Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Bericht des Marschalls, Gouvion St. Cyr.[]


Bericht des Marschalls, Gouvion St. Cyr, an den Prinzen Major-General, den 20sten Oktober 1812.[1]

In meinem letzten Schreiben vom 17ten meldete ich Ewr. Hoheit, daß wahrscheinlich die ganze mit dem Grafen von Wittgenstein vereinigte Macht den folgenden Tag das 2te Korps anfallen würde; die Verstärkung, die er aus Petersburg, wie ich neulich angezeigt, erhalten, belief sich auf 17,000 Mann, mit Einschluß von 6 bis 8000 Mann in Petersburg und der umliegenden Gegend zusammengeraffter Miliz. Ueberdem erhielt er die ganz frisch aus Finnland gekommene 21ste Division, von der bloß ein Theil, als er in der Nähe von Riga passirte, in einem Gefecht mit den Preussen war. Sie vereinigte sich mit den Wittgensteinschen Truppen zu Disna, am 16ten, in dem Augenblick, wo er meine Posten von dort vertrieben hatte.

Am 18ten, um 6 Uhr des Morgens, debouchirte Graf Wittgenstein vor Polotzk mit Kolonnen, entwickelte seine Truppen rings um meine Position, und benutzte seine ungeheure Ueberlegenheit, um die Position, die ich am linken Ufer der Pollota besetzt hielt, der, welche er zuvor an der Drissa besetzt hatte, gegenüber, von hinten zu nehmen. Die erste ernsthafte Attake machte er gegen eine Batterie ohne Schießscharten (à la barbette), welche ich in einem vortheilhaften Posten hatte anlegen lassen, und die, es koste, was es wolle, besetzt werden mußte,, um nicht dem Feinde die schwächste Seite meiner Stellung preis zu geben, nämlich die vordere Seite der Stadt, die weiter keine Schwierigkeit darbot, als eine Palanke (ein mit Pallisaden umgebener Platz), deren vordere Seite ich hatte bedecken lassen; dies war aber noch nicht zu Stande gekommen, sie war also überall offen, besonders bey den zwey kleinen Bastionen, welche sie unterstützen sollten, aber kaum entworfen waren. Indessen warf ich einige Kanonen hinein, die uns gute Dienste thaten. Die Batterie der Tuillerien wurde drey bis viermal genommen und verloren; sie ward von Truppen der 8ten Division, unter dem Divisionsgeneral Maison, vertheidigt. Die Vertheidigung dieser Angriffsfronte machte ihm ausnehmende Ehre. Der Feind deployirte eine andere Kolonne vor der Fronte der 6ten Division unter dem General Legrand; er richtete besonders seinen Angriff auf eine noch nicht vollendete Batterie am linken Ufer der Pollota, welche des Centrum der Division Legrand wurde. Drey oder viermal versuchte der Feind, sich ihrer zu bemächtigen, wurde aber mit dem Verlust, der bey dergleichen fehlgeschlagenem Unternehmen gewöhnlich ist, jedesmal zurückgeworfen. Bis gegen Mittag hatte es der Feind nicht gewagt, die Fronte des rechten Ufers der Pollota anzufallen, von der einige Punkte gut verschanzt und vollendet waren. Allein um 4 Uhr debouchirte er auf der Straße von Seibet und Riga, und stürzte sich wüthend und in Masse auf die linke der Stadt, stufenförmig von der Kolonne, die auf dem Wege von Reval debouchirte, unterstützt. Ich wollte diesen ausnehmenden Eifer an zwey von der bayerschen Artillerie angelegten, und mit den nöthigen Soldaten unter dem General Vincenti besetzten Redouten austoben lassen; allein die Schweizer der 2ten Division unter dem General Merle, und das 3te Kroaten Regiment, stürzten sich, den gemachten Dispositionen zuwider, den Russen entgegen, und bekämpften die Wuth derselben mit einer bemerkenswürdigen Ordnung, Kaltblütigkeit und Bravour. Die Russen thaten diesen Angriff unter den Mauern der Stadt, wo das Blutvergießen vom Morgen bis zur Nacht auf allen Punkten des Heeres dauerte. Ungeachtet ihrer Ueberlegenheit ließen die Russen das Feld mit Leichen bedeckt, und hatten nur bey einer Attake Glück.

Des an diesem Tage errungenen Vortheils ungeachtet, war ich doch am Abend über das Schicksal, das meine Kavallerie am linken Ufer der Düna gehabt haben könnte, in Sorgen. Ich hatte den größten Theil der Kavallerie abgeschickt, um im Rücken gesichert zu seyn. Am Abend hatte General Corbineaux und dessen Brigade, weil die Pferde äusserst ermüdet waren, nicht über die Uschatz vordringen können, und nach seinem Bericht nur Kavalle~~e und wenige Infanterie getroffen. Da er auf diesen Fall vollkommen gefaßt war, indem er 3 kleine bayersche Bataillons zu seiner Disposition hatte, so erwartete ich den folgenden Tag mit vieler Ruhe. Am 19ten beym Anbruch des Tages sahen wir die Feinde auf ihrer Linie in Bewegung, und beschäftigt, ihre Positionen zu ordnen, um einen Halbzirkel um die unsrigen zu bilden. Gegen 10 Uhr traf der Adjutant des Generals Corbineaux mit der Nachricht ein, daß er eine Brigade von 5000 Mann und 12 Eskadrons vor sich habe. Ich versäumte keinen Augenblick, 1 Regiment aus jeder der 3 Divisionen des 2ten Korps zu nehmen, und wählte vorzüglich solche, die man am leichtesten vor dem Feinde wegziehen konnte, der nicht ermangelt haben würde, seine Angriffe zu erneuern, und dazu bloß die Erscheinung der Korps erwartete, deren Ankunft er mit Ungeduld entgegen sah. Gegen Mittag defilirten diese Truppen auf den Höhen hinter Polotzk; der Feind sah wohl, was diese Bewegung bezweckte, hielt die Truppen aber für eine Art von Reserve hinter Polotzk. Ich vereinigte diese Truppen unter dem General Amey, und gab ihm das 7te Kürassierregiment von der Division Doumer zu, das beym Marsch die Düna aufwärts noch keinen Feind getroffen hatte. Zugleich befahl ich, daß, sobald der Nebel sich zeige, die ganze Armee auf das linke Ufer der Düna übergehen sollte. Gegen Tagesschluß, in dem Augenblick, wo man anfing, die Artillerie aus den vorliegenden Werken zurückzuziehen, legten einige Unbesonnene an die Barraken des Generals Legrand Feuer, welches sich in einem Augenblick der ganzen Linie mittheilte, und dem Feinde die gewisse Nachricht gab, daß man retirire. Sogleich begann er das Feuer aus allen Batterien, und schleuderte eine Menge Haubitzen und andere Brandkugeln, um Feuer anzuzünden, welches ihm auch zum Theil gelang, und hoffte, dadurch unsere Bewegungen zu verhindern und unsere Pulverwagen zu sprengen.

Diese Kanonade und Bombardement wurden von einem allgemeinen Angriff unterstützt. Man konnte sich, vermittelst der brennenden Stadt, wie am hellen Tage sehn, und das Gefecht hörte nicht eher auf, als bis der letzte Mann auf das linke Ufer der Düna übergegangen war. Aber mitten unter diesen Angriffen, und dem Tumult, welchen die Feuersbrunst verursachte, bewiesen die Truppen ausnehmende Tapferkeit, und die Retirade geschah in der besten Ordnung. Um Mitternacht war die ganze Artillerie zurückgezogen, und die ganze Truppenmasse um halb 3 Uhr Morgens übergegangen. Ich verstärkte mit 2 Regimentern, die zuerst übergegangen waren, die am vorigen Tage dem General Amey anvertrauten Truppen, welche am Abend den Feind in den Defiléen von Solöuk zurückgehalten hatten. Es befand sich bey diesen Truppen eine bayersche 6 bis 700 Mann starke Kolonne. Ich vereinigte sie alle unter dem Kommando des Generals Wrede, dem ich Befehl gab, sogleich dem Korps des Generals Stengel entgegen zu gehen, es mit Nachdruck zurück, und jenseit der Uschatz zu werfen, und konnte diesen Angriff, falls es nöthig werden sollte, durch einen andern Theil des Heers unterstützen. Im Augenblick, wo die Truppen sich in Bewegung setzten, stieß man auf den Feind.

Das Stengelsche Korps wurde zurückgetrieben, und nach einem großen Verlust an Todten und Verwundeten jenseit Bolonia gejagt. Es ließ uns 12 bis 1500 Gefangene, unter welchen 18 Officiere, unter andern ein englischer Schiffskapitän, der im Stabe des Generals Stengel diente und, wie er sagte, seit 3 Wochen im russischen Dienste stand. Die Affäre macht dem General Wrede, der sie dirigirte, und dem General Amey, der sie unterstützte, die größte Ehre. (Hier folgen die übrigen Lobsprüche.)

Unser Verlust ist, im Vergleich mit dem unermeßlichen, den der Feind gelitten hat, nicht bedeutend. Dem General Legrand wurde ein Pferd unter dem Leibe getödtet, und er erhielt zwey Kontusionen. Der Oberst Gueheneuc, Adjutant Sr. Majestät, ist unter den Verwundeten. Ich habe eine Kugel in den linken Fuß erhalten, die mich hindert, zu gehen und zu Pferde zu steigen, und sehe mich gezwungen, 10 bis 12 Tage das aktive Kommando des Armeekorps aufzugeben, und habe es dem General Legrand übertragen. Ich denke, mich bloß einen Marsch von dem Korps entfernt zu halten, um zur Wiederübernahme meiner Funktionen bey der Hand zu seyn, und hoffe, selbst durch meine Rathschläge, wenn der General Legrand sie billigt, dem Korps nützlich zu werden. Allein ich erwarte in wenigen Tagen den Marschall Herzog von Reggio, und das 2te Korps unter dem Herzog von Belluno ist im Anmarsch. Nach geschehener Vereinigung werden wir die Russen lebhaft drängen.


Bericht des Generallieutenants Wrede.[]


München, den 16ten November. [2]

Bericht des Generallieutenants Wrede. Cynowska bey Babinetsky, den 23sten Oktober.

Nach dem am 18ten August bey Polotzk stattgefundenen Gefechte, in welchem der russische General, Graf Wittgenstein, zum Rückzug an die Drissa gezwungen wurde, verschanzten beyde Armeen, gegenseitig sich beobachtend, ihre Position, und suchten sich möglich zu verstärken. In Eilmärschen rückte der russische Generallieutenant Stengel herbey, dessen Korps unter den Generalmajors Rochanow und Voigt aus der 6ten und 21sten Division, 12,000 Mann stark, mehreren Kavallerieregimentern in der Stärke von 1250 Pferden, mit 52 Kanonen bestand. Das Gefühl einer überlegenen Macht gab den feindlichen Generalen den Entschluß, das 2te und 6te Armeekorps um Polotzk von allen Seiten einzuschließen. Am 14ten Oktober griff der General Wittgenstein den rechten Flügel der Stellung des 2ten Armeekorps bey Sirotino an, und rückte bis Borowoi vor, indeß der General Stengel bey Druja über die Düna ging, und sich am 15ten Abends mit der Avantgarde auf das unter dem Generalmajor Ströhl in und um Disna stehende bayersche Detaschement warf. Dieser manöuvrirte aber, sowohl in der Flanke und im Rücken angegriffen, so zweckmäßig, daß er die feindliche Avantgarde ohne bedeutenden Verlust zurückwies. Da der General Ströhl aber angewiesen war, sich, sobald er von einer bedeutend überlegenen Macht bedroht würde, nach Bononia zurückzuziehen, und sich auf die Vertheidigung der Uszacz zu beschränken, so befolgte er in der Nacht auf den 16ten diese Instruktion. Am letztern Tage traf auch der französische General Baron Corbineau mit seiner leichten Kavalleriebrigade in Bononia ein, und übernahm als älterer General das Kommando. An eben diesem Tage drückte der Feind die Vorposten bis an die zwischen Kemtscheleva und Polotzk stehende Kapelle zurück, setzte sich da fest, und griff am 18ten die um Polotzk angelegte gewordenen Verschanzungen mit größter Uebermacht an. Da der General Wrede den eine Stunde oberhalb Polotzk bey dem Schlosse Strudnia angelegten Brückenkopf zu vertheidigen übernommen hatte, so konnte vom bayerschen Armeekorps in der Hauptposition zu Polotzk nur noch die Redoute No. 1. und 2., in welchen 3 Batterien placirt wurden, mit der 1sten und 2ten Brigade der 3ten Division besetzt werden. Der Feind setzte seine Angriffe den Tag über auf allen Punkten mit Lebhaftigkeit fort, ward aber jedesmal mit großem Verlust zurückgewiesen. Gegen 4 Uhr Abends stürmten mehrere Kolonnen auf die Stadt und die Redouten No. 1. und. 2. Als eine derselben links auf den schwächsten Theil der Stadt zudrängte, ließ der General Wrede, welcher sich in der Redoute No. 2. befand, das Geschütz herausbringen, und auf einem Abhange so vortheilhaft aufführen, daß, indeß die Artillerie von No. 1. die feindliche Batterie, welche die stürmenden Massen unterstützte, zum Schweigen brachte, das in die dichten Kolonnen gerichtete Kartätschenfeuer das Feld mit Leichen und Verwundeten bedeckte. Gegen 6 Uhr Abends zog sich endlich der Feind in Unordnung und mit großem Verlust zurück. An diesem Tage wurde der Marschall, Graf St. Cyr, leicht verwundet. Am 19ten Morgens führte der Feind noch mehr Geschütz auf, und allarmirte den Tag über die Besatzung von Polotzk, während er den General Corbineau bey Bononia, und Abends den Brükkenkopf bey Strudnia angriff. Hier wurde er durch den Generalmajor Delamotte zurückgewiesen; bey Bononia gelang es aber seiner Uebermacht, vorzudringen, die Uszacz zu forciren, und er erreichte gegen 4 Uhr den Ausgang des hinter der Polotzker Vorstadt befindlichen Defilées. Nun war der Augenblick nahe, in welchem er Polotzk auch im Rücken umgehen konnte. Der Marschall, Graf St. Cyr, sendete sogleich vom 2ten Armeekorps Abtheilungen über die Düna, und übertrug dem General, Grafen Wrede, das Kommando über die auf dem linken Ufer dieses Flusses aufgestellten Truppen. Derselbe ließ ein Bataillon des 19ten französischen Linieninfanterieregiments den an einem Waldsaume aufgestellten feindlichen Posten mit dem Bajonnet eine halbe Stunde weit in das Defilée hineinwerfen. Da nun für die Sicherheit des Ganzen sehr viel daran gelegen war, den Feind wieder über die Uszacz zurückzudrängen, so beschloß der Marschall, Graf St. Cyr, denselben am folgenden Tage durch den General Wrede angreifen zu lassen.

Da das Resultat dieses Angriffs in seinen Folgen nicht vorausgesehen werden konnte, so beschloß der Marschall, während der Nacht die Verschanzungen von Polotzk, überhaupt das rechte Dünaufer zu verlassen, was auch mit großer Ordnung durch Rückbringung alles Geschützes und der Bagage vollzogen wurde. General Wrede theilte das zum Angriff bestimmte Korps in 3 Kolonnen, und befahl, bey der Forcirung des Defilées alles Feuern zu vermeiden, und bloß mit dem Bajonnet anzugreifen. Kaum war er mit der mittlern Kolonne im Begriff, sich am 20sten Oktober, um 4 Uhr Morgens, an das Tags vorher vorgerückte 19te französische Linienregiment anzuschließen, als der Feind selbst angriff. General Wrede ließ sogleich Sturmmarsch schlagen, und in weniger als 2 Stunden war er Meister des Defilées, welches 2½ Stunden lang ist, und von der feindlichen Avantgarde waren 2 Obersten, 1 Major, 25 Officiers und an 2000 Mann gefangen. Der Ueberrest wurde aus dem Defilée geworfen.

Kaum war so viel Raum gewonnen, daß eine leichte Batterie auffahren und spielen konnte, so zog sich der Feind zurück und nahm eine sehr vortheilhafte Stellung auf dem linken Ufer der Uszacz, hinter welcher er eine Batterie von 12 Kanonen aufführte. Als aber von der Höhe der Kapelle bey Bononia 3 Batterien das lebhafte feindliche Feuer erwiederten, setzte er seinen Rückzug mit größter Eile, Unordnung und Zurücklassung mehrerer Munitionswagen weiter fort. Hätte die linke Kolonne unter dem französischen General Amey zu rechter Zeit ankommen, und, der Disposition gemäß, nach erfolgtem Uebergange über die Uszacz dem Feinde in die linke Flanke operiren können, so würde dieser wahrscheinlich eine völlige Niederlage erlitten haben. Da aber diese Kolonne anzukommen verhindert war, so mußte sich General Wrede damit begnügen, die Kavallerie durch das Wasser und einen Theil der Infanterie auf Balken übersetzen zu lassen, den Feind bis Berdelowize zu verfolgen und dort Position zu fassen. Der Generalmajor Ströhl, welcher den Auftrag hatte, mit der rechten Flügelkolonne bis an die Ausmündung der Uszacz die Düna hinauf zu marschiren, und, war er vom Feinde antreffen würde, anzugreifen, hat 4 feindliche Officiere und 480 Soldaten als Gefangene eingeliefert. Der General der Kavallerie, Graf Wrede, war entschlossen, am 21sten den Feind bis an die Disna zu verfolgen, allein er erhielt vom Marschall Befehl, am 21sten bey Rudnia Position zu nehmen, und sämmtliche französische Truppen, die Kavallerie ausgenommen, nach Kleinpolotzk zurückzuschicken, indem der Feind Miene machte, eine Brücke auf das linke Dünaufer zu schlagen. Am 21sten, Mittags um 2 Uhr, bewerkstelligte der Feind wirklich seinen Uebergang, worauf General Wrede wieder über die Uszacz ging und sich nach Arekowka wendete, wo er am 22sten mit Tagesanbruch ankam. Gegen Abend wurde die Vorpostenkette vom Feinde angegriffen; die Brigade Corbineau wies denselben aber zurück. Am 23sten nahm er eine Stellung bey Babinitschi, wo den erhaltenen Befehlen gemäß am 24sten nur eine Avantgarde stehen blieb, das Armeekorps aber bey Goublitschi sich aufstellte. Die Umstände erlaubten nun nicht mehr, auf die Deckung der Depots, welche sich auf der Straße von Plissa befanden, Rücksicht zu nehmen. Da die Bespannung der Zwölfpfünderbatterie Weißhaupt in so üblen Umständen sich befand, daß sie den Bewegungen des Korps nicht mehr folgen konnte, so wurde sie mit einem Kaffewagen, in welchen man 22 Fahnen einpackte, indem sie im Gefechte bey dem so durchschnittenen Terrain, wodurch öfters die Auflösung der Bataillons in zerstreuten Linien waren, nebst den Bagagewagen des Hauptquartiers nach Uszacz zurückgesendet, um von da den weitern Bewegungen des Korps voranzugehen. Allein aller Vermuthung entgegen war Uszacz nicht mehr besetzt und die dortige Brücke abgebrochen, wodurch dieser Transport dem Feinde, welcher sich unvermuthet auf die Straße von Uszacz geworfen hatte, in die Hände fiel. Der Hauptmann Weißhaupt wehrte sich mit seiner Batterie den 24sten bis Nachmittags 2 Uhr, da er sich endlich ergeben mußte. Am 24sten griff der General Stengel die Vorposten bey Babinitschi an und drängte sie zurück. Die Avantgarde, aus der Brigade Corbineau und dem 7ten bayerschen Linien-Infanterieregimente bestehend, zog sich nach und nach auf die Hauptposition bey Goublitschi. Diese griff der Feind um 5 Uhr Abends ebenfalls an, ward aber durch das Artilleriefeuer zurückgeworfen; allein seine unverhältnißmäßige Ueberlegenheit bewog den Kommandirenden, sich Nachts um 12 Uhr über Zwonia nach Woron zu ziehen. Da er aber den Auftrag erhielt, die nach Wilna führende Straße zu decken, so rückte er am 25sten nach Povichnia, und traf nach sehr beschwerlichen Märschen am 30sten Oktober zu Danieowicze ein.

Der Verlust, welchen das königliche Korps an diesen Tagen erlitten hat, ist, wie folgt: Todt: 3 Officiers und 15 Soldaten. Verwundet: 14 Officiers und 126 Soldaten. Der Oberst des Artillerieregiments, Baron von Colonge, welcher, um sich von den am 18ten August empfangenen Wunden zu erholen, auf dem Rückwege nach Bayern begriffen war, wurde von den Kosaken gefangen; der Oberst des Generalstabes, Baron Comeau, so wie der Major von Douwe, von welchen Ersterm am 18ten August der Fuß durch eine Kugel zerschmettert, Letzterm aber am 18ten Oktober ein Bein abgeschossen und amputirt wurde, mußten mit andern Verwundeten und kranken Officieren als intransportabel in Polotzk zurückgelassen werden. Die in den Kassewagen eingepackten 22 Fahnen, welche, wenn sie nicht noch erreicht werden konnten, dem Feinde in die Hände fielen, kann derselbe nicht als eroberte Siegeszeichen betrachten, indem sie weder vertheidigt, noch durch ein Gefecht genommen wurden. Der nämliche Fall ist mit den vier Zwölfpfünderkanonen und den zwey Siebenpfünderhaubitzen. Die am Plissa zurückgelassenen Armatur- und Munitionsdepots wurden vor der Ankunft des Feindes zum größten Theil verbrannt, oder sonst vernichtet.


Bulletin der kaiserlich-russischen Armee.[]


Riga, den 14. Oktober. [3]

Der Herr Generallieutenant Graf Wittgenstein hat heute die erfreuliche Nachricht eines abermaligen Sieges über den Feind hier eingesandt.

Der Abmarsch des unter den Befehlen des Herrn Generallieutenants Grafen Steinheil stehenden Korps aus dieser Gegend hatte zum Zweck, in genauer Verbindung mit dem Korps des Grafen Wittgenstein zuförderst gegen die Hauptmacht des die Ufer der Düna bedrohenden Feindes zu operiren.

Nachdem das Korps des Generallieutenants Grafen Steinheil auf den verabredeten Punkte bei Druja eingetroffen war, nahmen die Operationen zum gemeinschaftlichen Angriff des vom feindlichen Marschall Gouvion St. Cyr befehligten Korps, welches diesseits der Düna um die Stadt Polozk aufgeworfenen Verschanzungen besetzt hielt, ihren Anfang. Der Graf Wittgenstein griff am 6ten Oktober den Feind diesseits der Düna bei dem Dorfe Jurrewitsch mit einem Theil seiner Truppen, und der Generallieutenant Jaschwil mit einer andern Abtheilung bei dem Dorfe Beleva an. Zu gleicher Zeit marschirte der Graf Steinheil mit seinem Korps von Dziesna aus, am linken Düna-Ufer, auf Polozk zu.

Die feindliche Avantgarde wurde bei dem Dorfe Jurrewitsch nach einem hartnäckigen blutigen Gefecht, welches von 6 Uhr Morgens bis zum späten Abend dauerte, geschlagen, und gezwungen, sich in die Verschanzungen um Polozk zurückzuziehen, wo sie unter dem heftigen Feuer, welches die dortigen Batterien gegen unsere Truppen eröffneten, ihren Schutz fand.

Am 7ten Oktober unternahm der Graf Wittgenstein anfangs nichts, um vorher den Erfolg der Operationen, die der Graf Steinheil jenseits der Düna ausführte, abzuwarten.

Der Graf Steinheil griff, nach seinem darüber hierselbst eingegangenen speciellen Bericht vom 10ten Oktober, an demselben Tage den Feind, der bei dem Dorfe Boloni in einer vortheilhaften Stellung am Ufer der Düna stand, an, warf ihn nach einem lebhaften Gefecht aus dieser Position, nahm 1 Obersten, 37 Offiziere und gegen 500 Gemeine gefangen, und verfolgte den Feind bis gegen 4 Werst von Polozk.

Als gegen Abend der Graf Wittgenstein von diesem Erfolg benachrichtigt ward, entschloß er sich sogleich, die Verschanzungen um Polozk mit stürmender Hand anzugreifen, welches an demselben Abend um 5 Uhr geschah. Die Verschanzungen wurden überall genommen, wobei das Gefecht des Grafen Steinheil, der einen großen Theil der feindlichen Macht auf sich gezogen hatte, sehr vortheilhaft mitwirkte.

Der Feind zog sich den 7ten Abends, nach dem Verlust seiner verschanzten Stellung, in die Stadt Polozk, die mit einer doppelten Reihe Pallisaden umgeben war, zurück, und unterhielt, sowohl von den Pallisaden als aus den Häusern, ein heftiges Flintenfeuer auf unsere Truppen.

Den 8ten Oktober gegen Tagesanbruch befahl der Graf Wittgenstein seiner Avantgarde, den Feind mit Kartätschenfeuer anzugreifen, und die Stadt von zwei Seiten zu stürmen. Die Truppen führten diesen Auftrag mit ihrer oft bewährten Tapferkeit aus, und um 3 Uhr Morgens war Polozk eingenommen.

Der Graf Wittgenstein befindet sich jetzt in dieser Stadt. Der Verlust des Feindes muß unendlich groß seyn, denn das ganze Schlachtfeld ist mit seinen Todten bedeckt gewesen, und nach Aussage der Einwohner hatten sie den ganzen Tag vorher ihre Verwundeten auf das jenseitige Düna-Ufer zurückgebracht. -- Auf unsrer Seite hat auch ein ansehnlicher Verlust, der von der stürmenden Einnahme hartnäckig vertheidigter Verschanzungen unzertrennlich ist, statt gehabt.

Der kommandirende feindliche Marschall Gouvion St. Cyr ist am Fuße verwundet. Gefangen sind: 2 Obersten, 43 Stabs- und Oberoffiziere und gegen 2000 Gemeine. Eine Kanone ist genommen, und in den Magazinen, zu deren Zerstörung dem Feinde keine Zeit gelassen ward, eine ansehnliche Quantität Brod vorgefunden.

Der Verlust des Feindes würde, nach der Ueberzeugung des Grafen Wittgenstein, noch weit beträchtlicher gewesen seyn, wenn es dem Grafen Steinheil gelungen wäre, gleichmäßig auf dem jenseitigen Ufer der Düna bis Polozk vorzudringen, woran aber derselbe 5 Werst von der Stadt von einer zahlreichen feindlichen Macht, die sich ihm entgegen geworfen hatte, verhindert ward.

Der Graf Wittgenstein beschäftigt sich jetzt mit Erbauung von Brücken über die Düna, und wird nach deren Beendigung den Fluß passiren und seine Operationen in Verbindung mit dem Grafen Steinheil fortsetzen. Die Haupt-Direktion desselben ist in Verfolgung des Feindes auf die wilnasche Straße nach Orechowo und Gleboko zu. Bei Dziesna werden sich beide Korps wieder vereinigen.

Generallieutenant Essen 1.


Bericht des Generallieutenants, Graf Steinhell.[]


Der Generallieutenant, Graf Steinhell, berichtet Sr. Kaiserl. Majestät, vom 9ten Oktober, aus der Stadt Disna, Folgendes: [4]

Der Sieg mit der Einnahme der stark befestigten Stadt Polotzk durch die Tapferkeit der von dem Generallieutenant, Grafen Wittgenstein, angeführten Truppen Ewr. Kaiserl. Majestät, giebt auch meinen Bewegungen das Recht, Theilhaber dieser Begebenheit zu seyn, wie aus der inliegenden Zuschrift desselben erhellt; denn nach dem allgemeinen Plane wirkte die starke Diversion, die das mir anvertraute Korps auf sich ziehen mußte, und die schnelle Bewegung sehr gut auf den Rücken der feindlichen Position auf dem rechten Ufer des Dünastroms. Ich ging auf dasselbe über den Strom bey Druja, und warf, ungeachtet aller Gefahren, mit denen die feindliche Macht von Macdonalds Korps mich bedrohte, durch die exemplarische Tapferkeit der russischen Truppen die starke feindliche Position bey dem Flusse Uschatsch am 7ten Oktober, und verfolgte den Feind, auf den Wunsch des Grafen Wittgenstein, bis 4 Werst vor Polotzk, zu eben derselben Zeit, als er die Stadt stürmte. Die ausserordentlich finstere Nacht hinderte, den Sieg zu verfolgen. Ohne die Getödteten und schwer Verwundeten bey dem Feinde zu rechnen, sind gefangen genommen: 1 Oberst, 37 Oberofficiere und bis 500 Gemeine und Unterofficiere.

Ich muß, für die Mitwirkung bey meinen Arbeiten, die mannhafte Tapferkeit und die weisen Verfügungen des Chefs über den Stab des Korps, Generalmajors Fock, besonders loben; übrigens kann ich, wegen Kürze der Zeit und wegen meiner zerrütteten Gesundheit, noch nicht über die Uebrigen, die sich ausgezeichnet haben, so wie auch über unsern Verlust berichten. Zur bessern Erklärung aller überwundenen Schwierigkeiten, fertige ich mit diesem allerunterthänigsten Bericht den Flügeladjutanten Ewr. Kaiserl. Majestät, Obersten Balabin, ab.


Zuschrift des Generals von der Kavallerie, Grafen Wittgenstein, an den Generallieutenant, Grafen Steinhell.

Ich habe die Ehre, Ewr, Erlaucht Glück zu wünschen zu der Einnahme der Stadt Polotzk, zu deren glücklichen Erfolg ich der Mitwirkung Ihres Korps viel zu verdanken habe. Morgen hoffe ich, werden wir uns in dieser Stadt sehen, und über Alles zu unsern weitern Operationen Rücksprache nehmen. Ich ersuche Ew. Erlaucht gehorsamst, dem Oberstlieutenant Bedräga zu befehlen, den Feind so viel wie möglich stärker zu verfolgen, denn meine Kavallerie wird, da die Brücken verdorben sind, nicht so schnell über die Düna gehen können. Diesen Augenblick stelle ich Geschütz auf den Wall um das Kloster, um den Feind zu schlagen, der sich in nicht großer Anzahl auf jener Seite befindet.


Bulletin der großen Armee.[]

Acht und zwanzigstes Bulletin.


Smolensk, den 11ten Nov. [5]

Nachdem General Wittgenstein durch die russische Division aus Finnland und einer großen Anzahl Milizen verstärkt worden war, griff er am 18ten Oct. den Marschall Gouvion St. Cyr an; er wurde von diesem Marschall und dem General Wrede zurückgeschlagen, welche ihm 3000 Gefangene abnahmen und das Schlachtfeld mit seinen Todten bedeckten.

Als am 20sten der Marschall Gouvion St. Cyr vernahm, daß der Marschall Herzog von Belluno mit dem 9ten Corps heranmarschire, um ihn zu verstärken, ging er demselben entgegen, um seine Vereinigung mit ihm zu bewerkstelligen, Wittgenstein zu schlagen und ihn wieder über die Düna zu treiben.

Der Marschall Gouvion St. Cyr legt seinen Truppen die größten Lobsprüche bey. Die Schweizerdivision hat sich durch ihre Kaltblütigkeit und Tapferkeit ausgezeichnet. Der Oberst Gueheneux vom 26sten leichten Infanterieregimente wurde verwundet. Den Marschall St. Cyr traf eine Kugel am Fuß. Der Marschall Herzog von Reggio hat ihn abgelöst und das Commando des 2ten Corps wieder übernommen.


Geschichte Napoleons und der großen Armee im Jahr 1812.[]


Philippe-Paul de Ségur [6]

Indessen der Überfall von Winkowo, dieser unerwartete Angriff Kutusows vor Moskau, war nur ein Funke von einem großen Brande gewesen; denn an dem nämlichen Tage, zu derselben Stunde, war ganz Rußland wieder zum Angriff übergegangen. Der allgemeine Plan der Russen hatte sich plötzlich entwickelt, und jeder Blick auf die Karte wurde Schrekken erregend.

Am 18ten Oktober, in demselben Augenblick, wo das Geschützfeuer von Kutusow die Trugbilder von Ruhe und Frieden, die Napoleon umgaukelten, zerstörte, war hundert Lieues hinter seinem linken Flügel Wittgenstein schnell gegen Polotzk vorgerückt, und hinter seinem rechten Flügel noch zwei hundert Lieues weiter, hatte Tschitschagoff seine Überlegenheit über Schwarzenberg benutzt, und beide, der eine, indem er von Norden herab, der andere, indem er von Süden heraufkam, hatten sich bemüht, sich in der Gegend von Borizof zu vereinigen.

Dies war derjenige Punkt auf unserem Rückzuge, der die meisten Schwierigkeiten darbot, und schon waren beide feindliche Armeen nahe heran, als noch zwölf Märsche, der Winter, der Hunger und die große russische Armee Napoleon davon trennten.

In Smolensk ahnete man nur die Gefahr, in der Minsk schwebe, allein Offiziere, die bei dem Verluste von Polotzk gegenwärtig gewesen waren, erzählten, während viele Zuhörer sich um sie drängten, die Sache genau und ausführlich.

Seit dem Gefecht vom 18ten August, demselben, wodurch St. Cyr Marschall wurde, war dieser General auf dem russischen Ufer der Düna Herr von Polotzk und eines vor demselben liegenden verschanzten Lagers geblieben. Dieses Lager zeigte, mit welcher Leichtigkeit die ganze Armee auf der Grenze Litthauens hätte den Winter zubringen können. Die von den Soldaten erbauten Baracken desselben waren geräumiger, als die russischen Bauerhäuser, und eben so warm; es waren schöne, wohl verschanzte Soldatendörfer, eben so gut gegen den Winter, als gegen den Feind geschützt.

Seit zwei Monaten hatten die beiden Armeen den Krieg gegenseitig nur durch Parteien geführt. Der Zweck, den die Franzosen im Auge hatten, war, sich im Lande auszubreiten, und sich Lebensmittel zu verschaffen, und der der Russen, sie ihnen zu entreißen. Dieser kleine Krieg war ganz zum Vortheil der Russen gewesen, da die Unsrigen weder das Land, noch die Sprache, ja sogar nicht einmal die Namen der Orte kannten, wohin sie sich wagten, und da sie endlich unablässig von den Bewohnern und selbst von ihren Boten verrathen wurden. Durch diese Verluste, durch Hunger und Krankheiten, waren die Kräfte St. Cyrs um die Hälfte geschmolzen, während durch eingetroffene Rekruten die von Wittgenstein um das doppelte gewachsen waren.

Gegen die Mitte des Oktobers belief sich die Stärke der russischen Armee auf diesem Punkte auf zwei und funfzigtausend Mann, während die der unsrigen nur siebzehntausend Mann betrug, in welche Zahl noch das sechste Korps oder die Baiern mit begriffen sind, die von zwei und zwanzigtausend auf achtzehnhundert Mann, und zweitausend Reiter, die damals entsendet, geschmolzen waren. St. Cyr, der ohne Fourage und über die Unternehmung des Feindes gegen seine Flanke beunruhigt war, hatte sie eben weit weg entsendet, um an dem linken Ufer des Flusses auf und ab zu marschiren, wobei sie zugleich ihren Unterhalt fanden, und ihm sichere Nachricht verschafften.

Denn St. Cyr besorgte, auf seinem rechten Flügel von Wittgenstein, und auf seinem linken Flügel von Steinheil umgangen zu werden, der mit zwei Divisionen von der Armee von Finnland, die vor kurzem in Riga angelangt waren, vorrückte.

Es giebt einen Brief dieses Marschalls an Macdonald, worin er ihn dringende auffordert, sich diesen Russen, die bei seiner Armee vorbei marschiren mußten, entgegen zu stellen, und ihm eine Verstärkung von funfzehntausend Mann zu senden, oder, wenn er nichts detaschiren wollte, mit dieser Verstärkung selbst zu kommen, und sein Kommando zu übernehmen. In demselben Briefe legte er noch Macdonald alle seine Pläne und Ansichten über den Angriff und die Vertheidigung vor. Allein Macdonald glaubte nicht, ohne Befehl eine so große Bewegung unternehmen zu dürfen. Er hatte kein Vertrauen auf York, gegen den er vielleicht einen Verdacht hegte, daß er den Russen habe seinen Belagerungs-Park überliefern wollen. Er erwiederte, daß er vor allem ihn zu vertheidigen bedacht seyn müsse, und blieb unbeweglich.

In dieser Lage wuchs der Muth der Russen von Tage zu Tage, und endlich wurden am 17ten Oktober die Vorposten von St. Cyr auf ihr Lager zurück geworfen, und Wittgenstein setzte sich in Besitz der Ausgänge der um Polotzk her liegenden Wälder. Er bedrohete uns mit einer Schlacht, die, wie er glaubte, man nicht anzunehmen wagen würde.

Der französische Marschall, ohne bestimmte Befehle von seinem Kaiser, hatte zu spät den Entschluß gefaßt, sich zu verschanzen. Seine Werke waren nicht so weit vollendet, als es nöthig war, um die Vertheidiger zu decken, sondern nur so viel, um ihnen zu zeigen, welche Stellung sie hartnäckig vertheidigen sollten. Ihr linker Flügel, der sich an die Düna lehnte, und durch Batterien, die auf dem linken Ufer des Flusses aufgestellt waren, vertheidigt wurde, war der stärkste, ihr rechter Flügel aber war schwach; die Polotta, die in die Düna fällt, trennte beide.

Wittgenstein ließ die am schwierigsten zugängliche Seite durch Yachtwil bedrohen, und er selbst erschien am 18ten der anderen gegenüber, anfangs mit unvorsichtiger Kühnheit, denn zwei französische Schwadronen, die einzigen, die St. Cyr bei sich behalten hatte, warfen die Spitze seiner Kolonne über den Haufen, und sollen ihn selbst ergriffen gehabt haben, jedoch ohne ihn zu erkennen, so daß sie diesen kommandirenden General als einen unbedeutenden Gefangenen zurück ließen, als die Übermacht sie zu weichen zwang.

Nun entwickelten sich die Russen, indem sie schnell aus ihren Wäldern vorrückten, vollständig, und griffen St. Cyr mit großer Heftigkeit an. Gleich beim Anfang des Feuers traf eine Gewehrkugel den Marschall, der aber nichts desto weniger mitten unter den Seinigen blieb, und da er sich nicht mehr aufrecht halten konnte, sich tragen ließ. Der heftige Angriff Wittgensteins gegen diesen Punkt währte so lange als der Tag. Sieben Mal wurden die Redouten, die Maisons vertheidigte, genommen und wieder genommen, sieben Mal glaubte sich Wittgenstein Sieger, endlich aber beugte St. Cyr seinen Muth. Le Grand und Maisons blieben, ganz mit russischem Blut gebadet, Herr ihrer Verschanzungen.

Allein während auf dem rechten Flügel alles gewonnen schien, schien auf dem linken Flügel alles verloren, die unbedachtsame Hitze der Schweitzer und Kroaten war die Ursach dieses Unfalls. Ihrem Wetteifer hatte bis dahin die Gelegenheit gefehlt, zu begierig aber, sich der großen Armee würdig zu zeigen, waren sie tollkühn. Nachlässig vor ihrer Position aufgestellt, um Yachtwil dorthin zu locken, stürzten sie, anstatt ihm ein zu seinem Verderben vorbereitetes Terrain zu überlassen, seinen Waffen entgegen, und wurden von der Überzahl erdrückt. Die französischen Kanoniere wurden, da sie nicht auf diese Verwirrung schießen konnten, nutzlos, und unsere Verbündeten wurden bis nach Polotzk hinein geworfen.

Nun entdeckten die Batterien auf dem linken Ufer der Düna den Feind, und konnten ihr Feuer eröffnen, allein anstatt ihn aufzuhalten, beschleunigten sie nur sein Vordringen, denn die Russen warfen sich, um sich unseren Schüssen zu entziehen, um desto eiliger in das Thal der Polotta, durch das sie im Begriff waren, in die Stadt einzudringen, als endlich drei Geschütze, die in aller Eile gegen die Spitze ihrer Kolonnen aufgestellt wurden, und ein letzter Versuch der Schweitzer sie zurück warf. Um fünf Uhr war alles vorüber, die Russen hatten sich von allen Seiten in ihre Wälder zurück gezogen, und vierzehntausend Mann hatten den Sieg über funfzigtausend Mann davon getragen.

Die Nacht verfloß ruhig, selbst für St. Cyr, denn seine Kavallerie täuschte ihn, indem sie bestimmt meldete, daß nichts vom Feinde, weder unterhalb noch oberhalb seiner Stellung, über die Düna gegangen wäre, welches unrichtig war, denn Steinheil hatte mit dreizehntausend Russen diesen Fluß bei Drissa überschritten, die nun an dem linken Ufer desselben aufwärts marschirten, um den Marschall in den Rücken zu nehmen, und ihn in Polotzk zwischen sich, der Düna und Wittgenstein einzuschließen.

Der anbrechende Tag am 19ten zeigte, wie dieser die Waffen ergriff, und alle seine Kräfte zu einem Angriff ordnete, zu dem er doch nicht den Muth zu haben schien, den Befehl zu geben. St. Cyr jedoch täuschte sich nicht über diesen Schein, er begriff sehr wohl, daß es seine schwachen Verschanzungen nicht seyn könnten, die einen kühnen und so starken Feind aufhielten, sondern daß ohne Zweifel er den Ausgang irgend eines Manövers, das Zeichen einer wichtigen Mitwirkung erwartete, und daß diese nur in seinem Rücken Statt haben könnte.

In der That langte gegen zehn Uhr Morgens ein Adjutant mit verhängten Zügeln von der anderen Seite des Flusses an, der meldete, daß ein andere feindliche Armee, die unter Steinheil, schnell an dem linken Ufer des Flusses aufwärts marschire und die französische Kavallerie vor sich her triebe. Er forderte schleunige Unterstützung, weil sonst diese neue Armee bald hinter dem Lager erscheinen und dasselbe einschließen würde. Zu gleicher Zeit verbreitete der Lärm dieses Gefechts Freude in den Reihen Wittgensteins und Schrekken in dem Lager der Franzosen.

Die Lage dieser letzteren wurde auf eine gräßliche Weise gefährlich. Man stelle sich diese Tapfern durch eine dreifach überlegene Macht auf eine von Holz erbaute Stadt zusammen, und mit dem Rücken gegen einen großen Fluß gedrängt, vor, wo sie keinen Rückzug hatten, als über eine Brücke, deren Ausgang wiederum durch eine andere Armee bedroht war.

Umsonst schwächte sich nun St. Cyr um drei Regimenter, die er, ohne daß es Wittgenstein bemerkte, abmarschiren ließ, um sie auf das andere Ufer, wo sie Steinheil aufhalten sollten, abzusenden.

Jeden Augenblick rückte der Donner des Geschützes desselben näher und näher an Polotzk, schon dreheten die Batterien, die von dem linken Ufer die Front des französischen Lagers bestrichen, sich seitwärts, und setzten sich gegen diesen neuen Feind in Bereitschaft. Bei diesem Anblick brach ein lautes Freudengeschrei auf der ganzen Linie von Wittgenstein aus, nichts destoweniger aber blieb dieser russische General noch unthätig. Um seiner Seits zu beginnen, genügte es ihm also nicht, Steinheil zu hören, er wollte ihn wirklich erscheinen sehen.

Während dem umgaben alle Generale St. Cyrs denselben in der höchsten Bestürzung, und drangen in ihn, einen Rückzug zu befehlen, der bald unmöglich werden würde. St. Cyr verweigerte dies, denn er fühlte wohl, daß die funfzigtausend Russen, die vor ihm unter den Waffen und wie zum Ausfall bereit standen, nur seine erste rückgängige Bewegung erwarteten, um sich auf ihn zu werfen, er blieb deshalb unbeweglich, ihre unbegreifliche Stockung benutzend, und noch in der Hoffnung, daß die Nacht Polotzk noch mit ihren Schatten einhüllen würde, ehe Steinheil erschiene.

Nachher hat man ihn sagen hören, daß niemals seine Seele in einer grössern Angst geschwebt habe. Tausend Mal in diesen drei Stunden des Wartens sah er nach der Uhr und blickte nach der Sonne, als ob er ihren Gang hätte beschleunigen können.

Endlich, als Steinheil nur noch eine halbe Stunde von Polotzk war, als nur noch unbedeutende Anstrengungen nöthig gewesen wären, um in der Ebene zu erscheinen, um die Brücke dieser Stadt zu erreichen und St. Cyr so den einzigen Ausweg zu verschließen, auf dem er Wittgenstein entkommen konnte, blieb er stehen. Bald fiel ein dichter Neben, der die Nacht um drei Stunden früher herbei führte, und die drei Armeen, jede dem Auge der anderen entzog; die Franzosen nahmen diesen wie eine besondere Gunst des Himmels auf.

St. Cyr hatte nur diesen Augenblick erwartet. Schon zog seine zahlreiche Artillerie ganz still über den Fluß, seine Divisionen sollten ihr folgen, ohne daß ihr Rückzug bemerkt würde, als Le Grand, entweder aus Gewohnheit oder aus Verdruß dem Feinde sein Lager ganz unversehrt überlassen zu sollen, dasselbe anstecken ließ. Die beiden anderen glaubten, daß dies ein verabredetes Signal sei, und in einem Augenblick stand die ganze Linie in Flammen. ---Dieser Brand verrieth ihre Bewegung, sogleich brachen alle Batterien Wittgensteins los, seine Kolonnen stürzten sich vorwärts, seine Granaten zündeten in der Stadt, und die Flammen mußten Fuß vor Fuß vertheidigt werden, wie am hellen Tage, da der Brand zu dem Gefecht leuchtete. Dem ungeachtet geschah der Rückzug in guter Ordnung, doch von beiden Seiten floß viel Blut, und der russische Adler nahm nur erst am 20sten Oktober, Morgens um drei Uhr, wieder Besitz von Polotzk.

Das Glück wollte, daß Steinheil ganz ruhig bei dem Lärm dieses Gefechts schlief, obgleich er sogar das wilde Geschrei der russischen Milizen hören konnte, und er unterstützte den Angriff Wittgenstein nicht mehr, als dieser den vorigen Tag über den seinigen unterstützt hatte. Nur erst als Wittgenstein auf dem rechten Ufer das Gefecht beendigt hatte, als die Brücke von Polotzk abgebrochen war, kurz, als St. Cyr mit seiner ganzen Kraft auf dem linken Ufer stand, und dort nun eben so stark war, als Steinheil, fing dieser General an, sich in Bewegung zu setzen. Allein Wrede und sechstausend Franzosen überraschten ihn in seiner ersten Bewegung, trieben ihn mehrere Lieues in den Wäldern, aus denen er vorrücken wollte, vor sich her, und fügten ihm einen Verlust von zweitausend Mann an Gefangenen und Todten zu.


Diese drei Tage waren glorreich gewesen, denn der Angriff Wittgensteins war abgewiesen, Steinheil geschlagen und zehntausend Russen und sechs Generale Todt oder außer Gefecht, allein St. Cyr war verwundet, die Offensive verloren, der Stolz, die Freude, der Ueberfluß in dem feindlichen Lager, und Traurigkeit und Mangel in dem unsrigen; man war auf dem Rückzuge. Die Armee mußte einen Oberbefehlshaber haben, Wrede verlangte es zu seyn, allein die französischen Generale verweigerten sogar, mit diesem Baiern, nach genommener Verabredung, in Uebereinstimmung zu handeln, indem sie als Grund dafür seine Sinnesart anführten, und der Meinung waren, daß jede Verständigung mit ihm ganz unmöglich sei, und so trafen ihre Ansprüche hart auf einander. St. Cyr, obgleich unfähig zum Dienst, war so doch in der Nothwendigkeit, die Oberleitung über beide Korps zu behalten.

Der Marschall befahl nun den Rückzug gegen Smoliany, auf allen dorthin nur möglichen Wegen. Er selbst blieb in der Mitte und richtete den Marsch seiner verschiedenen Kolonnen, den einen nach dem der anderen ein. Dies war ein, dem von Napoleon befolgten, ganz verschiedenes Rückzugssystem.


Zeitungsnachrichten.[]

[1812]

Königsberg, den 1sten November. [7]

Wir eilen, dem Publiko die Nachrichten mitzutheilen, die wir von den Ufern der Düna erhalten.

Da die feindlichen aus Finnland gekommenen Divisionen zu dem Grafen von Wittgenstein gestoßen waren, so glaubte er sich im Stande, die französischen Truppen zu beunruhigen, und entschloß sich, sie unter den Mauern von Polotsk anzugreifen.

Der Herr Marschall St. Cyr begab sich nach diesem Punkt, und hielt daselbst mit einem Theil seines Korps alle Anstrengungen des Korps von Wittgenstein ab. Man schlug sich mit gleicher Erbitterung von beyden Seiten am 18ten und 19ten.

Da der Feind darauf versuchte, über die Düna zu gehen, so fiel er in die Kolonne des Generals Wrede, der mit den Bayern herbeyeilte.

Der 20sten war für die Russen nicht weniger verderblich.

In diesen beyden Affären verließen sie die beyden Schlachtfelder mit Todten bedeckt, und in dem Augenblick, wie der Kourier abging, hatte man schon 1800 Gefangne eingebracht, worunter viele Officiers, und unter andern ein Kapitän eines englischen Linienschiffs, der Oberst in russischen Diensten geworben.

Man erwartet weitere Nachrichten von dem Korps von Wittgenstein, welches auf seinem Rückzuge auf das 9te französische Korps unter dem Herzog von Belluno, gestoßen seyn wird, der sich nach den letzten Nachrichten in der Flanke des Feindes befand.


Berlin, den 7ten November. [8]

Ein Schreiben aus Wilna vom 29sten Oktober enthält folgende Neuigkeiten von der großen Armee: Das russische Korps der finnländischen Division hat die Position bey Polotsk angegriffen. Der Marschall St. Cyr trieb sie am 18ten und 19ten lebhaft zurück, und am 20ste schlug sie General Wrede ebenfalls. Man hat 1800 Gefangene gemacht, eine Menge Officiere, worunter ein englischer Seeofficier, Namens Willougby, der als Oberster in russische Dienste getreten ist. -- Nach diesen Vorgängen ist das 9te Korps, unter dem Kommando des Marschalls, Herzog von Belluno, angekommen, und manöuvrirt in der Flanke des Feindes.


Quellen.[]

  1. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 294 Sonnabend, den 7/19. December 1812.
  2. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 287 Freytag, den 29. November/11. December 1812.
  3. Rigasche Zeitung. Nr. 85. Freitag, den 18ten Oktober, 1812.
  4. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 314. Dienstag, den 31. December 1812.
  5. Leipziger Zeitung Nr. 241. Dienstags den 8. December 1812.
  6. Geschichte Napoleons und der großen Armee im Jahr 1812 von dem General, Grafen von Segür. Aus dem Französischen. Berlin und Posen, bei Ernst Siegfried Mittler. 1825.
  7. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 274 Donnerstag, den 14. /26. November 1812.
  8. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 270 Sonnabend, den 9. /21. November 1812.
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