Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Von Reisende.[]

Dr. Johann Friedrich Droysen.

[1]

[1801]

Amsterdam, den 25sten Jun. 1801..

Den andern Morgen verließen wir Herzogenbusch, gingen eine Stunde hinter Herzogenbusch in einer Fähre über die Maas, bey Bommeln in einer fliegende Brücke über einen Arm des Rheins der hier Waal heißt, hinter Geldermassen, wo wir drey Stunden Mittag machen mußten, über den Lech, einen zweyten Arm des Rheins und kamen Abends in Utrecht an.

Ich führe Sie, mein Bester, gleich auf den noch stehenden Thurm des ehemahligen Doms, der vor ungefähr 130 Jahren durch einen Orkan einstürzte, um Ihnen hier eine Uebersicht über den schönsten Theil von Holland zu geben. Sie sehen hier, die ganze lange, aber schmale Stadt mit ihren verschiedenen Kanälen zu Ihren Füßen; längs den Kanälen laufen die, mit Bäumen bepflanzten Gassen, welche hohe schöne Hauser einschließen. Ueber die Stadt hinaus sehen Sie das fruchtbare, grüne, mit Kanälen durchschnittene Land, Amsterdam, Delft, Haarlem, Leiden, Herzogenbusch, an zwanzig Städte und eine Menge von Dörfern. Eine Aussicht einzig in ihrer Art; nicht leicht übersieht man wohl von einer so unbedeutenden Höhe ein so reiches, so bevölkertes Stückchen Land. –

Neben dem Thurm des Doms sind die Gebäude der Universität; die eine Sonne über dem Eingange mit der Inschrift Sol iustitiae illustra nos haben. Der Pedell war unser Führer durch die unbedeutenden Concilien-Zimmer und Hörsäle. Bey Promotionen und andern feyerlichen Gelegenheiten sind hier noch die, bey den meisten Akademien schon abgeschaften rothen Kleidungen der Pedelle, das Vortragen der Zepter und dergleichen innungsmäßige Feyerlichkeiten, Mode, worauf sich dieser Mann nicht wenig einbildete. Durch die Bekanntschaft des würdigen alten Prof. Hennert, eines Berliners von Geburt, bekannt durch seine angewandte Mathematik in Holländischer Sprache und durch mehrere andere Schriften über die Mathematik, fand ich Gelegenheit den Zustand der Akademie etwas näher kennen zu lernen. Sie hat etwa 30,000 Fl., Holländ. (den Holländ. Gulden kann man zu ½ Rthlr. unsers Geldes rechnen) jährlich Revenüen, wovon die Lehrer besoldet und die Institute unterhalten werden. -- In der theologischen Facultät sind vier Lehrer angestellt, nähmlich der alte Bonnet, der noch Dogmatik liest; Ravius, Prof. der orientalischen Sprachen und Exegese; Royaards, Prof. der Dogmatik, akademischer Prediger, und Heringa, Prof. der Exegese des N. T., und der Homiletik. Die Juristen0Facultät hat nur zwey Lehrer: de Rhoer, derzeitiger Rector, Prof. des Civil- und Völkerrechts, erklärt den Hugo-Grotius und liest Pandecten nach Backelmann, und Arntzenius, Prof. des Civil- und öffentlichen Batavischen Rechts, liest Institutionen und Pandecten nach Westenberg, Geschichte des Rechts nach Bach.

Die medicinische Facultät zählt drey Lehrer: van Geuns, der Botanik und anleitenden Arzeneygelahrtheit Prof., liest Pathologie nach Gaubius, Materia medica und praktische Anleitungen nach Boerhaave's und Stolls Aphorismen, und Botanik. Bleuland, der Anatomie, Physiologie, vergleichenden Anatomie, Chirurgie und Hebammenkunst Prof., liest Osteologie, Physiologie, Chirurgie und hält öffentliche Vorlesungen über Anatomie.

De Fremery, Prof. der Chemie, Naturgeschichte und Pharmacie, liest Chemie nach Jacquin Elem. Chymiae, Zoologie nach Blumenbach und gerichtliche Arzeneylehre nach Metzger; er hat mit dem Apotheker Werkhoven in Utrecht zusammen eine Uebersetzung von Lavoisier in Holländischer Sprache mit Anmerkungen herausgegeben. Grondbeginnelsen der Scheidkunde von Lavoisier. 1800. Utrecht.

Die philosophische Facultät besteht aus vier Lehrern; nähmlich Saxe, Prof. der Geschichte, Alterth. und Rhetorik, liest vaterländische Geschichte und Rhetorik nach Ernesti initia. Heunert, Profess. der Mathematik und Astronomie, liest reine und höhere Mathematik, Logik und Metaphysik, Astronomie und auf Begehren seiner Zuhörer über Kant, von dem er kein Freund war.

Rossyn, Prof. der Physik und Metaphysik, hält öffentliche Vorlesungen über die Lehre vom Feuer, Physik und Metaphysik nach Wynperse und Logik nach eigenem Compendio.

Die Vorlesungen gehen vom 22sten September bis zu den Sommerferien, die drey Monathe währen ununterbrochen fort, nur um Weynachten sind abermahls sechs Wochen Ferien. Die Zahl der Studirenden ist ungefähr Zweyhundert. Die meisten Vorlesungen werden in lateinischer Sprache gehalten, doch bey gemeinnützigen Wissenschaften auch in Holländischer Sprache. Chemie las Prof. Fremery im akademischen Theater lateinisch in einem wohl eingerichteten Laboratorio mit Klarheit und Deutlichkeit, wo er Versuche mit den Vorlesungen verband.

Hinter dem akademischen Theater, einem großen, schönen Gebäude, das sich durch ein Skelet über die Thüre auszeichnet, denn alles muß hier ja sein Zeichen haben, liegt der schöne und reiche botanische Garten, der unter Prof. Geuns Aufsicht stehet, welcher in demselben wohnet. In demselben werden die officinellen Pflanzen besonders, von den übrigen getrennt, und die Wasserpflanzen in großen Töpfen mit Wasser gefüllt gezogen, Palmbäume, Thee, Kampfer, Zucker, Kaffeh, und solche Dinge, die den Laien interessiren, waren hier in Ueberfluß.

Das in demselben Gebäude befindliche anatomische Theater war amphiteatralisch und zweckmäßig gebauet, aber an Präparaten nicht reich, die Herren arbeiten mehr für ihre eigene Sammlung, wie mir der Famulus sagte. Das physikalische Cabinett unter Profess. Rossyus Aufsicht war vortrefflich eingerichtet und erhalten. Neben dem geräumigen Auditorio fand ich in mehreren Sälen, in verschiedenen Schränken die, in Metall sauber gearbeiteten Modelle für die Mechanik, Hydraulik u. s. w.: eine schöne Central-Maschine, eine große ehemahls Mousschenbroek eigene Luftpumpe, mit schiefliegendem Cylinder, eine Elektrisir-Maschine mit zwey Scheiben, von 32 Zoll im Durchmesser von Cuthbertson; ein Gazometer nach van Marum, schöne Planetarien (die man überhaupt in Holländischen Cabinetten sehr schön und kostbar findet, vielleicht aber mehr als Kunstsache zu bewundern sind, denn beym Unterricht möchten sie leicht entbehrlich und oft dadurch schädlich werden können, daß sich die Planeten immer in einer Ebene bewegen), außerdem einen schönen Apparat für die Optik, Binoculare und Teleskope von Dollond; Magnete und magnetische Magazine, kurz was ein physikalisches Cabinett für den Unterricht bedarf; theils von Englischen, theils von Holländischen Künstlern gut und genau gearbeitet und wohl unterhalten.

Das Observatorium steht an der Südseite der Stadt auf einem alten Thurm an der Mauer, und da es sehr hoch und das Gebäude sehr alt ist, so wankt es.

HUA Utrecht

Man hatte überhaupt in ältern Zeiten, wie ich an so manchen Sternwarten bemerkt habe, die üble Gewohnheit, bey Anlegung derselben hauptsächlich auf einen freyen und großen Gesichtskreis zu sehen, und opferte der Höhe darum leider zu oft die unentbehrliche Festigkeit auf; dazu kommt, daß man gern auf alte Gebäude oben aufsetzte, die in der Folge zu schwach wurden, die großen Mauern oder Consolen für die Instrumente zu tragen. Wenn man bedenkt, wie selten Beobachtungen niedrig am Horizonte nothwendig und wie unsicher sie sind; wie unentbehrlich hingegen Festigkeit ist; so sollte man doch bey neuen Sternwarten diesen Fehler vermeiden. Die Instrumente der Utrechter Sternwarte sind elend, ein altes Passageninstrument, ein alter Mauerquadrant, eine schlecht Uhr und einige Fernröhre machen den ganzen Apparat aus, der nun freylich wohl bey Hennerts Alter und zunehmender Blindheit so in Verfall gerathen ist. Die Professoren in Utrecht sind ziemlich gut salariret, so daß sie mit den Promotionsgebühren u. s. w. wohl auf 2300 Fl. rechnen können.


Quellen.[]

  1. Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.
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