Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Nach Pitts Tode in England erfolgten großen Ministerial-Veränderung.[]

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Geschichte der nach Pitts Tode in England erfolgten großen Ministerial-Veränderung und der Verhandlungen des Brittischen Parlaments bis zum 11ten Februar.

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William Pitt.

Wie doch die Schicksale ganzer Reiche und Nationen an dem Faden eines einzigen Lebens hängen! Hätte man nicht bereits die vollkommene Ueberzeugung gehabt, daß es Pitts Geist war, der England regierte, so mußte doch der lezte Zweifel vor den Erscheinungen weichen, welche unmittelbar eintraten, als dieser Geist auf die politische Außenwelt nicht mehr würken konnte.

Die Oppositions-Parthei, der, wie fast allen, der gefährliche, durch das Mißlingen der dritten Coalition noch mehr untergrabene Gesundheitszustand des Premierministers unbekannt war, spitzte bereits die Pfeile, womit sie ihn angreifen wollte. Sie erreichten ihn nicht mehr; so wenig wie William Pitt sich noch der starken diplomatischen Waffen bedienen konnte, womit er, unterstützt durch seine feurige Beredsamkeit, den Tadel abgewendet haben würde, den er von seinen Gegnern erwartete. Diese versammelten sich wiederholt um den Plan des gemeinschaftlichen Angriffs zu verabreden, und noch am Abende vor der Wiedereröffnung des Parlaments zeichnete Charles Fox, den Lord Henry Petty, Grey, Windham, Erskine und Sheridan begleiteten, den vereinigten Gliedern der Opposition die von ihnen zu beobachtende Tactik vor.

So kam der Tag herbei, an welchem das Parlament, zufolge der letzten Königlichen Prorogation, eröffnet wurde. In einer wichtigeren Krises war es nie zusammengetreten. Was die Gemüther noch mehr in Bewegung sezte, war die Abwesenheit des großen Lenkers der Verhandlungen. Es war das erstemal, daß sich der Brittische Senat ohne den Minister und Schatzkammerkanzler versammelte. Auch der Souverän eröffnete die diesjährige Sitzung nicht persönlich. Seine Stelle vertrat am 21sten Januar eine Commission, die aus dem Lordkanzler Eldon, dem Erzbischof von Canterbury und den Lords Dartmouth, Hawkesbury und Ellenborough bestand, von denen der leztere die im vorigen Monatsstücke wesentlich mitgetheile Königliche Rede verlas.

Als nun im Unterhause vom Lord Francis Spencer, im Oberhause, vom Grafen Essex auf die Dankadresse angetragen wurde, die gewöhnlich ein Echo der Königlichen Rede ist, da erhoben sich von den Pairs, die Lords Cowper und Grenville, von den Gliedern des Unterhauses Lord Petty, Fox und Windham mit entgegenstehenden vorläufigen Anträgen zur Veränderung der vorgeschlagenen Adresse. Sie äußerten ihr Bedauern über die äußere Lage Englands, zugleich aber auch ihre lebhafte Misbilligung der Ursachen, welche das Mißgeschick seiner Alliirten herbeigeführt hätten, und kündigten an, daß sie die gegenwärtig wegen der Krankheit und Abwesenheit des Kanzlers der Schatzkammer verschobene Untersuchung des Betragens der Minister am 27sten Januar zu einem Gegenstande der Berathschlagungen machen würden.

Diesen Tag erlebte William Pitt aber nicht mehr, der zwei Tage nach der Wiedereröffnung des Parlaments, am 23sten Januar unerwartet früh seine Laufbahn beschloß. Von diesem Augenblicke an bis zur Organisation des neuen Ministeriums, waren die Denkwürdigkeiten von Großbrittannien nicht wie sonst im Parlamente, sondern im Cabinette. Es entstand ein Zwischenzustand. Die Opposition, die der angekündigten Untersuchung nicht mehr als eines Mittels zum Sturz des bisherigen Systems bedürfte, setzte diese Motion weiter aus, die nun gar nicht Statt haben wird; und die Lords Hawkesbury, Mulgrave, Castlereagh und die übrigen Glieder der Pittschen Administration, welche fühlte, daß sie sich nicht erhalten konnte, nachdem sie ihren talentvollen Führer verlohren hatten, schränkten ihre Thätigkeit in den ersten Tagen des Schmerzes darauf ein, seinen Manen ein National-Opfer zu bereiten.

Dies zweifache Opfer bestand in der Bezahlung der Schulden des Verstorbenen, aus der Staats-Case, und dann in der Errichtung eines Monuments in der Westminster-Abtey, wo er auf öffentliche Kosten beerdigt werden sollte. Der erste vom Herrn Cartwright gemachte Antrag, daß die Nation die von dem Premierminister hinterlassenen, sich gegen 40,000 Pf. belaufenden Schulden, wie vormals die des großen Chatham bezahlen solle, wurde am 1sten Februar einmüthig bewilligt. Zwei anfängliche Opponenten Lord Folkstone und Smith ließen ihren Widerspruch fallen, als sich die vorzüglichsten politischen Gegner Pitts, Fox, Windham und Ponsonby mit Wärme für diese Belohnung seltener Uneigennützigkeit nach dem Tode erklärten. Mehr Schwierigkeit fand der zweite durch Herrn Lascelles veranlaßte Beweis der Nationaldankbarkeit, der indessen auch am 27sten Januar mit 258 Stimmen gegen 89 beschlossen wurde. Daß sich Charles Fox unter der letzten Zahl befand, wurde ihm von den Ministerialblättern sehr übel genommen. Allein wollte er consequent seyn, so konnte er nicht anders votiren. Auch war sein Widerspruch so künstlich, so schonend wie möglich: er bezeugte seine Achtung für Pitts glänzende Talente im Privatleben, und für seine Rechtschaffenheit, er bewunderte ihn als Financier, nur konnte und wollte er ihn nicht für einen großen Staatsmann gelten lassen.

Die Glieder der bisherigen Administration brachten nur noch einige bereits eingeleitete Angelegenheiten, wie die Bewilligung einer Landmacht von 134,473 Mann regulärer Truppen und 44000 Mann Garden, Pensionen für die Viscountess Nelson und die Admirale Lord Collingwood und Strachan, und die Errichtung eines Denkmaals in der Paulskirche zu Ehren des für die Sicherheit und Ruhe des Englischen Ostindiens zu früh verstorbenen Marquis von Cornwallis zur Reife. Ihr lezter merkwürdiger Ministerial-Act war die Rechtfertigung ihrer politischen Maaßregeln durch die Mittheilung der sich auf die Verbindung mit Rußland, Oesterreich und Schweden beziehenden Actenstücke, welche allerdings der Betrachtung einen sehr reichhaltigen Stoff darbieten.

So schied das Ministerium, welches vor 20 Monaten von William Pitt errichtet, und jetzt mit ihm aufgelöset wurde. Das ausgezeichnetste Mitglied desselben, Lord Robert Hawkesbury, ein Sohn des George dem III. seit langer Zeit sehr werthen Grafen Liverpool, erhielt noch zuvor von dem Könige die durch Pitts Tod erledigte sehr einträgliche Sinecure eines Obervorstehers der Frankreich gegenüberliegenden fünf Englischen Häfen (warden of his Majesty's cinque ports).

Fremdartiger war niemals, selbst nicht mit Ausnahme der berüchtigten Coalition, eine Administration in England zusammengesetzt, als die, welche kaum vierzehn Tage nach Pitts Tode am 5ten Februar in die Stelle der abgegangenen Minister trat. Sie war das unnatürliche Product der nur Interesse und Ehrgeiz möglich gewordenen Vereinigung dreier, in Grundsätzen und Denkungsart einander diametral entgegenstehenden Parteien, nämlich der Foxiten, der Grenvilleschen und der Addingtonschen Parthei. Der Zahl nach waren die ersteren die stärksten im Cabinette, an dessen Bildung der Prinz von Wales einen sehr thätigen Antheil hatte. Bei dem bekannten sehr festen Charakter des Königs, was es nicht leicht gewesen, ihn zur Annahme von Rathgebern zu bewegen, von denen die mehrsten ihm bisher persönlich widrig waren. Das mehrste Vertrauen schenkte er noch den |Lords Grenville und Sidmouth.

Auch übernahm Grenville die erste Rolle eines Finanzministers oder ersten Lords im Schatzrath, zu welcher ihn seine ausgezeichneten Talente, seine Administrations-Kenntnisse, seine vieljährige vertraute Verbindung mit dem verstorbenen Premierminister und die öffentliche Achtung berechtigten. Den nächsten Posten neben ihm nahm der nun wieder in die Liste der königlichen Geheimenräthe eingetragene Charles James Fox ein; er wurde Staatssecretär der auswärtigen Angelegenheiten, was er schon zweimal unter der kurzen Verwaltung des Marquis von Rockingham und in den von ihm geleiteten Coalitions-Ministerium von 1783 gewesen war. Das einländische Staats-Secretariat erhielt der Graf Spencer, der so wie Grenville ein Mitglied der ersten Pittschen Administration gewesen war. Auch William Windham, der neue Staats-Secretär des Colonial-Departements, hatte zu derselben gehört, und vormals der Opposition durch seine rücksichtlose Heftigkeit manche von Sheridan's Witz nicht unbenuzt gelassene Blößen gegeben. An die Spitze der Admiralität trat ein bisher mit dem Seewesen eben nicht sehr vertraut gewesener warmer Anhänger des Herrn Fox, Charles Grey. Der berühmteste aller Englischen Advocaten, Thomas Erskine macht jetzt die höchste Instanz in England aus, indem er als neucreirter Pair und Baron Erskine von Restormel Castle zur hohen Würde eines Lord Großkanzlers erhoben wurde. Das von der ersten Schatzraths oder Premierminister-Stelle nun getrennte Amt eines Kanzlers der Schatzkammer erhielt Lord Henry Petty, ein jüngerer Sohn des vor einigen Jahren verstorbenen Marquis Lansdown. Der von allen Parteien geschätzte und dem Thronerben sehr ergebene Lord Moira wurde Generaldirector des Artilleriewesens, der General Fitzpatrik, Kriegs-Secretär, Graf Fitzwilliam erhielt den vormals von Lord Sidmouth (Addington) geführten Vorsitz im Cabinet, wogegen dieser Großsiegelbewahrer wurde, indem er seinem Freunde dem Sprecher des Oberhauses, Lord Ellenborough einen Sitz im Königl. Staatsrath verschaffte. Sheridan wählte sich bei der großen Aemtervertheilung die Stelle eines Schatzmeisters der Seemacht aus, und der unermeßlich reiche Herzog von Bedford ging als Vicekönig nach dem verschwisterten Irland. Der Herzog von York behielt zwar das Obercommando aller Truppen; doch mußte er sich die Beiordnung eines Kriegsraths gefallen lassen.

Eine so totale Ministerialveränderung, die sich bis auf die untern Stellen erstreckte, hatte man in England seit langer Zeit nicht gesehen. Es ist nicht zu leugnen, daß die neue Administration die talentvollsten Männer des Reichs in sich vereinigt. Dennoch wollten ihr aber viele, wegen ihrer ungleichartigen Zusammensetzung, keine lange Dauer prophezeien, und die Pittsche Partei erinnerte an die Periode der Coalition.


Quellen.[]

  1. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1806.
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