Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Solitude, vortreffliches königl. Würtembergisches Residenzschloß, im Amte Leonberg, nicht weit von Stuttgard, auf einem Berg. Hier ist zu besehen, der Speisesaal, der schöne Lorbeer- und Concertsaal, der neue Marstall, das ansehnliche Gebäude der 1770 hier errichteten ehemaligen Militairakademie, das Opernhaus, der Lustgarten, die Thiergärten, das chinesische Gebäude, der Orangegarten und Plantagen, die Wasserfahrt auf dem benachbarten Bärensee u. s. w.


Nachrichten von dem in der Solitüde angelegten Militair-Hospital.[]

Jean-Philippe Graffenauer.

Solitüde.

In der Gegend von Stuttgard liegen noch zwey Lust-Schlösser, die der verstorbene Herzog Carl gern und oft bewohnte, die aber vom jetzigen Könige ganz vernachlässiget werden: die Solitüde und Hohenheim.

Mit vollem Rechte können sie von der erstern eine genaue und umständlichere Schilderung erwarten, da hier das Militair-Hospital, über welches mit die Aufsicht anvertrauet worden, sich befindet.

Die Solitüde ist ungefähr eine Meile von Stuttgard entfernt; sie liegt auf einem Berge, der zwölf hundert Fuß über der Oberfläche des Neckars hervorragt. Man ersteigt auf einer trefflichen Chaussee den Haasen-Berg; von seiner Spitze übersieht man das ganze freundliche Thal, in welchem Stuttgard liegt. Der Weg führt über Erhöhungen und Vertiefungen durch eine angenehme Waldung, an deren Ende man eine große herrliche Allee von Roß-Kastanien-Bäumen findet, die gerade nach der Solitüde führt. Hier erblickt man zuerst das Schloß, welches in der Mitte eines großen Halb-Zirkels liegt, der auf der Nord-Seite eine weite und höchst malerische Aussicht hat: denn man blickt fünf oder sechs Meilen weit ins Land hinein. Bey hellem Wetter sieht man Ludwigsburg gerade vor sich liegen; man unterscheidet die Festung Asperg, viele Dörfer, Getreide-Felder, Wiesen, Waldungen u. s. w. Von der Terrasse des Schlosses führt ein geebneter, mit Bäumen bepflanzter Weg gerade nach dem etwa anderthalb Meilen entfernten Ludwigsburg.

Das Schloß der Solitüde hat einen französischen Architekten Guebières zum Erbauer gehabt. Es bildet ein Oblongum, und ist mit einer Gallerie von weitem Umfange umgeben; über ihn ragt ein majestätischer Dom empor. Im Innern des Schlosses trifft man in einem großen schönen Saal, der in mehrere Zimmer führt, aus welchem man jetzt die Meubles genommen hat. Das Sehenswürdigste ist hier der Plan der Stadt Venedig in erhabener Arbeit, der auf einem großen Tisch ausgestellt ist. Der Herzog Carl erhielt ihn von dem Magistrate dieser Stadt, wo er sich lange aufgehalten hatte, geschenkt. Man muß die pünktliche Genauigkeit, mit welcher dieses Kunstwerk angefertigt ward, bewundern: denn man sieht hier alle Häuser, Palläste, Kirchen, öffentliche Plätze, die zahlreichen Kanäle, welche die Stadt durchschneiden, die Brücken, Gondeln, u. s. w. Das Ganze kann ungefähr drey bis vier Fuß im Durchmesser haben. -- Hinter dem Schlosse stehen einige Gebäude, und auf den Seiten mehrere einzelne Pavillons.

Da wo man jetzt die Solitüde findet, war sonst ein dichter undurchdringlicher Wald. Der Herzog Carl, welcher nach dem siebenjährigen Kriege sich dem Weltgeräusch entziehen, und einen ruhigen friedlichen Wohnplatz suchen wollte, wählte diese Gegend, um hier seine übrigen Lebens-Tage zuzubringen. Die Inschrift über eins der Schloß-Thore spricht diesen seinen Vorsatz deutlich aus:

Loca haec tranquillitati sacre voluit Carolus.

Man nannte diese Gegend sonst die Fünf-Eichen, wegen fünf großer Bäume dieser Gattung, die aus einer und eben derselben Wurzel ausgeschlagen sind. jetzt existiren nur noch zwey derselben, deren jede mehr als zwanzig Fuß im Umfange mißt; die übrigen drey sind theils durch den Blitz, theils durch heftige Stürme zerstört worden.

Herzog Carl war anfänglich diesem Aufenthalt außerordentlich gewogen. Er verwandte ungeheure Summen auf die Fällung des Waldes; ließ Abgründe ausfüllen, große Krümmungen ebenen, neue Landstraßen, Pflanzungen, kostbare Gebäude u. s. w. anlegen. er genoß jedoch dieser Anlage nicht lange; denn bald darauf ließ er Hohenheim erbauen, wo er im Jahr 1792 starb.

So lange dieser Fürst lebte, genoß die Solitüde die Periode ihres höchsten Glanzes, durch die hier errichtete Militair-Akademie. Noch jetzt sieht man ein prächtiges Gebäude, welches den Namen des Saals der Lorbeern führt, und wo Preise an die Zöglinge der Akademie vertheilt wurden. Obwohl dieses Gebäude immer mehr verfällt, so sind doch die Plafond-Gemälde, die von dem berühmten Guibal aus Luneville herrühren, und die man als vollendete Kunstwerke ansehen kann, noch vollkommen wohl erhalten.

Eine andere Reihe von Gebäuden, die Erwähnung verdienen, sind die Ställe *). Sie bestehen aus vier Flügeln hat im Erdgeschoß einen großen, sehr hohen Saal, der durch viele Fenster erleuchtet wird. Auf jeder Seite der Säle sieht man Kolonnaden, und an jeder Säule ist ein Hirsch-Kopf mit seinem Geweihe angebracht, welches einen höchst seltsamen Effekt macht. Der Zwischen-Raum von einer Säule zur andern ist durch kleine hölzerne Verschläge ausgefüllt, deren jeder sonst einem Pferde zur Stallung diente. Das Lokal kann drey hundert und vier Pferde beherbergen. In diesen vormaligen Ställen fand bey Eröffnung des Feldzuges von 1805 unter Militair-Hospital seinen Platz.

Ehe ich Ihnen, mein Herr, von der Einrichtung desselben Nachricht gebe, werde ich noch einige Bemerkungen über die Solitüde und ihre Umgebungen vorausschicken.

Die Solitüde zählt nicht viele Bewohner; es haben sich hier nur einige Familien angesiedelt, z. B. ein Hof-Jäger, ein Hof-Gärtner, ein Architekt, ein Gastwirth, ein Kastellan, und zwey Thürsteher. Der Vater des Dichters Schiller führte sonst die Oberaufsicht über dieses Schloß, und starb in der Solitüde. Das Trink-Wasser wird vermittelst einer sehr kunstreich angefertigten hydraulischen Maschine aus einem sehr tiefen, in den Felsen gehauenen Brunnen heraufgewunden. Dieß geschieht vermittelst eines großen Rades, welches einen oder zwey Menschen unaufhörlich herumführt, und einen Eimer von bedeutendem Umfange ungefähr hundert und vierzig Fuß hoch zu Tage fördert. Dieser Eimer wiegt drey hundert Pfund, mit dem Seil, woran er befestigt ist, und fünf hundert mit dem Wasser, welches er fassen kann. Vermittelst eines Hakens leert er sich selbst in einen dazu bestimmten Behälter. Diese nützliche Maschine ward im Jahr 1780 von einem französischen Mechaniker angelegt. Vormals führten mit Bley eingefaßte Kanäle unter der Erde das Wasser aus dieser Maschine nach den Ställen, wo die Pferde damit getränkt wurden. Diese Kanäle sind aber nicht mehr vorhanden; daher sahen wir uns genöthigt, so lange sich das Hospital in der Solitüde befand, das Wasser täglich in Tonnen dahin schaffen zu lassen.

Der Aufenthalt in der Solitüde wird durch die herrlichen Spatziergänge, freundlichen Boskets, Alleen, mannichfaltigen Anlagen, und die daran stoßenden Waldungen, in welchem ein Ueberfluß von Wild hauset, sehr angenehm gemacht. Man findet hier ganze Heerden von Hirschen, Rehen, wilden Schweinen, und anderm Hoch-Wilde.

Zu den Anlagen der Solitüde gehört auch eine große Obstbaum-Schule, die mehr als funfzig Tausend junge Stämme sowohl von Kern- als Stein-Obst enthält. Die Oberaufsicht darüber führt der Hof-Gärtner Amermüller, der mit unermüdlichem Eifer gründliche Kenntnisse des Landbaues und der Garten-Kunst verbindet. Er hält dafür, daß die hohe und etwas abschüssige Lage des Terrains dieser Baum-Schule viel dazu beyträgt, daß die jungen Stämme abgehärtet und zum bessern Fortkommen in andern, vorzüglich niedrigern Gegenden tauglich gemacht werden.

Am untern Ende der Baum-Schule, am Abhange der Erhöhung, auf welcher sie liegt, entspringt mit einem dichten Buchenwäldchen eine kleine Quelle, deren Wasser unaufhörlich aus dem Felsen springt, und eine liebliche Frische rund umher verbreitet, welche dem Rasen ein höheres Grün giebt, und die Vegetation außerordentlich begünstigt. Dieses Wasser ist hell, klar, sehr kalt und angenehm von Geschmack.

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Jetzt will ich versuchen, Ihnen, mein Herr, von dem französischen Militair-Hospital und von den Krankheiten, die hier während der Feldzüge 1805 und 1806 geherrscht haben, einen Begriff zu machen.

Schon früher habe ich Ihnen gemeldet, daß das Hospital in dem weitläuftigen Stall-Gebäude seinen Platz gefunden hat. Die Krankenbetten sind auf beiden Seiten des Saals, in den vormaligen Pferde-Ställen, aufgestellt. So hat jeder Kranke, so zu sagen, seine besonderes Zimmer, und ist von seinem Nachbar durch den oben erwähnten kleinen Verschlag getrennt. Die Säle sind hoch, von beiden Seiten erleuchtet, sehr geräumig, etwas schmal, aber sehr lang; der große Saal kann zwey hundert Kranke fassen; eine Rotunde theilt ihn in zwey Hälften, in deren Mitte vier Bassins angebracht sind, in welchen sich vormals das durch die oben beschriebenen unterirdischen Kanäle herbeygeführte Wasser sammlete. Jene Rotune gewährt einen vortrefflichen Anblick.

Das in der Solitüde verlegte Hospital gehört zu den am besten organisirten. Im Rücken der Armee und in einem höchst quellenreichen Lande angelegt, welches überdieß die Truppen nur im Durchmarsch passiren, fehlt es natürlich an keinem Bedürfniß. Wirklich sorgt auch Stuttgard sowohl für Nahrungsmittel, als Arzeneyen; indem dazu qualificirte Personen dieses Geschäft übernommen haben. Sogar die Krankenwärter, und übrigen zur Bedienung erforderlichen Personen, sind mit in Entreprise genommen. Eine Wirtembergische Wache von sechszehn bis zwanzig Mann unter dem Kommando eines Lieutenants ist hier in Garnison, um die Ordnung zu erhalten.

Die Solitüde bietet zur Anlegung eines Hospitals ein sehr schickliches Lokal dar. Da sie auf einer ziemlich bedeutenden Anhöhe liegt, so ist die Luft, welche man hier atmet, ein wenig scharf, aber sehr rein, und mithin der Gesundheit zuträglich. Die Alleen, Gebüsche und benachbarten Waldungen geben dem Genesenden Gelegenheit zu angenehmen Spatziergängen. So sehr daher auch in den Monaten November und December 1805 das Hospital mit Kranken angefüllt war, so war doch die Mortalität sehr unbeträchtlich. Von fünf hundert ein und neunzig Kranken, die in diesen zwey Monaten hieher gebracht wurden, haben wir nur dreyzehn, theils an Fiebern, theils an ihren Wunden verloren.

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Quellen und Literatur.[]

  • Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
  • Meine Berufsreise durch Deutschland, Preußen und das Herzogthum Warschau, in den Jahren 1805, 1806, 1807 und 1808. Von J. P. Graffenauer, Doktor der Arzneygelahrtheit, vormaligem Arzte bey der großen französischen Armee, mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitgliede. Chemnitz, bey Carl Maucke. 1811.
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