Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Von Reisende.[]

Christian Ulrich Detlev von Eggers


Troppau, den 13. Jan. 1806. [1]

Der Weg nach Troppau geht über Ohlau und Neiße. Man kömmt über die Ohlau. Das Land ist ebenes Kornfeld, der Weg ziemlich gut, Sand und Leim, meistens mit Bäumen besetzt. In dem Breslauer Kreise liegt nur das Dorf Schanz ½ M. von Breslau; nachher kommen in dem Ohlauer Kreise, zum Fürstenthum Brieg gehörig, die Dörfer Radelwiz 1 M., Schechniz 1½ M., Grewelwiz 2 M., Mezdorf 3 M.

Ohlau oder Olau, ist eine mäßig große Stadt an der Ohlau, über welche eine große Brücke geht, 4 Meilen von Breslau und 2 von Brieg. Die Stadt kömmt schon 1149 in Urkunden vor. Sie war ehemals befestigt; jetzt sind Graben und Schanzen in Gärten verwandelt. Das Königliche Schloß ist ein ansehnliches Gebäude. Die Stadt hat etwa 2200 Einwohner. Ihr vorzüglichster Erwerb ist die Bierbrauerei. In der Nähe wird viel Taback gebauet.

Von Ohlau geht der gewöhnliche Postweg nach Neiße gerade über Grotkau. Man hat 4 Meilen dahin. Wir nahmen einen Umweg von einer Meile über Brieg, wo ich das Zuchthaus für Schlesien besehen wollte. Auf jenem Wege kömmt man durch Rosenhahn ½ M., Frauenhahn 1 M., Klein Zenckwitz 1¼ M., Lanckwitz 1¾ M., Betsdorf 2 M., Lichtenberg 3 M., Wisselsdorf 3½ Meile.

Bis Brieg sind 2 Meilen. Das Land ist wie vorhin, der Weg etwas besser. Man kömmt durch Polstein 1/2 M., Linden, ein großes Dorf mit einem Vorwerk in einer Gegend wo guter Mergel ist 1 M., Grüningen 1/2 M. In Rathau oder Rathe, der Vorstadt von Brieg, sind schöne Gärten. Eine Pappelallee fängt wohl eine Viertelmeile vor der Stadt an.

Brieg, die Hauptstadt des Fürstenthums liegt an der deutschen Seite der Oder. Die linke wird die Deutsche genannt; die rechte die Polnische. In dieser haben die Oerter meistens deutsche und polnische Namen. Auch in den Städten an der deutschen Seite wird in einer Kirche wenigstens zugleich polnisch gepredigt. Die Stadt kommt schon 1250 in Urkunden vor. Sie ist eine Festung, deren Außenwerke aber jetzt zum Theil in Gärten verwandelt sind. Die Stadt ist gut gebauet, hat gegen 600 Häuser und 8000 Einwohner. Meistens sind die Gassen groß und gerade; der Markt, wie in Breslau der Ring genannt, ist ansehnlich. Vor allen fünf Thoren sind Gärten, die schönsten vor dem Oder-Thor. Die Bierbrauerei ist sehr bedeutend; 354 Häuser haben die Braugerechtigkeit. Unter den Manufacturen zeichnen sich aus die Strumpf- und Tuchmanufacturen, auch eine buntgestreifte Leinewandmanufactur und eine von sehr feinen Flanell. Der Handel ist ziemlich lebhaft. Die Stadt hat ein Gymnasium mit einer ansehnlichen Bibliothek, eine evangelische Pfarrkirche mit einer Bibliothek, zwei Katholische, ein Kapuziner-Kloster, eine polnische Kirche vor dem Thor, worin polnisch und teutsch gepredigt wird, zwei Hospitäler, ein großes Seelenhaus für 10 arme Bürgerfrauen und ein kleines Seelenhaus für 10 arme alte Bürgerwittwen. Das ehemals prächtige Königliche Schloß ist durch die Belagerung von 1741 sehr beschädigt. In Brieg ist eine von den drei Schlesischen Regierungen; die beiden andern sind in Breslau und Glogau. Kammern sind aber nur zwei, in Breslau und Glogau.

Vor dem Thore liegen das Pesthaus für ansteckende Kranke, das Klingelhaus für alte arme Leute und Kinder und das Zucht- und Irrenhaus.

In dem Irrenhaus sind etwa 60 Kranke. Einige unter ihnen sollen periodisch sehr toll seyn. Es ward mir zu spät es zu besehen; der Inspector trug mit Recht Bedenken, mich bei Licht hineinzuführen, um die Kranken nicht durch etwas ungewohntes zu erschrecken.

Das Zuchthaus ist ein großes, sehr solides Gebäude. Jetzt befanden sich hier 338 männliche Züchtlinge und nur 70 weibliche. Die letzteren sitzen meist wegen verheimlichter Schwangerschaft; die ersteren wegen Dieberei. Die Gefangenen beider Geschlechter sind gehörig abgesondert. Jeder bekömmt täglich 2 Pfund Brod, 1 Loth Butter, 1 Loth Salz, eine gewisse Quantität Hirse und Grüze. Sie genießen nur Kornspeisen, jede Woche dieselben. Blos dreimal im Jahr sollten sie Fleisch haben; man giebt ihnen aber statt dessen 4 Kreuzer. Der Administrator ist zugleich Entrepreneur der Oekonomie; er hat es aber so wohlfeil übernommen, daß er nicht auskömmt. Die Betten bestehen aus einem Strohsack, Küssen und etwas dünnen wollenen Decke. In den Schlafsälen war die Luft ziemlich gut. Gekleidet sind die Gefangenen sehr armselig. Im Sommer werden täglich eine Anzahl gebadet. Einige hatten Ketten. Sie arbeiteten sonst in Baumwolle, jetzt, da der Kaufmann, der die Waaren übernahm, bankerot ist, in Schaafwolle. Wenn sie ihr gewisses Pensum vollendet haben, mögen die noch etwas für sich arbeiten. Um 8 Uhr gehen sie zu Bett, um 5 Uhr stehen sie wieder auf. Außer dem Administrator ist noch ein Zuchtmeister angesetzt und 8 Unteraufseher. Der Administrator versichert mich, er habe Züchtlinge gehabt, die zum viertenmale wieder kamen, und bei der Entlassung nur wünschten bleiben zu dürfen. Ein redender Beweis für die Nothwendigkeit von Arbeitshäusern.

Bis Grotkau sind 3 Meilen, immer schwerer Boden. Man kömmt durch Briegischdorf ¼ M., Krüsewiz 1 M., Schinfeld 1½ M., Großzerkwiz 1¾ M., Seichersdorf, im Grotkauer Kreise zum Fürstenthum Neiße gehörig 2 M. Bei dem Grotkauer Kreise fängt Oberschlesien an. Etwa eine Meile von Brieg bleibt rechts Mollwiz liegen, wo am 10. April 1741 eine berühmte Schlacht war. Bei Seifersdorf ist eine schöne Aussicht. Die Riesengebirge, die man von Breslau nur in weiter Ferne sah, kommen nun näher und ziehen sich amphitheatralisch in einem halben Zirkel herum. Der ganze Weg ist sehr schlecht; in dieser Jahreszeit kaum zum Durchkommen.

Grotkau, eine Mediatstadt des Bischofs von Breslau, mit Mauern und Thoren, in einem fruchtbaren Thale an einem kleinen Bach, hat gegen 250 Häuser und 1300 Einwohner. Sie präsentirt sich sehr schön von ferne.

Hinter Grotkau kommen die Dörfer Klein-Neuendorf ¼ M., Alt-Grotkau ½ M., Falkenau 1½ M., Friedewalde im Neißischen Kreise 1½ M., Bösdorf 2½ M., Strubitz 2¾ M., Hansdorf 3 M. Man kann auch von Friedewalde über Moywiz ½ M., von Friedewalde nach Bösdorf gehen. Vor Neisse geht es die Höhe herunter. Der Weg ist bis Friedewalde abscheulich und überhaupt noch schlimmer als der nach Grotkau; wir brachten einen ganzen Tag darauf zu.

Neiße, eine der stärksten Festungen, mit 3 Thoren, dem Breslauer, Berliner und Neustädter, von Bergen umgeben an der linken Seite der Neiße, 3½ M. von Grotkau, hat etwa 700 Häuser und 12,000 Menschen, die Garnison einberechnet. Mitten durch die Stadt fließt die Biale. Die Stadt ist recht gut gebauet und scheint wohlhabend zu seyn; die Vorstädte sind sehr durch den Krieg ruinirt. Die Einwohner treiben starke Bierbrauerei. Es giebt gute Leinen- und Strumpfmanufacturen. Mit Garn wird insonderheit ein starker Handel getrieben. Die Stadt gehört, bis auf den Theil der Vorstadt, den Friedrich der Große 1742 wieder aufbauen ließ und Friedrichsstadt nannte, dem Fürstbischof von Breslau. Er hat hier eine Residenz und eine Regierung, die in seinem Namen die Justiz im Fürstenthum verwaltet.

Wir kamen der bösen Wege so spät in Neiße an, daß ich meinen Vorsatz nicht mehr ausführen konnte, den Commandanten, als unsern Landsmann, zu besuchen. *) Am andern Morgen machten wir uns früh auf den Weg um zwei Stationen zurückzulegen. Bei dem Herausfahren bemerkte ich unter den Festungsgefangenen, deren 40 seyn sollen, einen jungen, sehr geputzten Engländer. er trägt die Ketten wegen eines Komplotts; seine Physionomie flößt Mitleiden ein.

.*) Er zeichnete sich in demselben Jahre durch seine tapfere Vertheidigung der Festung gegen die Franzosen und ihre Alliirten aus.

Der Weg nach Neustadt ist etwas besser; der Boden nicht so schwer. Es sind 3¾ Meilen. Man kömmt durch Neuland ¼ M., Neins ½ M., über einen hohen Berg nach Oppendorf 1 M., Kreisau, ein Gut mit einem Englischen Garten 1¾ M. Schwandorf 2 M., Niegersdorf in dem Neustädter Kreise, zum Fürstenthum Oppeln gehörig, mit einer neuen runden Kirche, Buchelsdorf 3 M. Anfangs geht es hinter Neisse bergab, Von dem Berge vor Oppendorf ist eine schöne Aussicht. Das Riesengebirge sieht man hier am deutlichsten. Kurz vor Neustadt kömmt man auf eine Chaussee.

Neustadt an der Prudniz ist eine freundliche Stadt, mit Mauern und 2 Thoren, gut gebauet von 420 Häusern und 4000 Einwohnern. Die Stadt hat eine katholische und eine evangelische Kirche, zwei Klöster und zwei Hospitäler. Die Leinewand- und Tuchmanufacturen sind ansehnlich. Mit Garn, Leinewand und Wein, besonders Ungarischem, wird ein starker Handel getrieben. Nahe bei der Stadt ist der Kapellenberg, mit einer Eremitage oder Kapelle, von der man eine schöne Aussicht hat.

Die Gegend umher ist sehr fruchtbar und gut angebauet. Meistens baue man drei Sorten Roggen, Gerste und Hafer. Die Gerste ist am einträglichsten. Anstatt der Brache bauet man jetzt schon viel Sommerfrucht. Das Vieh wird häufig im Stall gefüttert; man giebt ihm dreimal täglich warmes Getränke, auch im Sommer. Abwechselnd wird es einige Tage wieder auf das Feld getrieben. Auch in Ober-Schlesien sind die Felder in kleine Striche getheilt; doch ist die Kultur noch besser in Nieder-Schlesien.

Einem Knecht giebt man 20 Thlr. Lohn und sechs Hemden; einer Magd 8, 9 bis 10 Thlr. und gewisse Ellen Lein. Die Kost ist nur Kornspeise und Fleisch, fast kein Gemüse.

Die Häuser der Bauern sind fast allenthalben schlecht; indessen sollen sie sich gut flehen. Die Unterthänigkeit, wie sie in dem preußischen Gesetzbuch heißt, äußert sich fast nur im Dienstzwang.

Man sieht selten Gärten und nicht so viele Obstbäume als in Niederschlesien.

Auf dem Lande bemerkte ich erstaunend wenig häusliche Industrie. Die Leute sagten das Spinnen lohne der Mühe nicht. In den Gebirgsgegenden ist es ganz anders. Dort, schon bei Leobschütz, spann alles in den Wirthshäusern, Knechte und Mägde, von 4 Uhr Morgens bis es Tag wird. Dann dreschen sie, auch die Mägde. Nach dem Abendessen spinnen sie wieder bis 10 Uhr.

Statt des Talglichts braucht man Kienspäne. Sie gaben hinlängliche Erleuchtung. Das Holz wird im Kaiserlichen im Gebirge mit einem großen Hobel abgestoßen; dann werden die Stäbe gespalten und so auf einem Stock angezündet. Ein Bündel, das 1 Gröschel kostet, oder 3 Kreuzer, hält in diesen kurzen Tagen einen ganzen Abend vor.

In Ober-Schlesien ist fast alles Katholisch, schon von Brieg an. Man sieht hier sehr häufig Christus, Marie und Heilige am Wege; von Breslau findet man sie nur selten.

Der Character der Leute scheint viel Gutmüthigkeit zu zeigen. Sie haben in Oberschlesien manche eigenthümliche Sitten, zum Theil auch einen verschiedenen Dialekt.

Die Nationalfarbe ist weis und schwarz. So sind alle Pfäle, alle öffentlichen Brücken.

Von Neustadt bis Leobschüz ist der Weg wieder tief und der Boden schwer. Man kömmt durch Dittersdorf 1 M., Korschendorf 1¼ M., Hozenploz 1¾ M., Wirndorf im Leobschützer Kreise, Trenkau 2¼ M. Das Gebirg ist immer zur Rechten. Hinter Korschendorf wird der Weg äußerst tief und löcherig. Hier kommt man eine kurze Strecke durch das Oesterreichische Schlesien. Es geht eine Höhe heran. Dieser Weg ist fast grundlos und lebensgefährlich. Wir stiegen aus, und waren so glücklich, daß der Wagen nicht brach. Das Oesterreichische Städtchen Hozenploz liegt sehr schön auf der Höhe. Dann geht es über ein schmales Thal in der Länge wieder einen zweiten Berg hinan. Hier hat man eine schöne Aussicht weit umher auf die Gebirge. Wir setzten uns nun wieder ein. Der Weg ist zwar auch nachher noch sehr löcherig, doch minder gefährlich. Die Ursache dieser schrecklichen Vernachlässigung soll die Grenznachbarschaft seyn; abermals ein Beweis, mit wie vielem Grunde ich den Austauschungen das Wort rede, um geschlossene Territorien zu bekommen. Eben der Leobschützer Kreis, der hier anfängt, ein Stück von Troppau, das mit einigen Districten von Mähren und Jägerndorf 1742 mit an Preußen abgetreten ward, ist ganz von dem Oesterreichischen umgeben. Von manchen Dörfern liegt sogar der Acker im Preußischen, die Häuser im Kaiserlichen. Wie läßt sich da Polizei handhaben.

Hinter Trenkau ist eine hohe Gegend. Rechts bleibt ein großer Buchenwald liegen, eine halbe Meile lang. In der Mitte ist ein einzelner Acker des hinten liegenden Kaiserlichen Dorfes Mezdorf. Rechts bleibt das Gut Blinsdorf liegen. Die Stadt Leobschütz nimmt sich von Ferne sehr gut aus.

Leobschütz, in der Volkssprache Lischwiz, Böhmisch Hlobzien, ist eine zum Fürstenthum Jägerndorf gehörige Mediatstadt des Fürsten von Lichtenstein. Sie liegt am Fuße der Gebirge, hat ungefähr 500 Häuser und gegen 5000 Menschen, 2 Kirchen, ein evangelisches Bethaus, das erst gebauet ist, 7 Klöster und ein katholisches Gymnasium, worauf auch Evangelische studiren, etwa 200 in allem. Die ehemaligen Stadtwälle sind in Obstgärten verwandelt. Es sind drei Thore, das obere nach Glogau und Neustadt, das untere nach Troppau, das neue nach Cosel und Ratenburg. Hauptsächlich ernähren sich die Einwohner vom Ackerbau und dem Bierbrauen. Doch giebt es auch erhebliche Leinewand- Strumpf- Tuch-Manufacturen und Gärbereien. Die Handlung ist nicht unbeträchtlich, besonders mit Wolle und Vieh.

Nach Troppau sind noch 4 Meilen. Der weg ist hügelig. Die Berge bleiben immer zur Rechten; man hat ziemlich weite Aussichten. Während der beiden ersten Meilen ist der weg schlecht, besonders auf der ersteren; nachher wird er etwas besser. Die Oerter sind Neuendorf ½ M., Blade 1 M., Krug 1½ M., Hohlkrug 2 M., Wehowiz 3 M. Das Kaiserliche fängt erst nahe bei der Stadt an. Vor Troppau geht der Weg ziemlich stark bergab. Wir freueten uns herzlich, die äußerst beschwerliche Reise zurückgelegt zu haben.

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Quelle.[]

  1. Reise durch Franken, Baiern, Oesterreich, Preußen und Sachsen von E. U. D. Freyherrn von Eggers Oberprocureur der Herzogthümer Schleßwig und Holstein. Ritter von Dannebrog. Leipzig, bei Gerhard Fleischer dem Jüngern. 1810.
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