Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Therese Tallien.[]

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Therese Cabarrüs, obgleich schon seit mehreren Jahren Mutter, ist noch im Frühlinge ihres Lebens: kaum 22 Jahre alt. Ihr Wuchs ist vortheilhaft: ihr stolzer, majestätischer Gang hat gleichwohl nichts Beleidigendes für die Sittsamkeit. Hätte ich, heißt es in einem Schreiben aus Paris, woraus diese Skizze genommen ist, -- Aneokeons oder Parny's Pinsel, ich würde diesen Kopf malen, dessen vollkommener Regelmäßigkeit nur das Verhältniß der Nase um etwas Unbedeutendes schadet. Ihr Arm ist der schönste, den das menschliche Auge sehen kann, und vielleicht weil sie sich dessen zu sehr bewußt ist, hat sie das griechische Costüme angenommen, welches ihr erlaubt, diesen Arm in seiner ganzen bezaubernden Form zu zeigen. Doch der Anblick lehrt dich diese alles besser: ich will dir lieber mittheilen, was mir von der Geschichte der schönen Theresia bekannt ist. Sie ist in Spanien geboren: allein ihr Vater ist ein Franzosen, aus Bourdeaux gebürtig, welcher sich durch seine Talente und kühne Speculationen, einen ungeheuern Reichthum, auf eine ehrenvolle Art, erwarb. Lange hatte er in Madridt, als Vorsteher der Karlsbank, das Ansehn eines ersten Ministers, ohne jedoch zu dem Titel und der Ehre davon gelangen zu können. Jedermann weiß, wie lange er, wegen eines Verdachtes, die neuen Grundsätze, welche in Frankreich keimten, begünstiget zu haben, das Opfer der Verfolgung war. Er verlohr seine Freiheit; seine Güter wurden eingezogen. Doch dies waren nicht seine ersten Leiden. Die Eifersucht einer Dame vom ersten Range hatte ihn schon früher genöthigt, seine Tochter, die er fast abgöttisch liebte, von sich zu entfernen. Therese hatte durch ihre aufblühenden Grazien die Bewunderung der Kavaliere und die Eifersucht der Damen am Madridter Hofe erregt. Diese letztern kannten keine Grenzen mehr, als man erfuhr, daß eines Tages eine hohe Person ihr eine Rose, von der seltensten Schönheit, überreicht hatte, mit den Worten: vous les affacez toutes (Sie verdunkeln sie alle). Kurz, Therese sah sich gezwungen, das Land ihrer Geburt zu verlassen: sie kam nach Frankreich und heirathete im 14ten Jahre einen Pariser Parlementsrath, der ein Mittelding zwischen einem Pedanten und einem Süßlinge war. Ihre Ehe war nicht glücklich: und die Revolution, welcher Therese mit ganzer Seele anhing, fachte die Fackel der Zwietracht noch mehr an, gab aber auch zugleich, durch eine minder strenge Gesetzgebung, das einzige Mittel dagegen, die Ehescheidung, an die Hand.

Als nachher Paris der blutige Schauplatz der Grausamkeiten einer zerstörenden Rotte ward, begab sich Therese nach ihrer väterlichen Stadt, Bourdeaux. Man weiß, daß diese Stadt gegen Paris aufstand, aber zu schwach war, ihr Vorhaben auszuführen. Tallien, ward von der herrschenden Parthei dorthin gesandt: das Schrecken ging vor ihm her. Mit jugendlichem Feuer war er zwar ganz der Freiheit ergeben; aber zugleich durch den trüglichen Schein des Partheigeistes verführt, war er das blinde Werkzeug der Rache desselben an einer unglücklichen Stadt. Plötzlich heitert die Szene sich auf; Gerechtigkeit tritt an die Stelle der Rache, und Tallien öffnet sein Herz den Gefühlen der Bruderliebe. Ist dem Gerüchte zu trauen, so war diese glückliche Umwandlung das Werk der Liebe und Theresens. Bourdeaux genoß jedoch die Folgen davon nicht lange: die Pariser Tyrannen, welche Talliens milde eine freiheitsmordende Barmherzigkeit nannten, riefen ihn zurück. Seine Geliebte folgte ihm, und Tallien hatte den Schmerz, sie das Opfer ihrer Liebe werden zu sehn. Sie mußte als eine Gegenrevolutionistinn 6 Monate lang im Kerker schmachten. Endlich ward sie zur Ehre des Schafotts bestimmt, und der 12te Thermidor (30ste Jul.) sollte diesen reizenden Kopf vom schönsten Körper fallen sehen. Die Revolution vom 9ten Thermidor (27sten Jul.) erhielt Theresen das Leben, und gab ihr die Freiheit wieder. Seitdem haben die Bande der Ehe sie mit Tallien verbunden. Ich bin weit entfernt, die politische Rechtschaffenheit dieses Stellvertreters zu bezweifeln: aber wenn jemand fürchten sollte, daß er wieder von neuem durch den Partheigeist irre geleitet werden könnte: so mögen ihm Theresens Herz und ihre Reitze Bürge für dessen Standhaftigkeit seyn. Tallien war der erste, der den Riesen Robespierre am 9ten Thermidor die Stirne bot: und wenigstens würde dieser Tag schwerlich der, für die Republik, so wichtigen Tage geworden seyn, wenn nicht der für Tallien so furchtbare Tag so bald auf ihn hätte folgen sollen.


Quellen.[]

  1. Historische Gemälde, in Erzählungen merkwürdiger Begebenheiten aus dem Leben berühmter und berüchtigter Menschen. Herausgegeben von einer Gesellschaft von Freunden der Geschichte. Riga, 1795. Bei Johann Friedrich Hartknoch.
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