Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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X.

Der Herr General-Lieutenant Graf Wittgenstein hat die erfreuliche Nachricht eines abermaligen Sieges über den Feind eingesandt.

Der Abmarsch des unter den Befehlen des Herrn General-Lieutenant Grafen Steinheil stehenden Corps aus dieser Gegend hatte zum Zweck, in genauer Verbindung mit den Corps des Grafen Wittgenstein, zuförderst gegen die Hauptmacht des die Ufer der Düna bedrohenden Feindes zu operiren.

Nachdem das Corps des General-Lieutenants Grafen Steinheil auf dem verabredeten Puncte bey Druja eingetroffen war, nahmen die zum gemeinschaftlichen Angriffe des von dem feindlichen Marschall Gouvion St. Cyr befehligten Corps, welches die diesseits des Düna um die Stadt Polozk aufgeworfenen Verschanzungen besetzt hielt, ihren Anfang. Der Graf Wittgenstein griff am 6. October den diesseits der Düna bey dem Dorfe Jurewitsch, mit einem Theil seiner Truppen, und der General-Lieutenant Jaschwil mit einer andern Abtheilung bey dem Dorfe Beleva an. Zu gleicher Zeit marschirte der Graf Steinheil mir seinem ganzen Corps von Dziesna aus, am linken Düna-Ufer, auf Polozk zu.

Die feindliche Avantgarde wurde bey dem Dorfe Jurrewitsch nach einem hartnäckigen blutigen Gefechts, welches von 6 Uhr Morgens bis zum späten Abend dauerte, geschlagen, und gezwungen, sich in die Verschanzungen um Polozk zurück zu ziehen, wo sie unter dem heftigen Feuer, welches die dortigen Batterien gegen unsere Truppen eröffneten, ihren Schutz fand.

Am 7. October unternahm der Graf Wittgenstein Anfangs nichts, sonder observirte den Feind bloß, um vorher den Erfolg der Operationen, die Graf Steinheil jenseits der Düna ausführte, abzuwarten.

Der Graf Steinheil griff, nach seinem darüber hierselbst eingegangenen speciellen Bericht vom 10. October, an demselben Tag den Feind der bey dem Dorfe Boloni in einer vortheilhaften Stellung am Ufer der Düna stand, an, warf ihn nach einem lebhaften Gefecht aus dieser Position, nahm eine Obersten, 37 Officiere und gegen 500 Gemeine gefangen, und verfolgte den Feind bis gegen 4 Werst von Polozk.

Als gegen Abend der Graf Wittgenstein von diesem Erfolg benachrichtigt ward, entschloß er sich sogleich die Verschanzungen um Polozk mit stürmender Hand anzugreifen, welches an demselben Abend geschah. Die Verschanzungen wurden um 5 Uhr überall genommen, wobey das Gefecht des Grafen Steinheil, der einen großen Theil der feindlichen Macht auf sich gezogen hatte, sehr vortheilhaft mitwirkte.

Der Feinde zog sich den 7. Abends nach dem Verlust seiner verschanzten Stellung in die Stadt Polozk, die mit einer doppelten Reihe Pallisaden umgeben war, zurück, und unterhielt sowohl von den Pallisaden, als aus den Häusern, ein heftiges Flintenfeuer auf unsere Truppen.

Den 8. October gegen Tagesanbruch befahl der Graf Wittgenstein seiner Avantgarde den Feind mit Kartätschenfeuer anzugreifen und die Stadt von zwey Seiten zu stürmen. Die Truppen führten diesen Auftrag mit ihrer oft bewährten Tapferkeit aus, und um 3 Uhr Morgens war Polozk eingenommen.

Der Graf Wittgenstein befindet sich jetzt in dieser Stadt. Der Verlust des Feindes mußte unendlich groß seyn, denn das ganze Schlachtfeld ist mit seinen Todten bedeckt gewesen, und nach Aussage der Einwohner hatten sie den ganzen Tag vorher ihre Verwundeten auf das jenseitige Dünaufer zurück gebracht. -- Auf unserer Seite hat auch ein ansehnlicher Verlust, der von der stürmenden Einnahme hartnäckig vertheidigter Verschanzungen unzertrennlich ist, statt gehabt.

Der kommandirende feindliche Marschall Gouvion St. Cyr ist am Fuße verwundet. Gefangen sind, 2 Obersten, 43 Staabs- und Oberofficiere und gegen 2000 Gemeine. Eine Kanone ist genommen, und in den Magazine, zu deren Zerstörung dem Feinde keine Zeit gelassen ward, eine ansehnliche Quantität Brot vorgefunden.

Der Verlust des Feindes würde, nach der Überzeugung des Grafen Wittgenstein, noch weit beträchtlicher gewesen seyn, wenn es dem Grafen Steinheil gelungen wäre, gleichmäßig auf dem jenseitigen Ufer bis Polozk vorzudringen, woran aber derselbe fünf Werst von der Stadt von einer zahlreichen feindlichen Macht, die sich ihm entgegen geworfen hatte, verhindert ward.

Der Graf Wittgenstein beschäftigt sich jetzt mit Erbauung von Brücken über die Düna, und wird nach deren Beendigung den Fluß passiren und seine Operationen in Verbindung mit dem Grafen Steinheil fortsetzen. Die Haupt-Direction desselben ist in Verfolgung des Feindes auf die Willnasche Straße nach Orechowo und Gleboko zu. Bey Dziesna werden sich beyde Corps wieder vereinigen.

Essen I.

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Quellen.[]

  1. Actenstücke und Materialien zu der Geschichte des großen Kampfes um die Freyheit Europa's in den Jahren 1812 und 1813. Germanien, bey Peter Hammer. 1813.
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