Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Lord Bentinck.[]

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Die Rolle, welche der Generallieutenant William Cavendish Bentinck in Sicilien gespielt hat, verspricht ihm, wo nicht eine aus Dankbarkeit der Sicilianer hervorgehende Unsterblichkeit, doch wenigstens die Nahmensfortdauer, welche allen Personen zu Theil wird, die kraftvoll in die Begebenheiten der letzten Zeit eingegriffen, und die Gestalt der Dinge zu verändern gesucht haben. Darum gebührt ihm eine Stelle in der Geschichte, indem die Nachwelt über das Persönliche dieses Mannes nicht zweifelhaft bleiben darf.


Die Familie Bentinck gehörte zu denjenigen, welche William dem Dritten von Holland nach England in jener, für die europäische Geschichte nur allzu wichtigen Periode folgten, wo Jacob der Zweyte aus Großbrittannien vertrieben, und das politische Gebäude dieses Reichs mit seinen Vorzügen und Mängeln vollendet wurde. Wilhelm dem Dritten, wie sehr er auch den unumschränkten Monarchen in sich trug, blieb nichts anderes übrig, als den Gesetzen sich anzuschmiegen, die ihm für seine Verwaltung von den brittischen Nation aufgedrungen wurden; und so bildete sich im Laufe der Zeit, derjenige Zustand der Dinge, der die Eigenthümlichkeit des großbrittannischen Reiches bis jetzt ausgemacht hat, und vielleicht eine längere Zeit ausmachen wird. Organische Gesetze, selbst wenn sie sehr fehlerhaft sind, behaupten sich lange, wenn der Eigensinn einer großen Nation für ihre Güte einsteht.


Lord William C. Bentinck ist der zweyte Sohn des im Jahre 1808 verstorbenen Herzogs von Portland. Er wurde den 16 September 1774 geboren. Sehr früh trat er in die militärische Laufbahn. Diese entwickelte seine Fähigkeiten nur in so fern, als er den Garnisondienst kennen lernte; denn damahls herrschte tiefer Frieden in Europa. Familienverbindungen, deren Kraft überall gleich groß ist, verhießen ihm Auszeichnung; auch vertraute er ihnen so sehr, daß er es nicht der Mühe werth fand, sich um die Theorie seiner Profession zu bekümmern, welche freylich von einer solchen Beschaffenheit ist, daß sie den Werth selbst desjenigen, der sie in der höchsten Vollkommenheit besitzt, leicht verdunkelt, wenn sie nicht durch die glänzendste Praxis empor gehalten wird, denn für den Soldaten soll Gedanke und That Eins seyn, und der Kopf sich weder von dem Arm, noch der Arm von dem Kopfe trennen.

Als der Revolutionskrieg ausbrach, begleitete Lord William den Herzog von York, in der Eigenschaft eines Adjutanten, nach dem festen Lande von Europa. Seine Gestalt, seine Beweglichkeit, sein Fassungsvermögen, selbst seine Freundlichkeit und Gefälligkeit eigneten ihn zu diesem Posten, welchem er vorstand, so lange sich der Herzog in Flandern, Holland und Westphalen herumtummelte. Zwey Dinge machten den jungen Bentinck schon damahls in der englischen Armee beliebt: die Tapferkeit, womit er als Soldat allen Gefahren trotzte, und die Gefälligkeit, womit er Jeden unterstützte, der bey dem Oberfeldherrn etwas nachsuchte. So sehr bestach die Lieblichkeit seiner Gesichtsbildung, daß alle Hülfsbedürftige, von welcher Classe sie auch seyn mochten, ihm ihre Angelegenheiten gern vertrauten, und auf ein eifriges Wohlwollen von seiner Seite rechneten. Der kalte holländische Charakter wich nie ganz von dieser Familie; aber sie leistete dem Staat durch ihn oft die wesentlichsten Dienste: es ist eine bekannte Sache, daß der verstorbene Herzog von Portland durch seinen gesunden Menschenverstand und durch jene ruhige Logik, die sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen läßt, in den allerwichtigsten Berathschlagungen des Conseils die geistreichsten Männer für seine einfache Meinung gewonnen hat. Und in der That, dieß kann da nicht schwer werden, wo nicht in jedem Augenblick das Maximum von Geist entwickelt zu werden braucht, um das Ganze zusammen zu halten.

In den Feldzügen bis zum Jahre 1795 hatte Lord Bentinck seine militärische Profession liebgewonnen. Er verweilte mehrere Jahre in England, aber der Muße, die er genoß, sehr bald überdrüssig, ließ er sich in den Jahren 1799 und 1800 in der österreichischen Armee anstellen, bey welcher er indeß mehr einen diplomatischen, als einen militärischen Charakter hatte. Von den Kriegsschauplatze in Italien und Österreich wurde er plötzlich nach Ägypten versetzt, wobey der Gedanke war, daß er unter dem Generallieutenant Sir Ralph Abercrombie die Reiterey befehligen sollte; da aber dieser Feldzug vor seiner Ankunft beendigt war, so kehrte er wieder nach England zurück.

Im Jahre 1803 ging Lord William, als Gouverneur von Madras nach Indien. Auf diesem Posten blieb er bis zum October 1807, wo er nach Europa zurück kam. Was er auf demselben geleistet, ist nicht bekannt geworden; allein wenn in jeder Lage des Lebens die ursprünglichen Anlagen entscheiden, so läßt sich annehmen, daß Lord William als Gouverneur von Madras dieselbe Menschlichkeit und Herzensgüte an den Tag gelegt habe, welche die Grundzüge seines Charakters ausmachen.

Ein weiteres Feld für die politischen Talente des Lords eröffnete sich durch jene Intriguen, welche um die Zeit seiner Zurückkunft nach England den spanischen Thron so lange erschütterten, bis er in sich selbst zusammenfiel. Kaum war die königliche Familie nach Frankreich entführt, und dann durch die Niederlage der Franzosen in Südspanien die Aussicht auf einen neuen Umschwung der Dinge eröffnet, als Lord William an die Generaljunta gesendet wurde, um derselben einen entscheidenden Widerstand organisiren zu helfen. Sein Einwirkungspunct war der Graf Florida Blanca, ein Greis, dessen guter Wille in keinem Verhältniß stand zu den geistigen Talenten, welche sein Posten erforderte. wenn der Lord wenig ausrichtete, so lag der Grund davon zugleich in allen den Hindernissen, womit er sich umringt sah. Es fehlte den Spaniern keineswegs an Patriotismus, aber es fehlte ihnen an Männern, welche ihr Vertrauen in einem so hohen Grade besessen hätten, daß sie der Leitung derselben willig gefolgt wären. Unter diesen Umständen meldete Lord William der Regierung seines Vaterlandes: er überzeuge sich immer mehr und mehr, daß blindes Vertrauen zu der eigenen Stärke und natürliche Schläfrigkeit die Klippen wären, an welchen das gute Schiff zu scheitern Gefahr liefe;" -- Worte, deren Wahrheit sich nur allzu sehr in der Eroberung von Madrid bestätigte. Indeß blieb er bey der Generaljunta, und correspondirte theils mit seinem Vaterlande, theils mit John Moore bis zu Ende des November, wo Herr Frere, als bevollmächtigter Minister von Großbrittannien in Aranjuez anlangte. John Moore, der die Talente des Lord William kannte, lud ihn ein, sich zur Armee zu begeben. Ehe er dahin abging, hatte er in Vereinigung mit Sir John Hope noch eine Unterredung mit Don Thomas Morla, damahligem Gouverneur von Madrid, und da in dieser Unterredung klar wurde: einmahl, daß die Spanier gar keinen Operationsplan hatten; zweytens, daß Don Thomas Morla es nur darauf anlegte, seinen Frieden mit dem französischen Kaiser auf Kosten eines Theils der englischen Armee zu erkaufen; so versäumte Lord William keinen Augenblick, sich zu John Moore zu verfügen.

Er theilte alle Beschwerden des Rückzugs nach Corunna; in der Schlacht von Corunna selbst aber fand er Gelegenheit zur Auszeichnung. Örtliche Umstände brachten es nähmlich mit sich, daß der rechte Flügel der Britten auf ein sehr ungünstiges Erdreich zu stehen kam; und doch mußte dieser Punct bis zum letztem Augenblick vertheidigt werden. Dieser Punct nun wurde von Lord William Bentincks Brigade, welche aus dem 4ten, 42sten, und 50sten Regiment bestand, besetzt, und zwar so, daß hinter ihr eine Brigade stand, und daß die Reserve unter dem Generalmajor Paget sich an den rechten Flügel von Lord Bentinck anschloß. Als hierauf Sir David Baird seine Division, von welcher jene Brigade den rechten Flügel bildete, gegen den Feind führte, so war es das Erste, daß sein Arm von einem Traubenschuß zerschmettert wurde, der ihn zwang, das Schlachtfeld zu verlassen. Die französische Artillerie stürzte sich von der Höhe, und die beyden feindlichen Infanterielinien näherten sich unter einem entsetzlichen Kugelregen. Noch waren sie durch Mauern und Hecken, welche den Boden durchschnitten, von einander geschieden; aber so wie sie einander näher rückten, wurde deutlich bemerkt, daß die französische Linie über die rechte Flanke der Britten hinaus reichte, und daß ein feindliches Corps welches im Thale anlangte, zum Umgehen derselben bestimmt war. Sogleich ertheilte John Moore den Befehl, daß die Hälfte des 4ten Regiments, welches diese Flanke bildete, zurückgehen, und mit der anderen Hälfte einen stumpfen Winkel formiren sollte. In dieser Stellung begann man ein heftiges Flankenfeuer, welches die gute Wirkung hervorbrachte, daß die Franzosen nicht vorrücken konnten. John Moore, von Lord Bentinck begleitet, ritt hierauf zu dem 50sten Regiment, welches über eine Umzäunung vorgedrungen war, die Franzosen auf das tapferste angriff, und sie unter einem heftigen Gemetzel aus dem Dorfe Elwina verjagte. Als dieß im Gange war, begab sich der Oberfeldherr zu dem 42sten Regiment, welches das linke Bataillon in Lord Bentincks Brigade ausmachte, und redete sie mit den Worten an: "Hochländer, denkt an Ägypten!" Sie setzten sich in Bewegung, und drängten die Franzosen vor sich her, bis sie sich von einer Mauer gehemmt fühlten. Nicht lange darauf fehlte es ihnen an Munition. Über diesen Punct beruhigt, vertheidigten sie sich mit dem Bajonet. John Moore wurde in diesem Zeitraum von einer Kanonenkugel getödtet. Der rechte Flügel ließ sich dadurch nicht irre machen. Alle Geistesgegenwart, womit der Generalmajor Paget ihn unterstützte. Nach und nach verloren die Franzosen den Muth, und die so geschickte als tapfere Manier, womit Lord William seine Brigade befehligt hatte, erwarben ihm das unbedingte Lob des Generallieutenants Sir John Hope.

Lord William, der bisher den Rang eines Generalmajors erworben hatte, sollte in Sir Arthur Wellesley's Armee, unter dem Titel eines Generallieutenants, eine Division commandiren, als die Dinge in Sicilien eine Wendung nahmen, die, wenn das bisherige Verhältniß dieser Insel mit England fortdauern sollte, einen Mann von ungemeinen Fähigkeiten erforderten. Die Wahl der brittischen Regierung fiel auf Lord William, welcher unter diesen Umständen den doppelten Charakter eines Ministers am sicilianischen Hofe, und eines Commandeurs en Chef der brittischen Truppen auf dieser Insel erhielt. Er fand nach seiner Ankunft die Dinge in einem so verzweifelten Zustande, daß er, um keine Zeit zu verlieren, sogleich nach England zurückging, die Regierung seines Vaterlandes zu entscheidenden Maßregeln zu vermögen. Sie setzte Vertrauen in seine Weisheit, und so begann er mit unbeschränkter Vollmacht versehen, die ehrenvolle Rolle, die er in der neuesten Geschichte spielte.


Zeitungsnachrichten.[]

1811.[]

London, den 6ten December. [2]

Ein Schreiben aus Gibraltar vom 18ten November sagt:

"Nach den letzten Berichten aus Sicilien war dort der Hof in größter Unruhe; er erwartete, daß die Feindseligkeiten gleich nach der Rückkehr des Lords Bentinck anfangen würden; man wußte, daß der größte Theil der sicilianischen Truppen zu den Engländern übergehen wolle, und Jedermann glaubte, die önigl. Familie werde suchen, nach Sardinien zu entkommen. Lord Bentinck ist auf seinem Wege nach Sicilien bereits bey Gibraltar vorbeygesegelt."


1812.[]

London, den 12ten May. [3]

(Aus dem Times.)

Dasselbe Journal sagt:

"Nach Briefen aus Malta war Lord Bentink dort angekommen, und wollte sich nach Tunis begeben, theils um eine Gefangenenauswechslung zu Stande zu bringen, theils um die Zwistigkeiten zwischen Sicilien und Tunis beyzulegen. Von allen Maßregeln in Sicilien würde dieses die populärste seyn, da die Insel so viel durch die Räubereyen der Barbaresken leidet."


Quellen.[]

  1. Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. Fünfter Jahrgang 1814. Wien, gedruckt und im Verlag bey Anton Strauß.
  2. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 1. Montag, den 1. Januar 1812.
  3. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 153. Mittewoch, den 26. Juny 1812.
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