. Alle Provinzen der preussischen Monarchie bis an die Oder sind in unsrer Macht.
Soldaten! Die Russen bedrohen und mit ihrer Ankunft. Wir werden ihnen entgegenziehen, und ihnen den halben Weg ersparen: sie sollen Austerlitz mitten in Preussen finden. Eine Nation, welche sobald die Großmuth vergessen konnte, die wir nach jener Bataille ihr bewiesen haben, wo ihr Kaiser seinen Hofstaat und die Trümmer seiner Armee nur der von uns bewilligten Kapitulation zu verdanken hatte, ist keine Nation, welche mit Erfolg gegen uns streiten kan. Indessen, während wir den Russen entgegenziehen, werden neue Armeen, aus dem Innern des Reichs kommend, unsern Plaz einnehmen, und unsre Eroberungen bewahren. Mein ganzes Volk ist über die schändliche Kapitulation, welche die preussischen Minister in ihrem Wahnsinne uns geboten hatten, ergrimmt aufgestanden. Unsre Straffen und unsre Grenzstädte sind mit Neukonscribirten angefüllt, welche von Begierde brennen, in unsre Fußstapfen zu treten. Wir werden in Zukunft nicht mehr das Spiel eines verrätherischen Friedens seyn, und die Waffen nicht eher ablegen, als bis die Engländer, diese ewigen Feinde unsrer Nation, gezwungen seyn werden, dem Projekt, den Kontinent zu beunruhigen, und der Tirannei der Meere entsagt zu haben.
Soldaten! Ich kan meine Gefühle gegen euch nicht besser ausdrücken, als indem ich euch bezeuge, daß ich für die Liebe, welche ihr immer gegen mich an den Tag leget, euch in meinem Herzen trage."
Aus unserm Hauptquartier zu Potsdam, am 26 Oct. 1806.
(Unterz.) Napoleon.
Von wegen des Kaisers der Majorgeneral der grosen Armee, Prinz von Neufchatel von Valengin, Marschall Berthier.


Quellen und Literatur.[]

  • Codex diplomaticus zur Geschichte des preussisch-französischen Kriegs vom J. 1806.
Europäische Annalen Jahrgang 1806, Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1806
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